China Zundapp 1986

Als pdf oder txt herunterladen
Als pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 1

Badische Zeitung (Freiburg) vom 19.

September 1986 Nach Demontage, Versendung und Aufbau der Firmeneinrichtung

Jetzt bauen Chinesen Zndapp-Motorrder


In Tientsin arbeiten auch deutsche Spezialisten Vorerst wird die K-80 produziert Wunsch nach deutschem Standard Von unserem Korrespondenten Jonny Erling
Tientsin . Die drei grten Motorradkonzerne Japans umgingen geschickt das Thema. Chinas Industriestadt Tianjin (Tientsin), bekannt fr ihre Fahrrad-Produktion, wollte auf die Herstellung von Motorrdern umsteigen und suchte nach Zusammenarbeit und Know-How. Die Mhe lohne nicht, gaben die Japaner einstimmig zu verstehen; schliesslich knnten sie doch jedes gewnschte Motorrad liefern. 1985 importierte China 300.000 Motorrder, die meisten aus Japan. Doch im gleichen Jahr kaufte Tianjin aus dem fernen Deutschland eine ganze Motorradfabrik die bankrotte Mnchner Zndapp. Nun boten die Japaner pltzlich ihre Kooperation an und versuchten, uns die deutsche Technik madig zu machen, berichtet schelmisch lachend ein Beamter des Leichtindustrieamtes von Tianjin. In der Industrie- und Hafenstadt, 120km von Peking entfernt, zeigt man sich rechtschaffen stolz ber den Erwerb der einst ruhmreichen deutschen Zndapp-Werke. Das in rote Zahlen geratene Traditionsunternehmen war von China vor zwei Jahren mit Sack und Pack gekauft worden. Staunend hatte damals die Presse den gnstigen Kauf der Chinesen mitverfolgt und wunderte sich ber die im Januar 1985 in Mnchen eingetroffene Hundertschaft hochversierter Abbruchspezialisten aus China. Bis zum April hatte die disziplinert arbeitende Gruppe das ZndappImperium restlos demontiert. Leere Hallen blieben zurck, ein Markenname verschwand aus den Augen der ffentlichkeit. Die Mnchner Motorradwerke waren dabei die bekannteste von zahlreichen bankrotten Unternehmen in der Bundesrepublik, die China seit 1985 aufkaufen lie. Zndapp ist als erstes inzwischen wieder aufgebaut worden. Xunda dies bedeutet schnell am Ziel steht in groen chinesischen Schriftzeichen auf den neuen Gebuden der Tianjiner Motorradwerke. Xunda steht auch auf den neuen Uniformen der 800 Arbeiter, Techniker und Angestellten und auf dem Leichtkraftrad, der K-80, die in den ersten 60 Exemplaren als Nullserie nun in Tianjin produziert wurde. Einen Abend lang hatte ein Verwaltungsbeamter ber die beiden sinnreichen Schriftzeichen gebrtet, bis er auf die elegante Lsung stie : Die chinesische Aussprache von Xunda kommt dem darunterstehenden deutschen Namen Zndapp sehr nahe. Josef Stangl, 56 Jahre alt und 30 Jahre bei Zndapp einst als Leiter der Montage beschftigt, blickt der auf dem Fabrikhof kurvenden Maschine versonnen nach. Oh mei, wenn das nur gutgeht, hatte er noch gedacht, als er die zahllosen Container sah, in denen die Maschinen und Teile steckten, die einst in Mnchen der Zndapp Leben gaben. 14 altverdiente und gestandene Zndapp-Meister waren von den Chinesen mit gutdotierten Zeitvertrgen als Berater gleich mit verdingt worden. Eine Superleistung, lobt Stangl, Gruppenleiter der Deutschen, nun im September, 15 Monate nach dem Abbau, die Tianjiner Planung. Ein 15kpfiger chinesischer Stab hatte die Demontage dirigiert und zum Empfang zwei Fabriken vorbereitet. Die 30jhrige Tianjiner Motorenfabrik bernahm alles, was mit dem Motor zu tun hatte. Von ihr aus wird der komplette Motor zum einstigen Zweigwerk der Tianjiner Fahrradfabrik geliefert, die nun Tianjiner Motorradwerke oder einfach Zndapp Tianjin heit. Im Hauptwerk, wo der Motor angeliefert wird und das gesamte Motorrad entsteht, gab es noch keine Wege und keine Bauten, erinnert sich Vizedirektor Xu Peiyong. Nur einige Fabrikhallen fr Fahrradteile waren vorhanden. 24.000 Quadratmeter Hallen sind inzwischen dazugebaut worden, ein Wasserturm ist fertig und die Energieversorgung im Entstehen. Skeptischen Fragen, ob die Maschine, wieder akkurat zusammengesetzt, auch funktionieren wrde, wenn die Serienproduktion beginnt, hlt Stangl entgegen, das wird eine Musterfabrik. An eine Serienproduktion werde man sich erst ab 1987 heranwagen, erklren die chinesischen Direktoren. 1990 soll dann mit der K-80 bei einer Schicht eine Stckzahl von 100.000 pro Jahr erreicht sein. Das wre ein Achtel der heutigen Motorradproduktion Chinas. Ihren Markt sucht die Zndapp allerdings nicht in den berfllten Stdten, wo Zulassungen fr Motorrder immer schwieriger werden. In der AchtMillionen-Stadt Tianjin fahren sieben Millionen Fahrrder, aber nur zehntausend Motorrder. In Peking sind gerade doppelt so viele Motorrder gemeldet. Wir sehen unsere Zukunft und unseren Hauptabsatz bei den Bauern, sagt Xu. Die K-80 wird derzeit auf berlandstrecke getestet, denn si soll einst in Berggegenden, auf den weitgestreckten lfeldern, in Steppen- und Viehzuchtgebieten rollen. Seit Chinas Agrarreform htten die Bauern Geld. 3000 Yuan fr die K-80 (rund 1800 Mark) knnten viele Bauernfamilien heute bezahlen. Die Vergangenheit wird ein lesenswertes Kapitel in der Firmengeschichte abgeben : Etwa, wie die Chinesen den deutschen Markt und auf die Zndapp stieen, wie sie den zum Kauf der bankrotten Firma entschlossenen Iranern in allerletzter Minute mit einem erhhten Kaufpreis von 16 Millionen Mark zuvorkamen. Die transsibirische Reise bei minus 30 Grad und wieder laue Temperaturen in Tianjin bekamen den Maschinen nicht. Aus den geffneten Containern kam zuerst Rost und Bruch zum Vorschein. Vielleicht endet die Mnchner Firmengeschichte mit dem Juli 1986 : Die ersten in China hergestellten K-80 standen auf dem Fabrikhof, whrend aus Deutschland fast zeitgleich gemeldet wurde, da die nutzlos gewordenen Zndapp-Hallen gesprengt wurden. Das Mnchner Werk ist tot, aber die Zndapp lebt, sollen die deutschen Experten bei der Nachricht gerufen haben : Eine Reinkarnation chinesischer Art. Sechs Modelle haben die Chinesen mit dem Werk gekauft. Vorerst soll nur die K-80 produziert werden. Zndapp-China soll deutschen Standard erreichen. Das ist der Auftrag der Stadt und der Politiker an das Werk. Lange vor dem Kauf Zndapps hatte bereits Indien eine LizenzProduktion von dem Mnchner Werk erworben. Die Vorstellung, da eines Tages Indien und China mit dann vielleicht erheblich verbesserten Versionen miteinander und gegen Japan konkurrieren, das htte man sich einst in Mnchen nicht einmal im Traum vorstellen knnen.

Das könnte Ihnen auch gefallen