Himmel über West- Es geht weiter-50er Jahre
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Über dieses E-Book
Erinnerungen an meine sorglose und behütete Kindheit und Jugend in den Nachkriegsjahren, wie sie wohl so mancher zu der Zeit erlebt hat. Kleine Geschichten mit hoffnungsvollen Kindheitsträumen in dem Korbmacherdorf Exten bei Rinteln im Weserbergland. Sie fielen zusammen mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg in den Jahren 1947 bis 1957. Es wurden aber auch die Weichen gestellt für die Welt von heute. Unbewußt erlebte ich eine stürmische Entwicklung und den Aufbruch in eine moderne Zeit! Gerade als Kind habe ich dieses hautnah miterlebt und gebe dieses in kleinen Geschichten weiter. Ich wuchs unter Korbmachern auf. Meine erste Bekanntschaft mit dem Plumpsklo, beim Kaufmann, dem Kindergottesdienst, meinem Lieblingsaufstrich dem Rübenzapp und Kinderver-schickung. Innerhalb der Familie erlebte ich 1957 die ersten Fernsehsendungen, die Liebe zur Musik, verbunden mit dem Schifferklavier meines Vaters. Seine Angelleidenschaft, seine Kämpfernatur als Kriegsversehrter und vieles mehr. Ich begeisterte mich für das erste Tonband, den Plattenspieler und Singel-Schallplatten.Tanzschule und Beat-Abende!
Neugierig geworden? Dann lassen Sie sich von diesem Buch inspirieren!
Geänderte Neufauflage von -Weidenkäpsel- (2011)
Renate Gerda Maschmeier
Die Autorin: Renate Gerda Maschmeier wurde 1947 in Rinteln im Weserbergland geboren. Ihre Eltern hatten 1945 als Vertriebene aus Pommern und Westpreußen in dem Korbmacherdorf Exten im Weserbergland eine neue Heimat gefunden. Dort erlebte sie eine bewegte Kindheit und Jugend! Mit kleinen Geschichten zum Lesen und Vorlesen gibt sie das erlebte in diesem Buch an ihre Leser weiter.
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Buchvorschau
Himmel über West- Es geht weiter-50er Jahre - Renate Gerda Maschmeier
Eine Ode an den „Schifferklavier" spielenden Vater, die gemeinsame Küsterstelle der Eltern im Ort und besonders die Arbeit in der Korbmacherbude.
Meinen Kindern
und Enkelkindern
gewidmet.
Die Autorin wurde 1947 in Rinteln geboren.
Ihre Eltern hatten als Vertriebene aus Pommern und Westpreußen eine neue Heimat in dem Korbmacherdorf Exten, bei Rinteln im Weserbergland gefunden.
Dort erlebte sie eine bewegte Kindheit und Jugend.
Mit kleinen Geschichten gibt sie das Erlebte in diesem Buch an Ihre Leser weiter..
Inhaltsverzeichnis:
Wir drei Geburtstagskinder
Dorfleben - 50er Jahre...
Fahrrad und Hamstern
Auf dem Hof
Plumpsklo
Totenfrau
Auf der Milchbank
Scharlach
Postwesen
Kaufmannm im Dorf
Großer Frühjahrputz . .
Hufschmiede
Waschküche
Kino
Die Dreschmaschine
Angeln .
Runkeln, Heu & Korn
Auf dem Edelhof
Cosmae et Damiani Kirche
Ein Besuch in der Ostzone
Urlaub in Hattendorf
In Bad Pyrmont
Bauernhochzeit
Am Schulanger .,
Mein 1. Schultag
Haaren schneiden
Oma Lina und der Wochenmarkt
Gasthaus Kretzer mit Saal
Exter Klause
Erntefeste
Ziegen
Kartoffelernte
Jungenstreiche . . .
Rintelner Messe . . .
Anfang der 50er Jahre
Anfang der 60er Jahre
Auf dem Eisenhammer
Opa Hermann und Plattdeutsch
Adventszeit
Weihnachten 1954 . . .
Winter 1954/56
Frühjahr-Sommer 1955/56
Hausbau 1956
Der Kohlenmann
Familie und Heimarbeit
Zerbrochene Glasscheibe
Die Welt kommt ins Haus
Fasching - 1958
Erstes Auto und Hobby
Schule am Anger . . . . . . .
Martinsabend
Kartoffelpuffer
Hausschlachtung
Im Garten - ein Ort der Stille
Berlin-1957
Erste Schallplatten
Norderney
Sommerzeit-Beerenzeit
Einkochen
Weihnachten-1959, Mein Traum vom Fahrrad
Klassenfahrten
Der Tag vor dem Mauerbau
Schifferklavier
Der Sonntag gehörte uns Mädels
Konfirmandenzeit
Silberhochzeit
Tanzen und so weiter
Meine Lehrjahre
Am Schliersee
Fahrt nach Berlin -1963
Oma Anna - Stiller Abschied
Opa Hermann - Schlaganfall
Schützenfest
Papa´s letzte Reise
Gundula (li),Regina und ich (re.)
Wir drei Geburtstagskinder
Unser Korbmacherdorf Exten bei Rinteln liegt am Rande entfernt des Wesergebirges.
Erwähnt wurde der Ort in der Geschichte namentlich im Jahre 896 und gilt heute als der älteste und größte Ort im Wesertal zwischen Hameln und Minden.
Zu meiner Schulzeit in den 50er Jahren war immer die Rede von etwa 1250 Einwohnern, inzwischen ist die Zahl auf 1856 gestiegen.
Nach dem 2. Weltkrieg kamen aus den Ostgebieten Vertriebene und Flüchtlinge, sowie Ausgebomte aus allen Teilen Deutschlands, um sich in dem schönen Ort anzusiedeln.
Für die Einheimischen war es nicht einfach. Da kamen fremde Menschen und drängten sich in ihre vertraute Umgebung. Ebenso schwer war es für die Vertriebenen und Flüchtlinge. Hatten sie doch ihr ganzes Hab und Gut verloren, alles, was ihnen lieb und vertraut war.
Im Laufe der Zeit kannte man sich untereinander:
Es entstanden Freundschaften und ein jeder erzählte aus vergangenen Tagen.
Wehmütige Erinnerungen an ihre verlorene Heimat und schlimme Erlebnisse durch Flucht und Vertreibung.
Wer nicht das Glück wie meine Eltern hatte und schon eine Wohnung aufweisen konnte, musste vorerst im Lager wohnen.
Durch das Lazarett hatten sich mein Vater mit Karl Selbig und Ernst Dix angefreundet.
Und im Nachhinein war es schon eigenartig, dass ihre Ehefrauen, gleichzeitig schwanger wurden und dann am 1. September 1947 jede ein Mädchen zur Welt brachte. So kam auch ich ins Spiel.
Aber mit Sicherheit konnte man unsere Geburten wohl in der damaligen Zeit nicht als Willkommen heißen.
Die Zeiten waren ungewiss. Der Krieg noch nicht vergessen!
An der Exter - Vor den Höfen um 1900,
Dorfleben - 50er Jahre
Der damalige Bürgermeister unseres Ortes Exten: Friedrich Heierking, ein etwas untersetzter Herr mittleren Alters, wohnte in der Meierstraße.
Soweit ich noch von meinem Vater weiß, hat gerade er für die Vertriebenen aus dem Osten viel Gutes getan.
In Bezug bei Anträgen, hat er so manchem mit Rat und Tat zur Seite gestanden, und war eigentlich recht angesehen im Ort.
Obwohl, wenn man es aber politisch gesehen betrachtet, waren bestimmt die Einwohner, die eine andere Gesinnung hatten als er, nicht so ganz einer Meinung mit ihm.
Es gab dann doch schon mal die eine und andere Auseinandersetzung.
Daher war es mir unerklärlich, dass er und seine Gegner bei Feierlichkeiten dann doch friedlich vereint zusammen saßen.
Aber wie heißt es so schön: Schnaps ist Schnaps und Politik war streng gesehen, etwas anderes.
li. Bürgermeister Heierking
oben auf dem Kutscherbock:Wilhelm Möller
Vereinsleben
Das Dorfleben spielte in den Nachkriegsjahren für jeden einzelner Bürger eine große und wichtige Rolle.
Das betraf auch meinen Vater. Er integrierte sich sehr, vor allem, was die Geselligkeit betraf.
So hat er im Ort den Reichsbund mit ins Leben gerufen
Dieser wurde hauptsächlich zur Erhaltung des Arbeits- und Familienleben gegründet.
Und da für ihn in seiner Jugend die Musik schon immer eine große Rolle spielte, er also sehr sangesfreudig war, war es für ihn dann auch selbstverständlich, dass er auch Mitglied im hiesigen Männergesangverein war.
Dieser Verein wurde im Jahre 1879 gegründet und mit Unterbrechungen der beiden Weltkriege fanden sich nun 1948 einige Sänger zusammen.
Man pflegte das Vereinsleben wieder und Sänger bemühten sich nach dem letzten schrecklichen Krieg um die Pflege des Liedes.
Inzwischen konnte man schon das 70. Jubiläum feiern!
Für jeden einzelnen war es schwer sich unter den damaligen Umständen zu einer Gemeinschaft zusammen zu finden, jeder wollte das selbst erlebte Schlimme vom Krieg vergessen und das gelang den meisten durch eben diesen Chorgesang.
So auch meinem Vater.
Er selbst blühte wie durch ein Wunder mit den Gleichgesinnten in jenem Gesangverein auf: Dieser gab ihm ein neues Lebensgefühl wieder.
Zu dieser Zeit war bis Anfang der 50er Jahre als Chorleiter unser späterer Nachbar Herr Schmitt, bei uns immer nur bekannt als der Kantor Schmitt, sein Nachfolger war dann unser Hauptlehrer: Herr Wellnitz.
Schaut man sich ein Bild vom 70 jährigen Jubiläum aus dem Jahre 1949 an, so muss man erstaunt feststellen, dass ungefähr etwa 40 Mitglieder zu zählen sind, fünf Jahre weiter, zählte man schon etwa sechzig Sänger.
70. Jubiläum - 1949 - Mein Vater, der 5. von rechts
1954 - Mein Vater in der 3. Reihe - 4.von rechts
vorne sitzend : der 5. von links unser
damaliger Bürgermeister: Fritz Heierking
Man feierte Erntefeste und ein weiteres Ereignis war die Maskerade, dessen Innitiator ab 1946, der Friseurmeister:Jupp Liggesmeier war.
Und dann 1958 die Wiederbelebung des Exter Schützenfestes. Ja, das Exter Schützenfest war damals schon das größte Ereignis weit und breit.
Bis heute ist es eine jährlich wiederkehrende Tradition geworden, was nicht zuletzt dem Optimismus der Jugend zu verdanken ist.
Ab ca. 1971 kristallisierte sich dann der „Club der Gemütlichkeit" heraus.
Und dieser „Club", der die Gemeinschaft der einzelnen Dorfbewohner wieder gibt, erfreute sich lange Jahre zu gemütlichen Zusammenkünften.
Club der Gemütlichkeit
Mitte der 50er Jahre
Fahrt mit dem Reichsbund ins
„Bückeburger Schloss"
Korbmachereien
Wenn man zurück auf den Anfang des 20. Jahrhundert blickt, kann man auf den Beginn der Verarbeitung mit Weiden schauen.
Der einheimische Fluss - die Exter - bot da mit seinen Ufern ein ideales Gebiet mit seinen zahlreichen Kopfweiden.
So erkannten auch schon einige interessierte Männer aus dem Ort, dass man mit der Verarbeitung der Weiden sein Brot verdienen konnte. Sie erlernten das Flechten von Körben für den täglichen Gebrauch und ebenso als Flaschenkörbe für die umliegenden Glasfabriken.
Im Ort begann die Aera, wo sogenannte Korbmacherbuden
eröffnet wurden.
Je nach Größe wurden dort einige Korbmacher beschäftigt und standen somit fest im Lohn. Als größten Arbeitgeber nenne ich hier die Firma Meyer/ später Watermann im Gallenort. Gefolgt von Firma Röhmeier/Hasper in der Behrenstraße.
Sinnlich sind mir auch noch in den 50er/60er Jahren jene Firmen, die einige Männer beschäftigten: Edeler im Obernfeld, Ossenkopp und Möller auf der Landmark.
Wobei ich aber auch nicht die 1-Mann Betriebe vergessen möchte. Hier übten die Männer in ihrem privatem Umfeld das Handwerk aus, um das fertige Weiden Produkt dann an die großen Firmen Meier oder Röhmeier gegen ein Entgeld abzugeben.
Somit verdienten sie dadurch für sich und ihre Familien den Lebensunterhalt.
Meine Eltern hatten nach dem 2. Weltkrieg im Jahre 1945 durch ihrer Vertreibung aus Pommern und Westpreußen in Exten eine neue Bleibe bei Röhmeier/Hasper gefunden.
Für sie war das der Beginn in ein neues Leben, voller Zuversicht und Hoffnungen.
Wie schon erwähnt, war meine Geburt mit Sicherheit nicht geplant.
Aber gerade dort bei Haspers verlebte ich bis zu meiner Einschulung im Jahre 1954 eine interessante und schöne Kindheit. Ein großes Haus mit Diele, Waschküche, Kontor, Stall und Plumpsklo. Nicht zu vergessen ein riesiger Hof mit zahlreichen Körben, die zum Abtransport auf ihren Abnehmer warteten und eben die genannte Korbmacherei. Hier standen etwa 10 bis 12 Arbeiter mit dem Weidenflechten im Arbeitsverhältnis.
Auf Haspers Hof. - Rechts ging es in die Kormacherbude Geradeaus war die Scheune, daneben rechts Durchgang zum Garten mit einem großen Weiden-Bassin.
Hier wurden Körbe, Deckel und Kappen aus Weiden geflochten. Diese drei Dinge aus Weiden benötigte man, um damit große Ballonflaschen aus Glas für den Transport bruchsicher einzupacken.
An den Körben befand sich an jeder Seite jeweils ein Henkel und sollten sie mit einem Glasballon verschickt werden, kam oben drauf ein extra Deckel aus Weide.
Abtransport der Weidenkörbe vom
Exter Bahnhof per Bahn
Meine Eltern erlernten beide in der Korbmacherbude das Handwerk des Weidenflechtens.
Obwohl meine Mutter alleine unter den Männern arbeitete, war es ihr fester Entschluss, jenen Deckel für die Ballonflaschen zu flechten.
Für sie als Frau war das Flechten mit Weiden keine saubere Angelegenheit, an den Händen siedelten sich Schwielen an und die Finger taten ihr weh.
Aber sie hatten durch die Flucht ihr ganzes Hab und Gut verloren, und nur der Gedanke, durch ihre Arbeit Geld zu verdienen, wollte sie mit dem Verdienst die Haushaltskasse aufbessern.
Ganz zum Schluss kam oben auf den Flaschenhals der Ballonflaschen noch eine Kappe.
Unter diesem Namen, dem „Weidenkäpsel" kannte man sie auch. Und genau mit der Herstellung dieser Kappen aus Weiden, versehen mit einem Henkel, beschäftigte sich mein Papa.
Obwohl diese Arbeit in der Korbmacherei täglich über viele Stunden bis zum Abend ging, wurde von den Arbeitern nebenbei oft noch Spaß gemacht.
Es wurden Witze erzählt und alles in allem ging es dort doch recht lustig und gemütlich zu.
Noch Jahre später, als wir schon in unserem eigenen Haus wohnten, verbrachten meine Eltern jeden Tag, bis oft in die späte Nacht mit dieser „Beschäftigung".
Sie verdienten hiermit ihren Lebensunterhalt, ihr tägliches Brot.
Leider wurden die Weidenprodukte etwa in den 70er Jahren durch die Entwicklung des Kunststoffes abgelöst.
Fasching in den Nachkriegsjahren
Gefeiert wurde gerade in den Nachkriegsjahren recht gerne. Man hat durch den Krieg soviel Schlimmes entbehren müssen.
Und so ist es auch dem Friseur Meister: Jupp Liggesmeier zu verdanken, dass er als Initiator des:
„Club der Gemütlichkeit"
mit seinem persönlichen Einsatz ab 1946 das Kappenfest in meinem Heimatort Exten bei Rinteln ins Leben gerufen hat.
So etwas hatte es vor dem Krieg 1923 bis 1939 im Ort schon einmal gegeben.
Die „Maskerade", unter welchem Namen sie bei uns Kindern bekannt war, bereitete alljährlich bei allen Einwohnern, jung und alt, viel Freude.
re. Jupp Liggesmeier
Gerda und Richard (meine Eltern)
re. Prinz Wilhelm I
Auch für uns Kinder war 1952 eine Maskerade mit Verkleidung eine ziemlich aufregende Sache, zumal die beste Kostümierung einen Preis erhalten sollte.
In jenem Jahr sollte der Maskenball im Saal von Gasthaus Stock gefeiert werden.
Dieser Saal befand sich damals dort, wo heute der Kroate im Gasthaus zur Post ist.
Zwischenzeitlich hatte noch die Kartenfirma Noth dort ihren Sitz gehabt, bis das Gebäude altersbedingt abgerissen wurde und durch ein Neues ersetzt wurde.
Nun zurück zum Kappenfest:
Ich weiß noch, an jenem Tag war ich schon ganz aufgeregt, meine Freundin Gisela wohnte im Haus gegenüber, holte mich ab und unsere Mütter machten sich mit uns auf den Weg.
Für mich hatte meine Mutter ein weißes Kleid mit bunten Papierblüten genäht, ich fühlte mich wie eine Prinzessin im Märchen.
Gisela hatte auch ein langes Kleid mit dunkler Samtjacke an, wir bewunderten uns gegenseitig und fanden uns beide jeder auf seine Art einfach umwerfend.
Überhaupt, wenn ich so nachdenke: Mit dem Verkleiden hatten wir Mädchen es eigentlich immer, es machte uns so einen Spaß, wir gaben uns in eine Traumwelt und unserer Fantasie waren da keine Grenzen gesetzt.
Im Saal angekommen, war schon gute Stimmung, eine Kapelle spielte für uns die schönsten Kinderlieder, wie: „Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her oder: „Alle Vögel sind schon da
, welches mein absolutes Lieblingslied war.
„O, wie schön, so eine Maskerade ist doch was Feines", freute ich mich. Der Nachmittag verging so schnell und dann war es soweit: Die besten drei Kostüme sollten einen Preis erhalten.
„Ach, wenn ich doch auch einen Preis bekäme", dachte ich im Stillen. Ja, und wie es so sein sollte, mein Beten hatte geholfen, ich bekam prompt den ersten Preis und zur Belohnung ein hübsches Bild mit einem Wanderjungen und einem Vogel drauf. Ich war vor Freude ganz aus dem Häuschen.
Niemals hätte ich geglaubt, den ersten Preis zu bekommen.
Den Zweiten bekam Gisela und den dritten Preis ein kleiner „Schornsteinfeger" - ihr Cousin Manfred aus Hohenrode.
Ich war sehr stolz auf mein Bild, es bekam zu Hause, direkt über meinem Bett einen Ehrenplatz.
Leider bekam mein Bruder, der sich als König mit Krone und Umhang verkleidet hatte, keinen Preis. Ebenso ging sein Freund Karl-Heinz, für uns nur als „Tuttu" bekannt, leer aus.
Aber ich glaube, wie Jungen so sind, es war ihnen wohl egal. Sie freuten sich aber mit uns und mein Bruder war sehr stolz, dass seine Schwester so einen schönen Preis bekommen hatte.
li. mein Bruder und Tuttu
hier bin ich (re)
mit Gisela und Manfred
Das Kappenfest, wie es früher war, gab es nur noch bis in die 70er-Jahre. Gehört also leider der Vergangenheit an.
Fahrrad und Hamstern
Die Nachkriegszeit war auch die „Hamsterzeit". Man tauschte Sachen, die man zu dieser Zeit gerade nicht gebrauchen konnte, hauptsächlich für Essbares!
Mein Vater besaß damals ein altes, klappriges Fahrrad, bei dem ein Pedal extra seinem Holzbein angepasst war. Da er durch seine Kriegsverletzung das linke Bein beim Treten nicht krumm machen konnte, blieb das Pedal dann unten feststehen. Diese einmalige Anfertigung und Konstruktion konnte er seinem Freund Karl Selbig verdanken.
Direkt neben der Schule am Anger befand sich sein Fahrradladen. Karl verstand sein Handwerk, er war bei den Dorfbewohnern als Spezialist für Zweirad-Räder beliebt und anerkannt.
Im Laufe der Zeit hatte mein Vater sich mit dem Besitzer und Geschäftsmann des Textilgeschäftes „Bartol" angefreundet, doch eher geschäftlich als freundschaftlich.
Jenes Geschäft befand sich damals in Rinteln an der Weserbrücke.
Und so kam es, dass Papa mit allerlei Kurzwaren über Land fuhr und Geschäfte machte, vom Hosenträger, Taschentüchern, Strumpfwolle, Schlüpfergummi bis zur Unterwäsche.
Schon allerhand, was Papa sich mit seiner Beinbehinderung und mit dem Rad so alles zumutete, aber er war eben von Natur aus ein echter „Kämpfer".
An einem Samstag schnürte er sich seinen Rucksack auf den Rücken und meinte zu meiner Mutter: „Gerda, ich habe mit Herrn Bartol abgemacht, dass ich heute für ihn über Land fahren würde. Vor Abend bin ich nicht wieder zu Hause."
Voller Elan holte er sein Fahrrad aus der Scheune und schob es vor die Hoftür.
Ehe er losfuhr, fasste er noch schnell in seine Hosentasche und holte eine silberfarbene Klammer hervor.
Damit der „gute Stoff" keinen Schaden annahm, klemmte er sich die Klammer in den unteren Teil des Hosenbeines.
Da hatte er vorher ohne „Hosenklammer" schon schlechte Erfahrungen gemacht. Es war nicht nur einmal so schlimm, dass sich der Stoff in der Fahrradkette verfangen hatte und Papa vom Rad stürzte.
Durch Fehler lernt man, doch nichtsdestotrotz, es hielt ihn nichts davon ab, er fuhr weiterhin über Land, schacherte und tauschte, wie es damals, - wollte man überleben -, eben üblich war.
Und da Papa schon immer eine „gute Seele" war und wie man sagte, auch ein gutes Herz hatte, dachte er nicht nur an sich.
Er hatte ein „Helfersyndrom", sorgte auch dafür, dass seine Bekannten und Verwandten keine Not erleiden sollten. Somit schacherte er auch für sie - so gut er konnte.
Einmal ergab es sich, dass er bei einem seiner Hamsterkäufe und Kungeleien im Auetal Pferderouladen ergattert hatte. Voller Stolz präsentierte er meiner Mutter das kostbare Fleisch.
„Was sind die Rouladen schön groß", hatte sie verwundert festgestellt.
Doch später machte mein Papa beim Essen so eine komische Bemerkung, wieherte wie ein Pferd und scharrte dabei unter dem Tisch mit seinem Bein.
Ich war ja noch klein, habe meine Mutter noch nie so ärgerlich gesehen, sie sprang vom Stuhl auf und lief dann schimpfend aus der Küche. Nicht ohne Grund:
In Pommern war meine Mutter bei einem Arzt als „Hausmädchen in Stellung".
Papa wusste, dass dieser ein passionierter Jäger war und liebend gerne auf die Jagd ging.
Nachdem das erbeutete Wild erst tagelang im stinkenden Keller abhängen mußte, gehörte es mit zu Mamas Aufgabe, ihrem Chef behilflich zu sein, es zu zerlegen und letztendlich dann als Sonntagsbraten zuzubereiten.
Für meine Mutter eine schrecklicher Anblick, wenn das geschossene Tier vor ihr steif auf dem Tisch lag und sie mit großen, leeren Augen anstarrte.
Sie liebte die lebenden Tiere und somit fand sie an Wildbraten keinen Gefallen. Hierzu gehörte auch der Genuss vom Pferdefleisch.
Eines Tages stand so eine Art Rollstuhl auf dem Hof, ein rechteckiger, großer Kasten mit 2 Speicherrädern und mit braunem Leder ausgeschlagen.
Wenn Papa sich dort hineinsetzte, konnte er bequem seine Beine hoch lagern.
Und um sich fortzubewegen, musste er mit den Armen kräftig rudern. Dafür war an jeder Seite eine Stange, die man vor und zurück bewegen konnte. Sogar eine Klingel konnte er bedienen.
Für weitere Ausflüge war dies schon eine schöne Sache. Aber mit Sicherheit war ihm dieses „Monstrum" zu umständlich und so nahm er doch am liebsten sein Fahrrad.
Irgendwann stand vor der Hoftür eine „Quickly". Voller Stolz präsentierte Papa das kostbare Gefährt mit Motor, welche er über seinen Freund Karl günstig erstanden hatte.
Ein Moped, das ganz in seinem Sinne war.
Auf dem Hof
Wir wohnten mit drei Familien im Haus und eigentlich war dort immer was los. Und heute frage ich mich, wie Haspers dies alles so dulden konnten.
Ich wüsste nicht, dass es einmal Streit untereinander gegeben hätte.
Im Gegenteil, meine Eltern wurden, obwohl sie Vertriebene aus dem Osten waren, in dieser Familie behandelt, als gehörten sie schon immer dazu. Etwas Besseres. als dort zu wohnen, konnte ihnen gar nicht passieren.
Im unteren Bereich des Hauses bewohnten wir eine Wohnküche und in der oberen Etage ein Schlafzimmer für mich und meine Eltern.
Mein Bruder hatte sein Bett gleich neben der Dachbodenkammer.
Außer den Besitzern des Hauses, Familie Hasper, wohnte noch eine Witwe mit ihrem Sohn Helmut dort. Obwohl wir alle auf engstem Raum wohnten, war jeder zufrieden.
Haspers Hof vor dem Haus, direkt an der Korbmacherbude war für uns Kinder das ideale Spielparadies.
Man konnte den Eindruck haben, er war unser Revier und hier fing für uns Kinder die Welt an. Zumal hier auch eine Scheune und ein großer Hof waren. Hier konnten wir nach Herzenslust herumtollen und Verstecken spielen.
So dachten wir jedenfalls, wenn da nicht Tante Miele, Helmuts Mutter, uns immer beobachtete. Sie bewohnte gleich rechts neben der Dielentür ihre Wohnküche.
Ich glaube, sie mochte uns Kinder nicht so recht.
Mit einem Blick durch ihr Küchenfenster hatte sie uns immer im Visier.
Waren wir ziemlich wild untereinander am Toben, wurde es schon recht laut. Da passierte es öfters, dass sie dann nach draußen kam und uns zurecht wies..
Aber wie wir nun mal waren, es störte uns nicht weiter, zumal ja Helmut auch oft mit dabei war.
Im Alter von ungefähr fünf Jahren ist mir noch ein schlimmes Ereignis im Gedächtnis. Wir spielten auf dem Hof
immer gerne „Blindekuh" und hierzu wurden einem die Augen verbunden.
„Renate, fang du doch an", rief meine Freundin Bärbel, verband mir mit einem Schal die Augen und schon drehte sie mich ganz schnell in die Runde.
Mir wurde schon ganz schwindelig und im Nu habe ich dann auch noch die Orientierung verloren, stolperte rechts und dann nach hinten und dabei ist es passiert.
Ich fiel schnurstracks in die Jauchegrube.
Diese, ein großes rechteckiges Becken, befand sich zwischen Bude und Scheune, direkt am Hof grenzend und war bis zum Rand mit Wasser gefüllt.
Damit die Weiden zum Flechten geschmeidiger wurden, tauchten die Arbeiter immer ganze Weidenbunde für mehrere Tage in dem Wasserbecken ein.
Außer einem gewaltigen Schreck ist mir zum Glück weiter nichts passiert, aber ich muss furchtbar nach Jauche gestunken haben! Mama steckte mich gleich in die große Zinkwanne. Da hatte ich wirklich Glück gehabt, ich hätte ertrinken können.
Ob ich da wohl einen Schutzengel gehabt habe, der über mich gewacht hat?
Mein Cousin Reinhard aus Berlin war oft bei uns zu Besuch.
Unsere Mütter waren Schwestern und so ergab es sich, dass wir so etwas wie seine zweite Familie waren.
Er war ein Jahr jünger als ich, aber wir beide waren immer ein Herz und eine Seele, er war wie ein Bruder zu mir.
Leider ist er Weihnachten 1953 an einer Blinddarm-OP in Berlin gestorben.
Wir alle waren sehr traurig, konnten es gar nicht begreifen, dass er uns nun nicht mehr besuchen würde.
Vor allem als Spielkamerad fehlte er mir so sehr, es war immer so lustig mit ihm.
Und da er so eine schöne Stimme hatte, habe ich immer noch ein Lied in Erinnerung, das er so gerne sang.:
„Berliner Jung´s, die sind dufte".
Große Dielentür, rechts Tante Mieles Küchenfenster
Plumpsklo
Hier machte ich bewusst schon Bekanntschaft mit täglichen Bedürfnissen, die jeder Mensch nun mal hat und dem dafür dienlichen „Plumpsklo".
Um dorthin zu gelangen, führte unser Weg über die Diele im Haus, danach direkt in den Stall, wo einige Schweine und Kühe ihr Revier hatten.
Direkt gegenüber von diesem abgeteilten Gatter hatte nun das Klo seinen Ehrenplatz.
Einen Vorteil hatte dieser Standort, selbst im Winter war es dort schön warm.
Eigentlich störte es mich nicht, zu diesem Zweck über die Diele zu gehen, aber es gab da so zwei Erlebnisse:
Die Woche nach Weihnachten, also die Zeit vor Silvester erzählten mir die Männer aus der Bude immer Geschichten über die Neujahrshexe. Das war nun gar nichts für meine zarte Seele, und das hatte oft zur Folge, dass ich Angst hatte, über die Diele und aufs Klo zu gehen.
Es gab noch ein weiteres Ereignis, das mir Angst machte, alleine dorthin zu gehen. Ich muss so zwischen vier und fünf Jahre alt gewesen sein, da stand plötzlich mitten auf der Diele ein langer, schwarzer Kasten. An den musste ich vorbei, um in den Stall zu kommen.
So etwas hatte ich ja noch gar nicht gesehen, er sah irgendwie geheimnisvoll aus und nach und nach wurde dieser Kasten mit Blumen und Kränzen geschmückt, Dahlien und Nelken, die kannte ich ja schon!
Auf dem Kasten stand ein Kronleuchter mit brennenden Kerzen und es kamen dauernd Leute in schwarzer Kleidung.
Alles war so geheimnisvoll und ich schaute meine Mama ängstlich an. Sie nahm mich in den Arm und erklärte mir, dass der Opa Röhmeier von uns gegangen und jetzt im Himmel sei. „Schon komisch, dachte ich. „Wieso steht denn dieser Kasten hier auf der Diele, wenn der Opa doch im Himmel ist?
In meinem kindlichen Denken konnte ich dies alles nicht so recht begreifen.
Meine Angst blieb noch einige Zeit, vor allem, wenn ich zum Klo über die Diele musste.
Totenfrau
Wohl in jedem Ort gab es früher eine „Totenfrau. Unsere wohnte bei meiner Freundin Regina mit im Haus und war mir eigentlich recht gut bekannt. Damals hatten wir natürlich keine Ahnung, was es denn bedeutete: „Totenfrau
. Aber ein paar Jahre später erfuhr ich dann, was es damit auf sich hatte. Frau Düllmann stand der Familie beim Ableben eines Angehörigen zur Seite und übernahm sämtliche Arbeiten, wozu man bei einem solchen Fall durch die Trauer nicht in der Lage war.
Um es genauer zu sagen, sie wusch und kleidete den Toten und bettete ihn für seine letzte Reise im Sarg.
Am Tag der Beerdigung war es bei uns im Dorf damals so üblich, dass während der Totenfeier eine Aufbahrung des Toten im offenen Sarg in der Diele des Hauses stattfand.
Um dem Toten und den Angehörigen seine Anerkennung zu erweisen, gehörten Kränze und Blumen dazu.
Hier stand Frau Düllmann dann auch bereit, sie nahm diese entgegen und ordnete sie sorgfältig vor dem Sarg an.
Nach der Beerdigung bei Opa Röhmeier half sie den Hinterbliebenen ebenfalls beim Herrichten des sogenannten „Totenschmaus".
Zu dem Zweck wurden bei Bäcker Hupe große Platenkuchen, in Form von Zucker- und Streuselkuchen, gebacken. Die Männer aus der Bude hatten Tische und Stühle aufgestellt.
Mama half in der Waschküche beim Kaffeekochen und schon zog ein köstlicher Duft von Bohnenkaffee durch die Räume. alles war bereit!
Große Kaffeekannen standen im angrenzenden Kontor, der Platenkuchen wurde in Form kleiner Stücke auf Kuchenteller verteilt. Der Schmaus konnte beginnen.
Die Verwandschaft war groß und jeder wollte mit seinem Beisein dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen.
Die älteren Arbeiter aus der Korbmacherbude erzählten lustige und schmerzvolle Episoden aus dem Leben des Verstorbenen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge wurde noch so manche Träne vergossen.
Auf der Milchbank
Am Rande des Hofes standen als Abgrenzung zur Straße einige Zwetschgenbäume,
Und genau dazwischen stand eine kleine Holzbank.
Hier hatte man einfach zwei Holzpfähle in die Erde geschlagen und darüber ein dickes Brett genagelt.
Und genau auf diese Bank stellten Haspers und Bauer Künne von gegenüber