Ghert Klinghe
Ghert Klinghe, auch Gherd Klinghe, Gerd Klinge (* um 1400; † nach 1474) war ein deutscher Erzgießer und zugleich wichtigster Repräsentant einer Familie von Erzgießern seines Namens, zu denen womöglich auch sein Vater gleichen Namens zählt sowie die Söhne Hermann (Harm), Goteke, Hinrich (Hinderk) und Barthold Klinghe.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es sind so wenige Lebensdaten Ghert Klinghes bekannt, dass auf Grund bloßer Namensgleichheit vermutet wurde, er sei Kanonikus im Kloster Harsefeld gewesen.[1] Inzwischen ist er jedoch als Bremer Bürger seit dem Jahr 1428 belegt.[2]
Stil der Anbringung des Schmuckes auf den Glocken und der Wortlaut der Gießersprüche, weisen auf den Einfluss des Gießers Hans Apengeter aus dem Halberstädter Raum und, besonders im Frühwerk, des lübischen Gießers van der Rit hin.
Er und seine Söhne betrieben in Bremen oder als Wandergießer die bedeutendste Bild- und Erzgießerei Norddeutschlands des 15. Jahrhunderts für Glocken und Bronzefünten, die sich zum Teil bis heute vor allem in Ostfriesland, aber bis nach Schleswig und Lüneburg in dortigen Kirchen befinden. So ist urkundlich belegt, dass er 1466 eine große Glocke für die Lübecker Marienkirche gegossen hat. Für den Guss wurden figürliche Holzmodel verwendet, die nicht von den Gießern selbst, sondern von einheimischen Bildschnitzern geliefert wurden. Die Zuschreibung ist in aller Regel einfach, da die Gusswerke mit Versen wie
- Meister Ghert Klinge de mi geghoten hat
- Ghot gheve siner Sele Rat
gleichsam signiert wurden. Die Söhne passten dann nur den Vornamen des Gießers dem ihren an.
Ein 1483 gegossenes Taufbecken des Sohnes Goteke Klinghe (signiert: „[gote]ke klinghe de mi gegoten had“) gelangte 1941 in die Sammlungen des Museum of Fine Arts, Boston.[3]
Werke (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Glocke Maria Gloriosa im Bremer Dom von 1433
- Bronzeglocke in der St. Crispinus und Crispianus-Kirche in Elsfleth von 1433 (nicht erhalten)
- Bronzeglocke in der St.-Cosmae-und-Damiani-Kirche in Hambergen von 1436
- Apostelglocke und Glocke Große Schelle an St. Johannis zu Lüneburg von 1436
- Bronzeglocke in der St.-Bartholomäus-Kirche in Golzwarden von 1440
- Bronzeglocke in der St.-Lamberti-Kirche in Oldenburg von 1440 (nicht erhalten)
- Bronzeglocke in der St.-Florian-Kirche in Sillenstede von 1440
- Bronzeglocke in der St.-Nikolai-Kirche in Wiesede von 1440 (Verbleib unbekannt)
- Bronzeglocke in der St.-Katharinen-Kirche in Bliedersdorf von 1444
- Bronzetaufe von 1447 in der Segeberger Marienkirche
- zwei Bronzeglocken in der St.-Alexander-Kirche in Wildeshausen von 1448 (nur eine erhalten)
- Marienglocke von 1449 in St. Hippolyt in Blexen (nicht erhalten)
- eine Glocke für eine Kirche in Delmenhorst von 1449 (nicht erhalten)
- die älteste Glocke von 1450 in der Severikirche zu Otterndorf
- Bronzeglocke in der St.-Marien-Kirche in Oldorf (Wangerland) von 1450
- Marienglocke für die Kirche in Burhave von 1452
- Bronzeglocke in der St.-Marien-Kirche in Großenkneten von 1452 (nicht erhalten)
- Betglocke von 1454 im Glockenturm der St.-Dionysii-Kirche in Asel (Wittmund)
- Bronzetaufe von 1454 in der St.-Petrus-Kirche von Groothusen, Ostfriesland
- Bronzeglocke in der St.-Marien-und-Bartholomäi-Kirche in Harsefeld von 1454
- Bronzetaufe von 1455 in der Harsefelder Kirche
- Bronzeglocke in der St.-Nicolai-Kirche in Pewsum von 1458
- Glocke Gloriosa von 1459 in der St.-Katharinen-Kirche von Misselwarden
- Bronzeglocke in der Stadtkirche in Jever von 1461
- Bronzeglocke in der St.-Matthäus-Kirche in Bingum von 1463 oder 1464 (nicht erhalten)
- Marienglocke der Uttumer Kirche von 1465
- Bronzeglocke in der St.-Laurentius-Kirche in Langwarden von 1468 (gesprungen; steht vor der Kirche)
- zwei Bronzeglocken in der St.-Bartholomäus-Kirche in Tossens von 1468 (nicht erhalten)
- Bronzeglocke in der St. Laurentius-Kirche in Abbehausen von 1471 (nicht erhalten)
- Bronzeglocke in der Wasserhorster Kirche in Wasserhorst von 1474
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Klinghe, Ghert. In: Hans Friedl u. a. (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg. Hrsg. im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft. Isensee, Oldenburg 1992, ISBN 3-89442-135-5, S. 375–376 (Digitalisat [PDF; 9,5 MB; abgerufen am 28. Oktober 2019] S. 34–35).
- Barbara Hellwig: Ghert Klinghe. Ein norddeutscher Erzgießer des 15. Jahrhunderts. Lax Verlag, 1967, ISBN 978-3-8269-3469-8.
- Barbara Hellwig: Ghert Klinghe. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 94 f. (Digitalisat).
- Karl Ernst Hermann Krause: Klinge. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 16, Duncker & Humblot, Leipzig 1882, S. 186 f. (Familienartikel)
- Klaus Lutze: Der Bremer Gießer Goteke Klinghe und sein Bronzetaufbecken in Boston. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 39, 2000, S. 9–28.
- Ernst Schütze: Das Haus der Glockengießerfamilie Klinge in Bremen. In: Ernst Schütze: Ergänzungen zu Straßen, Häuser und Familien. Clausthal-Zellerfeld 2015, S. 47–54.
- Matthias Dichter: Die Misselwardener Kirchenglocke „Gloriosa“. Eine sagenumwobene mittelalterliche Großglocke aus der Werkstatt Ghert Klinghes. In: Männer vom Morgenstern, Heimatbund an Elb- und Wesermündung e. V. (Hrsg.): Niederdeutsches Heimatblatt. Nr. 838. Nordsee-Zeitung GmbH, Bremerhaven Oktober 2019, S. 2–3 (Digitalisat [PDF; 3,9 MB; abgerufen am 28. Oktober 2019]).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Ghert Klinghe im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ghert Klinghe im biographischen Lexikon für Ostfriesland
- Beitrag von Jochen Hermann Vennebusch zu Klinghes Bronzetaufe in Harsefeld
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ so Krause in der ADB, 16. Band, S. 186
- ↑ So das Biographische Lexikon für Ostfriesland (Digitalisat) und Barbara Hellwig in der NDB Band 12 S. 94 ff.
- ↑ MFA, Boston: Mit Provenienzangabe
Personendaten | |
---|---|
NAME | Klinghe, Ghert |
ALTERNATIVNAMEN | Klinge; Clinghe; Klinghe, Gherd |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Erzgießer |
GEBURTSDATUM | um 1400 |
STERBEDATUM | nach 1474 |