Inventionen 2000 Nono Prometeo Programmheft
Inventionen 2000 Nono Prometeo Programmheft
Inventionen 2000 Nono Prometeo Programmheft
Luigi Nono
Prometeo
Solisten:
Monika Bair-Ivenz / Petra Hoffmann, Sopran
Susanne Otto / Noa Frenkel, Alt
Peter Hall, Tenor
Caroline Chaniolleau, Mathias Jung, Sprecher/in
Dietmar Wiesner, Flöten
Wolfgang Stryi, Klarinetten
Uwe Dierksen, Posaune, Euphonium, Tuba
Rumi Ogawa-Helferich / Rainer Römer / Niklas Brommare, Gläser
Susan Knight, Viola
Michael M. Kasper, Violoncello
Thomas Fichter, Kontrabaß
Chor:
Solistenchor Freiburg
Einstudierung: André Richard
Elektronische Realisation:
Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung
des Südwestrundfunks e.V., Freiburg i. Br.
André Richard, Michael Acker, Klangregie
Roland Breitenfeld, Klangregie-Assistenz
Rudolf Strauß, Toningenieur
Bernd Noll, Tontechnik
Es ist nicht gestattet, Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte mit in den Saal zu nehmen.
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Jürg Stenzl
Nonos Prometeo stellte in der Gestalt der Uraufführung (am 29. September
Jürg Stenzl: Prometeo – Ein Hörleitfaden
1984 in der säkularisierten Kirche San Lorenzo in Venedig) eine erste Etappe
eines Weges dar, der lange vorher begonnen und zunächst zu einer monu-
mentalen Partitur mit einer Aufführungsdauer von fast drei Stunden geführt
hatte. Nach hektischen Strichen des Komponisten noch nach der General-
probe dauerte Prometeo schließlich zweieinviertel Stunden. Für die Auffüh-
rungen ein Jahr später in Mailand entstand eine neue Partitur, in welcher ein-
zelne Teile völlig neu komponiert, andere gründlich revidiert und weitere
weitgehend unverändert übernommen wurden. Diese zweite Version wurde
seit 1985 in allen späteren Aufführungen verwendet.
Die folgenden Ausführungen sind als eine Hörhilfe zu verstehen. Sie stellen
keine Analyse der Musik dar, sondern möchten Hilfestellungen bieten und
dem Hörer erlauben, seine Ohren zu spitzen und in eine angemessene Rich-
tung zu wenden.
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Ein Hörleitfaden
I. PROLOGO
Der Prolog beruht auf jenem des Prometeo von 1984, ist aber zu großen Teilen für die Fasssung
von 1985 neu komponiert und überarbeitet worden (beendet am 29. April 1985). – Besetzung:
2 Sopran-, Alt- und Tenor-Soli – Chor – 4 Orchestergruppen – 2 Sprechstimmen – Viola, Violon-
cello, Kontrabaß – Baßflöte, Kontrabaßklarinette, Tuba – Gläser
Der Prolog ist eine Art „Vorstellung des Chaos“ und der „Genesis“. Zwei Ele-
mente sind einander gegenübergestellt:
1. Die (kaum hörbaren) Stimmen, welche den griechischen Text (die Kosmo-
gonie des Hesiod) rezitieren. Ihnen zugeordnet sind die Soloinstrumente in
ganz langsamem Tempo (Viertel=30) und sotto voce. Der „coro lontanissimo“
singt Namen aus der Kosmogonie.
2. Die Orchestergruppen und die Solisten (mit dem Chor) singen in unter-
schiedlichen, belebteren Tempi. Wie im ganzen Prometeo, wenn Cacciaris –
von Zitaten Benjamins ausgehende – Prosagedichte verwendet werden (Il
Maestro del gioco), bilden diese „eine Befragung – in Form einer Linie, eines
Gedankens – der ganzen Struktur“ (Cacciari). Das erste und zweite Prosage-
dicht fungieren im Sinne des mittelalterlichen Tropus, als eine in die erste
Schicht interpolierte, kommentierende Einfügung.
Die Basis dieser Ersten Insel bildet das Streichtrio (Viola, Violoncello, Kontra-
baß), kaum hörbar, mit demselben langsamen Tempo wie im Prolog (Vier-
tel=30). In unregelmäßigen Abständen treten die Orchestergruppen hinzu und
decken den Trioklang zu. Der Text (Bericht des Prometheus über seine Taten
für die Menschheit und Hephaistos’ Bericht über die Prometheus von Jupiter
auferlegten Qualen) wurde nicht vertont. Nono schrieb ihn zwischen den Inter-
ventionen der Orchestergruppen in die Partitur und merkte dazu an: „Der bei-
gefügte Text darf nie gelesen werden! Aber gehört und ‘gefühlt’ soll er werden
in den 4 Orchestergruppen, den drei Solostreichern: Natur – Steine – Behaup-
tungen – Fragen – innere Probleme – entäußert, mit möglichen ‘Antworten’
der 4 Orchestergruppen, der Pausen, der Stille.“ Sechsmal interveniert der
Chor a cappella und stellt aus der Sicht einer späteren Stufe (der Mythologie)
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Jürg Stenzl
Eine quasi In-Szene-Setzung der Worte von Io, der Tochter des Inachos, die
im Wechsel oder gleichzeitig mit der Prophezeihung des Prometheus über die
weiteren Qualen der Io erklingen. Jeder der beiden Personen entspricht eine
Vokal-/Instrumentalgruppe, während der Chor beiden gemeinsam ist. Die
Orchestergruppen, deren Besetzungen wechseln, sind teils mit den Stimmen
verbunden, teils stellen sie selbständige „Personen“ dar. Mehrmals wech-
selnde Tempi, außer dem konstanten Tempo des Streichtrios (Viertel=30).
b) Hölderlin
Bereits in Io, Frammento dal Prometeo von 1981 enthalten und nahezu unverändert in beide Pro-
meteo-Fassungen aufgenommen. – Besetzung: 2 Sopran-Soli – 2 Sprechstimmen – Baßflöte,
Kontrabaßklarinette
Fast der ganze Text ist ein Fragment aus Hölderlins Schicksalslied. Gleich-
zeitig zum gesungenen Text tragen die Sprechstimmen in der zweiten Hälfte
Hölderlins Gedicht (unter besonderer Hervorhebung der Konsonanten) vor.
Diese Anweisung, das Geräuschhafte der Sprache hervorzuheben, gilt auch
für die Singstimmen. Durch die Verwendung von Verzögerern, Vocodern (Fil-
tern) und dem Halaphon wird der Text unverständlich. Es resultiert ein „Chor“
in beständiger räumlicher Ausweitung.
c) Stasimo primo
(Stasimo heißt der Chorgesang in der antiken Tragödie)
In der Version von 1984 ist Stasimo primo noch ein selbständiger Teil und wurde erst in der über-
arbeiteten Version zu einem Teil der Isola Seconda. – Besetzung: 2 Sopran-, Alt-, Tenor-Soli –
Chor – 4 Orchestergruppen (in jeder Orchestergruppe wird durch die Live-Elektronik ein Instru-
ment herausgehoben)
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Ein Hörleitfaden
Der Text ist dem Maestro del gioco (Cacciari/Benjamin) entnommen und durch
den einleitenden griechischen Text von Stasimo primo (Nr. 3c) tropiert worden.
Innerhalb des Prometeo bildet dieser Satz den entscheidenden Wendepunkt,
das Nadelöhr. Er ist einer der kürzesten Sätze, in welchem „alle stets ppppp
und an der Grenze der Hörbarkeit“ spielen. Die drei Instrumente und die Solos-
timme bilden ein ganz transparentes Gewebe, bei dem die Instrumente über
weite Strecken colla parte die Singstimme verdoppeln, mit ihr verschmelzen
(und sie selbst instrumental werden lassen). Ein extrem leiser,
zerbrechlicher, introvertierter Satz ohne Brüche oder dramatische Kontraste –
und genau dieser Satz zitiert Benjamins „schwache messianische Kraft“...
Bis kurz vor dem Ende des Satzes ein kontinuierlicher Klang der Streicher in
höchster Lage, an der Grenze der Hörbarkeit. Durch Transpositionen des
Computers und der Verzögerer weitet sich der Klang des Euphoniums (eines
Baritonhorns) beständig aus. – Die drei Solisten singen Fragmente aus Ben-
jamins Text Il Maestro del gioco; als Rahmen fungiert der Aufruf: Ascolta
(höre). – Siebenmal ist ein ricordo lontanissimo aus der Isola Seconda in Baß-
flöte und Kontrabaßflöte zu hören, der die Sänger unterbricht. So werden die
verschiedenen Continua einzig durch „Erinnerungen“ gestört, aufgebrochen.
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Jürg Stenzl
4 Orchestergruppen. – „Quarta Isola“: 2 Sopran-, 2 Alt- und Tenor-Soli – Flöte, Klarinette, Posau-
ne – Viola, Violoncello, Kontrabaß – „Quinta Isola“: 2 Sopran- und Alt-Soli – Sprechstimme – Pic-
colo, kleine Klarinette, Tuba. – „Eco lontano (dal Prologo)“: Chor
Alle ppppp possibile. Acht unterschiedliche Tempi (von Viertel=30 bis Vier-
tel=72) in unregelmäßiger Abfolge, ein Orchestersatz tiefklingender Instru-
mente mit dem elektronisch modulierten Klang von Glasglocken.
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Ein Hörleitfaden
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Foto: Klaus Barisch
Der Prometeo, an dem ich jetzt gemeinsam mit Cacciari arbeite, ist nicht
der Mann, der das Feuer brachte, die Freiheit. Prometheus ist vor allem ein
großes Problem: der Wille nach dem Anderen. Die anderen, die Institutio-
nen, wollen das gleich nehmen, blockieren. Aber man muß weiter suchen,
irren, vorwärtsgehen; man reist wie auf dem Wasser, ohne Autobahn. Es
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(2. Version 1985)
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Massimo Cacciari
1. PROLOGO
I II
Ascolta,
non vibra qui ancora un soffio dell’aria Vibrano intese segrete.
che respirava il passato? Si impigliano nell’ali dell’Angelo.
Non resiste nell’eco la voce Sanno comporre I’infranto.
di quelle ammutolite? Questa debole forza c’è data.
Come nel volto dell’amata Non sperderla.
quello di spose mai consciute?
Sappi:
pur vedendo non vedevano
pur udendo non udivano
gli uomini
effimeri
larve di sogno
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Libretto
1. PROLOG
Die Kosmogonie des Hesiod lesen die zwei Sprechstimmen, vereinzelte Worte daraus singt der
Chor. Die Solisten und der Chor tragen dazu simultan die ersten zwei Prosagedichte des Meisters
des Spiels vor. Diese beruhen auf kurzen Zitaten aus Walter Benjamins Text Über den Begriff der
Geschichte, welche M. Cacciari zudem paraphrasiert und dichterisch erweitert hat.
Gebar GE den bestirnten URANOS, die hohen Berge, das unfruchtbare MEER
Gebar von URANOS den tiefen Ozean UND
THEMIS RHEIA MNEMOSYNE IAPETOS PHOIBE
und den allerschrecklichsten KRONOS
Vermählte sich IAPETOS mit KLYMENE der Schönfessel
Gebar KLYMENE ATLAS MENOITIOS EPIMETHEUS
und PROMETHEUS den schlauen Ithaker
der in dem hohlen Rohr zum Menschen trägt die Kraft des Feuers
GE GAIA THEMIS Okeanine KLYMENE
Kinder des vielbeschlagenen Tethys
der ITHAKER Blut von Hermes und Hephasistos
und nichts von ihnen
wäre ohne Zeus
I II
Höre,
schwingt nicht hier noch ein Hauch der Luft Schwingen geheime Einverständnisse
der die Vergangenheit atmete? Verfangen sich in den Flügeln des Engels.
Überdauert nicht im Echo die Stimme Sie wissen das Zerbrochene zusammen-
jener Verstummten? [zusetzen.
Wie im Gesicht der Geliebten Diese schwache Kraft ist uns gegeben.
jenes von nie gekannten Gemahlinnen? Verschwenden wir sie nicht.
jene der Mythologie singt der Chor. Die in { } stehenden Worte von Cacciaris Textvorlage hat Nono
Die Worte von Prometheus und Hephaistos stehen in der Partitur, dürfen aber nicht rezitiert werden,
nicht vertont.
Wisse:
obgleich schauend, sahen sie nicht
obgleich hörend, hörten sie nicht
die Menschen
vergängliche
Traumgespinste
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Massimo Cacciari
dare ai mortali:}
mostrai loro inchioderò
Aurora e Tramonto
{SEI
liberarsi dal dio?
IO TE,
piegai al giogo le bestie con nodi indistricabili come il fanciullo
illumina?}
le voci i presagi difficile a placare
gli incontri i costumi è il cuore di Zeus
l’amore dispensatore di casi
a) Io – Prometeo
IΩ PROMETEO
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Libretto
{BIST DU
[dämmerung sich von Gott zu befreien?
ICH DICH
zwang ins Joch die Bestien mit unentwirrbaren Knoten wie der Knabe
Augenblick erhellt?}
[Vorahnungen schwer zu besänftigen
die Begegnungen die Sitten ist das Herz von Zeus
die Liebe der Spender der Geschicke
IO PROMETEO
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Massimo Cacciari
{che mi} caccia {ai confini del mondo} {fin là} dove dai monti
Segui le rive d’ Etiope
{ IO, ΙΩ,
di questa danza tremenda CANOPO v’è
geloso il NUME}
MA PLACA
b) Hölderlin (Mythologia)
DOCH
uns ist gegeben
auf keiner Stätte
zu ruhn. . .
es schwinden
es fallen
die leidenden
MENSCHEN
blindlings
wie Wasser
von Klippe
zu Klippe
ins Ungewisse
hinab. . .
DOCH
Una dell’Uomo
Una del Dio
la stirpe
Del Dio
fratelli infelici
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Libretto
{ ICH, IO,
dieses furchtbaren Tanzes KANOPUS liegt
b) Hölderlin (Mythologia)
DOCH
uns ist gegeben
auf keiner Stätte
zu ruhn. . .
es schwinden
es fallen
die leidenden
MENSCHEN
blindlings
wie Wasser
von Klippe
zu Klippe
ins Ungewisse
hinab. . .
DOCH
Una dell’Uomo Eines der Menschen
Una del Dio Eines des Gottes
la stirpe das Geschlecht
Del Dio Des Gottes
fratelli infelici unglückliche Brüder
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Massimo Cacciari
c) Stasimo Primo
MITOLOGIA – CORO
{κα πλεστων
ψαµενος λγων
κρεσσον οδν ν
γκας ηρον}
IV V
Non sperderla. Non sperderla.
κα πλε+οτων
Questa debole
messianische Kraft.
ψαµενος λγων
non sperderli.}
nella distesa del prato –
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Libretto
c) Erstes Stasimon
MYTHOLOGIA – CHOR
gedicht des Meisters des Spiels eingeschoben. Die in { } stehenden Worte von Cacciaris Textvorlage hat Nono
Der im Ersten Stasimon unvertont gebliebene griechische Text wird hier fragmentiert in das vierte und fünfte Prosa-
nicht vertont.
Der Meister des Spiels IV/V Erstes Stasimon
IV V
Verlieren wir sie nicht. Verlieren wir sie nicht.
Und das meiste
Diese schwache
messianische Kraft.
stärkeres
Ananke gefunden
{Der Aprilwind
auf der Wange der Blume,
Dein Gesicht
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Massimo Cacciari
V. TRE VOCI a
VII VIII IX
Cogli quest’attimo.
Balena un istante,
un batter del ciglio.
I’intesa segreta,
trascini il tuo volo.
Irrompono Angeli
{Qui}
la misura del tempo si colma.
20
Libretto
V. DREI STIMMEN a
Zwischen die Abschnitte der drei Prosagedichte sind instrumentale »Echos – ferne Erinnerungen«
geschoben. Worte in { } wurden zwar nicht vertont, stehen aber in der Partitur.
für Baßflöte und Kontrabaßklarinette sowie vokale »Echos« einzelner Worte der vorangegangenen Abschnitte ein-
VII VIII IX
Greife diesen Augenblick.
Er blitzt für einen Moment auf,
einen Lidschlag.
Engel dringen
Es schlagen Purpurflügel
{Hier}
erfüllt sich das Maß der Zeit
21
Massimo Cacciari
Terza Isola
MITOLOGIA PROMETEO
I II III
22
Libretto
tionsweise sind sie im Klanglichen völlig aufgelöst und nicht erkennbar. – Die zwischen { } stehenden Worte wurden
Die Texte jeder dieser drei Inseln wurden in Abschnitte fragmentiert und ineinandergeschoben. Durch die Komposi-
in die Partitur geschrieben, aber nicht vertont. Kursiv gedruckte Textteile stehen nur in Cacciaris Text, wurden aber
nicht vertont und finden sich auch sonst in keiner Form in der Partitur oder in Nonos handschriftlichem »Libretto«.
Dritte Insel
MYTHOLOGIA PROMETHEUS
Prometheus Am Ende
Kehre nun zurück ist meine Rückkehr
Sieh Ich sehe
glänzend die klingende
das berühmte Athen göttliche Stadt
Hier läßt du wachsen Hier lasse ich wachsen
einen Baum die Narzisse
den Asien nicht kennt und den schillernden Krokus
Übers Meer wird dein Ruder folgen Mein Ruder wird auf dem Meer sein
Die zwischen { } stehenden Worte wurden in die Partitur geschrieben, aber nicht vertont.
Vierte Insel. Die Namen
I II III
[Meeres}
vermagst Du es nur auf
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Massimo Cacciari
{I Celesti non saranno {cacciane la menzogna} {che lungo la Tracia} sul mare
[Isole belle,}
questa ricchezza delle si leva e imperversa
TU SOLO
MITOLOGIA PROMETEO
questo è MIRACOLO}
questo è MIRACOLO siano onde sofferte serene
{Poni mente:
questo è MIRACOLO è trita banalità,
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Libretto
{Die Himmlischen wissen nicht {Vertreibe aus ihnen die {die Thrakien entlang
[Lüge}, [übers Meer
sich erhebt und wütet
DU ALLEIN
Fünfte Insel
MYTHOLOGIA PROMETHEUS
Daß es jemanden gibt, der eindringt die in diesem Sturm uns fortreißt
und das Feuer bringt, Irgendwohin,
das versteht sich von selbst. das ist kein Wunder.
ABER ABER
daß Du das Feuer offenbarst daß in diesem Sturm der Blick
und daß das Offenbaren sich zurückhält das Zerbrochene zu
[erwecken
ein GESETZE wird, daß in ihm unsere Stimmen
{Bedenke:
das ist WUNDER ist schlichte Banalität,
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Massimo Cacciari
{e secondi deserti
cattive nottate
MA}
Rivedersi
Ascolta
Nel deserto
dà lode alla Terra,
A noi è data
la debole forza
MA
basta
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Libretto
{Bedenke: {ABER
das ist WUNDER
Daß es kein Endziel gibt daß ich fortschreite und schaue und begreife
ist schlichte Banalität und übertretend offenbare
daß UNDICHTERISCH und vergehend wiederbegründe
ABER}
sich wiedersehen
X XI XII
Höre
In der Wüste
lobe die Erde,
ABER
sie genügt
um eine Epoche
[HERAUSZUSPRENGEN
27
Massimo Cacciari
{nell’àttimo}
di porre in silenzio
{nell’assenza la casa.
ascolta quest’attimo,
Attendono il pensiero
occasioni,
un’OPERA
dal movimento delle opere,
istanti felici,
STILLSETZUNG
far tacere
MACINBI, GRAVITÀ, NAUSEA
far del silenzio CRISTALLO
colmo di eventi.
tremendi.
dice l’intesa segreta
MA
basta
per far SALTARE un’epoca
una VITA
dalla sua epoca,
il cristallo di un MATTINO
dal ripetersi dei giorni
un VOLTO
dal lutto dei passanti
un FIATO SEGRETO
un’INTESA PROFONDA
{im Augenblick}
um in der Stille [Geschichte,
glückliche Augenblicke,
STILLSETZUNG
zum Schweigen bringen
FELSBLOCK, SCHWERKRAFT, EKEL
aus der Stille KRISTALL machen
erfüllt von Ereignissen,
fürchterliche
sagt das geheime Einverständnis ABER
sie genügt
um eine Epoche
[HERAUSZUSPRENGEN
ein LEBEN
aus seiner Epoche,
den Kristall eines MORGENS
aus der Wiederholung der
[Tage
ein GESICHT
aus der Trauer der
[Vorübergehenden
ein GEHEIMER HAUCH
ein TIEFES EINVERSTÄNDNIS
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Massimo Cacciari
strumenti soli
MITOLOGIA – CORO
NOMOS
30
Libretto
instrumental
MYTHOLOGIA – CHOR
NOMOS
Diese deutsche Übersetzung geht von der für die Aufführungen in Frankfurt erstellten Übersetzung von Matthias
Theodor Vogt (in der Überarbeitung von Gianmario Borio und Ulrich Mosch) aus. Bei der Überarbeitung wurde sie
mit den Revisionen von Helga und Anke von Kügelgen (Berlin 1988) und Josef Häusler (Salzburg 1993) verglichen. –
In der grafischen Darstellung hält sie sich enger an Massimo Cacciaris Textvorlage als an Luigi Nonos Reproduktion
des Textes gemäß der Partituranordnung (im Programmheft Teatro alla Scala Mailand 1984). Entscheidend war dabei
die Einsicht, daß ein »Mitlesen« des Textes bei Nonos Art der »Vertonung« weitgehend unmöglich ist.
Jürg Stenzl, 1995
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Ricordi-Verlages
Satz: Alte Oper Frankfurt
31
Klaus Kropfinger
Man kann es geradezu als zwingend ansehen, daß Luigi Nono, der in seinem
Denken und Schaffen kompromißlose Erforschung der Klangtechnologie,
künstlerische Vision und Kulturkritik exemplarisch grenzerweiternd verbindet,
schließlich zur „tragedia dell’ascolto“ Prometeo fand. Prometheus, dieses viel-
leicht gedrängteste, zeitlos mythische Denkbild einer aus Auflehnung und
Vision gespeisten Verwirklichung des Menschen. Kompromißlos, wie von
Nono gelebt, wird eine Künstlerexistenz selbst „prometheisch“. Der von Nono
selbst ins Spiel gebrachte, immer wieder gebrauchte Ausspruch „Der Weg ist
das Ziel“ –: ist nicht Prometheus auch das mythische Urbild des ebenso unbe-
grenzten wie risikoträchtigen „Unterwegs“?
Schon nach Intolleranza (1960/61) schrieb Nono
Ich persönlich bin nach meinen ersten Erfahrungen im Musiktheater noch
mehr von der Notwendigkeit eines Ideentheaters überzeugt, das für eine
menschliche Lebensbedingung kämpft, ein auf sozialer, struktureller wie
auch auf sprachlicher Ebene völlig engagiertes Theater, direkt verbunden
Abstraktionstendenz mit Blick auf szenische Präsentation an, ein Aspekt, der
in Al gran sole (1972–1974) mit der Annulierung eines Handlungsstranges
bereits deutlich wird, so reicht eine zweite Positionsbestimmung noch weiter:
An die Stelle einer im wesentlichen statisch-theologischen Konzeption der
traditionellen europäischen Oper (ein einziger optischer Brennpunkt; eine
einzige Klangquelle; liturgisches Verhältnis zwischen Publikum und Bühne,
das Ganze in starrer Weise bestimmt, beinah wie durch Newtons ‘Him-
melmechanik’) tritt eine dynamische Konzeption wechselnder Beziehun-
gen (größere Fülle an Dimensionen und Elementen für die dramatische
Komposition – infolgedessen Erweiterung der aktiven Teilnahme des Pub-
likums; Möglichkeit optischer Brennpunkte und Klangquellen im ganzen
Saal – daraus folgende Erweiterung des Verhältnisses Raum/Zeit, also
nicht mehr nach der Newtonschen, sondern eher nach einer Einsteinschen
Diese Ausführungen lassen sich ohne Schwierigkeit auf die Konzeption von
Konzeption).
Prometeo beziehen, wie auch eine weitere Selbstvergewisserung, die auf die
Materialdifferenzierung abhebt:
32
Klangschmiede
Wenn man an die Fülle, die Verschiedenheit und die Komplexität des
akustischen und optischen Materials denkt, das wir bewußt oder unbe-
wußt psychologisch und physiologisch jeden Tag aufnehmen, an die
daraus resultierende Erhöhung der Aufnahmefähigkeit und damit der
Fähigkeit, die Wirklichkeit auch in ihrer Simultaneität zu erkennen, muß
man sich mit Verwunderung fragen, weshalb man die Gewohnheit immer
noch erzwingt, das zu sehen, was man hört, und das zu hören, was man
sieht, mithin die perspektivische Beschränkung auf einen einzigen opti-
Das musikdramatische Vorfeld von Prometeo ist freilich nur Teil eines gewich-
schen und akustischen Brennpunkt.
Mit Vedova – sicher, er und ich haben viel Austausch gehabt. Nicht nur im
Sprechen, sondern besonders im Schweigen, im Sehen und Hören. Auch
wenn wir umhergehen. Es genügt, wenn wir uns Farbe, Blitz oder Licht
zeigen. Die Veränderungen des Lichts in Venedig zu besonderer Stunde
sind unglaublich, das aber bedeutet, es gibt hier sehr tiefe Beziehungen
zum Kreativen. Es tritt zutage in einer wirklichen Erfindung Vedovas, der
jetzt diese runden Scheiben macht, I Cerchi („Dischi“). In Venedig entdeckt
man, was Licht, was Farbe heißt, was Klang und was Raum, was Tiefe, was
Horizont, was Vertikale heißt. Oft ist das Wasser wie ein Spiegel, man sieht
die Häuser im Wasser, aber es scheint, als wären sie unter dem Wasser, als
wäre das wirklich eine eigene Welt, die mit der da ‘oben’ nichts zu tun hat.
Das ist eine ganz geheimnisvolle Stadt. Der Tag, das Rot von Venedig, das
Rot von Tizian – manchmal das oder das Blau von Guardi, manchmal aber
auch diesen beweglichen Tiepolo-Himmel, dieser Himmel besonders des
Barock, wie es ihn auch in Würzburg gibt.
Aber es gibt auch die Musik, es gibt eine ganz besondere Art auch, Musik
zu spielen. Ich bin aber auch sicher, daß es in Venedig eine ganz beson-
dere Art zu sprechen gibt, und zu hören – auch z.B. die Glocken. Durch
Venedig zieht dauernd dieser Klang der Glocken mit Hall und Widerhall,
33
Klaus Kropfinger
durch das Wasser, die verschiedenen Echos, die auch von unten kommen,
werden von den Häusern wieder reflektiert, und in das alles kommt plötz-
lich ein Rhythmus hinein – das alles ist wirklich ganz besonders und unver-
gleichlich.
Venedig ist das große Ereignis der Asymmetrie; es gibt kein Zentrum, es
gibt nicht wie in Paris oder hier in Berlin die wirklich berühmte Straße, die
Achse. Man sieht, in Venedig stimmt das nicht. Es ist ein dauerndes
34
Klangschmiede
glückliche Hand und Kandinsky in Der gelbe Klang – und auch Malewich.
Damals habe ich diesen ganzen Komplex von Runge bis heute studiert,
Diskussionen mit Massimo Cacciari. Meine Idee war, daß Prometeo eine
also die verschiedenen Theoretiker. Aber es gab darüber auch viele
Insel ist. Von einer Insel aus aber gibt es keinen bestimmten, festen Weg.
Das Ganze sollte wie eine dieser alten geographischen Schiffskarten aus
dem 15., 16. Jahrhundert sein, die man früher in Farbe gemacht hat. Piano
hat sehr klug erfaßt, daß es keine theatralische, keine auf „son et lumière“
ausgerichtete Lösung geben konnte. Er wollte schließlich nur eine Art von
Resonanzboden (‘cassa di risonanza’), wie bei einer Stradivari. Sein
Konzept war – aus der Erfahrung des kleinen experimentellen akustischen
Raumes im IRCAM von Boulez (mit Wänden, Decke und Boden, deren
Beweglichkeit eine starke Modifikation des Halls ermöglicht) – der Raum
mit verschiedenen Ebenen: die Verbindung von vertikaler und horizontaler
Ebene in der Struktur selbst, dann die Beziehung der Ebenen von Kirche
und [Pianos] Struktur, von Struktur und Kirche.
35
Klaus Kropfinger
Tatsächlich sind dann alle die konzeptionellen, auf die Wellenlängen der Far-
ben gerichteten kombinatorischen Überlegungen in einem großen Fusions-
prozeß eingegangen: Es ist die äußerst differenzierte und weitgespannte
Klangfarben- (und Klangerzeugungs-)Skala, die alle konzeptionellen Ansätze
des Vorfelds aufgenommen hat.
Nonos Aussagen sind vor allem auch deshalb so aufschlußreich, weil sie Ren-
zo Pianos Beitrag zur Konzeption von Prometeo eine große Bedeutung
zumessen
Piano hat sehr klug erfaßt, daß es keine theatralische, keine auf „son et
Hinter Renzo Pianos Konzept stand die Erfahrung des experimentellen aku-
lumière“ ausgerichtete Lösung geben konnte.
Zwei Gründe waren es vor allem, die dazu führten, daß nur noch bei der Mai-
den Seiten zugemischt, was zu völlig neuen Klangstrukturen führt.
36
Klangschmiede
37
Klaus Kropfinger
Vor allem aber muß der Hörer sogleich äußerste Hörschärfe einstellen. Nonos
Musik ist nicht allein in der Klanggebung und -färbung äußerst differenziert,
sie umfaßt nicht nur eine, die Klangdimensionen herkömmlicher Orchester-
musik sprengende, kontrastangereicherte dynamische Skala – sie facettiert
namentlich den Bereich der leisen Klänge bis an die Grenze des überhaupt
noch Hörbaren, bis zum fünffachen piano (ppppp) auf.
Darin liegt alles andere als eine klangsinnliche Marotte. Vielmehr ist solche
Klangdifferenzierung inhaltlich begründet. Bereits der erste, den Namen
„Gaia“ vortragende Choreinsatz, mit dem das Stück überhaupt beginnt und als
„Coro Lontanissimo“ ausgewiesen, rechtfertigt sein ppppp mit der Anrufung
mythischer Ferne.
Wenn also Nono in seinen Skizzen zu Prometeo immer wieder von „zerbre-
chen“ spricht, so steht dahinter nicht zuletzt die musikalisch-räumliche Umset-
zung des Textes, der auf diese Weise nicht nur in den Klangraum – damit aber
auch in den klangarchitektonischen Raum – projiziert, sondern der damit
zugleich auch in Bewegung gesetzt wird. So berechtigt es auch scheinen
mag, bei Nonos Textkompilation von „Montage“ zu sprechen, so wenig wird
demzufolge doch dieser Begriff, dem die Vorstellung von Statik anhaftet, dem
Vertonungsverfahren Nonos gerecht. Viel eher möchte man von wandernden
und sich ständig wandelnden Klang- und formrelevanten Strukturkonstellatio-
nen sprechen.
Diese Konstellationen finden sich in den verschiedensten Größenordnun-
gen, von den kurzzeitigen Tonmodulationen des Solisten und des Chores
über die Verzahnung von Solo, Chorensemble und/oder Orchester, die
Kontrastballungen in der Auseinandersetzung Prometheus–Hephaistos bis
hin zu dem Archipel der fünf Inseln, die Nono schon im Frühstadium der Ver-
tonung als verschiedenfarbig voneinander abgehoben, skizziert hat. Daß
dabei die Erste Insel von den Anrufungen des Chores und den Einwürfen des
Maestro del Gioco durchsetzt, die Zweite Insel ihren Höhepunkt in Hölder-
lins Schicksalslied hat – zugleich der Höhepunkt der Komposition überhaupt
–; daß die Inseln drei, vier und fünf in ihrer Kombination aus Fragmentierung
und Verzahnung wiederum so etwas wie einen Archipel im Archipel bilden;
daß schließlich zwischen diese fünf Inseln insgesamt wiederum andere
Formteile inselhaft interpoliert sind (Interludium 1 und 2, Stasimon 1 und 2 )
– das alles macht die Komplexität, Beweglichkeit, Vielschichtigkeit, das
macht den Möglichkeitsreichtum im Korrelationsgefüge der gesamten Kom-
position aus.
38
Klangschmiede
Wenn für Nonos künstlerische Intention mehr und mehr das Diktum vom
„unterwegs“ („der Weg ist das Ziel“) gilt, dann nicht zuletzt für Prometeo. Nicht
nur dokumentierten die Vorbereitungen für die Uraufführung ein „work in pro-
gress“, vielmehr trat nach der Uraufführung die Arbeit an der Komposition in
eine völlig neue Phase. Die zahlreichen Änderungen, die nicht nur, aber vor
allem im Prolog und in der Ersten Insel vorgenommen wurden, haben Struktur
und übergeordnete Formrelationen ganz entscheidend gestrafft, damit aber
auch inhaltliche Aspekte vertieft. Es ist bemerkenswert, daß diese Änderungen
mit zwei, von Nono gleichsam im Tigersprung aus der musikgeschichtlichen
Kontinuität herausgebrochenen kompositorischen Elementen verbunden ist:
mit dem Beginn von Gustav Mahlers 1. Symphonie und mit dem Beginn von
Robert Schumanns Manfred-Ouvertüre.
In Gesprächen der letzten Zeit hat sich Nono mehrfach über den Beginn von
Mahlers 1. Symphonie geäußert. Er sieht ihn als die kompositorische Ver-
wirklichung eines „offenen“ musikalischen Anfanges, als Zeichen des nicht
eingegrenzten kompositorischen „Raumes“, damit aber auch als Umriß einer
musikalischen-räumlichen Perspektive, die im weiteren Verlauf zugleich
erweitert und deutlicher wird.
Angesichts dieser Bemerkungen und des völlig neuen Anfanges, den Prome-
teo in der auch für diese Berliner Aufführung gültigen zweiten Fassung von
1985 nimmt, horchen wir auf. Während in der 1984er Fassung der Prolog mit
den Worten der beiden, bald von Viola, Cello und Kontrabaß gestützten, Spre-
cher anhebt, „definiert“ Nono in der zweiten Fassung, die räumliche Disposi-
tion der vier Orchester einsetzend, sogleich einen musikalischen Raum: Ein
schmaler Chorklang aus Sopran- und Altstimmen erreicht über die Töne
f1 - c2 - d2 den Ton a2, zu dem der im Alt liegenbleibende Ton d2 erklingt (Takt
1–2) und fixiert beide Töne in Takt 2 durch eine Fermate. Danach wird der
Ton a2 samt darunterliegender Quinte d2 und verteilt auf die Orchester 1 + 3
und 4 + 2 mikrotonal aufgefächert (T 3–5). Als nächster Schritt erklingt der Ton
a, erneut vierteltönig differenziert, als Flageolettklang (+ Ton d) in allen vier
Orchestern gleichzeitig: Nono eröffnet hier, ganz im Sinne Mahlers, einen Klan-
graum, und er erweitert ihn zugleich mikrotonal–vierteltönig. Dies ist freilich
kein Zitat. Der Komponist überführt den Beginn der 1. Symphonie von Mahler
in eine völlig andere klangliche Dimension und diese klangliche Neubestim-
mung erhält die Funktion der Eröffnung des gesamten Raumes aus
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wiederholt doch Nono in Takt 11/12
diesen Klang, in den jetzt das Wort des Chores „Egheinato = Generó“
(„Gebar...“) eingebettet ist –: Der Raum der Hörtragödie hat sich geöffnet. Die-
39
Klaus Kropfinger
ser „Coro Lontanissimo“ pflanzt sich gleichsam über die ganze Komposition
fort; werden doch nicht nur pp-Choreinsätze der 1. Fassung mit dem Zusatz
„Coro Lontanissimo“ versehen, sondern auch neue „Coro Lontanissimo“-
Inseln eingefügt, die nun die Anrufung „Ascolta“ – „Höre“ – weitertragen und
mit den späteren Erinnerungs-Einwürfen („Eco Ricordo Lontano“) der Insel
Tre Voci a ein ganz neues, mythologisch-historisch befrachtetes Beziehungs-
geflecht bilden.
Den Signalen mythischer Vergangenheit gegenüber steht nun aber eine
Zukunftsperspektive, die mit dem Zitat des ersten Taktes aus Schumanns
Manfred-Ouvertüre in Takt 202 des Prologs aufreißt und dynamisch als auf
knappsten Raum konzentrierte Kurve pp–>ff–>sff in unmittelbarem Kontrast
zu den schwachen Klängen fernster Vergangenheit steht. Das Manfred-Frag-
ment, ganz im Sinne Benjamins „aus dem Kontinuum der Geschichte her-
ausgesprengt“, wirft einen Lichtkegel in die Zukunft, in den der Schatten
Byrons hineinspielt. Byrons, von dem Goethe sagte, „daß ihm die Welt durch-
sichtig [...] und daß ihm ihre Darstellung durch Anticipation möglich“ gewesen
sei – und dies bei einem ausgeprägten „Hang zum Unbegrenzten“.
Die mehrfache und modifizierte Wiederkehr des Manfred-Fragments ist
gleichsam der immer wiederkehrende Impuls der Verheißung, die in Prome-
teo mit dem „Meister des Spiels“ – bei Walter Benjamin der verborgene
Gegenspieler, der immer einen Zug voraus ist, Sinnbild des, auch geschicht-
lich, Vorausblickenden – eingebracht wird. Der Meister des Spiels ist es auch,
der die „schwache messianische Kraft“ beschwört, das an die Zukunft deli-
gierte Vermächtnis des Vergangenen.
Vergangenheit und Zukunft, klanglich, also auch im Klangraum, unüberhörbar
voneinander abgehoben, sind damit zugleich miteinander vermittelt.
Die Vermittlungsinstanz ist das vergangenheits- und zukunftsoffene Bewußt-
sein des vergegenwärtigenden geschichtlichen Augenblicks. In Walter Benja-
mins Worten
Die Vergangenheit führt einen heimlichen Index mit, durch den sie auf die
Erlösung verwiesen wird. Streift denn nicht uns selber ein Hauch der Luft,
die um die Früheren gewesen ist? [...] Ist dem so, dann besteht eine
geheime Verabredung zwischen den gewesenen Geschlechtern und
unserem. Dann sind wir auf der Erde erwartet worden. Dann ist uns wie
jedem Geschlecht, das vor uns war, eine schwache messianische Kraft
mitgegeben, an welche die Vergangenheit Anspruch hat.
40
Klangschmiede
Die vermittelnde Rolle des Bewußtseins aber erwächst in Prometeo aus dem
anderen konzeptionellen Kontrast: dem von fragmentierten, in ihrer semanti-
schen Bedeutung verschleierten Textschichten auf der einen und den im Wor-
laut aufnehmbaren, blockhaften Zeilen des Hölderlinschen Schicksalsliedes
auf der anderen Seite.
Diese Stelle ist der Wendepunkt der Komposition; tritt mit ihr doch das
Geschehen aus dem Bann des Verhängnisses in die Perspektive der Hoff-
nung, der „schwachen messianischen Kraft“. Es ist der Meister des Spiels,
dessen Text in den Teilen nach dem Schicksalslied entscheidende Strecken
bestimmt. In ihm behauptet sich die „schwache messianische Kraft“ gegen
das Schicksal. Welche Durchschlagskraft sie in Form unmittelbarer klangli-
cher Kontraste gewinnt, zeigt ein Vergleich der Dynamik. Im auf die Zweite
Insel folgenden Interludio Primo, in dem die Bewahrung dieser messianischen
Kraft beschworen wird, ist es ein Spiel „stets ppp-ppp und an der Grenze der
Hörbarkeit und der Unhörbarkeit“. Der folgende Teil Tre Voci a, der von dem
Ausruf „Ascolta“ – „Höre“ gerahmt ist, ist ein Stück der Erinnerungseinblen-
dung und des Vorausweisens zugleich. Fast durchweg dynamisch sehr zurük-
kgenommen, ist es das „6. ferne Echo“, das in die ppp-
Stille – schlagartig bis zum sff anschwellend – signalgleich hineinfährt. Ihm
antwortet der kurze sff-Anstieg vor dem langgehaltenen letzten „Ascolta“. In
Tre Voci b schließlich, das als übernächste Insel folgt, finden sich äußerste
dynamische Kontraste. Geradezu proklamatorisch und strukturbestimmend
stehen sich ppp oder p und fff gegenüber, wird die messianische Kraft, das
Interludio Primo zitierend, zwischen die kurzen Klangblöcke der extremen
Lautstärke subtil einziseliert. Die ppppp-Flächen des Interludio Secondo
bestätigen diese schwache messianische Kraft des kaum Hörbaren ebenso
wie die der venezianischer Mehrchörigkeit nachempfundene musikalische
Einkleidung der Worte vom neuen Prometheus im abschließenden Stasimo
41
Hans Peter Haller
Am 14.9.1980 besuchte Luigi Nono am Nachmittag zum ersten Mal das Expe-
rimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestfunks in Freiburg.
Diskussionen – Vorführungen – studieren – experimentieren – kennenlernen.
Das atmende Klarsein für Baßflöte und Solistenchor entstand im Winter 80/81
im Freiburger Studio und wurde im Mai 1981 in Florenz uraufgeführt. Der letz-
te Wegabschnitt zu Prometeo hatte für Nono begonnen, das Atmende war
schon ein Teil dieses Werkes, wenigstens bis zur Mailänder Neufassung.
17.15 Uhr: Gigi (Luigi Nono) gibt mir die erste vollständige Partitur von Pro-
spanten, Pfeiler eines neuen Raumes im Raum.
meteo. Das Unglaubliche ist wahr: Prometeo ist theoretisch fertig. Wer-
den wir die Partitur richtig interpretieren – Prometeo zum Leben ver-
helfen?
42
Erinnerung an Venedig
Für Luigi Nono bedeutete die Loslösung von statischen Klangstrukturen durch
Einbeziehung der elektronischen Klangumformung ein Suchen nach neuen
kompositorischen Formen, die, wenn auch relativ frei notiert, festen komposi-
torischen Gesetzen unterliegen.
Prometeo ist.
fen haben, daß auch der elektronisch umgeformte Klang ein Teil von
Zitat aus einem Gespräch mit Luigi Nono 1984 in Stuttgart: Heute haben wir
andere Arten elektronischer Instrumente zur Verfügung, bis zum Computer
und seiner Programmierung. Ich glaube, daß der Mensch mehr denn je die
Möglichkeit und auch Fähigkeit besitzt, zu studieren, andere Wege zu öffnen,
um Gipfel zu finden, zu entdecken, die weiter als der Himmel sind, andere
Räume, andere Erden, andere Abgründe, andere Phantasien.
43
Hans Peter Haller
klang im Raum. Für mich eine weitere Bestätigung, daß die Akustik des
Raumes entscheidend auf die Interpretation der Musiker einwirkt –
Klanggestalten selbst entwickelt, die in anderen Räumen nur mit zusätz-
licher elektronischer Klangumformung verwirklicht werden können.
Ich glaube, daß wir unser Wissen und persönliches Verhältnis über und zu
Nonos Musik nach seinem Tode neu überdenken müssen, um nicht in
schlechte Klischees zu verfallen und uns selbst in einer schwachen Kopie sei-
nes (Nonos) musikalischen Denkens und Handelns zu verlieren.
Schwere Gewitter, alles nervös, die Luft und auch wir sind mit
Hochspannung geladen. Schlechte Probe.
44
Erinnerung an Venedig
Vorbereitungen: Prometeo
unter uns. Die Zuhörer erwarten und verlangen ein Resultat unserer
Le „isole“ di Prometeo
Hans Peter Haller war Mitbegründer und von 1971 bis 1989 Leiter des
Experimentalstudios der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWF. Er arbeite-
te seit 1980 sehr eng mit Luigi Nono zusammen.
45
Klaus Ebbeke
Luigi Nono gehört mit Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez zu den Grün-
dervätern der europäischen „Neuen Musik“ nach dem Zweiten Weltkrieg,
jener Musik, die neben der Tonhöhe auch Elemente wie Dynamik und Rhyth-
mik einer größtmöglichen rationalen Kontrolle unterwerfen wollte, jener Musik,
die im deutschsprachigen Raum „seriell“ genannt wird.
Luigi Nono wurde am 29. Januar 1924 in Venedig geboren. Er begann seine
Studien 1941 bei G.F. Malipiero, dem Komponisten und Monteverdi-Heraus-
geber. 1946 setzte er seine musikalische Ausbildung an der Universität Padua
erst bei Bruno Maderna und dann bei Hermann Scherchen fort. Seine 1950
bei den Internationalen Ferienkursen in Darmstadt uraufgeführte Komposition
Variazioni canoniche sulla serie dell’op. 41 di A. Schönberg, die die von Arnold
Schönberg erfundene Methode der „Komposition mit zwölf nur aufeinander
bezogenen Tönen“ weiterführt, machte ihn zu einer der Leitfiguren jener Auf-
bruchsphase der Neuen Musik in Europa.
Sehr früh läßt sich in den Werken Nonos das Bedürfnis entnehmen, mit der
ästhetischen Verantwortlichkeit auch eine gesellschaftliche Verantwortung
einzugehen. Seit 1964 griff er in die kulturpolitische Diskussion der Linken ein,
diskutierte in der Kommunistischen Partei Italiens, in Arbeiterklubs und Uni-
versitäten über seine Musik. Nono verkörperte so vielen die Utopie einer
engagierten Musik, die gleichzeitig auf der Höhe musikalischer Avantgarde ist
(mit Werken wie zum Beispiel der Oper Intolleranza 1960, Canti di vita e d’a-
more 1962 oder dem Bühnenwerk Al gran sole carcio d’amore 1972–75). Hie-
rin liegt der Grund, daß Nonos Abwendung von einem derartig offensichtlich
politischen Standpunkt in seinem Werk bei vielen eine gewisse Enttäuschung
auslöste. Dennoch aber wäre es falsch, von einer grundsätzlichen Wende des
kompositorischen Anliegens zu sprechen. Vielmehr treten in den neueren
Werken Momente zutage, denen schon immer das ästhetische Interesse
Nonos gegolten hatte.
Entscheidend für den gesamten musikalischen Weg Nonos war die Begeg-
nung mit den Möglichkeiten der elektroakustischen Musik. Luciano Berio und
Bruno Maderna hatten ihn an das neu gegründete Studio der RAI in Mailand
46
Luigi Nono
Nono beschreitet einen sehr persönlichen Weg aus der allgemeinen Krise
heutigen Komponierens. Er vertraut nicht dem Rückgriff auf gesicherte For-
men, sondern versucht, mit den technischen Mitteln Neuland aufzutun, um so
den Begriff der Avantgarde nicht zu verraten.
Luigi Nono ist seit Januar 1986 Gast des Berliner Künstlerprogramms des
DAAD und arbeitet hier weiter an seinem Projekt Prometeo, das 1987 – zur
750-Jahrfeier Berlins in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste und
den Berliner Festwochen seine Aufführung erleben soll.
Luigi Nono war Mitglied der beiden Akademien der Künste Berlin,
Fellow des Wissenschaftskolleg Berlin (1987),
Professor für Komposition
an der Hochschule der Künste Berlin (1987/88).
Er ist am 9. Mai 1990 in Venedig gestorben.
47
André Richard
In den achtziger Jahren (1980–89) war Luigi Nono ständiger Gast im Experi-
mentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR. Aus seinen dort durch-
geführten Klangforschungen sind die berühmten Werke mit Live-Elektronik
seiner letzten Schaffensperiode entstanden.
Für die Verwirklichung seines Projektes Prometeo – tragedia dell’ascolto
(1984/85) unternahm Nono im Experimentalstudio mit Instrumentalisten und
Sängern ausgedehnte Klanganalysen und -experimente und schuf im Vorfeld
vier Kompositionen Das atmende Klarsein (1981), Io, frammento dal Prometeo
(1981), Quando stanno morendo, Diario polacco No. 2 (1982) und Guai ai
gelidi mostri (1983), in denen er spezifische Aspekte der Live-Elektronik hin-
sichtlich der Komposition Prometeo ausprobierte.
Mit den neuen Technologien der Live-Elektronik, die Nono damals im Experi-
mentalstudio vorfand, konnte er seine schöpferischen Ideen verwirklichen, die
ihre Wurzeln unter anderem in der venezianischen Schule des 16. Jahrhun-
derts, den alten synagogalen Gesängen wie auch im ganz spezifischen
Raumklang seiner Heimatstadt Venedig haben.
48
Experimentalstudio
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Biographien
Das Ensemble Modern Orchestra ist das weltweit erste Orchester, welches Foto: Dominik Buschardt
sich ausschließlich der Musik des 20. und 21. Jahrhundert widmet. Den Kern
des Orchesters bilden die 20 Solisten des Ensemble Modern Frankfurt. Sie
werden unterstützt durch Musiker aus ganz Europa, zu denen das Ensemble
im Laufe seiner zwanzigjährigen Tätigkeit Kontakt gewonnen hat. Dazu zäh-
len gleichermaßen junge Instrumentalisten wie Spezialisten auf dem Gebiet
der Neuen Musik.
50
Biographien
Die Gründung des Ensemble Modern Orchestra ist ein künstlerisches Plä-
doyer für die Musik des 20. Jahrhunderts sowie künftiger Komponisten-Gene-
rationen. Dabei bricht das Orchester – in stetiger Auseinandersetzung mit den
aktuellen Tendenzen in der Kunst- und Medienlandschaft und unter Einbezie-
hung etwa visueller Elemente, ungewöhnlicher Besetzungen oder Darbie-
tungsformen – immer wieder die Strukturen des klassischen Konzertgesche-
hens auf. Ein programmatischer Schwerpunkt der Konzerte des Ensemble
Modern Orchestra liegt auf der Gegenüberstellung von Schlüsselwerken der
Moderne mit aktuellen Kompositionen der jüngeren Generation.
Das Orchester ist jährlich während zweier geplanter Tourneen in den Metro-
polen und auf den bedeutendsten Festivals Europas zu Gast. Anläßlich sei-
nes Debüts spielte das Orchester unter der Leitung von Peter Eötvös die
1974/75 entstandene Raum-Komposition Schwankungen am Rande von Hel-
mut Lachenmann sowie die Uraufführung von Heiner Goebbels WALDEN für
erweitertes Orchester, eine Auftragskomposition des Ensemble Modern
Orchestra.
Auf der zweiten Tournee im Herbst 1999 präsentierte das Ensemble Modern
Orchestra einen Streifzug durch die Musik Amerikas im 20. Jahrhundert. Auf
dem Programm standen Charles Ives’ Fourth Symphony, John Adams’ Naive
and Sentimental Music und die Uraufführung von Michael Gordons Sunshine
of Your Love, letztere waren beide Auftragswerke des Ensemble Modern
Orchestra. Im Januar 2000 ist beim Ensemble Modern eine CD erschienen
mit einem Konzertmitschnitt der Ives-Symphonie, welcher während der Tour-
nee mit John Adams entstand.
Im Jahr 2000 leitet der Komponist und Dirigent George Benjamin zwei Tour-
neen des Ensemble Modern Orchestra: auf dem Programm stehen zum einen
Werke von Olivier Messiaen, zum anderen Werke von Magnus Lindberg, Tri-
stan Murail, Hanspeter Kyburz und George Benjamin. Im gleichen Jahr
gastiert das Orchester mit Luigi Nonos Prometeo in Frankfurt, Mailand, Wien,
Paris und Berlin. Pierre Boulez wird 2001 mit dem Ensemble Modern Orche-
stra zusammenarbeiten.
51
Biographien
wurde 1982 von Arturo Tamayo und André Richard gegründet, um insbeson-
dere neue Werke Luigi Nonos aufzuführen. Seit 1984 von André Richard
geleitet, setzt sich der Chor aus Sängerinnen und Sängern zusammen, deren
Stimmen der Musikästhetik Nonos entsprechen.
Der Chor sang 1984 bei der Uraufführung des Prometeo in Venedig. Er inter-
pretierte dieses Werk auch bei den darauffolgenden Aufführungen in Mailand
und Frankfurt, beim Festival d’Automne à Paris, bei den Berliner Festwochen
und 1993 bei den Salzburger Festspielen (unter der Leitung von Ingo Metz-
macher). Er wurde bei den Besprechungen der CD-Einspielung dieses Ereig-
nisses für seine gesangliche Leistung besonders gewürdigt.
1987 realisierte der Chor in München die Uraufführung von Nonos Caminan-
tes...Ayacucho, sowie 1989 die Aufführung seines Werkes Das atmende Klar-
sein beim Festival von Avignon, wo der Komponist zum letzten Mal Klangre-
gie führte.
Unter der Leitung von Claudio Abbado war der Solistenchor Freiburg bei meh-
reren Aufführungen in Venedig, Mailand und Berlin dabei. Ebenfalls mit Clau-
dio Abbado nahm er 1995 an der Herbsttournee des Gustav-Mahler-Jugend-
orchesters in Reggio Emilia, Wien, Paris und Berlin teil.
In Akiyoshidai (Japan) trat der Chor 1998 mit dem Ensemble Modern unter der
Leitung von Peter Eötvös auf, um dort mit dem Prometeo das International Art
Village feierlich zu eröffnen.
André Richard
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Biographien
Emilio Pomárico
wurde in Buenos Aires als Sohn italienischer Eltern geboren und studierte bei
Franco Ferrara (1979–80) und Sergiu Celibidache (1981).
Nach seinem 1982 erfolgten Debüt in Südamerika kam er nach Europa und
dirigierte u.a. in Paris, Glasgow, Edinburgh, Berlin, Frankfurt, Wien, Zürich,
Basel, Genf und Lissabon.
Neben traditionellen Konzertprogrammen hat sich Pomárico einen Namen als
Dirigent zeitgenössischer Werke gemacht. Mit den führenden Ensembles für
zeitgenössische Musik wie u.a. Ensemble Modern, Ensemble Contrechamps,
Nieuw Ensemble, ensemble recherche und Klangforum Wien interpretierte er
Kompositionen von Pierre Boulez, Elliott Carter, Emmanuel Nunes, Iannis
Xenakis, György Ligeti, Franco Donatoni, Luigi Nono und anderen.
Daneben unterrichtet er Dirigieren an der Civica Scuola di Musica in Mailand
und widmet sich zunehmend auch eigenen Kompositionen, die zuletzt mit
zwei ersten Preisen ausgezeichnet wurden (u.a. beim Wettbewerb Giovanni
Battista Viotti). Im letzten Jahr sind seine Werke bei verschiedenen wichtigen
Festivals für zeitgenössische Musik aufgeführt worden.
53
Biographien
Yoichi Sugiyama
wurde 1969 in Tokio geboren und lebt seit 1995 in Mailand. Er studierte Diri-
gieren bei Emilio Pomárico und Morihiro Okabe sowie Komposition bei Fran-
co Donatoni, Sandro Gorli und Akira Miyoshi.
Sugiyama ist als Dirigent und Komponist tätig. Neben dem Divertimento
Ensemble (Mailand) leitete er 1998 und 1999 bei dem Festival Settembre
Musica und bei der Turiner Biennale das Ensemble Europeo-Antidogma
(Turin). 1994 gewann er den Preis der italienischen Komponistengesellschaft
SIAE, 1995 wurde ihm von der italienischen Regierung ein Lehrauftrag für
Komposition erteilt. 1998 war Sugiyama Franco Donatonis Assistent bei des-
sen Kompositionskursen in Tokio und Hiroshima, ein Jahr später in gleicher
Funktion bei den Kursen von Giacomo Manzoni in Tokio.
Seine Komposition Divertimento for ensemble (1997) ist bei Ricordi (Mailand)
verlegt; Regalo for marimba (1997) und Capricci for tape wurden 1998 auf CD
eingespielt. Neue Arbeiten von Sugiyama werden dieses Jahr auf der Musik-
Biennale in Venedig und den Tiroler Festspielen Erl 2000 vorgestellt.
Monika Bair-Ivenz
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Biographien
Petra Hoffmann
Susanne Otto
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Biographien
anderen Komponisten mit, unter der Leitung bedeutender Dirigenten wie Clau-
dio Abbado, Michael Gielen, Ernest Bour u.a. bei den Berliner Festwochen, dem
Festival d’Automne à Paris, der Biennale Venedig und dem Warschauer Herbst.
1989/90 hatte sie einen Gastvertrag an der Hamburgischen Staatsoper für die
Hamletmaschine von Wolfgang Rihm, bei dessen Uraufführung von Die Ero-
berung von Mexiko sie im selben Haus 1992 mitwirkte. In diesem Jahr kon-
zertierte sie außerdem mit dem Berliner Philharmonischen Orchester und
dem Sinfonieorchester des Südwestfunks (Donaueschinger Musiktage). 1995
und 1997 trat Susanne Otto zum wiederholten Male bei den Salzburger Fest-
spielen und beim Festival Musica in Straßburg auf. 1999 debütierte sie in der
Carnegie Hall in New York.
Seit einigen Jahren arbeitet Susanne Otto regelmäßig mit Ensembles für Alte
Musik (Balthasar-Neumann-Chor, Barockorchester Freiburg) und für Neue
Musik (ensemble recherche, Ensemble Modern) zusammen.
Noa Frenkel
wurde in Tel-Aviv, Israel, geboren und schloß dort ihr Studium in Gesang und
Dirigieren ab. Weitere Studien führten sie nach Den Haag zu Rita Dams und
Diane Forlano.
Das Repertoire von Noa Frenkel reicht von Renaissance-Musik bis zu zeitge-
nössischen Kompositionen. Gegenwärtig tritt sie als Solistin zusammen mit
verschiedenen Ensembles und Orchestern in Europa, Israel, Japan und den
USA auf. So ist sie Vokalsolistin beim Maarten Altena Ensemble (Amsterdam)
und gastierte bei Festivals wie Rumori, Sylvano Bussotti Days, Sonic Arts
Amsterdam und Abu-Gosh, Jerusalem. Sie hatte Engagements bei ver-
schiedenen Opernproduktionen (u.a. Zauberflöte, The Kastner Trial) und wirk-
te bei der Aufführung von Luigi Nonos Prometeo im Rahmen des Akiyoshidai
International Contemporary Music Festival mit.
Von Noa Frenkel liegen eine Reihe von Aufnahmen für Radio, CD und Film
vor.
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Biographien
Peter Hall
Caroline Chaniolleau
hat bei Giorgio Strehler am Mailänder Piccolo Teatro studiert sowie am Théâ-
tre National in Straßburg, das von Jean-Pierre Vincent geleitet wird.
Sie hat in Theaterstücken des klassischen und modernen Repertoires gespielt
(u.a. von Corneille, Lenz, Tschechow, Pirandello, Brecht, Fleisser und Bailly)
und dabei mit Regisseuren wie Jean-Pierre Vincent, Alain Françon, Bernard
Sobel, Gilberte Tsai, Lukas Hemleb u.a. zusammengearbeitet.
Auf musikalischem Gebiet hat sie, abgesehen von Nonos Prometeo, Produk-
tionen mit den Komponisten Luc Ferrari und Brice Pauset realisiert. Zusam-
men mit Jazzmusikern hat sie bei einer von Sophie Loucachevsky inszenier-
ten Aufführung in Südafrika mitgewirkt. Vor kurzem ist sie bei Ingrid von
Wantoch Rekowskis Stück La chose effroyable dans l’oreille de V. aufgetreten.
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Biographien
Mathias Jung
wurde 1961 in Soyaux (Frankreich) geboren und schloß 1984 sein Schau-
spielstudium in Straßburg ab.
Seit 1985 ist er in etwa zwanzig Rollen aufgetreten, die sowohl den klassi-
schen Bereich umfassen (Shakespeare, Molière, Kleist, Lessing, Büchner,
Brecht), als auch den zeitgenössischen (Jean-Luc Lagarce, Jean-Christophe
Bailly, Daniel Lemahieu, Nelson Rodriguez). Er hat mit Regisseuren wie Jac-
ques Lasalle, Gilberte Tsaï, Bernard Sobel, Jean-Pierre Vincent, Alain Ollivier,
André Engel, Martine Wyckaert u.a. zusammengearbeitet.
Auch bei zahlreichen Opernproduktionen hat Jung mitgewirkt, u.a. von Luigi
Nono, Philippe Hersant, Michael Levinas, Heiner Goebbels und Betsy Jolas.
Ebenso trat er in zwei Tanzproduktionen der Choreographin Mathilde Monnier
(Montpellier) auf.
Ein weiteres Betätigungsfeld von Mathias Jung ist der Film. Er ist in etwa drei-
ßig Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen, darunter von Jacques Rivette,
Agneszka Holland, Jean-Pierre Mocky, Jean Marboeuf, Claude Zidi, Jean-
Loup Niermans, Michel Wyn, Jean-Claude Sussfeld, Bruno Gantillon und
anderen.
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Besetzungen
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Veranstalter
Berliner Künstlerprogramm des DAAD und Technische Universität Berlin
in Zusammenarbeit mit dem Hebbel-Theater und dem Berliner Philharmonischen Orchester,
unterstützt durch das Istituto Italiano di Cultura Berlin,
finanziert durch eine großzügige Zuwendung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin
Programm
Ingrid Beirer (DAAD), Folkmar Hein (TU Berlin)
Mitarbeit Organisation: Silke Borgstedt, Sebastian Brehmer
Die Aufführung ist eine Koproduktion von Ensemble Modern Orchestra mit Kultur Ruhr / Musik im
Industrieraum (Bochum 25./26.8.), Inventionen 2000 (Berlin 31.8.), Alte Oper Frankfurt (7.9.),
Festival d’Automne à Paris / Cité de la Musique (29./30.9.), Festival Wien Modern (28.10.),
Milano Musica / Teatro Alla Scala (4.11.)
Der erste Teil des Festivals Inventionen 2000 fand vom 20.6. bis 2.7. statt mit
6 Klanginstallationen in Berlin-Mitte von Tom Johnson/Martin Riches, Christina Kubisch,
Ron Kuivila, Wolfgang Mitterer, Ed Osborn, José Antonio Orts,
3 Konzerten und Live-Performances in den Sophiensaelen,
5 akusmatischen Konzerten mit 6 Uraufführungen/Auftragswerken in der Parochialkirche mit dem
Studio BEAST (Birmingham ElectroAcoustic Sound Theatre), einer Tagung über Raumaku-
stik/Auralisation/Raumklangsteuerung und 2 DAAD-Komponistengesprächen.
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Programmheft
Luigi Nono, Prometeo : tragedia dell’ascolto (1981 - 85) ; 31. August 2000, 20 Uhr, Philharmonie
; [Programmheft] / Inventionen 2000. [Veranst.: Berliner Künstlerprogramm des DAAD und Tech-
nische Universität Berlin. In Zusammenarbeit mit dem Hebbel-Theater und dem Berliner Philhar-
monischen Orchester. Programmh.: Ingrid Beirer ; Silke Borgstedt]. -
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Inhalt
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