Schufa: Alle bonitätsrelevanten Daten jetzt digital einsehbar
Über den von der Schufa zugekauften Dienst Bonify können Nutzer neben Basis-Score und Negativeinträgen nun auch Informationen über relevante Verträge einsehen.
Die Schufa stellt Verbrauchern über die Finanzplattform Bonify, die die Wirtschaftsauskunftei Ende 2022 übernahm, ab sofort nahezu alle ihre individuellen bonitätsrelevanten Daten digital zur Verfügung. Nutzer können über die App der Schufa-Tochter seit Dienstag auch gratis einsehen, welche Unternehmen in den vergangenen 12 Monaten Daten über sie abgefragt haben und welche Vertragsinformationen gespeichert sind. Dazu zählen bestehende Kreditkarten, Girokonten sowie laufende Raten- und Immobilienkredite. Bisher war dies nur über die kostenlose und per Post versandte "Datenkopie" oder für tagesaktuelle Informationen über die Schufa-Aboprodukte möglich, die mit monatlichen Kosten von 4,95 Euro für die Bonitätsauskunft inklusive tagesaktuellem Score starten und beim Premiumtarif für 9,99 Euro enden. Eine einmalige Bonitätsauskunft bietet die Schufa für knapp 30 Euro an.
"Das finale Puzzlestück"
Bei den nun einsehbaren Vertragsdaten und Benachrichtigungen über Zugriffe auf die eigene Bonität handle es sich um das "finale Puzzlestück", freute sich Andreas Bermig, Gründer und Chef von Bonify im Rahmen der Ankündigung. Neun Jahre habe das Startup daran gearbeitet, Nutzern dabei zu helfen, ihre Bonität zu verbessern. Schritt für Schritt seien – auch dank der laufenden Transparenzinitiative der Schufa – mehr Informationen dazugekommen und nun "sämtliche Schufa-Daten" digital über die App verfügbar. Der Clou dabei sei: Stoße der Nutzer auf "Unstimmigkeiten" etwa bei den sich neutral bis positiv auswirkenden Vertragsdaten, gelange er "mit einem Klick" auf den Button "Fehler melden" zur Schufa und könne dort über das Hilfeportal einen "Korrekturvorgang anstoßen".
Für die allgemeine Inanspruchnahme der Bonify-App ist eine Registrierung mit dem Personalausweis per Identverfahren oder über ein eigenes Bankkonto erforderlich. Im zweiten Fall mussten Verbraucher zunächst einwilligen, dass der Anbieter "den Kontosaldo sowie die Kontoumsatzdaten von bis zu vierundzwanzig Monaten abruft". Seit August 2023 bietet Bonify eine nach eigener Darstellung "datensparsame Option" für die Identifizierung mit dem Bankkonto an. Nutzer könnten sich so nur mit der Kontonummer anmelden, ohne dass die Transaktionsdaten von dem Fintech-Startup verarbeitet werden.
"Fin-Fitness-Check" umstritten
In einem zweiten Schritt steht es Nutzern frei, ihre Transaktionshistorie mit Bonify teilen, wenn sie etwa einen zusätzlich angebotenen Score für "finanzielle Fitness" angezeigt bekommen wollen. Bermig versicherte: In diesem Fall gingen die Daten aber nicht an die Schufa oder andere Dritte. Die Verbraucherzentrale Bayern warnte aber, dieses Angebot zur Bonitätsverbesserung, könnte "viele Nutzer dazu verleiten, leichtfertig einen Einblick in die Kontodaten zu gewähren".
Bestehende Bonify-Nutzer müssen für die Einsicht von Vertragsinformationen ein Update durchführen. In der App erscheint dann die entsprechende weitere Kachel. Wer diesen Service in Anspruch nehmen will, muss sich zusätzlich mit dem elektronischen Identitätsnachweis (eID) des Personalausweises identifizieren. Dabei gehe es darum, "eine eindeutige Zuordnung der Daten sicherzustellen", erläutert die Schufa. Alle nach 2017 ausgestellten Personalausweise verfügten über die einschlägige Möglichkeit. Es werde dazu die persönliche PIN und ein Mobilgerät benötigt, das NFC-fähig ist beziehungsweise eine Kontaktlosfunktion hat.
Bonify peilt 10 Millionen Nutzer bis 2030 an
Bereits seit Mitte 2023 können Bonify-Nutzer Einblick in ihren individuellen Basis-Score der Schufa nehmen. Im Bereich der Bonitätswerte arbeitet die Auskunftei parallel an einer Vereinfachung. Seit Ende Januar sind dort ebenfalls Negativeinträge einsehbar – sofern vorhanden. Im Juni startete ein Benachrichtigungsservice, über den sich Nutzer über Bonify digital und kostenlos informieren lassen können, wenn erstmalig ein Negativeintrag bei der gespeichert wird oder jemand erneut in den Negativbereich rutscht. Größter Unterschied jenseits des Preises: Bei der Tochter werden die Daten quartalsweise aktualisiert, beim Online-Abo der Schufa tagesaktuell. Zudem gibt es über Letzteres Hinweise auf jede Veränderung bei Negativeinträgen.
Bonify hat Bermig zufolge aktuell knapp über 2 Millionen Nutzer, 70.000 bis 80.000 neue kämen pro Monat dazu. "Wir wollen auf 10 Millionen Nutzer wachsen bis 2030", kündigte der Unternehmer an. Die hinter Bonify stehende Berliner Firma Forteil habe eine eigene Lizenz für Kreditvermittlung, die sie eventuell über ihren Marktplatz später wieder forcieren werde. Aktuell stehe aber die Bonitätsdarstellung im Fokus neben Diensten wie ein Darknet-Monitoring über Partner ("Ident Protect"). Skurrilerweise waren über die App sogar "Schufa-freie" Digitalkredite im Angebot.
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz drängt seit Langem auf mehr Transparenz bei der Schufa selbst. Es kritisierte zudem 2023 die über Bonify ermöglichten Kontoeinblicke: Der Anbieter – und möglicherweise mit ihm kooperierende Auskunfteien – könnten so vertrauliche Finanzdaten einsehen, auf die sie bislang keinen Zugriff hätten. Sicherheitslücken, wie sie die IT-Sicherheitsforscherin Lilith Wittmann auch bei der Bonify-App bereits aufgedeckt hatte, dürften sich nicht wiederholen: Für einen kurzen Zeitraum war es ihr zufolge über eine unsichere Schnittstelle möglich, beliebige Daten aus dem Dienst abzurufen wie die Bonität von Jens Spahn (CDU). Erst in diesem Monat nahm sich die Aktivisten die Online-Auskunftei it's my data vor, die mit Daten des Schufa-Konkurrenten Infoscore arbeitet. Auch bei Infoscore selbst stieß Wittmann auf ein großes Leck, über das sensible Bonitätsinfos ins Netz wanderten.
Korrektur im letzten Satz: Aktuell bietet Bonify keine Schufa-freien Kredite mehr an.
Absatz zu den Sicherheitslücken ergänzt
(mho)