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Rosenheim im Jahre 1812

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e2119d55-8c87-498a-91b6-0e57b37060f6.jpg © Stadtarchiv Rosenheim

Rosenheim - Das Stadtarchiv erinnert an das 200-jährige Jubiläum der Vermessung des Rosenheimer Marktes. Ein farbiger Nachdruck der Uraufnahme ist nun wieder erhältlich.

Historische Landkarten und Stadtpläne sind wie alte Photographien Momentaufnahmen, die anschaulich Geschichte(n) erzählen können. Sie dokumentieren besondere Ereignisse wie beispielsweise die Festlegung des Burgfriedens des „Churfürstlichen Markts Rosenheim“ durch kurfürstliches Edikt in der „Stuber-Karte“ von 1773. Der Churfürstliche Geometer Joseph Damian Stuber hat damals zur endgültigen Beilegung der bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Grenzstreitigkeiten zwischen dem Marktgemeinderat und dem im Schloss hoch oben über Rosenheim sitzenden kurfürstlichen Pfleger die Marktgrenzen, den sog. Burgfrieden, erstaunlich genau aufgemessen und im Maßstab 1:2000 farbig zu Papier gebracht. Die Einzelheiten im „Inneren und Äußeren Markt“ hat er jedoch – mit Ausnahme der Nikolaus-Kirche – nicht erfasst.

Zum ersten Mal vermessen, kartiert und für das neue Grundsteuerkataster registriert wurden lückenlos sämtliche Grundstücke und Gebäude Rosenheims aber dann 1812 durch den Königlichen Katastergeometer Eggenbacher. Die Uraufnahme als Grundlage zur Flächenberechnung für die Zwecke einer bayernweit einheitlichen Grundsteuer – bis dahin gab es 104 verschiedene Steuersysteme in Bayern – erfolgte graphisch unmittelbar vor Ort mit dem Messtisch im Maßstab 1:2500 in den Ortslagen (sog. Ortsblätter) und 1:5000 im freien Gelände. Die Gebäude- und die Gewässerflächen hoben die Geometer in Rot bzw. in Blau besonders hervor.

Die Grundstücksgrenzen und die Gebäudeumrisse wurden anschließend vom Meßtischblatt mit einem besonderen Kopierverfahren auf eine glattgeschliffene Kalkplatte aus den Steinbrüchen bei Solnhofen (besser bekannt durch die dort gefundenen Versteinerungen des Urvogels Archäopteryx) umgesetzt und mit Hilfe des von Alois Senefelder erfundenen Steindrucks (Lithographie) vervielfältigt. Fast 25000 dieser Drucksteine lagern noch heute im „Steinkeller“ des Landesamts für Vermessung und Geoinformation in München – auch die der bayerischen Rheinpfalz und sogar diejenigen von Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg.

Das Uraufnahmeblatt des „Königlichen Markts Rosenheim“ zeigte noch die 1812 intakten Stadtgräben, -wälle und Stadttore, darüber hinaus aber bereits die 1810 in Dienst gestellte Saline auf dem Areal des der Säkularisation zum Opfer gefallenen Kapuziner-Klosters. In diesem Bereich ist deshalb die einzige Grenzabweichung gegenüber dem in der Stuber-Karte eingezeichneten Burgfrieden festzustellen. Die Fläche der Marktgemeinde hatte sich gegenüber Stuber von 87,2 Hektar auf 88,4 Hektar vergrößert.

Bemerkenswert ist übrigens, dass im 1814 fertig gestellten Grundsteuerkataster der Roßacker bereits zur „Steuergemeinde“ Rosenheim (mit insgesamt 549 Hektar) gezogen, dann allerdings in Folge des Gemeindeedikts von 1818 als eigenständige Rural-, d.h. Landgemeinde, wieder verselbständigt worden ist und den Markt Rosenheim wie ein zu enger Gürtel einschnürte. Erst 1834 erfolgte die endgültige Eingemeindung nach Rosenheim als Folge der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung im Bereich von Saline und Messinghammer, dem heutigen Beilhack-Gelände. Zum Zeitpunkt der Stadterhebung 1864 hatte Rosenheim eine Fläche von 643 Hektar.

Die Flurkarte von 1812 ist ein einmaliges Dokument für das Entstehen des modernen Bayern am Beginn des 19. Jahrhunderts. Damals wurden die für Politik, Verwaltung und Wirtschaft so dringend notwendigen Reformen durch Montgelas als „Revolution von oben“ durchgesetzt – vielfach gegen den Willen der Bevölkerung. Aber sie haben Bayern zu dem gemacht, was es heute ist.

Einen wesentlichen Beitrag dazu lieferte die 1801 von Kurfürst Max IV. Joseph - ab 1806 König Max I., angeordnete systematische Vermessung des aus den napoleonischen Kriegen hervorgegangene Bayern, die „allen Zwecken des Staates dienen sollte“. Diese Arbeiten dauerten bis 1854. Vermessen und katastriert wurden in diesen fünf Jahrzehnten knapp 76000 qkm (mit der bayerischen Rheinpfalz, aber ohne das Gebiet von Coburg) mit insgesamt 17,5 Mio. Flurstücken. Dieser Erstvermessung schloss sich für den Großteil Oberbayerns die sog. Renovationsmessung von 1854 bis 1864 an, weil sich dort die Vermessungen am Beginn des Unternehmens mangels ausreichender Erfahrung der Geometer im Nachhinein als zu ungenau erwiesen haben. Auch der Markt Rosenheim wurde 1855 zum zweiten Mal vermessen und katastriert. Die Gesamtkosten betrugen 25,38 Mio. Gulden (fl), was heute sicher mit nicht weniger als 5 Mrd. Euro zu veranschlagen wäre.

Das Landesamt für Vermessung und Geoinformation hat das Original der Uraufnahme von 1812 „Der Königliche Markt Rosenheim“ als farbiges Faksimile (Format 60 x 60cm) wegen der großen Nachfrage neu aufgelegt. Es ist ab sofort wieder für 20,00 € beim Stadtarchiv Rosenheim, Reichenbachstraße 1a erhältlich und sollte jeden, der sich für die Geschichte Rosenheims interessiert, zum Kauf animieren.

Beim Thema „Vermessung und Kataster“ drängt sich ganz aktuell der Blick nach Griechenland auf: Im heutigen Griechenland hat nach dessen Gründung 1830 keine allgemeine Vermessung und Registrierung aller Grundstücke in einem Steuerkataster stattgefunden, obwohl dort der 1832 zum König ausgerufene zweitgeborene Sohn von König Ludwig I. sicher die segensreiche Wirkung einer genauen Dokumentation von Grund und Boden aus seiner bayerischen Heimat gekannt haben muss. Kataster und Grundbuch gibt es in Griechenland trotz der dringenden Aufforderung und finanziellen Unterstützung aus Brüssel bis heute nicht! Wer will den Investoren ihr Zögern verdenken, wenn sie nicht auf gesicherte Rechtsverhältnisse bei Immobilien vertrauen können?

Prof. Dr. Frankenberger/Stadtarchiv Rosenheim

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