Viele, sehr viele Menschen, die mit uns Kontakt aufnehmen, sind einsam. Im Gespräch oder im Chat überbrücken wir dieses Gefühl für den Moment. Das Thema beschäftigt uns sehr.
Unsere Kontaktmöglichkeiten
Kenntnisstand
Schon vor der Corona-Pandemie kannten (zu) viele Menschen den Zustand der Einsamkeit. Seither hat sich diese Problematik noch verstärkt.
Einsamkeit ist verbunden mit dem Gefühl von emotionaler Isolation und fehlender Zugehörigkeit. Sie tritt in zwei Lebensphasen besonders häufig auf: zum einen in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter, zum anderen im hohen Alter.
Dieses Video stammt von Anna-Nicole Heinrich, Präses der EKD. Es geht um Strategien gegen die Einsamkeit junger Menschen. Das Thema ist wichtiger denn je: Gerade die Jüngeren sind von Einsamkeit betroffen. Danke Anna-Nicole Heinrich!
„Einsamkeit entsteht nicht dadurch, dass man keine Menschen um sich hat, sondern dadurch, dass man nicht in der Lage ist, die Dinge zu kommunizieren, die einem wichtig erscheinen.“
Carl Gustav Jung
Was genau ist eigentlich Einsamkeit? Vielleicht lässt es sich einfacher ergründen, wenn wir es mit „allein sein“ vergleichen. Eine Anruferin am Telefon fasste es so: „Mit dem Alleinsein bin ich immer gut zurechtgekommen, aber die Einsamkeit macht mich fertig“. Es ließe sich vielleicht sagen: Alleinsein kann ein gewollter Zustand sein, den ich zu bestimmten Zeiten brauche und genieße. Einsamkeit ist dagegen eine Mangelerfahrung, ich habe sie mir nicht ausgesucht oder gewünscht, sie ist da und ich kann (zumindest in meinem subjektiven Erleben) nichts dagegen tun. Unsere Kollegin Ruth Belzner hat es so formuliert:
„Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass zwischen Einsamkeit und Alleinsein unterschieden werden sollte: Alleinsein ist ein äußerer Umstand; Einsamkeit ist ein Erleben. Nicht jeder alleinlebende Mensch ist einsam und nicht jeder einsame Mensch lebt tatsächlich allein. Einsamkeit hat in erster Linie mit der (fehlenden) Qualität von Beziehungen zu tun, weniger mit der Quantität, also mit wie vielen Menschen man wie häufig zusammen ist.“ (Aus: Ruth Belzner: „Telefonieren gegen Einsamkeit“. In: Leon Arlt, Nora Becker, Sara Mann, Tobias Wirtz (Hg.) Einsam in Gesellschaft, transcript Verlag, Bielefeld 2022.
Das Thema Einsamkeit war schon immer ein wesentliches Sorgen-Thema der bei der TelefonSeelsorge Rat suchenden. Im gesellschaftlichen Bewusstsein ist es durch die Corona-Pandemie deutlicher verankert worden. Tatsächlich hat sich die Prozentzahl der Telefonate mit dem Thema Einsamkeit während der Pandemie nochmals erhöht von rund 20 Prozent im Jahr 2019 auf seither konstant rund 22,5 Prozent – mit einem einmaligen Höhepunkt von über 23 Prozent im Jahr 2020, der weitgehend während des ersten Lockdowns gemessen wurde.
Einsamkeit (be-)trifft vermutlich jeden Menschen irgendwann im Leben. Die meisten von uns finden aus solchen Phasen wieder heraus, oft weil auch die Ursachen klar sind: ein Umzug, ein neuer Job, der Beginn einer neuen Lebensphase – das alles kann zu Einsamkeitsgefühlen führen, die mit dem Hereinwachsen in die neue Situation dann wieder verschwinden
Wenn sich dieses Gefühl verstetigt, spricht man von chronischer Einsamkeit. Sie kann erhebliche Konsequenzen haben. Einsamkeit erhöht das Depressionsrisiko um ein Elffaches, das Risiko für Zwänge um ein Zehnfaches, Einsamkeit kann soziale Phobie verstärken und zu Suchtverhalten führen. Bildgebende Verfahren zeigen: Einsamkeit wird im Gehirn wie physischer Schmerz verarbeitet.
Einsame Menschen kennen die Möglichkeiten zu sozialer Kontaktaufnahme genauso gut wie die Beratenden am Telefon. Wenn ihnen dieser Weg leicht fiele oder überhaupt offenstünde, wären sie ihn wahrscheinlich schon gegangen. Die ehrenamtlich Engagierten am Telefon gehen deshalb sensibel auf die Situation einsamer Menschen ein. Sie geben keine Ratschläge, sondern hören zu und stellen sich als ein menschlicher Kontakt zur Verfügung. Sie wissen: TelefonSeelsorge kann Einsamkeit im unmittelbaren Kontakt lindern, sie kann sie für manche unserer vereinsamten Ratsuchenden erträglich machen – das Problem lösen können wir nicht. Dass sich die Gesellschaft des Problems in der letzten Zeit bewusster geworden ist, erleichtert uns: die Einsamkeit wird so auch insgesamt besprechbarer, die Einsamen wissen darum, dass sie mit dieser Belastung nicht allein sind.