[CITATION][C] Vom Schwein und anderen Querschnittsmaterien in der Union
MT Tinnefeld - 2018 - Springer
MT Tinnefeld
2018•SpringerLiebe Leserinen und Leser, Robert Menasse, ein subtiler Kenner der Strukturen in der EU,
beginnt seinen neuen Roman, Die Hauptstadt (2017), mit einem Schwein, das durch
Brüssel galoppiert. Bei dieser Szene bleibt es nicht. Menasse beleuchtet im Windschatten
des Schweins und nationaler Schweineproduktion Strukturen grotesker
Kompetenzstreitigkeiten in Brüssel. Leicht süffisant beschreibt er das Schwein als
„Querschnittsmaterie “, für die im Feld des Binnenmarktes für Landwirtschaft und ländliche …
beginnt seinen neuen Roman, Die Hauptstadt (2017), mit einem Schwein, das durch
Brüssel galoppiert. Bei dieser Szene bleibt es nicht. Menasse beleuchtet im Windschatten
des Schweins und nationaler Schweineproduktion Strukturen grotesker
Kompetenzstreitigkeiten in Brüssel. Leicht süffisant beschreibt er das Schwein als
„Querschnittsmaterie “, für die im Feld des Binnenmarktes für Landwirtschaft und ländliche …
Liebe Leserinen und Leser, Robert Menasse, ein subtiler Kenner der Strukturen in der EU, beginnt seinen neuen Roman, Die Hauptstadt (2017), mit einem Schwein, das durch Brüssel galoppiert. Bei dieser Szene bleibt es nicht. Menasse beleuchtet im Windschatten des Schweins und nationaler Schweineproduktion Strukturen grotesker Kompetenzstreitigkeiten in Brüssel. Leicht süffisant beschreibt er das Schwein als „Querschnittsmaterie “, für die im Feld des Binnenmarktes für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung mehrere Generaldirektionen (DG) zuständig seien: die DG AGRI für das lebende Schwein im Stall, die DG GROW für das geschlachtete Schwein als processed agricultural good sowie die DG Trade für das im Container reisende Schwein außerhalb der EU. Die Folge ist ein Spiel eigennütziger nationaler Interessen im Dunkel der Kompetenzprobleme, in dem sich die EU-Mitgliedstaaten auseinander dividieren. Und das sieht so aus: Da der Drittstaat China seinen Markt für Schweineproduktion geöffnet hat, lösen die Akteure das Kompetenzproblem kleinteilig, jeder verhandelt allein für sich mit China. Durch die Konkurrenz der europäischen Staaten untereinander kommt es zu einem noch größeren Preisverfall im Binnenmarkt wie auch im Außenhandel, kein Staat kann allein die große Nachfrage bedienen, weil ja gleichzeitig die nationalen Schweinebauern zum Aufgeben gedrängt werden usw.(Menasse, S. 128 f.). Die Versuchung mag groß sein, die zersplitterten EU-Kompetenzen in das bürokratische Kabinett europäischer Skurrilitäten aufzunehmen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die EU kein Referenzrahmen als Mittel zur Durchsetzung von Eigennutz sein darf. Die europäische Idee beruht auf dem Konzept eines Gemeinschaftsrechts und eines solidarischen Miteinanders (Art. 2 S. 2 EUV). Die wertebezogene Union (Art. 7 EUV) steht der Verfolgung nationaler Eigenläufe entgegen. In genau dieser Situation gewinnen die aktuellen Regelungen zum europäischen Datenschutz, der vielfach als Handelshindernis, nationaler Wettbewerbsnachteil usw. apostrophiert wurde, eine besondere Bedeutung. Denn die EU hat für die Querschnittsmaterie Datenschutz endlich zu einer grundrechtsadäquaten Fortentwicklung in Form einer Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gefunden hat, die im Mai 2018 in allen Mitgliedstaaten rechtswirksam wird. 1 Sie dient der Harmonisierung des Datenschutzes in den Mitgliedstaaten. Allerdings hält sie den Mitgliedstaaten in einzelnen Sektoren Gestaltungsmöglichkeiten offen. Das ist eine große Herausforderung für die nationalen Gesetzgeber. Sind dadurch Mängel des Verständnisses grundlegender europäischer Datenschutznormen etwa bei der nationalen Regelung des Beschäftigtendatenschutzes oder der Medien zu befürchten? Jenseits der Öffnungsklauseln ist die Grundverordnung dagegen unmittelbar anwendbar. Sie ist also ohne Umsetzung wirksam. Ist auch eine nur teilweise Übernahme der Vorschriften zulässig, wenn sie zur Verständlichkeit erforderlich wäre? Am Ende dieser kleinen Surf-Tour zwischen Unionsrecht und nationalem Recht zeichnet sich ein System wechselseitiger Rollen ab, die zu hinterfragen sind. Menasse, der lange in Brüssel lebte, zeigt überspitzt das „Law of the Jungle “, in dem das prätendierte Recht des stärkeren Akteurs–hier China–obsiegt. Kontext-relativ angelegte Kompetenzen der Union machen dies in einer globalen Welt möglich. Unter dem Aspekt kontext-sensitiver Einordnung des Unionsrechts als höherrangig zeigt sich dagegen im Feld des Datenschutzes, dass Europa in ein Land des gemeinschafts-und wertebezogenen Rechts und …
Springer
Showing the best result for this search. See all results