Kausalprinzip (Wissenschaftstheorie)

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Der Begriff Kausalprinzip wird in philosophischer Literatur, meist aus Bereichen der Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie oder Metaphysik, für Thesen gebraucht, die in unterschiedlicher Spezifikation „alltagssprachlich durch Wendungen wie ‚jedes Ereignis hat eine Ursache‘ oder ‚alles Werden ist ein Bewirktwerden‘ wiedergegeben“ werden können.[1]

Interpretationen des Kausalprinzips

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Unterschiedliche Vorschläge, die Bedeutung der vagen Formulierung "jedes Ereignis hat eine Ursache" zu analysieren, stellen unterschiedliche Varianten des Kausalprinzips dar. Diese Präzisierungsvorschläge sind insbesondere abhängig vom dabei zugrundegelegten Begriff der Verursachungsbeziehung. Beispielsweise ist strittig, ob auch Ereignisse unter das Kausalprinzip fallen, die nur durch statistische Gesetzmäßigkeiten erklärbar sind, oder nur durch Gesetze mit eingeschränkten Geltungsbereichen. Wird beispielsweise das Kausalprinzip formuliert als die These, „dass alles Geschehen in der Natur ausnahmslos gültigen Gesetzen unterworfen ist“[2], ist letzteres ausgeschlossen.

Die Verknüpfung des Kausalprinzips mit ausnahmslos gültigen Naturgesetzen entspricht weit verbreiteten wissenschaftsphilosophischen Einstellungen des 19. Jahrhunderts, wie sie etwa in Pierre-Simon Laplaces Théorie analytique des probabilité und John Stuart Mills These der Uniformität der Natur zum Ausdruck kommen.[3] Insbesondere die Debatte um die philosophische Bedeutung der Quantenmechanik führte allerdings im frühen 20. Jahrhundert zu einer breiten Kritik an der traditionellen Interpretation des Kausalprinzips[4] und abgeschwächten Alternativformulierungen, z. B. „zu jedem Ereignis existiert eine adäquate kausale Erklärung“ – eine These, die jedoch voraussetzt, dass bereits die Begriffe „Ereignis“ und „adäquate kausale Erklärung“ befriedigend analysiert wurden.[5] Ein derart verstandenes Kausalprinzip ist abgeschwächt in dem Sinne, dass Gültigkeit des Kausalprinzips keinen generellen Determinismus als notwendige Bedingung voraussetzt.

Neben Definitionsfragen ist in der Forschungsliteratur insbesondere der methodologische und ontologische Status des Kausalprinzips umstritten. Methodologisch stellt sich insbesondere die Frage, ob sich die Gültigkeit des Kausalprinzips empirisch überprüfen oder apriorisch beweisen lässt.[6] Darüber hinaus kann das Kausalprinzip im Rahmen eines wissenschaftstheoretischen Realismus so interpretiert werden, dass seine Akzeptanz darauf verpflichtet, die einschlägigen Gesetze als Naturgesetze in die Ontologie aufzunehmen. Antirealistische Interpretationen verstehen dagegen das Kausalprinzip meist nicht als ontologisch verpflichtende Aussage, sondern als forschungsleitende methodologische Norm: Man soll naturwissenschaftliche Forschung so betreiben, als ob das Kausalprinzip Geltung hätte.

Anwendungen und historische Vorkommnisse

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Bereits Aristoteles formulierte das Kausalprinzip: „Alles, was entsteht, entsteht durch etwas, aus etwas und als ein gewisses Etwas“. (Metaphysik VII 7, 1032a)

Thomas von Aquin legte mehrere Begründungen für die Existenz Gottes vor. Eine davon kann so interpretiert werden, dass sie u. a. ein Kausalprinzip voraussetzt, nämlich, dass alles in der Welt die Folge von etwas anderem ist.

Der Satz vom zureichenden Grund kann als Variante eines Kausalprinzips interpretiert werden.

Bei Immanuel Kant gehörte das Kausalprinzip zu Strukturen der Erfahrung. Es liegt unserer Erkenntnis von einzelnen Objekten und Sachverhalten der empirischen Wirklichkeit zu Grunde (besteht „a priori“). Kant betrachtet das Kausalprinzip als Grundsatz des Verstandes, der aus der Anwendung des reinen Verstandesbegriffs der Verknüpfung von Ursache und Wirkung auf die reine Anschauungsform der Zeit resultiert: „Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetze der Verknüpfung der Ursache und Wirkung.“ (Immanuel Kant: AA III, 166[7] )

Die These von der Geltung des Kausalprinzips a priori übernehmen viele Vertreter transzendentaler Philosophie, aber auch der Neuscholastik, z. B. auch Josef de Vries.[8]

Einzelnachweise

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  1. Wolfgang Stegmüller: Wissenschaftliche Erklärung und Begründung, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie Bd. 1, Springer-Verlag, Berlin - Heidelberg - New York 1969, Kap. VII. Kausalitätsprobleme: Ursache und Wirkung. Kausalgesetze. Kausale Modalitäten. Kausale Erklärungen. Das allgemeine Kausalprinzip. Determinismus und Indeterminismus, S. 428–517, hier S. 431.
  2. Moritz Schlick: Naturphilosophische Betrachtungen über das Kausalprinzip. In: Die Naturwissenschaften 8/24 (1920), S. 461–474.
  3. Pierre-Simon Laplace: Théorie analytique des probabilité, 1812; John Stuart Mill: A System of Logic, Book 3, Chapter 3, Section 1, 1843
  4. Ernest Nagel: The Structure of Science: Problems in the Logic of Scientific Explanation, 1961, Kapitel 10
  5. Stegmüller 1969, S. 466.
  6. Vgl. u. a. Erich Becher: Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften Untersuchungen zur Theorie und Einteilung der Realwissenschaften, Berlin 1921, S. 261ff. Joachim Klowski: Ist der Kausalbegriff im Gegensatz zum Kausalprinzip apriorischen Ursprungs?. In: Zeitschrift für philosophische Forschung: ZphF. Bd. 26.1972, 1–4, S. 56–65.
  7. Immanuel Kant, Gesammelte Schriften. Hrsg.: Bd. 1–22 Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1900ff., AA III, 166 / KrV B 232, Faksimile
  8. J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis (Memento vom 13. Juli 2011 im Internet Archive), Johannes Berchmans Verlag, München 1980, ISBN 3-87056-025-8, Kap. 8 („Synthesis a priori und Kausalprinzip“), S. 131ff. Vgl. z. B. auch Adolf Heuser: Neuscholastische Begründungsversuche für das Kausalprinzip. Pöppinghaus, Bochum-Langendreer 1930.
  • Johannes Hessen: Das Kausalprinzip, Reinhardt, München [u. a.] 2., erw. Aufl. 1958.
  • Gottfried Gabriel, Klaus Mainzer, Peter Janich: Kausalität, Kausalitätsprinzip, Kausalitätsgesetz. In: Jürgen Mittelstraß, Gereon Wolters (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. 4 Bände. (Mannheim/)Stuttgart/Weimar (1984) 1995–1996; Nachdruck ebenda 2004; Band 2, S. 372–376.