Agnes Karll

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Agnes Karll (* 25. März 1868 in Embsen; † 12. Februar 1927 in Berlin) war eine deutsche Krankenschwester und Reformerin der deutschen Krankenpflege.

Funktionär­innen der Berufs­organisation der Kranken­pflegerinnen Deutsch­lands, Agnes Karll vorn rechts

Agnes Karll wurde als Tochter des Gutsbesitzers Theodor Karll und seiner Frau Ida geboren. Ihre Eltern trennten sich 1881.

Der eigentliche Berufswunsch von Agnes Karll war derjenige einer Ärztin. Nachdem der Vater die Familie jedoch mittellos gemacht hatte, war an ein Medizinstudium in der Schweiz nicht mehr zu denken.[1] Agnes Karll interessierte sich deshalb für den Beruf der Lehrerin und besuchte deshalb in Schwerin die Fortbildungsschule von Johanna Willborn, die ihr Kontakt zur damaligen Frauenbewegung vermittelte, wobei sie Helene Lange kennenlernte. Da sie die Lehrerinnenprüfung nicht ablegen konnte, weil sie zu jung war, begann sie als Erzieherin und Privatlehrerin 1886 in Retgendorf (heute Dobin am See) und Alt Gaarz.

Mit 19 Jahren kam Agnes Karll zur Erkenntnis, dass ihr der Lehrberuf nicht liegt. Hierauf begann sie am 26. August 1887 eine Ausbildung als Krankenpflegerin im Clementinenhaus in Hannover, einem Mutterhaus des Roten Kreuzes, wo sie nach dem „Florence Nightingale System“ ausgebildet wurde.[1] Nach der Ausbildung wurde sie als Krankenschwester an den Göttinger Universitätskliniken tätig.

Ab 1891 arbeitete Agnes Karll zehn Jahre lang in der privaten Krankenpflege, meistenteils rund um Berlin.[2] Hier erlebte sie, dass von Pflegekräften auch erwartet wurde, Hilfe im Haushalt zu leisten.[1] 1894 konnte Agnes Karll einige Monate in Amerika leben und die Krankenpflege aus dortiger Sicht kennenlernen. Später knüpfte sie weitere Kontakte zu Berufskollegen aus dem Ausland, vor allem England, Finnland, Italien, Österreich und den Vereinigten Staaten.

Innerhalb des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins arbeitete Karll die Satzung der 1903 gegründeten Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands sowie der Säuglings- und Wohlfahrtspflegerinnen (kurz: BOKD bzw. BO) aus und wurde deren erste Vorsitzende. Der Verband vermittelte seinen Mitgliedern Arbeitsplätze, bot Versicherungsschutz und Rechtsberatung an.[3] Später wurde er in Agnes-Karll-Verband umbenannt, 1973 ging dieser im Deutschen Berufsverband für Krankenpflege e. V. (DBfK) auf. Heute heißt er „Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe“ (DBfK). In der Gründungsphase der Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands im Jahr 1903 erfuhr Agnes Karll Unterstützung durch den Berliner Mediziner Paul Jacobsohn (1868–1931).[4]

Agnes Karll setzte sich neben der Anerkennung des Berufsstandes für eine fundierte, dreijährige Ausbildung in der Krankenpflege ein. Pflege sollte mehr sein als technische Hilfsfunktion der Medizin, wenn sie nicht einen wesentlichen Teil ihres Auftrags vernachlässigen wollte.[5] Auch die einheitliche Berufsbezeichnung Krankenschwester ist auf Agnes Karll zurückzuführen.

1909 wurde Agnes Karll in London Präsidentin des Weltbundes der Krankenpflegerinnen, daneben war sie Ehrenmitglied der Oberinnen-Vereinigung in Großbritannien und Irland. An der Leipziger Frauenhochschule war sie 1913 als eine der ersten Frauen als Dozentin tätig. Im Ersten Weltkrieg umging sie den Geist der Zeit durch Auslandsreisen u. a. in die USA. So wurde sie nicht an der Front eingesetzt.[6] 1926 leitete sie einen nationalen Kongress zur Krankenpflege in Düsseldorf.

Agnes Karlls Weggefährtin in späteren Lebensjahren war die Schweizerin Emmy Oser. Durch sie lernte sie den evangelischen Theologen und religiösen Sozialisten Leonhard Ragaz in Zürich kennen, der sich für die Anliegen einer freiberuflichen Krankenpflege aufgeschlossen zeigte und einer der Ideengeber Agnes Karlls wurde.

Agnes Karll starb 1927, sie wurde im Familiengrab auf dem Friedhof in Gadebusch beigesetzt.

  • Nach Agnes Karll wurden das Institut für Pflegeforschung in Berlin (AKI), Kliniken in Bad Schwartau[7] und Laatzen, Krankenpflegeschulen in Frankfurt am Main[8] und Tettnang, eine Straße jeweils in Gadebusch, Mainz und Embsen sowie in Elmshorn und einige Altenheime benannt.
  • Am 25. März 2018 wurde in den Räumlichkeiten der Agnes Karll Schule Frankfurt am Main zu Ehren des 150. Geburtstages von Agnes Karll eine Fotoausstellung „750 Jahre Bestehen der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist“ eröffnet.[9]
  • 2018 wurde in Köln-Lindenthal die Agnes-Karll-Straße nach ihr benannt.[10]

Veröffentlichungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Margarete Lungershausen: Agnes Karll: Ihr Leben, Werk und Erbe. Staude, Hannover 1964
  • Eduard Seidler: Agnes Karll in ihrer Zeit, Agnes Karll Verband Frankfurt/M. 1968 Agnes Karll in ihrer Zeit
  • Anna Sticker: Agnes Karll: die Reformerin der deutschen Krankenpflege; ein Wegweiser für heute zu ihrem 50. Todestag am 12. Februar 1927. 3. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 1984, ISBN 3-17-008452-6.
  • Horst Rüller: Schwester Agnes Karll gründet die Berufsorganisation. In: Horst Rüller (Hrsg.): 3000 Jahre Pflege. Band 1, 2. Auflage. Prodos Verlag, Brake 1995, ISBN 3-9803168-0-7, S. 67–69.
  • Peter Schneck: Geschichte der Medizin systematisch, UNI-MED Bremen und Lorch/Württ. 1997, Agnes Karll S. 186, ISBN 3-89599-138-4
  • Rudolph Bauer: Karll, Agnes, in: Hugo Maier (Hrsg.): Who is who der Sozialen Arbeit. Freiburg : Lambertus, 1998, ISBN 3-7841-1036-3, S. 288f.
  • Stephan Dorschner: Die Saat wird doch einmal aufgehen … In: Unterricht Pflege. 1/4./1999. Prodos Verlag, S. 14–18, ISSN 1615-1046
  • Helene Blunk: Agnes Karll: Ihr Leben und Wirken. o. O., o. J.; Neuauflage: Henrich, Frankfurt/M. 1968 (PDF-Online).
  • Manfred Vasold: Karll, Agnes. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 728.
  • Christoph Schweikardt: Im Kampf um Anerkennung: die B.O.K.D.–Schwestern zwischen Mutterhausverbänden und Gewerkschaften, in: ders.: Die Entwicklung der Krankenpflege zur staatlich anerkannten Tätigkeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Das Zusammenwirken von Modernisierungsbestrebungen, ärztlicher Dominanz, konfessioneller Selbstbehauptung und Vorgaben preußischer Regierungspolitik, Martin Meidenbauer Verlag München 2008, S. 158–165. ISBN 978-3-89975-132-1. Online Ressource RUB
  • Karen Nolte (2011): The Relationship between Doctors and Nurses in Agnes Karll's Letters around 1900. In: Women's History Magazine, 65, S. 8 f.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c Pflege-Bildung. Ein Video-Podcast rund um das Lernen im Pflegeberuf. Episode 31: Agnes Karll zum 154. Geburtstag. Prof. Dr. Roland Brühe im Gespräch mit Prof. Dr. Karen Nolte. Veröffentlicht am 25. März 2022 von Roland Brühe, (Min. 6.02 f; Min. 9:44 f.; Min. 14:45 f.; von insgesamt 52 Min.). Pflege-Bildung: Agnes Karll zum 154. Geburtstag
  2. Christine R. Auer: Geschichte der Pflegeberufe als Fach. Die Curricular-Entwicklung in der pflegerischen Aus- und Weiterbildung. Dissertation Institut für Geschichte der Medizin (heute: Geschichte und Ethik der Medizin), Betreuer Wolfgang U. Eckart, Eigenverlag HD 2008, zur Situation Agnes Karlls in der Privatpflege S. 97–104.
  3. Heinz Schott: Die Chronik der Medizin. Chronik-Verlag, Dortmund 1993, ISBN 978-3-611-00273-1, S. 353 u. 355.
  4. Elfriede Bär: Paul Jacobsohn. In: Horst-Peter Wolff (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte – Who was Who in Nursing History, Band eins, Elsevier München, 1997, S. 92.
  5. Antje Grauhan: Die Situation der modernen Krankenpflege, Referat gehalten am 9. Juli 1965 im Institut für Geschichte der Medizin, Universität Heidelberg, in: Christine R. Auer: Und dann hiess es plötzlich: „Nicht mehr den Regelkreis von Schipperges, sondern statt dessen die Pflegetheorie von Roper, Logan, Tierney nehmen“, die Schriften Antje Grauhans kommentiert für Reinald Schmidt-Richter, Heidelberg 2014, S. 25–30.
  6. Daniela Wittmann: B.A. Nurse – Ein System für Deutschland?! Eine historisch-kritische Betrachtung in Deutschland und deren neue Perspektiven. Hochschulschrift Institut für Gerontologie Universität Heidelberg, Betreuer Eric Schmitt, September 2015, S. 2, S. 9–13.
  7. Webseite des Krankenhauses, abgerufen am 18. Februar 2020
  8. Agnes Karll Schule Frankfurt am Main, abgerufen am 14. November 2017.
  9. Pressemitteilungen Krankenhaus Nordwest, Frankfurt am Main, 23. März 2018: Happy Birthday Agnes Karll, abgerufen am 25. März 2018.
  10. Zentrales Namensarchiv. (pdf, 361 kB) In: Amtsblatt der Stadt Köln. 25. Juli 2018, S. 304/308, abgerufen am 28. Juli 2018.