Schlimmer geht immer. So ließe sich das Motto der Hamburger inoffiziellen Supermarktfiliale zusammenfassen, die im Zentrum der Mockumentary-Serie „Die Discounter“ (Amazon Prime / Pyjama Pictures) steht. Im „Feinkost Kolinski“ geht mal wieder alles schief, was schief laufen kann, verhalten sich alle maximal dumm und ungeschickt, verkehren sich Pläne zumeist in ihr genaues Gegenteil. Die Vielfalt und Grenzenlosigkeit menschlicher Unzulänglichkeiten ist der Antrieb auch der vierten und letzten (zweigeteilten) Staffel. Für die Zuschauer heißt das: lustvolles Fremdschämen frei Haus. Ähnlich wie bei „Jerks“ gibt es kein klassisches Drehbuch. Ohne die Spielfreude des perfekt auf die Charaktere hin gecasteten Ensembles wäre diese kleine Serien-Perle nicht denkbar. Vom Erfolg dieser mit Frische, Humor und perfektem Timing hergestellten Serie künden auch die teils sehr prominenten Gastauftritte; in der vierten Staffel tauchen etwa Fahri Yardim, Anke Engelke und Luisa Neubauer als sie selbst auf.
„Fraktus“ ist die deutsche Antwort auf die legendäre Mockumentary „This is Spinal Tap“ (1984). Lars Jessens Film zieht auf eine unaufgeregte, angenehm undeutsche Art alles durch den Kakao, was mit der Musikbranche zu tun hat: die Pop-Geschichtsschreiber und selbsternannten Experten, die Plattenbosse, Manager und natürlich die exzentrischen Musiker selbst. Und auch als Parodie auf die Rockmusikgeschichtsschreibung – inklusive TV-Dokus – funktioniert diese Kinokoproduktion ganz vorzüglich. Ein Muss für alle Rockliebhaber!
Zurück aus Finsdorf bekommt Stromberg wieder Oberwasser und bald sitzt „Papa“ sogar auf dem Chefsessel. Doch es ist kein Zuckerschlecken „da oben“, also hält Stromberg Kontakt nach „unten“. Neue Positionen – und doch alles angenehm beim Alten. Man wird sofort willkommen geheißen im Kindergarten Capitol. Und Stromberg ist Stromberg: unverschämt, unzufrieden, übergriffig. Zur Serien-Machart sagt Herbst: „Sie vereint alles: Komödiantisches, Tragisches, Lautes, Leises, Übertriebenes, Unterspieltes, Offenes, Geheimes.
„Ellerbeck“ ist eine Kleinstadt an der Ems. Hier werden die politischen Posten traditionsgemäß vererbt. Bis die Kindergarten-Leiterin Sabine Ebert, gespielt von Cordula Stratmann, als Folge einer Kette von Zufällen als Gegenkandidatin des amtierenden Bürgermeisters antritt. Von Anfang an dabei ist ein Kamerateam, das die Vorgänge dokumentiert. Eine Sitcom im Mockumentary-Stil mit gelungenen Dialogen und feinen Details, allerdings (nach Maßgabe der Auftaktfolge) auch kleine Schwächen – ausgerechnet bei der Besetzung der Hauptrolle.
„Irgendwas mit Medien“ (MDR / UFA Serial Drama) ist eine Mockumentary über einen von sich selbst sehr eingenommenen jungen Mann, der an der Bauhaus-Uni in Weimar ein Studium der Medienkunst beginnt. Die kreativen Köpfe hinter dieser Serie sind Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach: Sie spielen die beiden Hauptrollen, haben die Drehbücher geschrieben und Regie geführt. Dass die Serie im Acht-mal-25-Minuten-Format überaus authentisch wirkt, hat neben der biografischen Vorgeschichte auch mit dem Schauplatz zu tun: Muhshoff und Kaltenbach haben selbst in Weimar studiert und durften an der Uni drehen. Das Ergebnis ist witzig, originell, abwechslungsreich, entlarvend, authentisch, toll gespielt; und eine Lektion in Fremdschämen. Sollten die beiden als Team weitermachen, werden die Preise, die sie für „Irgendwas mit Medien“ hoffentlich bekommen, garantiert nicht die letzten sein.
Männer haben’s auch nicht leicht: „Player of Ibiza“ (NDR / Pyjama Pictures, Kleine Brüder) ist eine witzige und mit großer Kenntnis der Originale konzipierte Parodie auf Reality-Shows wie „Der Bachelor“. Die fünfteilige Serie entspricht inklusive Zwischeninterviews, Bildsprache, versteckten Kameras und kurz angespielten Popsongs täuschend echt den persiflierten Vorbildern. Der Clou dabei: Die fünf Teilnehmer, allesamt keine Zierde ihres Geschlechts, haben keine Ahnung, dass sie zum Feminismus bekehrt werden sollen. Die „Challenges“ hätten origineller und der Schluss ein bisschen kraftvoller sein können, aber schon allein die Idee, regelmäßig die Wirklichkeit in die „Reality“ einbrechen zu lassen, ist großartig.
Die siebenteilige Reihe „Andere Eltern“ (TNT / eitelsonnenschein) sieht aus wie eine öffentlich-rechtliche Reportagereihe, ist aber Realsatire pur: Die Pseudo-Doku beobachtet Mütter und Väter, die eine Kita gründen wollen und sich dabei ziemlich kindisch aufführen. Die Häufung großer und kleiner Dramen mag ebenso übertrieben wirken wie die Figuren, aber Regisseur und Koautor Lutz Heineking jr. hat die Charaktere dem Leben abgeschaut; viele Zuschauer werden in ihnen Menschen erkennen, die ihnen bei Elternabenden immer schon auf die Nerven gegangen sind. Mitunter haben die Autoren Exkurse eingestreut, die nur bedingt für Erkenntnisgewinne sorgen, aber gespielt ist das alles vorzüglich, zumal das Ensemble (u.a. Lavinia Wilson & Henny Reents) sorgfältig und stimmig zusammengesetzt worden ist.
„Operation Naked“ ist ein faszinierendes fiktionales Spiel mit den realen Möglichkeiten des Fernsehens: Mario Sixtus erzählt seine Geschichte, die wie eine Vorstufe zu William Gibsons „Neuromancer“-Trilogie wirkt, fast ausschließlich mittels inszenierter Ausschnitte aus journalistischen ZDF-Formaten. Allein die nicht immer überzeugenden schauspielerischen Leistungen stören die ansonsten perfekte Illusion dieses von Sixtus so genannten „TV-Timeline-Forward-Zappings“, das den Zuschauer auf kreative Weise „beteiligt“.
Konsequent als Dokumentarfilm inszeniert, erzählt „Twinfruit – Die Dose muss menschlich werden“ die Geschichte einer fiktiven Werbekampagne für Dosenobst. Die Mockumentary setzt auf eine subtile Komik, die durch Wortwitz und das Aufeinandertreffen absoluter Ernsthaftigkeit mit haarsträubender Absurdität entsteht. Der ZDF-Film von Multitalent Matthias Thönnissen besitzt kleine dramaturgische Schwächen, punktet dafür mit seiner originellen Idee, einem überzeugenden Cast und einer sehr amüsanten Umsetzung.