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ADB:Mallinckrodt, Hermann von

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Artikel „Mallinckrodt, Hermann von“ von Franz Hülskamp in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 143–145, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mallinckrodt,_Hermann_von&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 16:45 Uhr UTC)
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Mallinckrodt: Hermann v. M., hervorragender Parlamentarier, geb. zu Minden am 5. Febr. 1821, † zu Berlin am 26. Mai 1874.– Mallinckrodt’s Vater, Besitzer des Rittergutes Böddeken bei Paderborn, war bei Hermanns Geburt Regierungs-Vicepräsident zu Minden, wurde aber schon 1823 in gleicher [144] Eigenschaft nach Aachen versetzt, wo M. in Folge dessen seine Gymnasialstudien machte. Der Vater war Protestant, die Mutter, geb. Bernardine v. Hartmann, katholisch; die Kinder, darunter der Majoratserbe Georg v. M. und die spätere Stifterin und Generaloberin des Ordens der „Schwestern der christlichen Liebe“ Pauline v. M., folgten der Confession der Mutter. 1838 konnte M., siebzehnjährig, die Universität Berlin beziehen, zwei Jahre später ging er nach Bonn. 1841 Auscultator geworden, arbeitete er zunächst beim Stadt- resp. Oberlandesgerichte in Paderborn, dann als Regierungsreferendar in Münster und Erfurt. Seit dem 16. Juli 1849 Regierungsassessor, fungirte er als solcher zwei Jahre in Minden, zwei in Erfurt, zwei in Stralsund und vier in Frankfurt a. d. O. In Erfurt versah er 1851 zugleich zeitweilig den Posten eines commissarischen ersten Bürgermeisters, und zwar in so ausgezeichneter Weise, daß ihm das Ehrenbürgerrecht der Stadt zuerkannt wurde. Im August 1859, noch als Assessor, vom Grafen Schwerin als Hülfsarbeiter in das Ministerium des Innern berufen und hier insbesondere mit den Vorarbeiten für die projectirten neuen Kreis- und Gemeindeordnungen, sowie mit der Ausarbeitung und parlamentarischen Vertretung des am 27. Juni 1860 emanirten Gesetzes betreffend die Feststellung der Wahlbezirke für das Haus der Abgeordneten betraut, wurde M. am 29. Mai 1860 zum Regierungsrath ernannt, am 23. August 1860 mit Freiin Else v. Bernhard aus München, Erbin des Gutes Mittenheim, vermählt, und am 1. October 1860 auf seinen Wunsch an die Regierung zu Düsseldorf versetzt. Hier blieb er sieben Jahre, bis er 1867 ohne und gegen sein Wünschen „im Interesse des Dienstes“ nach Merseburg versetzt wurde, worauf er im Frühjahr 1872 seine Pensionirung nachsuchte und erhielt. Kurz vorher hatte er das unmittelbar bei Böddeken belegene Rittergut Nordborchen als Eigenthum erworben und zum Wohnsitz auserkoren. Mallinckrodt’s Hauptthätigkeit hatte inzwischen schon lange nicht mehr den Regierungsgeschäften, sondern dem parlamentarischen Leben gegolten. Schon 1852 war er von einem Wahlkreise seiner westfälischen Heimath in das preußische Abgeordnetenhaus als Vertreter gewählt, und er blieb dies über elf Jahre, bis er im Spätherbst 1863, wo die Wogen des Liberalismus in der „Conflictszeit“ sogar das urconservative Münsterland überflutheten, des Mandates verlustig ging. Aber schon 1867 wurde er in den constituirenden Reichstag des Norddeutschen Bundes, 1868 auch wieder in den Landtag gewählt, und seitdem gehörte er dem deutschen Reichstage wie dem preußischen Abgeordnetenhause bis an sein Lebensende an. 1852 war M. alsbald der neu formirten „katholischen Fraction“ des Abgeordnetenhauses beigetreten, die sich später „Fraction des Centrums“ nannte und unter hervorragender Betheiligung von Otto, Osterrath, Rohden u. A. besonders von den Gebrüdern Reichensperger geleitet wurde. Von 1867–70 war M. die Seele jener kleinen Gruppe, welche sich als „bundesstaatlich-constitutionelle Vereinigung“ bezeichnete. Seit 1870 stand er in beiden Häusern an der Spitze der neugebildeten und im „Culturkampfe“ von Jahr zu Jahr mächtiger gewordenen Centrums-Fraction. In die Führung theilte er sich anfangs mit August und Peter Reichensperger, seit 1872 auch mit dem der Fraction neu beigetretenen Abgeordneten Windthorst. Seitdem es Parlamente giebt, hat es nicht viele Parlamentarier gegeben wie M. Es trafen hier zusammen: eine markante, achtunggebietende Erscheinung, ein makelloses Leben, die tiefste Ueberzeugungstreue, ein völlig selbstloses Einsetzen und Hinopfern des ganzen Ich für eine als heilig erkannte Sache, souveräne Beherrschung des Stoffes, absolute Klarheit der Grundsätze und deshalb auch der Rede, dazu eine Macht des Wortes, die zwar nach dem Ausdrucke oft genug rang und nie redselig wurde, aber aus einem übervollen Herzen quoll, darum zuletzt auch stets den besten Ausdruck fand und in ihrer Wärme, Wucht und [145] Klarheit mit hinreißender Kraft wirkte. Früh gereift und durch und durch ernst, hieß M. schon in jugendlichem Alter der „Cato“ seiner Fraction. Die Gabe, einer schweren Sache die leichten, einer ernsten die heitern Seiten abzugewinnen, die Schärfe der Gegensätze gelegentlich durch gefälligen Humor zu mildern, war ihm nicht beschieden. Er mußte überall, durch Nebendinge unbehindert, den wuchtigen Kern ins Auge fassen und für diesen Kern vertheidigend oder angreifend, rettend oder vernichtend, sein ganzes Können einsetzen. Sein streng conservativer Sinn war durch die Ereignisse des J. 1866 tief verletzt, sein warm katholisches Herz durch die Vorgänge seit 1870 noch schwerer verwundet. Mit der Schwierigkeit der Situation und ihrer Aufgaben wuchs aber seine Kraft; und wenn er schon im J. 1852, eben dreißigjährig, ein fleißiger, ernst-gereifter, gern gehörter Redner gewesen war, so erklomm er die Höhe seiner Redekraft doch erst im „Culturkampfe“, der ihn ganz in Anspruch nahm und schließlich seine Körperkraft auch aufrieb. Noch am 19. Mai 1874, zwei Tage vor dem Schlusse einer langen und überaus erregten Landtagssession, hatte er eine seiner flammendsten Reden gehalten. Tags darauf erkrankte er, das anfangs leichte Unwohlsein steigerte sich bald zu einer heftigen Rippenfell- und Lungen-Entzündung, und am 26. Mai war er eine Leiche. Die plötzliche Todesnachricht rief bei den Gegnern allgemeine Theilnahme, bei den Gesinnungsgenossen im In- und Auslande die schmerzlichste Bestürzung hervor. Die Organe aller Parteien widmeten dem edlen Todten die achtungsvollsten, ehrendsten Nachrufe; und bei den Katholiken gestalteten sich Todtenklage und Trauerfeier aller Orten so spontan, feierlich und allgemein, daß man wohl sagen darf: seit Daniel O’Connell war Niemand so betrauert worden. Und das mit Recht. – M. hinterließ fünf Kinder und eine ihm erst drei Monate vorher angetraute Gattin: Thekla Freiin von Bernhard, eine Halbschwester seiner ihm am 9. Septbr. 1872 durch den Tod entrissenen Else.

Mertens, Die Todtenklage um Herm. v. Mallinckrodt (Paderborn 1880). – Germania 1874, Nr. 133. – Kölnische Volkszeitung 1874, Nr. 169 u. 170. – Münchner Volksfreund 1874, Nr. 120–122.