Nationalsozialismus in Niederösterreich

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Dieser Artikel dient der zusammenfassenden Darstellung der verfügbaren Informationen und Quellen der Zeit des Nationalsozialismus in Niederösterreich.

Von 1938 bis 1945 war Niederösterreich als Reichsgau Niederdonau in der Ostmark (ab 1942 Alpen- und Donau-Reichsgaue) Teil des Großdeutschen Reichs.

Entwicklung des Nationalsozialismus

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Die Wurzeln der NSDAP in Niederösterreich finden sich in der Deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei (DNSAP), welche bei den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung im Februar 1919 in Niederösterreich 2695 Stimmen erreichen konnte.[1] Bei der Nationalratswahl 1920 erreichte sie 9934 Stimmen.

In den 1926 Jahren teilt sich die nationalsozialistische Bewegung in die Schulz-Gruppe und die radikalere Kremser Clique auf, welche sich in weiterer Folge Hitlerbewegung nennt und sich der deutschen NSDAP angliedert. Kurzfristig treten beide Gruppierungen treten als NSDAP auf, jedoch verliert die Schulz-Gruppe rasch an Bedeutung.

Im August 1926 wurde innerhalb der wachsenden Hitlerbewegung der Gau Niederösterreich als Organisationseinheit eingeführt. Erster Gauleiter in Niederösterreich war Josef Leopold.

Die folgende Tabelle zeigt den Aufstieg der NSDAP im Rahmen demokratischer Wahlen von 1927 bis 1932:

Partei NRW 1927 LTW 1927 NRW 1930 LTW 1932
Einheitsliste 474.972 58 % - -
Christlichsoziale Partei - - 361.122 46,35 %
Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs (SDAPDÖ) 808.552 37,6 % 291.571 34,79 %
NSDAP 779 0,5 % 34.395 14,15 %
KPÖ 3.271 0,4 % 4.126 1,14 %

Nach der Landtagswahl 1932 zogen acht Abgeordnete der NSDAP in den Landtag ein. Josef Leopold wurde zum Landesrat ernannt. Am 23. Juni 1933 wurden den Abgeordneten der NSDAP ihre Mandate als Folge des Verbots der NSDAP vom 19. Juni aberkannt.[2][3]

Ab 1937 war Dr. iur. Roman Jäger im Gau Niederösterreich illegaler Gauleiter.

In der Zeit des Nationalsozialismus 1938 bis 1945 verschwand jeder Bezug zum österreichischen Namen, Niederösterreich hieß gemäß dem Ostmarkgesetz vom 14. April 1939 Gau Niederdonau. Wien blieb zwar der Verwaltungssitz, Krems wurde aber zur „Gauhauptstadt“ erhoben.

Julius Kampitsch übernahm am Abend des 11. März 1938 auf Befehl des Gauleiters Roman Jäger kommissarisch das Amt des Landeshauptmanns und übergab dieses am 12. März 1938 an den Gauleiter selbst. Am Vormittag des 12. März 1938 übernahmen Nationalsozialisten alle Schlüsselfunktionen in der Verwaltung. Roman Jäger bildete für seine Zeit als Landeshauptmann die Landesregierung Jäger.

In weiterer Folge fungierte Hugo Jury während der gesamten Zeit als Gauleiter und ab 1940 in Personalunion als Reichsstatthalter, seit 1942 auch als Reichsverteidigungskommissar des Gau Niederdonau, welcher ab 1. Mai 1939 als Reichsgau Niederdonau tituliert wurde. Sein Stellvertreter als Gauleiter war Karl Gerland, als Reichsstatthalter der Regierungspräsident Erich Gruber.

Nationalsozialistische Einrichtungen

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In Niederösterreich befanden sich zwei Nationalpolitische Erziehungsanstalten für Mädchen in Hubertendorf und Türnitz sowie zwei Nationalpolitische Erziehungsanstalt für Burschen in Traiskirchen und im Stift Göttweig.[4] In Laa an der Thaya befanden sich je ein RAD Lager für Mädchen und Burschen. 1938 wurde rund um Döllersheim der Truppenübungsplatz Döllersheim errichtet und dafür die Bewohner von 42 Ortschaften ausgesiedelt.[5]

Konzentrationslager

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Zehn Konzentrationslager befanden sich in Niederösterreich, allesamt Nebenlager des Konzentrationslager Mauthausen:

Luftbild Krems-Gneixendorf der United States Army Air Forces (1941)

Folgende weitere Lager befanden sich in Niederösterreich:[6]

Dem Holocaust fiel ein Großteil der jüdischen Bevölkerung Niederdonaus zum Opfer. Laut Volkszählung 1934 gehörten 7716 Personen den 15 Israelitischen Kultusgemeinden (Amstetten, Baden, Gänserndorf, Groß-Enzersdorf, Hollabrunn, Horn, Krems, Mistelbach, Mödling, Neunkirchen, St. Pölten, Stockerau, Tulln, Waidhofen/Thaya, Wiener Neustadt) auf dem ehemaligen Gebiet Niederösterreichs an.[7]

In mehreren Orten Niederösterreichs wurden in den letzten Jahren Stolpersteine sowie Steine der Erinnerung zum Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus verlegt.

In den Anstalten in Gugging, Mauer-Öhling sowie Ybbs kam es während des nationalsozialistischen Regimes zu Euthanasie- und Zwangssterilisierungsmaßnahmen.[8]

Todesurteile, Hinrichtungen (Auswahl)

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Zahlreiche Personen wurden während des Nationalsozialismus zum Tode verurteilt und hingerichtet:[9]

  • 1939: 11 Mitglieder der Widerstandszelle in der Voith-Maschinenfabrik[10]
  • 22. Dezember 1939: Anton Streyczek (* 1899) aus Kaisersdorf bei St. Pölten, in Berlin hingerichtet.[11]
  • 1941: 28 Mitglieder der Widerstandszelle der Reichsbahnbetriebe[12]
  • 30. September 1942: Ferdinand Strasser, ehemals Vizebürgermeister in St. Pölten, am 12. Juni 1942 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt, in Wien hingerichtet
  • 28. Oktober 1942: Franz Weinhofer (* 1909) aus Wieselburg, im Landesgericht Wien hingerichtet.[13]
  • 18. Dezember 1942: Franz Tastl (* 1900), wohnhaft in Klosterneuburg, wegen „Wehrkraftzersetzung in Verbindung mit landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ vom Volksgerichtshof zum Tode am 18. Dezember 1942 am Landesgericht Wien eingerichtet.
  • 15. Februar 1943: Josef Schwarzböck (* 1901) aus Mödling, am 20. November 1942 zum Tode verurteilt, im Landesgericht Wien hingerichtet.
  • 26. Februar 1943: Johann Ebener (* 1898) aus Traisen, am 10. Juni 1942 zum Tode verurteilt, im Landesgericht Wien hingerichtet.[14]
  • 26. Februar 1943: August Steindl (* 1900) aus St. Pölten, am 10. Juni 1942 zum Tode verurteilt, im Landesgericht Wien hingerichtet[15]
  • 30. März 1943: Maria Restituta Kafka (* 1894) beschäftigt im KH Mödling, am 29. Oktober 1942 wegen „Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt, hingerichtet im Wiener Landesgericht durch Enthauptung hingerichtet.
  • 13. März 1944: Eduard Göth (* 1898), von 1927 bis 1934 Gemeinderat in Blumau, hingerichtet im Landesgericht Wien wegen Vorbereitung zum Hochverrat als Mitglieder der Widerstandsgruppe der Revolutionären Sozialisten
  • 27. März 1944: Franz Toifl (* 1896) aus Dallein bei Retz, in Brandenburg an der Havel hingerichtet.
  • 10. Mai 1944: Roman Karl Scholz (* 1912) aus Klosterneuburg, am 23. Februar 1944 zum Tode verurteilt, im Landesgericht Wien hingerichtet.
  • 21. Juni 1944: 6 Mitglieder einer kommunistischen Widerstandsgruppe aus Gramatneusiedl und Mitterndorf an der Fischa, verurteilt am 20. April 1944 wegen Vorbereitung zum Hochverrat, hingerichtet im Landesgericht Wien.[16]
  • 21. November 1944: Karl Kaluzik (* 1909) geboren in Glaubendorf bei Hollabrunn, am 7. März 1944 zum Tode verurteilt, im Landesgericht Wien hingerichtet.[17]
  • 13. April 1945: 13 Mitglieder der Widerstandsgruppe Kirchl-Trauttmansdorff[18]
  • 2. Mai 1945: Isidor Wozniczak (* 1892), in Mödring von Mitgliedern des Volkssturm erschossen
  • April 1945: Nachdem eine unbekannte Anzahl von Widerstandskämpfern der österreichischen Freiheitsfront in der Umgebung von St. Pölten erschossen wurden, ermordete die SS am 27. April 1945 47 weitere Widerstandskämpfer im KZ Mauthausen.

Endphaseverbrechen (Auswahl)

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Gedenkstein am Friedhof Stein

In Niederösterreich sind eine Reihe von sogenannten Endphaseverbrechen dokumentiert:

Persönlichkeiten

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Hochrangige Nationalsozialisten mit Bezug zu Niederösterreich in tragenden Funktionen und Rollen während des Nationalsozialismus:

Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurden in Niederösterreich von den neugebildeten staatlichen Behörden aufgrund des Verbotsgesetzes 1945 84795 Nationalsozialisten registriert, davon wurden ca. 2000 NSDAP-Funktionäre verhaftet. Aufgrund der geänderten Bestimmungen im Verbotsgesetz 1947 wurden 6920 Personen als belastet eingestuft, 76400 als minderbelastet.[33]

  • Heinz Arnberger, Christa Mitterrutzner: Widerstand und Verfolgung in Niederösterreich 1934–1945. Band 1-3. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1988.
  • Christoph Lind: Der letzte Jude hat den Tempel verlassen. Juden in Niederösterreich 1938–1945. Wien 2004.
  • Hans Schafranek: Söldner für den Anschluss. Die österreichische Legion 1933 - 1938. Wien 2011.
  • Stefan Eminger, Ernst Langthaler: Niederösterreich. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Innsbruck 2012.
  • Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938–1945. Berndorf 2018.
  • Hans Schafranek: Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten? St. Pölten 2020.
  • Stefan Eminger, Ernst Langthaler, Klaus-Dieter Mulley: Nationalsozialismus in Niederösterreich. Opfer. Täter. Gegner. StudienVerlag, Innsbruck 2021, ISBN 978-3-7065-5571-5.

Einzelnachweise

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  1. Stefan Eminger, Ernst Langthaler, Klaus-Dieter Mulley: Nationalsozialismus in Niederösterreich. Opfer. Täter. Gegner. StudienVerlag, Innsbruck 2021, ISBN 978-3-7065-5571-5, S. 26 ff.
  2. Porträt August Steindl auf zurerinnerung.at. Abgerufen am 30. Januar 2021.
  3. Gedächtnis des Landes Niederösterreich. Abgerufen am 10. April 2021.
  4. Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938 - 1945. Berndorf 2018, S. 59 ff.
  5. Stefan Eminger, Ernst Langthaler, Klaus-Dieter Mulley: Nationalsozialismus in Niederösterreich. Opfer. Täter. Gegner. StudienVerlag, Innsbruck 2021, ISBN 978-3-7065-5571-5, S. 99 f.
  6. Geheimprojekte.at - Zeitgeschichte Österreich 1938 - 1945. Abgerufen am 12. April 2021.
  7. Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938 - 1945. Berndorf 2018, S. 203 ff.
  8. Klaus-Dieter Mulley: Niederdonau: Niederösterreich im Dritten Reich 1938-1945. In: Stefan Eminger,Ernst Langthaler (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band 1: Politik. Böhlau, Wien 2008, ISBN 978-3-205-78197-4, S. 92 ff.
  9. Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938 - 1945. Berndorf 2018, S. 86 f.
  10. Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938 - 1945. Berndorf 2018, S. 133.
  11. Streyczek Anton auf den Seiten des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes auf zurerinnerung.at. Abgerufen am 7. Februar 2021.
  12. Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938 - 1945. Berndorf 2018, S. 133.
  13. Weinhofer Franz auf den Seiten des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Abgerufen am 7. Februar 2021.
  14. Porträt Johann Ebner auf zurerinnerung.at. Abgerufen am 30. Januar 2021.
  15. Porträt August Steindl auf zurerinnerung.at. Abgerufen am 30. Januar 2021.
  16. Porträt Wilhelm Jursitzky auf zurerinnerung.at. Abgerufen am 14. April 2021.
  17. Karl Kaluzik auf den Seiten des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.
  18. Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938 - 1945. Berndorf 2018, S. 133.
  19. Eleonore Lappin-Eppel: Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45: Arbeitseinsatz – Todesmärsche – Folgen. 2010.
  20. Das Wiener Volksgerichtsverfahren gegen Viktor Reindl und Johann Karl Stich auf nachkriegsjustiz.at, abgerufen am 22. Januar 2021
  21. Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien gegen den ehemaligen Landgerichtsdirektor Viktor Reindl und andere wegen Hochverrats und anderer Verbrechen, 23. Februar 1948, DöW – Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
  22. Hellmut Butterweck: Gnade für die Mörder? Die Presse, 13. Juni 2008
  23. Stich und Reindl verurteilt. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 19. Juni 1948, S. 2.
  24. Quälende Erinnerungen an die Morde der SS. Abgerufen am 12. November 2022.
  25. Zwischenräzume_Mank. Abgerufen am 12. November 2022.
  26. Webauftritt der Ausstellung KRIEGSENDE 1945 - VERDICHTUNG DER GEWALT der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. April 2021; abgerufen am 10. April 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oeaw.ac.at
  27. Eleonore Lappin-Eppel: Erinnerungszeichen an die Opfer des Zwangsarbeitseinsatzes ungarischer Juden und Jüdinnen in Niederösterreich 1944/45. In: Heinz Arnberger, Claudia Kuretsidis-Haider (Hrsg.): Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung. mandelbaum Verlag, Wien 2011.
  28. Webauftritt der Ausstellung KRIEGSENDE 1945 - VERDICHTUNG DER GEWALT der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. April 2021; abgerufen am 10. April 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oeaw.ac.at
  29. Zwischenräume - Emmersdorf an der Donau - Die Massaker von Leiben. Abgerufen am 10. April 2021.
  30. Johann Braun auf nachkriegsjustiz.at, abgerufen am 22. Januar 2021
  31. Dokumentar-Film "Das Schweigen der Alten", Hans Hochstöger, 2021
  32. Eleonore Lappin: Das Massaker von Hofamt Priel. Um 1999 (PDF; 370 kB); Mahnmal Viehofen (Memento des Originals vom 14. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mahnmal-viehofen.at, aufgerufen am 20. April 2012.
  33. Christian Klösch: Das nationale Lager in Niederösterreich 1918-1938 und 1945-1996. In: Stefan Eminger, Ernst Langthaler (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band 1: Politik. Böhlau, Wien 2008, ISBN 978-3-205-78197-4.