Tihomir Orešković

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Tihomir Orešković (2016)

Tihomir Orešković (* 1. Januar 1966[1] in Zagreb, Jugoslawien) ist ein kroatisch-kanadischer Manager und Politiker. Von Januar bis Oktober 2016 war er Ministerpräsident Kroatiens.

Leben und beruflicher Werdegang

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oreškovićs Eltern wanderten anderthalb Jahre nach seiner Geburt nach Ontario in Kanada aus, wo er an der McMaster University Chemie studierte und dort 1991 einen Master of Business Administration erwarb. Er arbeitete ab 1992 im Finanzbereich von Eli Lilly und wechselte später zu Novopharm in Kanada, das heute zu Teva Pharmaceutical Industries gehört. Als das israelische Unternehmen 2008 den kroatischen Arzneihersteller Pliva kaufte, war er dort Bereichsleiter für Osteuropa; nun wurde er bei Pliva Vorstandschef. Ab 2014 war Orešković Teva-Chef für Europa und Nahost und lebte mit seiner Familie in Amsterdam.[2][3] Nach seiner Tätigkeit als kroatischer Ministerpräsident arbeitete er zeitweise erneut für Teva. Seit 2018 ist er Geschäftsführer der Xantis Pharma AG (Schweiz).[4]

Ministerpräsident Kroatiens

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 23. Dezember 2015 nominierten das Wahlbündnis Brücke unabhängiger Listen (MOST) und die von der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) angeführte heimatliebende Koalition den parteilosen Orešković als Ministerpräsidenten. Sie legten dazu Unterschriften von 78 Mitgliedern des 151 Sitze umfassenden Parlaments vor. Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović beauftragte Orešković noch am selben Tag mit der Regierungsbildung.[5][6] Am 22. Januar 2016 billigte das Parlament die neue Regierung.[7] Zuvor war bekannt geworden, dass Orešković als Finanzminister in einem Kabinett unter dem HDZ-Vorsitzenden Tomislav Karamarko vorgesehen war, sofern dieser Ministerpräsident geworden wäre.

Von Anfang an kritisiert wurde die Berufung einiger Politiker, die rechts-nationalistische Positionen vertraten, in die Regierung.[8][9][10] Veteranenminister Mijo Crnoja, der angekündigt hatte, ein Register mit Personen zu erstellen, die er als „Verräter des nationalen Interesses“ sehe, trat nach nur 6 Tagen Amtszeit am 28. Januar 2016 zurück. Zum Verhängnis gerieten ihm insbesondere Gerüchte über ein umstrittenes Grundstücksgeschäft sowie undurchsichtige Kreditvergaben.[11] Die Ernennung des neuen Ministers Tomislav Medved erfolgte am 21. März 2016.[12] Kulturminister Zlatko Hasanbegović wurde vorgeworfen, einen „Kulturkampf von Rechts“ zu führen, indem er beispielsweise das Wirken der historischen faschistischen Ustascha-Bewegung verharmlose, die umstrittene staatliche Mitfinanzierung von Feierlichkeiten aus Anlass des Massakers von Bleiburg unterstütze, politisch unliebsamen Kultur- und Medienprojekte die Finanzierung kürze oder streiche und mehr Patriotismus an Schulen und im Fernsehen propagiere. Dies veranlasste Staatspräsidentin Grabar-Kitarović dazu, davor zu warnen, das antifaschistische Fundament des Staates infrage zu stellen. Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, sah den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Pluralismus im Lande als bedroht.[13]

Am 21. März 2016 wurde der Staatshaushalt für 2016 vom Parlament gebilligt. Die Regierung prognostizierte ein Defizit von unter 3 %, ein Wirtschaftswachstum von 2 % sowie die Reduzierung der Staatsschulden von 86,9 % auf 86,8 % des Bruttoinlandsproduktes. Ziel für 2018 sei, diesen Wert auf 84,7 % zu verringern.[14][15] Im April 2016 korrigierte der Internationale Währungsfonds seine Prognose zum Wirtschaftswachstum des Landes für 2016 von ursprünglich 1 % auf 1,9 %.[16]

Im Juni 2016 unterzeichneten Orešković, Wirtschaftsminister Tomislav Panenić sowie Vertreter der Erdgas- und Erdölunternehmen INA und Vermilion Energy einen Vertrag zur Erschließung und Förderung von Kohlenwasserstoffvorkommen in den Gespanschaften Slawoniens im Wert von 88 Millionen Euro. Im Falle einer gewinnbringenden Förderung ist mit jährlichen Einnahmen zwischen 600 und 900 Millionen Euro für den Staatshaushalt zu rechnen. Orešković kündigte zugleich den Bau eines Gasterminals für Flüssigerdgas auf der Insel Krk sowie die Ausschreibung von Infrastrukturprojekten wie einer Bahnstrecke von Križevci nach Dugo Selo sowie der Pelješac-Brücke an. Die gesetzliche Grundlage für deren Gewinn wurden geändert: Nicht mehr das billigste, sondern das wirtschaftlich günstige Angebot solle zum Zuge kommen.[17][18]

Regierungskrise und Abwahl

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ende Mai 2016 leitete die oppositionelle Sozialdemokratische Partei ein Amtsenthebungsverfahren gegen Karamarko, der in der Regierung den Posten eines der beiden Vize-Premiers erhalten hatte, in die Wege. Hintergrund waren Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem von der HDZ befürworteten Verkauf von Anteilen des teilstaatlichen Mineralölkonzerns INA an den ungarischen Konkurrenten MOL. So soll dessen Ehefrau Ana Šarić-Karamarko nach einem Medienbericht 60.000 Euro von MOL für Beratungstätigkeiten erhalten haben. Der Koalitionspartner MOST kündigte an, das Verfahren gegen Karamarko zu unterstützen.[19] Im Gegenzug bezeichnete die HDZ MOST als unfähig und forderte deren Parteivorsitzenden Božo Petrov, ebenfalls Vize-Premier, zum Rücktritt auf. Nachdem Orešković sowohl Karamarko als auch Petrov zum Amtsverzicht aufforderte, entzog ihm Karamarkos HDZ am 3. Juni 2016 das Vertrauen.[20]

Am 15. Juni 2016 erklärte Karamarko seinen Amtsverzicht.[21] Am 16. Juni fand ein von der HDZ initiiertes Misstrauensvotum gegen Orešković statt. 125 der 151 Abgeordneten stimmten für seine Absetzung.[22]

Privates & Trivia

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orešković ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Trotz seiner kroatischen Herkunft spricht er nicht gut Kroatisch, was bei der Ernennung als Premierminister für vielfache Kritik sorgte.[23][24]

In einem Interview für das kroatische staatliche Fernsehen (HRT) bezüglich der Arbeitseinstellung der kroatischen Politik sagte Orešković: „Ich kam aus einem großen Unternehmen, wo viel gearbeitet und wenig geredet wird. Als ich Premier der kroatischen Regierung wurde, realisierte ich, dass hier nur geredet und wenig gearbeitet wird.“[25]

Nach Oreškovićs Abwahl im Juni 2016, gab dieser aufgrund der vielfachen Polemik zu seiner Person und Kritik bezüglich seiner Herkunft aus der kanadischen Diaspora folgendes Statement bei RTL Kroatien ab: „Ich weiß nicht was ein Kroate im Kopf ist – ich bin ein Kroate im Herzen!“[26]

Commons: Tihomir Orešković – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Registerbekanntmachung 3. November 2014, Veränderung, HRB 726775, Ulm (Memento des Originals vom 29. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.firmenwissen.de
  2. Tihomir Orešković to Be Named as Croatian Prime Minister-Designate. In: Total Croatia News. 23. Dezember 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Oktober 2021; abgerufen am 31. Januar 2016 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.total-croatia-news.com
  3. New appointments in PLIVA. Pliva, 11. Juli 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 31. Januar 2016 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.pliva.com
  4. https://ch.linkedin.com/in/tim-oreskovic-26153545 abgerufen am 28. Oktober 2021
  5. Parteiloser wird neuer Regierungschef in Kroatien. In: Zeit Online. 23. Dezember 2015, abgerufen am 31. Januar 2016.
  6. Meet Croatia’s New PM Designate, Tihomir Orešković. In: Total Croatia News. 23. Dezember 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 31. Januar 2016 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.total-croatia-news.com
  7. Parlament billigt neue Regierung. In: Zeit Online. 23. Januar 2016, abgerufen am 31. Januar 2016.
  8. Adelheid Wölfel: Kroatien hat eine neue Regierung Der Standard, 21. Januar 2016, abgerufen am 17. Juni 2016
  9. Erich Rathfelder: Ein schlechter Start TAZ, 21. Januar 2016, abgerufen am 17. Juni 2016
  10. Adelheid Wölfel: Regierungsantritt mit Weihwasser und Sparstift in Kroatien Der Standard, 26. Januar 2016, abgerufen am 17. Juni 2016
  11. Kroatien: Minister tritt nach sechs Tagen im Amt zurück. Spiegel Online, 29. Januar 2016, abgerufen am 17. Juni 2016
  12. Vedran Pavlic: Tomislav Medved is the New Veterans Affairs Minister. Total Croatia News, 15. März 2016, abgerufen am 16. Juni 2016 (englisch)
  13. Keno Verseck: Kroatiens Nationalismus: Die Angst vor dem nächsten Ungarn Spiegel Online, 3. Mai 2016, abgerufen am 17. Juni 2016
  14. Government adopts draft 2016 budget. EBL News, 10. März 2016, abgerufen am 16. Juni 2016 (englisch)
  15. Parliament adopts 2016 state budget. EBL News, 21. März 2016, abgerufen am 16. Juni 2016 (englisch)
  16. Vedran Pavlic: IMF Nearly Doubles Estimate of Croatia’s GDP Growth. Total Croatia News, 12. April 2016, abgerufen am 16. Juni 2016 (englisch)
  17. Government steps up preparations for LNG terminal. EBL News, 10. Juni 2016, abgerufen am 16. Juni 2016 (englisch)
  18. Contracts signed with INA, Vermilion Energy on onshore hydrocarbon exploration and exploitation. EBL News, 10. Juni 2016, abgerufen am 16. Juni 2016 (englisch)
  19. Adelheid Wölfl: Kroatiens Regierung spaziert auf dünnem Eis. Der Standard, 30. Mai 2016, abgerufen am 5. Juni 2016
  20. Krise in Kroatien: Regierung vor dem Aus. Spiegel Online, 3. Juni 2016, abgerufen am 5. Juni 2016
  21. Adelheid Wölfl: Kroatiens Vizepremier Karamarko tritt zurück. Der Standard, 15. Juni 2016, abgerufen am 16. Juni 2016
  22. Adelheid Wölfl: Kroatisches Parlament setzt Premier ab. Der Standard, 16. Juni 2016, abgerufen am gleichen Tage.
  23. Kroatien und die HDZ nach Karamarko – wie es weitergehen könnte. In: derStandard.at. 16. Juni 2016, abgerufen am 10. Dezember 2017.
  24. http://www.kosmo.at/premier-kann-kein-kroatisch-video/
  25. http://vijesti.hrt.hr/345157/oreskovic-shvatio-sam-da-se-ovdje-vise-prica-nego-radi
  26. http://www.vijesti.rtl.hr/novosti/hrvatska/1949795/prvi-intervju-tihomira-oreskovica-nakon-pada-vlade-ne-znam-sto-je-to-hrvat-u-glavi-ja-sam-hrvat-u-srcu/