Heuschrecken Invasion der Allesfresser

Über Afrika haben sie schon gewütet. Jetzt haben Hunderttausende Heuschrecken die Kanarischen Inseln erreicht. Rote Tierkadaver übersäen die weißen Sandstrände.

Von weitem sehen sie aus wie Garnelen. Doch aus der Nähe betrachtet entpuppen sich die roten Tierkadaver am weißen Sandstrand bei Jandía auf Fuerteventura als Heuschrecken. Hunderttausende der gefräßigen Insekten haben in den vergangenen Tagen von Afrika kommend die Kanarischen Inseln erreicht. Die Lokalpresse spricht von einer "Invasion", die Regionalregierung beschwichtigt zunächst: Von einer Plage könne keine Rede sein.

Später musste sie dann aber doch einräumen, dass auf der Nachbarinsel Lanzarote die Invasion das Ausmaß einer Plage erreicht hat. Sicherheitshalber wurde die Armee in Bereitschaft versetzt. Besorgnis erregend sind die acht bis zehn Zentimeter langen und daumendicken Tiere (Schistocerca gregaria) für die Landwirte auf dem Archipel allemal. Und für die meisten Touristen sind sie schlicht abstoßend.

Touristen hielten die angeschwemmten Kadaver erst für Garnelen

"Ich finde das einfach unangenehm und eklig", sagt Rolf-Dieter Möller aus Rellingen in Schleswig-Holstein. Seit 20 Jahren kommt er regelmäßig nach Fuerteventura. "So etwas habe ich aber noch nie erlebt", ergänzt der 55-Jährige. Andrea Heise aus Berlin will sich erst wieder an den Strand legen, wenn die verendeten Tiere entfernt worden sind. Spaziergänger an den kilometerlangen weißen Stränden der Ferieninsel laufen derweil im Zickzack um die toten Heuschrecken mit ihren langen, durchsichtigen Flügeln herum. Die Reinigungsdienste der Kommunen sind bemüht, die Kadaver in großen Säcken zu beseitigen.

"Als die ersten Tiere mit der Flut angeschwemmt wurden, glaubten einige Touristen, es handele sich um Garnelen, wegen der roten Farbe und der langen Beine und Fühler", berichtet ein Strandaufseher. Für ihn ist die seltene Naturerscheinung nicht völlig überraschend. Vereinzelt hat es so etwas bei bestimmten Wetterlagen auch in früheren Jahren schon gegeben. Schließlich ist Afrika nur 150 Kilometer entfernt. Nun wird die Invasion durch den starken Südostwind und die hohen Temperaturen um 25 Grad begünstigt. Bei Kälte und Regen würden die Heuschrecken verenden.

"Selbst Stromkabel sind vor ihnen nicht sicher"

Manche Urlauber haben auch Mitleid mit den wenigen überlebenden Insekten. Eine Frau sammelte Gras, um sie zu füttern. Andere bedauern das massenweise Sterben. Die Hotelmanager indes hoffen, dass sich die überlebenden Tiere nicht weiter ausbreiten und fürchten um die teils aufwändig angelegten Gärten und Rasenflächen. Bislang aber schwirren die großen Heuschrecken nur vereinzelt wie Libellen durch die Luft. "Sollten sie sich ausbreiten, was wir nicht glauben, werden wir uns mit örtlichen Schädlingsbekämpfern in Verbindung setzen", sagt Jan Scheidsteger, Manager in einem großen Touristenhotel. "Sicher ist auf jeden Fall, dass die Heuschrecken für Menschen ungefährlich sind."

Die Landwirte treiben gewiss andere Ängste um. Die Tomatenernte ist auf dem Höhepunkt, die Folgen einer Plage wären verheerend. "Die Heuschrecken können sich durch die Plastikplanen der Gewächshäuser fressen", weiß der Vorsitzende der Agrarexporteure auf Gran Canaria, Roberto Góiriz. "Selbst Stromkabel sind vor ihnen nicht sicher." Góiriz kritisiert aber auch die mangelnde Information seitens der Behörden. "Wir wissen nicht, wie groß die Gefahr einer Plage tatsächlich ist." Die Älteren denken mit Schrecken an den Oktober 1954 zurück. Damals erlebten die Kanaren die bislang letzte Heuschreckenplage, die Schäden vor allem auf Teneriffa waren schlimm.

Die Regionalregierung ist aber überzeugt, alles im Griff zu haben. Verheerende Folgen wie in Afrika werde es nicht geben, weil die Kanaren gut vorbereitet seien, beruhigt Agrarminister Pedro Rodríguez Zaragoza und warnt vor Panikmache. Hubschrauber und Flugzeuge überwachten den Luftraum, genug Pestizide seien auch vorhanden. Das wiederum macht den Naturschützern Sorge. Das Gift könnte einheimische Vögel wie den Schmutzgeier oder die Kragentrappe bedrohen, warnte der Vogelschutzbund SEO-Birdlife.

Wolfgang Duveneck und Jörg Vogelsänger, DPA