Kamchatkit

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Kamchatkit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1987-018[1]

IMA-Symbol

Kmc[2]

Andere Namen
Chemische Formel
  • KCu3O(SO4)2Cl[1]
  • KCu3[O|Cl|(SO4)2][4]
  • Cu3[O|(SO4)2]+KCl[5]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate (Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VI/B.05-030

7.BC.35
30.02.08.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-pyramidal; mm2[6]
Raumgruppe Pna21 (Nr. 33)Vorlage:Raumgruppe/33
Gitterparameter a = 9,74 Å; b = 12,86 Å; c = 7,00 Å[5]
Formeleinheiten Z = 4[5]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5[7]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,48(1); berechnet: 3,58[7]
Spaltbarkeit vollkommen nach {011} und {100}[7]
Bruch; Tenazität fragil
Farbe grünlichbraun bis gelbbraun[7][4]
Strichfarbe gelb[7]
Transparenz durchsichtig[7]
Glanz Glasglanz[7]
Radioaktivität kaum nachweisbar[6]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,695[8]
nβ = 1,718[8]
nγ = 1,759[8]
Doppelbrechung δ = 0,064[8]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 75°(gemessen), 76° (berechnet)[8]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten wasserlöslich, hygroskopisch

Kamchatkit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (einschließlich Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ mit der chemischen Zusammensetzung KCu3O(SO4)2Cl[1] oder in der kristallchemischen Strukturformelschreibweise KCu3[O|Cl|(SO4)2][4]. Kamchatkit ist damit ein Kalium-Kupfer-Sulfat mit zusätzlichen Sauerstoff- und Chlorionen.

Kamchatkit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt langprismatische Kristalle bis etwa drei Millimeter Länge mit einem glasähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Die Kristalle sind durchsichtig und von grünlichbrauner bis gelbbrauner Farbe. Auf der Strichtafel hinterlässt Kamchatkit dagegen einen gelben Strich.

Etymologie und Geschichte

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Entdeckt wurde das Mineral in Mineralproben vom Vulkan Tolbatschik, genauer von dessen zweitem Schlackenkegel an der Fumarole „Jadowitaja“, auf der Halbinsel Kamtschatka im russischen Föderationskreis Ferner Osten. Nach der Anerkennung des Minerals 1987 durch die International Mineralogical Association (IMA) erfolgte die Publikation der Erstbeschreibung 1988 durch Lidija Pawlowna Wergassowa, Stanislaw K. Filatow, Je. K. Serafimowa und T. W. Waraksina (russisch: Л. П. Вергасова, С. К. Филатов, Е. К. Серафимова, Т. В. Вараксина), die es nach der Halbinsel als Region der Typlokalität benannten.[3]

In der russischen Originalbeschreibung wird das Mineral als Камчаткит bezeichnet. Bei korrekter Transkription aus dem Russischen ins Deutsche müsste der Name damit Kamtschatkit lauten. Allerdings stützen sich bisher bekannte deutschsprachige Quellen auf die englische Übersetzung Kamchatkite, die auch in der russischen Originalbeschreibung publiziert und von der IMA anerkannt wurde. Im Deutschen wird nur das im Englischen übliche ‚e‘ weggelassen.[9][4]

Das Typmaterial des Minerals wird im Bergbau-Institut in Sankt Petersburg unter der Sammlungs-Nr. 1947/1 aufbewahrt.[10]

Da der Kamchatkit erst 1987 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Einzig im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser klassischen Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VI/B.05-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate und Wolframate“ und dort der Abteilung „Wasserfreie Sulfate, mit fremden Anionen“, wo Kamchatkit zusammen mit Alumoklyuchevskit, Chlorothionit, Fedotovit, Klyuchevskit, Piypit und Puninit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[4]

Die von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Kamchatkit ebenfalls in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) mit zusätzlichen Anionen, ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen und großen Kationen“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 7.BC.35 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Kamchatkit in die Klasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate“ (einschließlich Selenate und Tellurate, Selenite, Tellurite, Sulfite) und dort in die Abteilung der „Wasserfreien Sulfate mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 30.02.08 innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Sulfate mit Hydroxyl oder Halogen mit (AB)2XO4Zq“ zu finden.

Die Analyse der Typmaterialproben aus Kamtschatka bestand aus einer Kombination aus Flammenphotometrie, Atomabsorptionsspektrometrie und Volumen-Gewichts-Analysen. Diese ergab eine durchschnittliche Zusammensetzung von 48,62 % CuO; 0,17 % PbO; 0,62 % ZnO; 0,20 % Na2O; 10,48 % K2O; 6,20 % Cl; 33,96 % SO3, 1,75 % H2O und 0,00 % H2O+ (alle Angaben in Gewichts-%). Nach Abzug von H2O und Berechnung von O2+ für die Ladungsbilanz korrespondiert die Zusammensetzung mit der empirischen Formel (K1,06Na0,03)Σ=1,09(Cu2,92Zn0,04)Σ=2,96(SO4)2,03O1,04Cl0,84, was zu KCu3(SO4)2OCl idealisiert wurde.[7]

Kristallstruktur

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Kamchatkit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Pna21 (Raumgruppen-Nr. 33)Vorlage:Raumgruppe/33 mit den Gitterparametern a = 9,74 Å; b = 12,86 Å und c = 7,00 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[5]

Kristallstruktur von Kamchatkit
Farbtabelle: _ K 0 _ Cu 0 _ O 0 _ S 0 _ Cl

Kamchatkit entwickelt langprismatische, stabförmige Kristalle mit rechteckigem oder rhombischem Querschnitt, die entlang der c-Achse [001] gestreckt sind. Vorherrschende Kristallformen sind {110}, {100}, {010} und {001}.

Chemische und physikalische Eigenschaften

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Das Mineral löst sich in Wasser und schwachen Säuren schon bei einer Verdünnung von 1:20 und ist zudem hygroskopisch, das heißt in der Lage, Feuchtigkeit aus der umgebenden Luft aufzunehmen. Kamchatkit zersetzt sich dadurch an der Luft innerhalb von wenigen Wochen.[12]

Mit einer Mohshärte von 3,5 gehört Kamchatkit zu den mittelharten Mineralen und liegt in der Härte zwischen den Referenzmineralen Calcit (3) und Fluorit (4). Ausreichende Kristallgrößen vorausgesetzt ließe sich Kamchatkit damit leichter als Fluorit mit einem Taschenmesser ritzen.

Bildung und Fundorte

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Kamchatkit bildet sich als vulkanisches Sublimationsprodukt bei Temperaturen zwischen 120 °C und 140 °C. Als Begleitminerale traten unter anderem Hämatit, Klyuchevskit, Ponomarevit und Tolbachit auf.

Außer an seiner Typlokalität, der Fumarole „Jadowitaja“ am Tolbatschik auf der russischen Halbinsel Kamtschatka, konnte das Mineral bisher nur noch in der ehemaligen Nickelgrube bei Bolivia im Churchill County des US-Bundesstaates Nevada gefunden werden (Stand 2019).[13]

  • Л. П. Вергасова, С. К. Филатов, Е. К. Серафимова, Т. В. Вараксина: Камчаткит KCu3OCl(SO4)2новьій Минерал из вулканических возгонов. In: Записки Всесоюзного Минералогического Общества. Band 117, Nr. 4, 1988, S. 459–461 (russisch, rruff.info [PDF; 219 kB; abgerufen am 23. Januar 2022] englische Transkription: L. P. Vergasova, S. K. Filatov, Y. K. Serafimova, T. V. Varaksina: Kamchatkite KCu3OCl(SO4)2 – a new mineral from volcanic sublimates. In: Zapiski Vsesoyuznogo Mineralogicheskogo Obshchestva; Kurzbeschreibung in Englisch).
  • John Leslie Jambor, Jacek Puziewicz: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 75, 1990, S. 1209–1216 (englisch, rruff.info [PDF; 1,5 MB; abgerufen am 5. November 2019]).
  • T. V. Varaksina, V. S. Fundamensky, S. K. Filatov, L. P. Vergasova: The crystal structure of kamchatkite, a new naturally occuring oxychloride sulphate of potassium and copper. In: Mineralogical Magazine. Band 54, 1990, S. 613–616 (englisch, rruff.info [PDF; 194 kB; abgerufen am 5. November 2019]).
Commons: Kamchatkite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 12. Oktober 2023]).
  3. a b Л. П. Вергасова, С. К. Филатов, Е. К. Серафимова, Т. В. Вараксина: Камчаткит KCu3OCl(SO4)2новьій Минерал из вулканических возгонов. In: Zapiski Vsesoyuznogo Mineralogicheskogo Obshchestva. Band 117, Nr. 4, 1988, S. 459–461 (russisch, rruff.info [PDF; 219 kB; abgerufen am 23. Januar 2022] englische Transkription: L. P. Vergasova, S. K. Filatov, Y. K. Serafimova, T. V. Varaksina: Kamchatkite KCu3OCl(SO4)2 – a new mineral from volcanic sublimates, Kurzbeschreibung in Englisch).
  4. a b c d e Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 375 (englisch).
  6. a b David Barthelmy: Kamchatkite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 5. November 2019 (englisch).
  7. a b c d e f g h Kamchatkite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 68 kB; abgerufen am 5. November 2019]).
  8. a b c d e Kamchatkite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 5. November 2019 (englisch).
  9. Rupert Hochleitner: Ferner Osten von Dalnegorsk bis Kamtschatka. In: Die schönsten Mineralien Rußlands (= Christian Weise [Hrsg.]: extraLapis. Band 29). Weise, 2005, ISSN 0945-8492, DNB 97937930X, S. 93.
  10. Catalogue of Type Mineral Specimens – K. (PDF 96 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 5. November 2019.
  11. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  12. John Leslie Jambor, Jacek Puziewicz: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 75, 1990, S. 1209–1216 (englisch, rruff.info [PDF; 1,5 MB; abgerufen am 5. November 2019]).
  13. Fundortliste für Kamchatkit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 5. November 2019.