Herausgabeanspruch
Mit einem Herausgabeanspruch wird ein Verlangen nach Hergabe eines Gegenstands oder unter Umständen sogar eines Menschen, zum Beispiel eines Kindes, an einen anderen geltend gemacht.
Im Allgemeinen findet der Begriff im Sachenrecht Anwendung. Hier bedeutet die Herausgabe die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an dem Ort, an dem sich die Sache bestimmungsgemäß befindet. Ein Herausgabeanspruch kann auf gesetzlichen Vorschriften oder vertraglichen Bestimmungen beruhen. Er kann den Besitz einer Sache oder einen sonstigen Gegenstand (z. B. Gebrauchsvorteil) betreffen.
Der praktisch wichtigste Herausgabeanspruch ist der des Eigentümers gegen den Besitzer aus § 985 BGB: Derjenige, dem eine Sache gehört, kann von demjenigen, der sie in seinem Besitz hat, Herausgabe verlangen. Umstritten ist hierbei, ob der Eigentümer von dem mittelbaren Besitzer neben der Abtretung des gegen den unmittelbaren Besitzer aus dem Besitzmittlungsverhältnis bestehenden Herausgabeanspruchs auch die Herausgabe der Sache selbst fordern kann. Dies wird überwiegend mit dem Argument bejaht, dass ansonsten der Eigentümer, dem der mittelbare Besitzer seinen Anspruch auf Herausgabe gegen den unmittelbaren Besitzer abgetreten hat, zwar einen Anspruch auf Einräumung des unmittelbares Besitzes hat, dieser aber regelmäßig noch nicht fällig und somit nicht durchsetzbar ist. Ein weiteres Argument ist, dass der unmittelbare Besitzer eventuell nur schwer auszumachen sei.
Allgemeine Grundsätze zur Herausgabe sind dem deutschen Zivilrecht mit Ausnahme des § 292 BGB nicht zu entnehmen.
Weitere Herausgabeansprüche im deutschen Recht sind die schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Leihverhältnis, aus der Verwahrung (§ 695) , dem Auftrag (§ 667 BGB) und (quasivertraglich) aus der Geschäftsführung ohne Auftrag. Das Verhältnis der schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen zu denen aus § 985 BGB ist umstritten. Im Ergebnis wird sich der Schuldner an seinen Vertragspartner halten können und muss nicht die Eigentümerstellung Dritter prüfen [1]. Schuldrechtliche Herausgabeansprüche gehen also denen aus § 985 BGB vor. Da der Herausgabeanspruch sich auf Pflichtverletzungen stützen kann, ist im Rahmen der Naturalrestitution eine Herausgabe nach § 249 BGB in Verbindung mit § 280 BGB oder § 823 BGB möglich. Letztlich kann ein Herausgabeanspruch auch auf § 812 BGB im Rahmen der ungerechtfertigten Bereicherung gestützt werden. Eine besondere Form des Herausgabeanspruches im Immobililiarsachenrecht ist der Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB. Aufgrund dieses Anspruches muss der bisherige, im Grundbuch Eingetragende seinen Buchbesitz an den wahren Inhaber herausgeben.
Weitere Herausgabeansprüche finden sich in § 285 Abs. 1 BGB, § 346 Abs. 1 BGB, § 346 Abs. 3 S. 2 BGB, § 457 Abs. 1 BGB, § 496 Abs. 3 S. 3 BGB, § 562b Abs. 2 S. 1 BGB, § 563b Abs. 2 BGB, § 667 BGB, § 675r Abs. 3 BGB, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, § 816 Abs. 2 BGB, § 817 S. 1 BGB, § 822 BGB, § 861 Abs. 1 BGB, § 987 Abs. 1 BGB, § 1007 Abs. 1 BGB, § 1007 Abs. 2 S. 1 BGB, § 1231 Abs. 1 BGB, § 1251 Abs. 1 BGB, § 1296 S. 2 BGB, § 1361a Abs. 1 S. 1 BGB, § 1632 Abs. 1 BGB, § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB, § 1698 Abs. 1 BGB, § 1890 Abs. 1 BGB, § 1973 Abs. 2 S. 1 BGB, § 1990 Abs. 1 S. 2 BGB, § 2018 BGB, § 2020 BGB, § 2031 Abs. 1 S. 1 BGB, § 2130 Abs. 1 BGB, § 2184 S. 1 BGB, § 2362 Abs. 1 BGB, § 2374 BGB.
Rechtsfolgenverweise (ob es sich tatsächlich um Rechtsfolgenverweise oder Rechtsgrundverweise handelt, ist teilw. str.), nach denen Herausgabe nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts verlangt werden kann, finden sich in § 516 Abs. 2 S. 2 BGB, § 527 Abs. 1 BGB, § 528 Abs. 1 S. 1 BGB, § 531 Abs. 2 BGB, § 547 Abs. 1 S. 2 BGB, § 628 Abs. 1 S. 3 BGB, § 684 S. 1 BGB, § 852 S. 1 BGB, § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, § 977 S. 1 BGB, § 988 BGB, § 993 Abs. 1 Hs. 1 BGB, § 1301 BGB, § 1434 BGB, § 1457 BGB, § 2021 BGB, § 2196 Abs. 1 BGB, § 2287 Abs. 1 BGB, § 2329 Abs. 1 BGB.
Ein Verweis, wonach Herausgabe nach der Vorschrift des § 346 BGB erfolgen soll, findet sich in § 628 Abs. 1 S. 3 BGB.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Häublein: Münchener Kommentar zum BGB, § 604 Rn. 8. 5. Auflage. Verlag C.H. Beck München, 2008, ISBN 9783406 548437.