Vandalen des Weltraums
Von Jack Vance
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Über dieses E-Book
Dick Murdock, fünfzehn Jahre alt, bricht von der Venus zum Mond auf. Dort soll er seinen Vater, den Chefastronomen des dortigen Observatoriums, treffen und eine Ausbildung beginnen. Doch kaum ist er auf der Reise, überkommt ihn ein ungutes Gefühl: Wird er den Mond überhaupt erreichen? Denn auf dem Weg dorthin liegt der berühmt-berüchtigte »Weltraumfriedhof«. In diesem verschwinden nämlich seit Kurzem Raumschiffe, und man munkelt, dahinter stecke ein Wesen namens »Der Basilisk«. Und tatsächlich bleiben, kurz vor dem Start zum Mond, die Nachrichten eines Schiffes aus, das auf dem Weg zur Venus ist. Was ist geschehen? Und was hat es mit dieser zwielichtigen Person namens Sende auf sich, die mit Dick zusammen an Bord des Schiffes zum Mond geht? Es sind nicht die einzigen Fragen, die sich im Verlauf der Geschichte ergeben ...
»Vandalen des Weltraums«, Erstausgabe des Originals »Vandals of the Void« 1953, ist Jack Vances einziger Jugendroman. Man merkt, dass er hier einige wissenschaftliche Informationen vermitteln möchte. Interessant ist auch der Umstand, dass Vance, bekannt für seine bunt-exotischen Welten, es schafft, auch auf den eher von Schwarzweiß- und Grautönen beherrschten Mond, Farbigkeit in die Schilderungen zu bringen.
Jack Vance
"An American writer of mystery, fantasy, and science fiction, he is famous for his Dying Earth series, as well as for award-winning works such as The Dragon Masters and The Last Castle. In 1984, he won the World Fantasy Award for Life Achievement. Before Fame He worked as a rigger at the Kaiser Shipyard in Richmond, California. He published his first science fiction novella, Son of the Tree, in 1951. Born August 28, 1916, Died May 26, 2013 (age 96)"
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Buchvorschau
Vandalen des Weltraums - Jack Vance
Das Buch
Das Weltraumzeitalter hat begonnen. Die inneren Planeten des Sonnensystems sind besiedelt. Vance beginnt den Roman mit einem, aus heutiger Sichtweise, altbackenem Vorwort. Es zeigt aber auch den unbedingten Zukunftsglauben und die Zuversicht in die Technik der Menschen jener Epoche.
Dick Murdock, fünfzehn Jahre alt, bricht von der Venus zum Mond auf. Dort soll er seinen Vater, den Chefastronomen des dortigen Observatoriums, treffen und eine Ausbildung beginnen. Doch kaum ist er auf der Reise, überkommt ihn ein ungutes Gefühl: Wird er den Mond überhaupt erreichen? Denn auf dem Weg dorthin liegt der berühmt-berüchtigte »Weltraumfriedhof«. In diesem verschwinden nämlich seit Kurzem Raumschiffe, und man munkelt, dahinter stecke ein Wesen namens »Der Basilisk«. Und tatsächlich bleiben, kurz vor dem Start zum Mond, die Nachrichten eines Schiffes aus, das auf dem Weg zur Venus ist. Was ist geschehen? Und was hat es mit dieser zwielichtigen Person namens Sende auf sich, die mit Dick zusammen an Bord des Schiffes zum Mond geht? Es sind nicht die einzigen Fragen, die sich im Verlauf der Geschichte ergeben …
»Vandalen des Weltraums«, Erstausgabe des Originals »Vandals of the Void« 1953, ist Jack Vances einziger Jugendroman. Man merkt, dass er hier einige wissenschaftliche Informationen vermitteln möchte. Interessant ist auch der Umstand, dass Vance, bekannt für seine bunt-exotischen Welten, es schafft, auch auf den eher von Schwarzweiß- und Grautönen beherrschten Mond, Farbigkeit in die Schilderungen zu bringen.
In der Geschichte sagt jemand: »Betrachtet man die Angelegenheit aus einer weiten Perspektive … herrschen heute Bedingungen, die nahezu identisch sind mit denen, welche die Piraten im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert hervorgebracht haben: ungeschützte Schiffe, die wertvolle Ladungen befördern, schlechte Kommunikationsmöglichkeiten, keine angemessene Polizeistreitmacht. Angesichts der gleichen Bedingungen und angesichts der menschlichen Natur ist es beinahe unvermeidlich, dass das Resultat das gleiche ist.«
Bei »Vandalen im Weltraum« handelt es sich, könnte man sagen, um ein Südseeabenteuer – um Piraten der Karibik im Weltraum.
Vance hat den Text zum Teil in Positano, Italien, geschrieben. Dieser Ort ist auch der Schauplatz Vances in Deutsch noch nicht veröffentlichten Roman »Strange People, Queer Notions«.
Der Autor
Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren.
Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht.
Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.
Informationen über ihn und sein Werk finden Sie hier:
www.editionandreasirle.de
Vorwort
Heute ist eine wunderbare Zeit zum Leben – das aufregendste und farbigste Zeitalter der gesamten gewaltigen Geschichte der Menschheit. Wir befinden uns in einer Epoche des Übergangs von einer Zivilisation, die auf europäischen Ideen beruht, welche ihren Schwung verloren hat und müde geworden ist, zu einer neuen Zivilisation, an deren grundlegenden Mustern wir noch arbeiten.
Niemand kann behaupten, dies sei eine Ära der Ruhe – ganz im Gegenteil. Die Ereignisse überkommen uns mit einer Geschwindigkeit, welche die meisten Menschen verwirrt und nicht wenige beunruhigt. Einige von ihnen nehmen Zuflucht in der Vergangenheit. Sie beschäftigen sich in ihrer Freizeit mit Volkstänzen und historischen Romanen, sie sammeln Antiquitäten und wohnen in »Stilhäusern«. Andere leugnen, dass sich die Welt verändert. Dies sind jene Menschen, welche Wissenschaftler und Mathematiker als »langhaarige« und »geistesabwesende Professoren« abtun und die Science-Fiction als das exklusive Gebiet von Eskapisten betrachten.
Die bloße Tatsache, dass wir mit solch einer Geschwindigkeit von einer Lebensart zur anderen wechseln, ist nicht nur beispiellos – sie ist auch erstaunlich. Die Science-Fiction bietet eine grundlegende Bildung für dieses neue Zeitalter, genau wie Geschichts- und Erdkundebücher uns für die Gegenwart gebildet haben. Die Science-Fiction gibt uns einen Vorsprung, uns an die neuen Bedingungen anzupassen, und wir haben einen enormen Vorteil vor jenen Menschen, welche die Zukunft ignorieren.
Vor zwanzig Jahren kannten nur Wissenschaftler und Science-Fiction-Leser die Bedeutung der Wörter »Atomenergie« und »Raumfahrt«. Selbst heute noch tun viele Menschen die Raumfahrt als ein Konzept auf der gleichen Stufe mit Astrologie und dem Osterhasen ab. In Wahrheit ist die Raumfahrt so greifbar wie der morgige Tag. Pläne und Fortschritte sind im Augenblick noch militärische Geheimnisse, doch Vermutungen anzustellen kostet nicht nur nichts, es macht auch noch Spaß. Hier meine Vermutungen:
Um 1965 werden mittels chemischer Energie angetriebene Raumschiffe menschliche Wesen auf den Mond befördern.
Um 1968 werden Raumschiffe zum Mars und zur Venus fliegen und Satellitenumlaufbahnen über den jeweils oberen Grenzen der marsianischen und venusischen Atmosphäre einnehmen. Ein Mensch wird mit einer kleinen Gleitrakete zur Oberfläche eines jeden dieser Planeten fliegen. Nach einem, zwei oder möglicherweise drei Tagen der Forschung wird er die Gleitflügel abstreifen und mit dem Raketenrumpf zum Mutterschiff zurückfliegen.
Um 1975 werden permanente Satellitenstationen Erde, Mars und Venus umkreisen.
Circa 1978 wird Atomenergie für den Antrieb von Raumschiffen verwendet werden.
Um 1980 werden ständige Kolonien wie die Sicherheitsstation auf dem Mond, das Wundertal auf der Venus und Perseverine auf dem Mars entstehen. Die potenziellen Tier-, Pflanzen- und Mineralressourcen unserer Nachbarwelten werden erforscht und erschlossen werden. Frachtkosten werden sehr hoch sein. Es wird wirtschaftlich sein, nur Waren von hohem spezifischen Wert zur Erde zu exportieren: Felle, Moschus, wertvolle Metalle und Hölzer, Juwelen, Parfüm und aromatische Öle, Jade, Elfenbein, Korallen, einheimische Handarbeiten und Tuche (sofern vorhanden), Fossilien und zoologische Proben sowie andere unvermutete Objekte.
Unvermeidlicherweise werden diese Warensendungen unehrliche Menschen in Versuchung führen, die zu faul sind, selbst zu arbeiten, allerdings gewillt, als Parasiten von den Mühen und Unternehmungen anderer Menschen zu leben.
Um 1985 wird das Zeitalter der Raumpiraterie beginnen.
Wie eine Pflanze eine Umgebung mit günstigem Boden, Sonnenlicht, Luft und Wasser braucht, um zu wachsen, so benötigt eine florierende Piraterie besondere Bedingungen. Diese umfassen eine vernünftige Sicherheit der Operationen, Frachtgut, welches konzentrierten Reichtum repräsentiert, und einen Markt für gestohlene Güter.
Im Weltraum sind die Bedingungen günstig – zunächst. Der Asteroidengürtel jenseits des Mars’ zum Beispiel bietet eine Zuflucht, wo sich ein Piratenschiff für unbestimmte Zeit verbergen kann, ohne Gefahr zu laufen, vom Radar erfasst zu werden. Schiffsladungen sind reichhaltig und ungeschützt. Auf jeden unaufrichtigen Menschen im Weltraum kommen zwanzig auf der Erde, die ihm dabei helfen, die Beute umzuschlagen.
Daraufhin breitet sich unweigerlich Gesetz und Ordnung im Weltraum aus. Eine Polizeimacht wird etabliert werden, eine Weltraumflotte. Piraten werden verschwinden, zumindest aus dem Gebiet um das Solarsystem.
Das Zeitalter der Raumpiraten wird wahrscheinlich noch während unserer Lebzeiten kommen. Sehr wahrscheinlich werden einige jener, welche dies lesen, in die Raumflotte eintreten. Ich hoffe, dass keiner von Ihnen die Piraten unterstützt. Falls ja, werden Sie es sicherlich bereuen. Die Bezahlung in der Raumflotte ist vielleicht nicht so gut, aber man lebt länger.
J. V.
Kapitel I – Abschied von der Venus
Die Teufelszitadelle, ein vulkanischer Pfropf aus massivem schwarzem Gabbro, schwang sich unvermittelt und erstaunlich steil zu sechshundert Metern Höhe auf und dominierte das Wundertal wie ein Baumstumpf ein Stück Garten. Der Fluss Jamatula schlug einen bogenförmigen Umweg um den Fuß, und die saubere weiße Ortschaft Wundertal erstreckte sich entlang seiner Ufer. Die Deckfläche war flach, als sei die Zitadelle tatsächlich der versteinerte Stumpf eines uralten und kolossalen Weltenbaumes.
Von einer Plattform an der Basis bis zum Landesteg oben erstreckte sich ein Kabel entlang der Masse der Zitadelle, so zart wie ein Spinnenfaden. Ein Fahrkorb stieg am Drahtseil empor. Darin stand Dick Murdock an einem Fenster, mit dem Reisesack neben dem Fuß, sowie Fernglastasche und Kamera um die Schulter geschlungen.
Er blickte mit wehmütiger Intensität über das Tal, wo sich sein Zuhause weiß auf einer Lichtung im grünen, roten und blauen Wald abzeichnete. Die Landschaft wurde bereits undeutlich; dunstiges goldenes Licht durchflutete das Wundertal wie warmer Honig. Es war schwierig, kein Gefühl des Verlusts zu verspüren. Das Heimweh hatte ihn schon gepackt, noch bevor er außer Sichtweite seines Heims war.
Eine Stimme drang an sein Ohr: »Alleine unterwegs, junger Kamerad?«
Dick drehte sich um und blickte zu bedächtigen gelben Augen auf, die weit auseinander in einem seltsam falkenähnlichen Gesicht standen. Die Haut besaß einen dunkel-teigigen Farbton. Das Haar war eigentümlich senffarben, weich und dick wie Fell. Die Stirn war schmal, die Nase schnitt nach unten wie eine Sichel, dünn und dicht an der Gesichtsfläche, mit einem dezenten Haken an der Spitze. Der Mund war blass, nahezu lippenlos wie ein Messerschnitt.
Dick entgegnete mit aller Würde, die er aufbringen konnte: »Ja, ich reise allein.«
»Auch von der Erde hierher?«
Dick schüttelte den Kopf. »Ich bin auf der Venus geboren.«
»Oh!« Die Augenbrauen des Mannes hoben sich; der Rest des Gesichts blieb starr wie eine Maske. Er blickte hinauf zur immerwährenden Wolkenschicht. »Du wirst die Sonne und die Sterne zum ersten Mal sehen.«
»Zum zweiten Mal. Voriges Jahr bin ich mit meinem Vater hinauf zur meteorologischen Station geflogen – achtzig Kilometer über den Wolken.«
Der Mann erwiderte nichts, sondern blieb stehen, als lausche er.
Dick, dessen nimmermüder Hirnlappen der Neugier sich regte, musterte ihn verstohlen: Was vernahm er? Dick konnte nichts hören, außer den Stimmen der anderen Passagiere der Gondel.
»Wenn das so ist«, meinte der Mann abwesend, »muss dein Vater mit dem Forschungsinstitut für Kosmische Strahlung zu tun haben.«
»Er hat es gegründet«, erwiderte Dick, »im gleichen Jahr, in dem ich geboren wurde.«
»Sieh mal einer an.« Der Mann wirkte immer noch, als lausche er.
Dick spitzte die Ohren. Ein Stimmgemurmel erreichte ihn. »… übermäßig dramatisch, zu wirklichkeitsfremd, um es ernst zu nehmen.«
»Am Tod gibt es nichts Wirklichkeitsfremdes.«
»Aber was ist denn ein Basilisk?«
»So wie ich es verstehe, handelt es sich um ein legendäres Monster. Falls man ihm in die Augen sah, konnte man sich nicht mehr bewegen.«
»Das ist ja lächerlich!«
Die Stimmen schwanden. Dick vernahm die Wörter »Canopus und Capella, in einem Monat …« Er erinnerte sich daran, einmal von dem Canopus-und-Capella-Rätsel gelesen zu haben, zwei Schiffe, die auf dem Weg zum Mars verloren gegangen waren. Worin bestand dabei der Zusammenhang mit einem Basilisken?
Eine Windbö erfasste den Fahrkorb und versetzte ihn heftig ins Schwingen. Die gemurmelten Unterhaltungen veränderten sich zu Keuchen und Aufschreien. Dick fasste nach der Brüstung, stolperte und klammerte sich an den Mantel des falkengesichtigen Mannes.
Dieser zuckte zusammen, legte eine Hand auf die Tasche und fixierte Dick aus plötzlich argwöhnisch gewordenen gelben Augäpfeln.
Überrascht über die heftige Reaktion ob der Berührung, stammelte Dick: »Es tut mir leid, ich wollte nicht …« Die Worte blieben ihm im Hals stecken.
Der Mann wandte sich dem Fenster zu. Dick zog sich, mit einem forschenden Blick auf die Tasche, einen Schritt zurück.
Der Gitterträger am oberen Landungssteg ragte über ihnen auf. Die Gondel erzitterte, hielt an und stieß dumpf gegen die Plattform. Ein in einen blauen Trenchcoat gehüllter Dienstmann trat aus einem langen niedrigen Gebäude. Er überquerte, gebeugt gegen den Wind ankämpfend, die Plattform, rastete die Laufplanke am Schiff ein und ließ die Tür der Gondel aufgleiten. Eine nach Regen und feuchtem Fels riechende Bö fuhr herein.
Vorsichtig überquerten die Passagiere die Laufplanke, wobei der Wind sie auf das Betongebäude zutrieb.
Dick reckte den Hals, um sich das Raumschiff anzusehen, lugte zwischen Körpern hindurch, schaute über Schultern, erhaschte jedoch nur einen flüchtigen, faszinierenden Blick. Als Letzter verließ er die Gondel. Statt in den Schutz des Gebäudes zu laufen, blieb er wankend im Wind stehen, der ihm an den Ohren vorbeisauste und ihm Tränen in die Augen trieb. Zweihundert Meter weiter auf der anderen Seite der Felsen lag die Stern von Afrika.
Dick hatte Bilder hypothetischer Raumschiffe gesehen, die von fantasievollen Künstlern vor Beginn der eigentlichen Weltraumfahrt gezeichnet worden waren. Die dargestellten Formen waren unweigerlich lang und spitz gewesen wie Pfeile. Verblüfft über den Gegensatz zu den gedrungenen Schiffen der Realität, hatte Dick die Angelegenheit mit seinem Vater erörtert. Dr. Murdock hatte sich eines der bewussten Bilder angeschaut. »Nun, zunächst einmal, Dick, gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen einem Illustrator und einem Ingenieur. Der Illustrator malt ein Schiff, damit man es sich ansieht; der Ingenieur hat die undankbare Aufgabe, ein Schiff zu bauen, damit es fliegt – zwei vollkommen unterschiedliche Dinge. Der fantasiereiche Künstler verwendet seltsamerweise nur sehr wenig Fantasie. Er modelliert sein Raumschiff nach den Mustern von Flugzeugen, Himmelsraketen, Pfeilen, Vögeln und Fischen – Formen, die entweder wegen ihrer Konstruktion oder wegen der evolutionären Entwicklung mit dem geringsten Widerstand durch Luft oder Wasser gleiten. Das natürliche Element eines Raumschiffs ist der Weltraum.« Er hatte Dick fragend gemustert. »Welche natürlichen Formen finden wir im Weltraum?«
Dick, der nicht recht wusste, was von ihm erwartet wurde, hatte geantwortet: »Sterne und Planeten sind alle Kugeln.«
»Genau. Der Ingenieur konstruiert ein Schiff, um in seinem natürlichen Medium, dem Weltraum, zu funktionieren, nicht in Luft oder Wasser. Stromlinienform bei einem Raumschiff ist wie eine Kutscherpeitsche bei einem Auto oder Federn bei einem Flugzeug. Das Raumschiff verlässt einen Planeten langsam und landet ebenso langsam. Luftwiderstand zählt nicht. Die wichtigen Charakteristiken sind Leichtigkeit und Starrheit. Selbst mit Atomenergie versuchen wir, auf das Gewicht zu achten. Jedes Pfund, das in nutzlose Struktur gesteckt wird, bedeutet ein Pfund weniger an bezahlter Ladung. Eine Kugel umschließt das größte Volumen bei geringster Oberfläche. Die Notwendigkeiten einer stabilen Landebasis und Verstärkungen für die Schubröhren veranlassten den Ingenieur allerdings, den Rumpf zu dehnen.«
Als er die nüchterne Masse der Stern von Afrika betrachtete, dachte Dick an die Worte seines Vaters. Gewiss gab es keine launenhafte Stromlinienform an der Stern von Afrika. Die Form drückte perfekt den Zweck aus, den zu erfüllen sie konstruiert worden war. Er wandte sich ab und rannte, getrieben von einem mächtigen Windstoß, hinüber zur Endstation. Drinnen stellte er sich an die Reihe an, welche allmählich zum Abflugschalter vorrückte. Vor ihm stand der Mann mit dem Falkengesicht.
Der Beamte war ein munterer kleiner Mann mit flaschenbürstenartigen roten Brauen und hellblauen Augen. Ein Passagier nach dem anderen ging an ihm vorüber, wobei er in deren Handgepäck schaute.
»Name, bitte?« Er sprach den Mann vor Dick an.
»A. B. Sende.«
Der Beamte hakte einen Namen auf der Passagierliste ab. »Koje 14, Herr Sende.« Er sah auf Sendes Aktentasche. »Führen Sie Saatgut, Insekten, Pilze, Laich, Sporen, Eier beziehungsweise venusische Produkte oder andere auf der Venus heimische Lebewesen, tot oder lebendig, an Ihrer Person oder im Gepäck mit?«
»Nein.«
»Bestens! Ich will dennoch einen Blick in Ihre Aktentasche werfen.«
Sende zögerte; Dick bemerkte, wie sich dessen Finger um den Griff anspannten. »Es ist nichts anderes darin als private Dokumente.«
»Es tut mir leid, Herr Sende. Ich muss nachsehen.«
Sende reichte ihm die Tasche. Der Beamte öffnete sie, spähte hinein und gab sie zurück. »Wir dürfen es nicht riskieren, neue Schädlinge zur Erde einzuschleppen, Herr Sende.«
»Nein. Ist das alles?«
»Das ist alles. Sie können an Bord gehen oder im Warteraum Platz nehmen. Wir starten, sobald wir Nachricht von der Stern von Amerika bekommen; sie ist bereits seit einem Tag überfällig.«
»Wie war das?« Sende sprach mit scharfer Stimme. »Einen Tag überfällig?«
»Das habe ich gesagt. Einen Tag überfällig.«
Sende drehte sich auf dem Absatz um und ging rasch durch die Tür.
Der Beamte reckte den Hals, um ihm nachzublicken. »Hmpf!«, knurrte er. »Mit jedem Flug wird es sonderbarer.« Seine grimmigen blauen Augen fokussierten sich auf Dick. »Ja, Junge? Wie heißt du?«
Der Angesprochene war etwas verblüfft. »Dick Murdock.«
»So, so!« Der Beamte schaute hinter Dick. »Ganz allein?«
»Ja.«
»Daran ist nichts Falsches. Als ich in deinem Alter war …«, er blickte Dick scharf von unterhalb der sich sträubenden Augenbrauen an, »… vierzehn, schätze ich?«
»Vorige Woche bin ich fünfzehn geworden.«
»Hmpf! Etwas, dürr, würde ich sagen. Musst etwas zulegen. Gute harte Arbeit ist das Schlagwort. Nun, als ich in deinem Alter war, hatte ich eine kleine Schaluppe zum Angeln, draußen vor dem Großen Barriereriff. Bin auch nach Perlen getaucht, sobald die Gezeiten gut waren und die Kontrolle außer Sicht.« Er gluckste. »Nun, das ist lange her.« Er warf Dick einen raschen Blick zu. »Bist du mit Doktor Paul Murdock verwandt?«
»Er ist mein Vater.«
»Schau einer an«, meinte der Beamte leise, wobei er beide Hände auf den Schreibtisch legte. »Dann fliegst du zu deinem Vater auf den Mond?«
»Ja«, entgegnete Dick. »Er ist zum Chefastronom am Lunar-Observatorium ernannt worden. Nächstes Jahr kommen meine Mutter und meine Schwester wahrscheinlich nach.«
»Dann verlässt du die Venus für immer.«
»Tja, ich hoffe, ich komme irgendwann einmal zurück.«
»Du wirst es draußen öde finden, ganz anders als das Wundertal.« Er beugte sich über die Liste, hakte Dicks Namen ab. »Aber vielleicht gefällt es dir auch. Es gibt Landschaften, die man sich gar nicht vorstellen