Digitoxin

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Strukturformel
Struktur von Digitoxin
Allgemeines
Freiname Digitoxin
Andere Namen
  • Carditoxin
  • Digitophyllin
  • Digitrin
Summenformel C41H64O13
Kurzbeschreibung

kleine rechteckige, bitter schmeckende Plättchen[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 71-63-6
EG-Nummer 200-760-5
ECHA-InfoCard 100.000.691
PubChem 441207
ChemSpider 389987
DrugBank DB01396
Wikidata Q423890
Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse

Herzglykoside

Eigenschaften
Molare Masse 764,95 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

256–257 °C[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[2]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301​‐​331​‐​373
P: 260​‐​264​‐​301+310+330​‐​304+340+311​‐​314​‐​403+233[2]
Toxikologische Daten

0,18 mg·kg−1 (LD50Katzeoral)[4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Digitoxin ist ein Steroid-Glycosid aus der Gruppe der Herzglycoside und findet sich in den Blättern des Fingerhuts Digitalis purpurea. Produktionsprobleme haben im Jahr 2023 zur Einstellung des Vertriebs vieler Digitoxinprodukte durch Hersteller geführt.

Digitoxin besteht aus dem Aglycon Digitoxigenin, welches mit drei Zuckerresten (Digitoxose) verknüpft ist. In seiner Wirkung gleicht es Digoxin aus dem Fingerhut Digitalis lanata, hat jedoch aufgrund einer fehlenden OH-Gruppe eine längere Halbwertszeit von 6–8 Tagen und wird vorwiegend über die Leber ausgeschieden.

Die erste Verwendung von Fingerhüten wurde 1775 beschrieben.[5] Die erste Isolierung erfolgte 1875 durch Oswald Schmiedeberg. Weitere Untersuchungen folgten durch Claude-Adolphe Nativelle. Die Struktur wurde teilweise 1925 durch Adolf Otto Reinhold Windaus und 1962 vollständig aufgeklärt.[6][7]

Am 4. November 2022 teilte die Merck Healthcare Germany GmbH (Merck KGaA) in einem Informationsschreiben zum Lieferengpass von Digimerck mit, die Einstellung des Vertriebs von Digitoxin in allen Wirkstärken und Darreichungsformen auf den 1. Januar 2023 vorzuziehen.[8] Die Firma mibe GmbH Arzneimittel stellte das Produkt Digitoxin-Philo Injektionslösung am 1. März 2023 ein.[9]

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt Ärzten im Rahmen des Lieferengpasses eine individuelle Indikationsüberprüfung von Digitoxin. Bei bestehender Indikation kann im Einzelfall eine Umstellung auf Digoxin erwogen werden. Digoxin wird jedoch ausschließlich renal eliminiert und bedarf bei der Umstellung einer engmaschigen ärztlichen Kontrolle.[10]

Digitoxin wird aus den Blättern des Roten Fingerhutes (Digitalis purpurea) gewonnen. Aus zehn Kilogramm Fingerhutblättern lassen sich sechs Gramm Digitoxin isolieren.[1]

Digitoxin besitzt einen positiv inotropen und negativ dromotropen Effekt auf die Herzmuskulatur.[11] Digitoxin führt durch Hemmung der Natrium/Kalium-ATPase in den Herzmuskelzellen zu einem Anstieg der zytosolischen Calcium-Konzentration, da der intrazelluläre Natriumgehalt steigt und als Folge die Wirkung des Natrium/Calcium-Antiporters verringert wird.[12] Dadurch steigt die Kontraktilität des Herzens. Die Verlangsamung der Erregungsleitung im Herzen (Dromotropie) beruht auf der Aktivierung von Vaguskernen, also einer Aktivierung des Parasympathikus. Die Verwendung von Digitoxin kann zu Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verwirrtheitszuständen, visuellen Störungen und Herzarrhythmien führen. Vergiftungen mit Digitoxin können – wie auch bei Digoxin – mit dem anti-Digoxin-Fab-Fragment behandelt werden.[13][14]

Digitoxin wird bei Herzinsuffizienz eingesetzt, insbesondere bei gleichzeitiger Niereninsuffizienz.[15]

Digitoxin wird im Vergleich zu Digoxin nicht so häufig bei Herzerkrankungen eingesetzt. Digitoxin und verwandte Cardenolide werden zur Behandlung von Tumoren untersucht.[16] Digitoxin besitzt einen geringen therapeutischen Index, sodass eine individuelle Dosisfindung unter Kontrolle der Serumspiegel erfolgen muss.[17] Weiterhin werden Derivate von Digitoxin untersucht.[18]

Literarische Rezeption

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Digitoxin wird im Roman Appointment with Death von Agatha Christie als Mordwaffe eingesetzt. Weiterhin kommt Digitoxin in Die For Love von Elizabeth Peters vor, sowie in der TV-Serie CSI: Vegas, Staffel 9, Folge 19: Tragödie der Wahrscheinlichkeit, in der TV-Serie Columbo, Staffel 9, Folge 5: Schleichendes Gift (1990), in der TV-Serie McMillan and Wife, Staffel 6, Folge 5: Affair of the Heart (1977), in Murder 101: College can be a Murder und mehrfach in der TV-Serie Mord ist ihr Hobby. Im Lied The Rake's Song von The Decemberists ermordet der Erzähler seine Tochter durch Fütterung von Fingerhut.

Aktuelle Handelsnamen:

Monopräparate

Digitoxin AWD (D), Augentropfen Stulln Mono (CH)

Ehemalige Handelsnamen:

Monopräparate

Digimed (D), Digimerck (D, A), Digitoxin-Philo (D), Digitoxin-Hameln (D)

Einzelnachweise

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  1. a b c Eintrag zu Digitoxin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 22. Dezember 2014.
  2. a b Eintrag zu Digitoxin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2020. (JavaScript erforderlich)
  3. Eintrag zu Digitoxin im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. Eintrag zu Digitoxin in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  5. Withering, William: An Account of the Foxglove and Some of its Medical Uses: With Practical Remarks on Dropsy and other Diseases. 1785 (google.de).
  6. W. C. Diefenbach, J. K. Meneely Jr: Digitoxin; a critical review. In: The Yale Journal of Biology and Medicine. 21. Jahrgang, Nr. 5, 1949, S. 421–431, PMID 18127991, PMC 2598854 (freier Volltext) – (englisch).
  7. Sneader, Walter: Drug discovery: A history. 2005, ISBN 978-0-471-89980-8, S. 107 (google.de).
  8. Informationsschreiben zu dem Lieferengpass von Digimerck. In: bfarm.de. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, 29. November 2022, abgerufen am 4. September 2023.
  9. 13/23 Information der Hersteller: Informationsschreiben zu Digitoxin-Philo Injektionslösung: Einstellung des Vertriebs zum 1. März 2023. In: abda.de. ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V., 28. März 2023, abgerufen am 4. September 2023.
  10. J. Bauersachs, Lars S. Maier, Natalie ter Horst, Udo Bavendiek: Lieferengpass Digitoxin. In: . 2022, Band 17, Nummer 1, S. 39–42 doi:10.1007/s12181-022-00585-x.
  11. G. G. Belz, K. Breithaupt-Grögler, U. Osowski: Treatment of congestive heart failure–current status of use of digitoxin. In: European journal of clinical investigation. Band 31 Suppl 2, 2001, S. 10–17, PMID 11525233.
  12. H. Fuerstenwerth: On the differences between ouabain and digitalis glycosides. In: American journal of therapeutics. Band 21, Nummer 1, 2014 Jan-Feb, S. 35–42, doi:10.1097/MJT.0b013e318217a609, PMID 21642827.
  13. Kurowski, V.; Iven, H.; Djonlagic, H.: Treatment of a patient with severe digitoxin intoxication by Fab fragments of anti-digitalis antibodies. In: Intensive Care Medicine. 18. Jahrgang, Nr. 7, 1992, S. 439–442, doi:10.1007/BF01694351, PMID 1469187 (englisch).
  14. D. M. Roberts, N. A. Buckley: Antidotes for acute cardenolide (cardiac glycoside) poisoning. In: The Cochrane database of systematic reviews. Nummer 4, 2006, S. CD005490, doi:10.1002/14651858.CD005490.pub2, PMID 17054261.
  15. Erland Erdmann: Therapie mit Herzglykosiden. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-69046-4, S. 43.
  16. L. Menger, E. Vacchelli, O. Kepp, A. Eggermont, E. Tartour, L. Zitvogel, G. Kroemer, L. Galluzzi: Trial watch: Cardiac glycosides and cancer therapy. In: Oncoimmunology. 2. Jahrgang, Nr. 2, 1. Februar 2013, S. e23082, doi:10.4161/onci.23082, PMID 23525565 (englisch).
  17. HA Elbaz, TA Stueckle, W Tse, Y Rojanasakul, CZ Dinu: Digitoxin and its analogs as novel cancer therapeutics. In: Experimental Hematology & Oncology. 1. Jahrgang, Nr. 1, 5. April 2012, S. 4, doi:10.1186/2162-3619-1-4, PMID 23210930 (englisch).
  18. JM Langenhan, NR Peters, IA Guzei, FM Hoffmann, JS Thorson: Enhancing the anticancer properties of cardiac glycosides by neoglycorandomization. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 102. Jahrgang, Nr. 35, 30. August 2005, S. 12305–10, doi:10.1073/pnas.0503270102, PMID 16105948 (englisch).