Mit der zunächst kostenlosen ersten Episode des Sci-Fi-Endzeit-Adventures 'The Silent Age' (iOS, Android), machte das dänische Studio House on Fire 2013 erstmals auf sich aufmerksam. Eine Geschichte rund um einen gewöhnlichen Menschen, der wie aus heiterem Himmel, in ein wildes Zeitreise-Drama hineingerät. Das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel. Im Oktober 2014 wurde 'The Silent Age' schließlich vollendet, wobei die zweite Hälfte kostenpflichtig ist. Wie dieses Werk uns in seiner Gesamtheit gefällt, das verraten wir Euch jetzt im Test. Zunächst befassen wir uns mit der ersten Episode. Im letzten Abschnitt wird der zweite und letzte Teil unter die Lupe genommen.
von Matthias Glanznig 26.10.14
26.10.14
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The Silent Age
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Am Ende eines geregelten Lebens
Viele Menschen setzten sich in den 60ern und 70ern für gesellschaftliche und politische Veränderungen ein. Mit Revolution und Widerstand hat unser Protagonist Joe Average jedoch wenig am Hut. Vielmehr steht er - wie sein Name deutlich auszudrücken vermag - für den braven Durchschnittsbürger, der brav tut, was von ihm verlangt wird. Unauffällig sorgt der Hausmeister tagtäglich für glänzenden Boden in einem ansonsten kalten Regierungsgebäude. Bestimmt kein aufregendes Leben, doch immerhin wohl geregelt. Eines schönen Tages im Jahr 1972, wird er wie aus heiterem Himmel befördert. Freude will darüber nicht recht aufkommen und so ganz versteht er die Entscheidung von Oben nicht. Hätte er nur im Ansatz erahnen können, was auf ihn zukommt, die innere Ruhe wäre ihm mit einem Schlag von ihm gewichen...
Die Zukunft in den Händen eines Durchschnittsbürgers
Seine neuen Befugnisse verschaffen dem Hausmeister Zugang zu einem für ihn unbekannten Bereich im Gebäude. Dort ist etwas Schreckliches vorgefallen und er ist zur falschen Zeit am falschen Ort: Vor seinen Augen stirbt ein seltsamer Fremder. Vor seinem Abgang verlangt er von Joe, ihn in der Gegenwart aufzusuchen. Er sei ein Zeitreisender aus der Zukunft und wollte ein schreckliches Ereignis verhindern. So ganz will unsere Hauptfigur diese verrückte Geschichte nicht glauben, doch trägt der Verstorbene eine seltsame Kugel bei sich, die sich bald als waschechte Zeitmaschine entpuppt und den unscheinbaren Hausmeister in das Jahr 2012 befördert. In dieser Zeit eröffnet sich Joe ein mehr als gespenstisches Szenario... menschenleere Gebäude, die von Pflanzen schon vor vielen Jahren überwuchert wurden und verweste Leichen schmücken die trostlose Umgebung. Die gewaltige Katastrophe begann offenbar nicht lange nach seiner Beförderung.
1972 - 2012
Episode eins von 'The Silent Age' zeichnet sich durch den recht ansprechend erzählten Anfang einer erwachsenen SciFi-Endzeit-Geschichte aus. Einerseits ist die Handlung offen und klar auf eine Fortsetzung ausgerichtet, zugleich verzichtet House on Fire auf einen üblen Cliffhanger - wohl auch deshalb, weil hinter der Finanzierung lange ein Fragezeichen stand. Das Ende macht neugierig, ohne das Gefühl zu vermitteln, komplett in der Luft zu hängen. Abgesehen von Joe Average mangelt es dem Geschehen bislang an nennenswerten Charakteren und so erwartet uns gerade in der ersten Hälfte ein recht einsamer Trip, was aber zum Thema passt. Nebst typischer Point-and-Click-Kost, prägt der Wechsel zwischen beiden Zeitebenen das Gameplay: Ist eine Türe im Jahr 1972 zum Beispiel verschlossen, muss sie das im Jahr 2012 nicht zwangsläufig sein und so arbeiten wir uns voran...
Die Suche nach dem Aus- und Eingang...
Der spielerische Ansatz ist sehr vielversprechend, doch leider ist die Ausführung sehr konventionell geraten. Selten geht es beispielsweise darum, in der Vergangenheit eine Aktion zu setzen, in der Hoffnung, dass diese Jahre später Früchte trägt. Meist werden beide Zeitebenen lediglich wie unterschiedliche Schauplätze gehandhabt, die wir eben wie gewohnt nach relevanten Gegenständen abklappern. Komplexe Gedankengänge sind bei 'The Silent Age' selten gefragt. An ein, zwei Stellen kann die Lösung dennoch längeres Grübeln erfordern. Bei den meisten Aufgaben geht es allerdings primär darum, einen Ort zu betreten oder zu verlassen, wobei naturgemäß irgendeine Tür verschlossen ist. Viel Zeit verbringen wir deshalb damit, nach Schlüsseln, Werkzeugen und sonstigen Gegenständen zum Öffnen von Türen zu suchen. Einen Tick kreativer hätten die Macher hier schon sein können. Noch dazu ist das Rätseldesign in manchen Situationen nicht sonderlich elegant gelungen: Jeder gefundene Gegenstand ist nämlich nur einmal benutzbar, obwohl man einige Objekte durchaus anderwertig einsetzen könnte. Dem Spiel will es leider nicht überzeugend gelingen, diesen sehr unnatürlichen Kniff glaubwürdig zu rechtfertigen.
Solide technische Umsetzung
Auf technischer Ebene macht 'The Silent Age' einen sehr soliden Eindruck. Die 2D-Grafiken des Indie-Adventure passen gut zum Charakter der 70er Jahre. Der Stil ist markant und kann trotz retroesker Einfachheit sehr gekonnt eine dichte Atmosphäre verbreiten. Unterstützt wird die visuelle Ebene durch stimmige Soundeffekte, die meist die Funktion des Soundtracks übernehmen. Musik wird übrigens selten eingesetzt, ohne wirklich zu fehlen. Keine Schwächen zeigen die dänischen Entwickler ansonsten bei der Touch-Steuerung, die angenehm unkompliziert von der Hand geht. Zwischen den Zeitebenen wechseln wir beispielsweise, indem wir im Inventar auf die Zeitmaschine klicken. Wählen wir ein anderes Objekt im Inventar aus und klicken dann auf einen Interaktionspunkt in der Umgebung, dann benutzen wir beides miteinander. In ein, zwei Fällen muss man den Bildschirm eventuell sehr genau absuchen, da relevante Gegenstände mitunter sehr klein sind (auf kleinen Displays könnte das ein Nachteil sein).
Ein Blick auf die zweite (und letzte) Episode
Die zweite Episode verzichtet auf Neuerungen und begnügt sich mit gewohnter Kost und ähnlichem Umfang. Allerdings trifft man diesmal öfter auf Gesprächspartner - wenngleich diese Konversationen nicht steuerbar sind. Positiv ist erneut die Endzeit-Atmosphäre hervorzustreichen, die wenig von ihrem Reiz verloren hat.
Keine Überraschungen gibt es bei den Rätseln, die wie eine leichte Abwandlung des Bisherigen wirken und Abnützungserscheinungen zeigen. Wie zuletzt können Gegenstände stets nur für ein Rätsel eingesetzt werden und verschwinden dann meist grundlos aus dem Inventar (obwohl sie später mitunter nützlich wären). Das verleiht dem Rätseldesign einen künstlichen Beigeschmack. Der Aspekt der Zeitreise ist weiterhin vorwiegend dahingehend relevant, als in einer Zeitebene eine Tür offen ist und in der anderen ist sie verschlossen. Selten bedarf es einer komplexeren Herangehensweise, was sehr schade ist. 'The Silent Age' schafft es aus solchen Gründen nicht über ein durchschnittliches spielerisches Niveau hinaus. Zwei, dreimal kann es dennoch ins Grübeln bringen. Negativ fallen ansonsten einige Objekt-Beschreibungen auf, bei denen teils wenig Zeit bleibt, um alles mitzulesen.
Die Erzählung hat Probleme damit, die globale Katastrophe glaubwürdig zu erklären, auch wenn sie mehr als nur bemüht wirkt. In jedem Fall sind die Ereignisse spannend genug, um bis zum Schluß bei Laune zu halten. Daran ändert selbst die blasse Hauptfigur nichts. Hausmeister Joe kommt als Charakter nämlich kaum zur Geltung. Das mag Absicht sein, geht aus Sicht des Spielers aber ein wenig auf Kosten der Identifikation. Am Ende ist er eben "nur" ein gewöhnlicher Mensch, der sein Leben ohne Wenn und Aber für das Wohl der Menschheit riskiert. Ob das aus narrativer Sicht reicht, wird jeder für sich entscheiden. Unterm Strich fällt die zweite Episode somit also eher in die Kategorie '"more of the same" und kann das hohe inhaltliche und interaktive Potential nicht ganz ausschöpfen. Unterhaltsam ist sie dennoch.
UPDATE
Eine englische Sprachausgabe wurde mit dem Release der PC-Version ergänzt, was die Wertung etwas verbessert. Deutsche Untertitel sind nun ebenfalls verfügbar.