Nein, die Nationalsportart Nummer eins kam für Jake Hanes eher nicht infrage. Football? Wohl kaum. Als Kind sei er "nicht besonders stark" gewesen, erinnert sich der US-Amerikaner, der schon in der Kindheit seine Leidenschaft für Volleyball entdeckte.
Dass er später einmal am Netz als "Urgewalt" bezeichnet werden würde, hätte er dabei aber vermutlich selbst nicht gedacht.
"Ein gegnerisches Team hat mich mal 'Nudel' genannt, so dürr war ich. Erst als ich zum College gekommen bin, habe ich mehr Fokus darauf gelegt, kräftiger zu werden", erzählt Hanes auf der Vereinshomepage der Berlin Recycling Volleys. Seit Sommer schlägt der 2,12 Meter große Hüne für den deutschen Rekordmeister auf, seine Ansprüche an sich selbst sind dabei mindestens so hoch wie die Ambitionen seines neuen Klubs.
BR-Volleys peilen nächsten Ligatitel an
"Wenn du das BR-Volleys-Trikot überstreifst, ist die Erwartung klar. Es ist einfach eine andere Mentalität hier als bei meinen Stationen davor", sagt Hanes, der zuvor in Frankreich (Arago de Sete) sowie Polen (Bielsko-Biala und Cuprum Lubin) schmetterte: "Ich wollte nach Berlin wegen der Tradition des Gewinnens und wegen der starken Kultur, die der Klub hat."
Dort muss er in große Fußstapfen treten und die Lücke füllen, die Leistungsträger Marek Sotola hinterlassen hat. Den tschechischen Diagonalangreifer, den es in die Türkei gezogen hatte, zu ersetzen, sei "keine einfache Aufgabe" gewesen, sagt Volleys-Geschäftsführer Kaweh Niroomand: "Aber inzwischen kann jeder sehen, welches Potenzial Jake hat."
Allerdings. Beim Ligacup wurde er rund drei Monate nach seiner Verpflichtung zum Turnier-MVP gekürt, im ersten Saisonspiel gegen die Helios Grizzlys Giesen sicherte er sich die Auszeichnung mit 19 Punkten erneut. Im Topspiel gegen den Dauerkonkurrenten VfB Friedrichshafen (3:1) hatte der 26-Jährige am vergangenen Samstag zunächst Probleme ins Spiel zu finden. Nach einem 1:1 nach Sätzen sorgte er dann aber im dritten Durchgang für entscheidende Punkte auf dem Weg zum Sieg, am Ende gingen insgesamt 14 Zähler auf sein Konto.
In Berlin, wo man die 15. deutsche Meisterschaft anpeilt, ist man sowieso längst von den Qualitäten des Angreifers überzeugt. Hanes sei "unglaublich beweglich. Selten war bei uns ein Diagonalspieler auch in der Abwehr so stark", schwärmt Niroomand. Der US-Amerikaner sprühe "vor Kraft, Ehrgeiz und Siegeswillen", sei beinahe "eine Urgewalt".
Diese Eigenschaften stellte er auch schon im US-Team unter Beweis. Für das Olympia-Aufgebot in Paris hatte es nicht gereicht, jedoch betrieb Hanes in der Nations League mit Blick auf die Zukunft und das Heimspiel in Los Angeles 2028 durchaus Eigenwerbung.
Hanes selbst legt derweil trotz all des Lobes "keinen Wert darauf, der Number One Guy zu sein", wie er sagt: "Ich möchte alles dafür tun, meine beste Leistung auf das Spielfeld zu bringen und meinem Team zu helfen, womit ich kann."