

Der legendäre Donautrip
Othmar Pruckner in Falter 24/2024 vom 2024-06-14 (S. 12)
Touristenhorden! Alles flach! Donaukitsch! Warnungen gib es viele, aber gleich zur Beruhigung: Stimmt alles nicht. Die Fahrt an der österreichischen Donau ist ebenso beschaulich wie erfüllend, für Radreise-Profis ebenso wie für Neulinge im Radsattel.
Der Startschuss fällt im deutschen Passau, am "Dreiflüsseeck". Also dort, wo der Inn von Süden in die Donau mündet und sich von Norden her die Ilz der Donau ergibt. Hier muss man einfach her, ebenso wie man durch die Altstadt mit ihren mächtigen Bürgerhäusern, engen Gassen und prominenten Uferkais spazieren sollte, bevor man die Stadt dann über die Luitpoldbrücke verlässt.
Die Stadtausfahrt über das Nordufer ist die bessere Variante, weil: durchgängig Radweg. Bald erreicht man die Grenze zu Österreich; schön und schnell geht's am Ufer entlang, doch Vorsicht ist geboten: Im Oktober stellen die beiden Fähren bei Schlögen ihre Dienste ein. Was insofern ein Problem ist, weil es an diesem Ufer, in der berühmten Schlögener Schlinge, ebenso wenig einen befahrbaren Weg gibt wie etwas weiter flussabwärts, in Untermühl. Man setzt also zwingend ans rechte Ufer über; wer "off season" unterwegs ist, muss -es sei nochmals betont - gleich ab Passau rechts fahren. Abgesehen von diesen Feinheiten ist die doppelte 180-Grad-Biege der Schlögener Schlinge eine auto-und siedlungsfreie, unerwartet einsame Idylle.
Auf einen Strudel im Strudengau Ab Aschach ist man wieder zurück in der Zivilisation, viele Linzer Renn-,Spazierund auch Elektroradlerinnen sind nun mit am Radweg, auch schön! In Ottensheim sollte man übers Kraftwerk oder mit der Rollfähre wieder ans Nordufer wechseln, es ist die bessere Route nach Linz, das man über Linz-Urfahr und die Nibelungenbrücke erreicht. Linz! Die Heimat von Stahl und Chemie, von Lask und Blauweiß, von Klangwolke und Linzer Sinfonie ist, 100 Kilometer nach Passau, als Etappenort unvermeidlich. Ars Electronica Center, Lentos Museum, Linzer Auge, Linzer Torte. In Linz beginnt's!
Zweiter Tag. Ein letzter Blick hinauf auf den Pöstlingberg. Wieder hinüber ans Urfahraner Ufer, dort schwenkt man sofort auf den Donauradweg ein. Man sieht: Die Stahl-Welt der Voest, Frachtkähne, Auwaldreste, Wiesen. Wenn man in Mauthausen nicht nur Kaffee trinken, sondern die drei Kilometer nordwestlich gelegene KZ-Gedenkstätte besuchen will, muss man sich dafür ausgiebig Zeit nehmen, im Schnellverfahren geht das gar nicht.
Weiter, weiter, immer am Damm. Man bekommt einen ersten Eindruck von Weite, von Breite, von der Mächtigkeit des Wassers und gelangt, nachdem das Tal wieder enger geworden ist, bald nach Grein, dem Hauptort des Strudengaus. Nicht des Strudelgaus, wie eine Schweizer Fernradlerin so nett formuliert. Der schöne Ort lebte einst von Donauhandel und Lotsenwirtschaft, heute von durchreisenden Radlerinnen und Radlern. Das Rokokotheater im alten Rathaus ist ebenso klein wie großartig. Anschauen, dafür muss Zeit sein!
Wachau, Wachau, du Träumerin Tag drei: Von Grein setzt man wieder einmal mit der Fähre ans andere Ufer über, denn nur die rechte Route, die Südroute hinunter zum 1957 errichteten Kraftwerk Ybbs-Persenbeug, ist weitgehend autofrei. Über Pöchlarn mit dem Geburtshaus von Oskar Kokoschka geht's schließlich direttissima nach Melk. Es ist der imposanteste Anblick überhaupt: das Stift! Rund um das barocke Gesamtkunstwerk Jakob Prandtauers wurlt es nur so von Ausflüglern. Drinnen, am Hauptplatz des kleinen Orts, ist es eindeutig viel ruhiger als draußen am Kreuzfahrer-Ufer.
Jetzt aber: Wachau. Die Empfehlung ist, vorerst am Südufer zu bleiben und erst später mit der Rollfähre nach Spitz zu wechseln. Von wo man dann weiter auf schmalem Radweg und durch kleine Orte nach Weißenkirchen und ins stets volle Dürnstein rollt. Weinterrassen und Weingüter, Wehrkirchen, Ruinen, Marillengärten und die Doppelstadt Krems-Stein -wer vom wunderbaren Wachauer Landschaftstheater nicht genug kriegen kann, fährt mit dem Schiff oder der Wachaubahn nochmals zurück nach Spitz und radelt ein zweites Mal donauabwärts, jetzt allerdings am anderen Ufer.
Tag vier: Wir radeln von Krems durchs Tullner Feld, wechseln spätestens beim Kraftwerk Altenwörth ans Südufer, pausieren beim niemals in Betrieb gegangenen AKW Zwentendorf und fahren schließlich die belebte Donaupromenade der "Gartenstadt" Tulln entlang. Klosterneuburg ist ein letzter Höhepunkt am rechten Donauufer, bevor man über den Donaukanal-Radweg mitten hinein in die Wiener City, direkt bis zum Schwedenplatz, gelangt - ohne Ampel und Kreuzung, dafür aber mit hoher Radler-,Läufer-,Spaziergänger-und Hundedichte.
Wien -Bratislava, ein Heimspiel
Tag fünf unserer Radreise. Bratislava ist von Wien nur 80 Kilometer entfernt und insofern: ein Klacks. Man verlässt die Stadt am Nordufer, kreuzt durch die Öltanks der Lobau und ist auch schon am Hubertusdamm, einer schnürlgeraden, 30 Kilometer langen Schneise durch die Hainburger Au. Die Empfehlung ist, ab Stopfenreuth die Nordroute nach Bratislava zu wählen: Man passiert Schloss Hof, das barocke Landschloss des Prinzen Eugen. What a sight!
Hinüber über die elegant geschwungene Radfahrer-Marchbrücke führt der Radweg über Devínska Nová Ves und Devín zur Mündung der March. Man spürt bereits die Nähe der slowakischen Hauptstadt, fährt einen Altarm entlang, meistert mit Bravour einen Slalomkurs durch Schrebergärten und steht dann unvermittelt auf der Donaupromenade von Bratislava.Die schöne Altstadt erschließt sich quasi von alleine; Belohnungsmöglichkeiten für die erfolgreich beendete Reise finden sich hier in großer Zahl. Super war's.
Und nächstes Jahr? Fahren wir dann bis hinunter zum Schwarzen Meer. Warum nicht? Alles ist möglich!