St. Jakobus (Reichenbach bei Oberstdorf)

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St. Jakobus in Reichenbach
Innenansicht mit Blick zum Chor

Die Kapelle St. Jakobus, ein 1540 errichteter und 1764 barockisierter Bau in der Größe einer Filialkirche, steht etwas außerhalb des Dorfes Reichenbach bei Oberstdorf im Oberallgäu. Der denkmalgeschützte Sakralbau gehört zur Pfarrei Schöllang.

Das Kirchlein wurde unter Beibehaltung der Umfassungsmauern des Chores eines gotischen Vorgängerbaus im Jahre 1540 errichtet. Dies ist nachweisbar anhand eines Steinmetz-Meisterzeichens im gotischen Dachstuhl, außerdem stammt eine Glocke aus dieser Zeit. Bei der Renovierung von 1764 durch Maurermeister Jörg Schratt aus Hinang wurde der Sakralbau im Innern umgestaltet und eine Sakristei angebaut. Weitere Renovierungen erfolgten von 1952 bis 1953 und von 1998 bis 2007.

Der spätgotische Schnitzaltar von 1495
Detail des Hochaltars

Die für eine Dorfkapelle gewaltigen Innenausmaße ― Langhauslänge/-breite 1230/601 cm, Chorlänge/-breite 465/450 cm ― verteilen sich auf ein langgezogenes flaches Langhaus und einen eingezogenen unregelmäßigen Chor, der gerade abschließt. Mittig sitzt ein kleiner offener Firstdachreiter mit Zwiebelhaube auf.

Im Innenraum besitzt die Kapelle eine flache, stuckgerahmte Putzdecke. Die steinerne Empore greift 370 cm weit in den Kapellenraum ein. Der Chorbogen ist seitlich und von der Decke weit eingezogen und gibt erst kurz vor dem Chor vollständig den Blick auf den Hochaltar frei.

Der im Kern spätgotische Choraltar datiert von 1495, wie eine aufgemalte Inschrift am Sockel der Muttergottes angibt, jedoch unter Verwendung älterer Figuren von einem älteren Altar (um 1470 und 1479).[1] Er stand ursprünglich in der Schöllanger Marienkapelle,[2] zu deren Patrozinium dieser Marienaltar auch passte. Da die Pfarrbeschreibung von 1593 für die Reichenbacher Kapelle drei Altäre zu Ehren der Heiligen Drei Könige sowie der Heiligen Jakobus und Anna angibt,[1] wird der Altar wohl erst nach diesem Zeitpunkt in die Kapelle von Reichenbach übertragen worden sein. Der Rahmen wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts – möglicherweise aus Anlass der Übertragung des Altars – in frühbarocken Formen erneuert:[1][2] Seitlich schließen zwei Säulen mit Blattkelchbasen und Volutenkonsolen den Schrein ab; sie tragen einen gesprengten Dreiecksgiebel mit Engeln, Vasen und einem kleinen Gemälde der heiligen Anna selbdritt. Auf den seitlichen Volutenkonsolen stehen zwei, unter dem gotischen Maßwerk im quadratischen Schrein stehen fünf weitere rundplastische Heiligenfiguren vor der vergoldeten, mit einem Brokatmuster verzierten Rückwand.

Ältere Fotos[1] zeigen die sieben Figuren in der folgenden Reihenfolge (von links nach rechts): Elisabeth (auf der Konsole), Johannes der Täufer, Vitus, Maria mit Kind, Crescentia, Sebastian und Katharina (auf der Konsole). Doch diese entsprach nicht der ursprünglichen Anordnung, wie sie aus aufgemalten Inschriften am Schreinsockel abzulesen ist: „s iohaes baptista, sancta kathrina, sancta maria, sancta elisabeth, sanctus sebastian“.[1] Nimmt man zu diesen fünf Figuren noch die beiden auf den seitlichen Konsolen hinzu, ergibt sich die folgende rekonstruierte Anordnung, wie sie heute zu sehen ist: Crescentia (auf der Konsole),[3] Johannes der Täufer, Katharina, Maria mit Kind, Elisabeth, Sebastian und Vitus (auf der Konsole).[4]

Dadurch ergibt sich eine symmetrische Anordnung von links und rechts einander paarweise entsprechenden Figuren: Im Zentrum steht die Gottesmutter Maria mit dem Kind im Typus der Mondsichelmadonna. Sie wird flankiert von der heiligen Katharina von Alexandria (links, mit Schwert und Buch) und der heiligen Elisabeth von Thüringen (rechts, mit Schleier, Brotlaib und Henkelkanne), die als Königstöchter jeweils eine Krone tragen. Weiter nach außen hin schließen sich im Schrein die heiligen Johannes der Täufer (links, mit härenem Gewand, Lamm und Buch) sowie Sebastian (rechts, mit Pfeilen) an. Außen auf den Konsolen stehen die frühchristlichen Märtyrer Vitus (Veit, rechts, mit Kessel) und seine Amme Crescentia (links, mit Märtyrerpalme und -krone).

Die Figuren stammen aus verschiedenen Jahrzehnten und Memminger, Kemptener oder Ulmer[4][5] Werkstätten. Die Herkunft aus unterschiedlichen Zusammenhängen ist bereits an ihrer uneinheitlichen Höhe zu erkennen. Katharina und Elisabeth sind (ohne Kronen) merklich größer als die vier äußeren Figuren, und die zentrale Marienfigur überragt sie alle.[6] Für unterschiedliche Gruppen von Figuren wurden als Künstler vorgeschlagen:[7] Ivo-Strigel-Werkstatt (Memmingen, unter Syrlin-Einfluss), Mitarbeiter der Ulrich-Mair-Werkstatt (Kempten, teilweise nach Vorbild von Hans Multscher), Meister des Imberger Altars (in der Nachfolge Hans Multschers), Meister des Wirlingser Ursulaschiffs (Allgäu). Zu berücksichtigen sind neben der inschriftlichen Jahreszahl „1495“ auch das überlieferte Weihedatum 1479 des Schöllanger Hochaltars[1] und die bemalte Außenseite der Altarrückwand.

Dieses meist um 1470 datierte[2][5] Bild der Altarrückwand zeigt den Tod Mariens und hängt seit 1952 an der südlichen Langhauswand der Kapelle. Die früher vorgeschlagene Zuschreibung an Hans Strigel den Jüngeren[8] wird heute abgelehnt, und das Bild gilt als Werk eines unbekannten Meisters.[9]

Der Innenraum nach Westen mit der neugotischen Empore

Der linke Seitenaltar von 1610 zeigt auf dem Hauptgemälde eine Darstellung der Himmelfahrt Mariens und im Auszugsbild die Marienkrönung. Auf der Mensa steht seit 1947 eine Figur, welche die in Fátima verehrte Muttergottes darstellt.

Der rechte Seitenaltar von 1652 zeigt als Altarblatt eine Darstellung der Kreuzabnahme Christi. Im Auszug ist die Figur des Kapellenpatrons zu sehen. Zu Füßen Jakobus des Älteren stehen ein Kapellenmodell, vermutlich der Vorgängerbau, sowie als Erkennungszeichen des Heiligen die Jakobsmuschel.

An der nördlichen Seitenwand befinden sich die Figuren der Heiligen Wendelin, Antonius von Padua und Franziskus aus dem frühen 18. Jahrhundert. Die Kanzel wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angefertigt. Die an der Nordwand angebrachte Kreuzigungsgruppe stammt aus dem 17. Jahrhundert. Die Emporenbrüstung wurde im 19. Jahrhundert mit neugotischen Motiven verändert.

Commons: St. Jakobus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Die Kapelle St. Jakobus in Reichenbach. In: katholische-kirche-oberstdorf.de. Katholische Pfarrgemeinde Oberstdorf, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 6. Oktober 2012 (ausführliche Beschreibung).@1@2Vorlage:Toter Link/www.katholische-kirche-oberstdorf.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  • Die Kapelle St. Jakobus in Reichenbach. In: katholische-kirche-oberstdorf.de. Katholische Pfarrgemeinde Oberstdorf, abgerufen am 9. Dezember 2021 (ausführliche Beschreibung, Archivversion von 2016).
  • Kapelle St. Jakobus Reichenbach. In: pg-oberstdorf.de. Kath. Pfarramt Oberstdorf, abgerufen am 9. Dezember 2021 (nur noch stichwortartige Kurzbeschreibung in neun Zeilen).
  • Alex Rössle: Kapelle St. Jakobus in Reichenbach. In: Oberstdorf-Lexikon. 7. April 2016;.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f Alfons Kasper: Kunstwanderungen vom Ober- zum Ostallgäu (...) (= Kunst- und Reiseführer. Band 7). Verlag Dr. Alfons Kasper, Bad Schussenried 1969, S. 76–80.
  2. a b c Alex Rössle: Kapelle St. Jakobus in Reichenbach. In: Oberstdorf-Lexikon. 7. April 2016;.
  3. In der älteren Literatur, z. B. bei Alfons Kasper 1969 und im Dehio-Handbuch 1989, wird diese Figur noch als heilige Barbara bezeichnet. Die neue Identifizierung ergibt sich aus ihrer paarigen Entsprechung zur Figur des heiligen Vitus. Außerdem bildet diese weibliche Heilige hier wegen des Größen- und Stilunterschieds der Skulpturen kein Paar mit der heiligen Katharina, wie es bei einer heiligen Barbara zu erwarten wäre.
  4. a b Die Kapelle St. Jakobus in Reichenbach. In: katholische-kirche-oberstdorf.de. Katholische Pfarrgemeinde Oberstdorf, archiviert vom Original am 6. Mai 2016; abgerufen am 9. Dezember 2021 (ausführliche Beschreibung, Archivversion von 2016).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.katholische-kirche-oberstdorf.de
  5. a b Bruno Bushart, Georg Paula (Bearbeiter): Bayern III: Schwaben (= Georg Dehio [Begründer], Dehio-Vereinigung [Hrsg.]: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler). Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1989, ISBN 978-3-422-03008-4, S. 887–888.
  6. Maria 114 cm, Elisabeth 112 cm, Katharina 110 cm, Crescentia (bzw. „Barbara“) 98 cm, Sebastian 93 cm, Johannes und Vitus beide 91 cm (alle Maßangaben nach Alfons Kasper).
  7. Beteiligte Kunsthistoriker (unter anderem): Alfred Schädler, Michael Petzet, Alfons Kasper, Alfred Miller, Gertrud Otto, J. Baum und Georg Paula.
  8. Die Zuschreibung geht auf Gertrud Otto zurück. Alfons Kasper fand sie nicht überzeugend, konnte sich mit seinen Überlegungen aber ebenfalls nicht durchsetzen. – Alfons Kasper: Kunstwanderungen vom Ober- zum Ostallgäu (...) (= Kunst- und Reiseführer. Band 7). Verlag Dr. Alfons Kasper, Bad Schussenried 1969, S. 78.
  9. Enikő Zsellér: Die Künstlerfamilie Strigel. Studien zur spätgotischen Malerei in Memmingen. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2017, ISBN 978-3-7319-0563-9, S. 169.

Koordinaten: 47° 26′ 35,8″ N, 10° 17′ 46,5″ O