Hall (Ortsname)
Hal(l) ist ein Bestandteil vieler Ortsnamen, der besonders in Zusammenhang mit Salzgewinnung aus natürlicher Sole und dem Salzbergbau untersucht ist.
Zum etymologischen Diskurs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der geschichtswissenschaftlichen Forschung hat sich eingebürgert, das Wort mit einem keltischen Ursprung zu erklären. Begründet wird dies hauptsächlich damit, dass für einige der Hall-Orte Bergbau der älteren Eisenzeit (Hallstattzeit) nachgewiesen ist, sowie mit einer ebenfalls nachgewiesenen (aber bei weitem nicht so umfassenden wie zeitweise angenommen) Siedlungskontinuität von Alpenkelten über die römische bis zur Bajuwarischen Landnahme zumindest im Alpenraum.[1] Neben etymologischen Problemen stört daran insbesondere, dass der Name nur im südgermanisch-deutschen Raum heimisch ist, in anderen alten festlandkeltischen Sprachgebieten wie Frankreich aber fehlt.[2] Außerdem sollte sich im Großteil des Ostalpenraums nach den Kelten neben einer romanischen auch eine slawische Sprachschicht finden (Leittoponyme: Welsche/Walchen-Orte und Wenden/Windisch-Orte).[3] sodass die Sprachwurzel dort allenfalls tradiert in das Germanische gekommen sein kann.
Eine andere Interpretation geht dahin, dass hier ein althochdeutsches Wort des frühen Mittelalters vorliegt. Diese Hypothese wurde schon in den 1920ern lebhaft diskutiert und findet jüngst wieder Eingang in die wissenschaftliche Diskussion.[4] Diskutiert wird derzeit eine etymologische Nähe zu Schutt-/Abraum-Halde, also ursprünglich den Hang und später den Bergbau am Hang bezeichnend (geht wohl auf Jürgen Udolph 1999 zurück).[5][4] Es findet sich auch in einer Bibelglosse halhûs als lat. salina erklärt, in anderen Handschriften zur selben Bibelstelle salina mit salasutî, -sutil, sulza glossiert, was eine Gleichwertigkeit von halhûs und salasutî ‚Salzsiedeanlage‘ erlaubt;[6] Sulz ‚mineralisches gesättigtes Wasser‘ kann ebenfalls ein Salzname sein, etwa für natürliche Salzquellen. Deshalb erscheint auch eine Ableitung zu Halle ‚(überdachter) Bau‘ als bergmännisch für Sudhaus möglich.[4] Gestützt wird dies durch die relative Seltenheit des Wortes – nicht jeder Ort mit Salzbergwerk aus dieser Zeit ist auf „Hall“ benannt – und der Tatsache, dass meist nicht das Abbaugebiet selbst, sondern der Talort mit der Saline so benannt ist. Eine althochdeutsche Erwähnung der Sorten halasalz (‚aus Sole gewonnenes Salz‘), merisalz (‚Meersalz‘), erdsalz (‚Salz aus der Erde, Steinsalz‘) und lûtarsalz (natürliches Laugensalz, Steinsalz) ist belegt und lässt vermuten, dass es weniger um das Gebäude selbst als um das Produkt (als Stoffname oder Verfahren) geht.[6]
Früheste Erwähnungen finden sich bei Halle an der Saale (Chronicon Moissiacense 806 als Halla), und älteres romanisches salina überlagert im Süden wie bei Bad Reichenhall (Notitia Arnonis[7] 8. Jh., ad salinas quae dicitur Hall ‚bei den Salinen, die Hall genannt werden‘, als civitas ‚Stadt‘ 1156 genannt). Spätere Belege sind Schwäbisch Hall in der Chronik des Gislebert von Mons (1190 Hallam in Suevia), Halle in Westfalen (1246 erstmals genannt), Hall in Tirol (1232 salina in intal, 1256/63 ze Halle, Abbau: Halltal), Bad Hall, Oberösterreich (Herzogenhall um 1287, zuerst erwähnt 777 als salinam, que ad Sulzibach est ‚die Saline, die am Sulzbach liegt‘),[8] Hallstatt, Oberösterreich (genannt 1311, Abbau am heutigen Hallstätter Salzberg), Hallein, Salzburg (1. Hälfte 13. Jh., Abbau: Dürrnberg), Hall bei Admont, Steiermark (14. Jh., 931 als ad Adamunton locum patellarem ‚Pfannstatt bei Admont‘).[9]
Ein weiterer Bedeutungskomplex findet sich in Küstenregionen mit der Siedlungsinselform Hallig, wo eine Nähe zu englisch hill (indg. *kel ‚ragen‘)[10] möglich erscheint, oder dem Ort Halle, Belgien (1152 Hallensis, vielleicht zu halha ‚Bucht‘)[11], bei beiden aber auch zur obigen Bedeutung im Sinne ‚Versalzung‘ etwa in der übertragenen Bedeutung ‚Salzniederung, maritimes Marschland‘.
Insgesamt scheint es sich also um einen terminus technicus der frühmittelalterlichen Montanistik zu handeln und eine mögliche Wurzel *hallan ‚Salzkruste‘ – Evaporite des Salzes, seien sie natürlicher oder technischer Herkunft.
Daneben gibt es einige Hall-Namen, die nachweislich in keinem Zusammenhang mit Salzgewinnung stehen. Hier kommen beispielsweise die folgenden Etymologien in Frage:
- Hallwang, Land Salzburg (im 10. Jh. urkundlich als locus haldinwanc Hangwiese mit -wang ‚Flur‘)[12]
- Hallwil, Aargau (nach erratischen Felsbrocken, vgl. got. hallus ‚Felsen‘, anord. hallr ‚Stein‘)[13]
- Halle (Zoersel), Niederlande (wohl direkt zu halle ‚Bau‘)[14]
- Halligdorf, Niedersachsen (zu heilig)[12]
Als Gewässername ist das Wort selten, es findet sich etwa bei der nordrhein-westfälischen Halle, dem Halbach bei Kleinzell-Salzerbad in Niederösterreich oder auch Haller Bach bei Bad Hall in Oberösterreich, Hallbach bei Hall bei Admont in der Steiermark, letztere beide gesichert sekundär aus Salznamen abgeleitet.
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sortierung Siedlungsname – Hausname – Flurname – Gewässername
- Auswahl nach Stifter (2005),[15] sonst einzeln belegt
Im Kontext Salzgewinnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bad Friedrichshall (neuzeitliche Wortschöpfung)
- Bad Reichenhall
- Halle (Saale)
- Halle (Westf.)
- Niedernhall
- Schwäbisch Hall
Österreich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Niederösterreich
- Außerhallbach am Halbach bei Kleinzell
- Hinterhallbach bzw. Innerhalbach am Halbach bei Kleinzell
- Hallerhof bei Behamberg
- Halbach, Bach bei St. Veit an der Gölsen, zu Salzerbad
- Oberösterreich
- Bad Hall, früher Herzogenhall, Salzstadt, heute Solebad
- Hallstatt, Salzstadt
- Hallschlag bei Oberkappel (mit Rodungsname -schlag)
- Hinterhalleswies bei St. Wolfgang im Salzkammergut
- Ohrhalling bei Schardenberg
- Vorderhalleswies bei St. Wolfgang im Salzkammergut
- Hall, Hof bei Ternberg
- Hallach, Hof bei Grünburg
- Haller(mühle) bei Bad Schönau
- Hallerschacher, Hof bei Waldneukirchen
- Michelhall bei Altaussee (hist.)
- Hallberg, der Hallstätter Salzberg bei Hallstatt (Salzbergbau)
- Halleiten, Flurname bei Weyer
- Hallereck, Flurname bei Weyer
- Hallerleiten, Flurname bei Weyer
- Hallmoos bei Hallstatt
- Michelhallbach bei Altaussee (hist.)
- Salzburg
- Hallein, Salzstadt
- Hallergut bei Schleedorf
- Hallmoos, Ort und Flur bei St. Johann im Pongau
- Hallseiten, Ort und Flur bei Abtenau
- Halleiten bei Hallein
- Steiermark
- Hall bei Admont, Ortsteile Oberhall, Unterhall
- Hallersdorf bei St. Johann-Köppling
- Halltal, auch Flur bei Mariazell
- Hallerhaus am Wechsel, Berghütte (Gem. Pinggau)
- Hallinger, Hof bei Ranten
- Hallegg, Flur bei Alpl (Neuberg an der Mürz)
- Hallbach, Bach bei Hall bei Admont
- Tirol
- Hall in Tirol, Salzstadt
- Halltal, Halltaler Siedlung, auch Flur bei Absam/Hall in Tirol
- Hallerangeralm bei Absam
- Hallingerhöhe bei Vals
Schweiz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Schweizerhalle bei Basel (erst im 19. Jh., nach dem ehem. Firmennamen der Rheinsalinen)
Aus Flurnamen zu Abhang (kein Salz)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Deutschland
- Hallwangen bei Dornstetten, Württemberg (mit -wangen ‚Flur‘: Silber-, Kupfer, Schwerspatbergwerk)[16]
- Österreich
- Hallbach, am Fuschlsee bei Hof bei Salzburg, Land Salzburg
- Hallegg bei Klagenfurt am Wörthersee, Kärnten
- Hallwang bei Eberstalzell, Oberösterreich (mit -wang ‚Flur‘)
- Hallwang bei Salzburg (mit -wang ‚Flur‘)
- Hallenstein bei Gries am Brenner, Tirol
- Hallerndorf bei Reith bei Kitzbühel, Tirol
- Hallwang, Bauernhaus bei Großendorf, Gem. Ried im Traunkreis, Oberösterreich (mit -wang ‚Flur‘)
Ungesichert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hahlen (diverse, Niederhalen),[17] Halbach (div.), Halen (div.),[17] Halingen,[17] Hall (div.), Halla, Hallabruck, Hallaich, Hallalit, Hallau (Unterhallau, Oberhallau), Hallbach (div.), Hallberg (div.), Hallbruch, Halle (div.), Hallenberg, Hallendorf (div.), Hallenhausen, Hallensen, Hallenstein (div.), Haller (div.), Hallerbach (div.), Hallerburg, Hallerndorf, Hallersberg (div.), Hallermühle, Hallerschneid, Hallershof, Hallerstein, Hallerstraße, Hallgarten (div.), Hallnberg, Halloh,[17] Hallschlag (div.), Hallstadt, Hallstedt , Hallungen, Hallweg (div.), Halverde,[17] Hehlen,[17] Helle (div.),[17] Holledau[17]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten](Sortierung chronologisch)
- Ernst Schwarz: Der Salzbergbau in der Ortsnamengebung. In: Zeitschrift für Ortsnamenforschung, 1, 1925, S. 187–191.
- Kurt Thomsen: Ueber die Etymologie der Ortsnamen auf –hall. In: Zeitschrift für Ortsnamenforschung, 3, 1927/8, S. 38–40;
ebd. J. Schnetz: Zusatz der Schriftleitung. zu Thomsen, S. 40; ders.: Nochmals zu den Ortsnamen auf –hall (vgl. ZONF III, 38 ff.). S. 175. - Remigius Vollmann: Zur Hall-Frage. In: Zeitschrift für Ortsnamenforschung, 4, 1928, S. 135–141; ebd. J. Schnetz: Zusatz der Schriftleitung. zu Vollmann, S. 141–142.
- J. F. Lohmann: Lat. salinus (salinae, salinum) und der keltische Name des Salzes. In: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, 59, 1932, S. 143–144.
- Walter Steinhauser: Was war das »Hall«? In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 92, 1952, S. 147–151 (zobodat.at [PDF]).
- Jürgen Udolph: Eurasische Frühzeit: Ortsnamen als Geschichtsquelle. eurasischesmagazin.de, Eurasisches Magazin, EM 03-04, 26. März 2004.
- David Stifter: Hallstatt – In eisenzeitlicher Tradition? In: Raimund Karl, Jutta Leskovar (Hrsg.): Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 1. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie (= Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich. Folge 18). Linz 2005, ISBN 3-85474-137-5, S. 229–240 (ooekultur.at [PDF; 344 kB]).
- Johannes Lang: Geschichte von Bad Reichenhall. Neustadt a. d. Aisch 2009, S. 88 f.
- Jürgen Udolph: Die Ortsnamen Hall, Halle, Hallein, Hallstatt und das Salz. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-89534-866-2.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Sicher um Hallein/Bad Reichenhall, wohl nicht aber in Hallstatt (unterbrochen), in Hall in Tirol und Hall bei Admont ist insgesamt kein vormittelalterlicher Abbau gesichert. Lit. Stifter: Hallstatt. 2005, 2.5., S. 234, Sp. 2 f. (pdf S. 4).
- ↑ Lit. Stifter: Hallstatt. 2005, 2. Keltisch hall? insb. 2.2. und 2.3., S. 234, Sp. 1 (pdf S. 4).
- ↑ Diese sind von Südosten her bis zum Alpenrand bei Salzburg nachweislich.
- ↑ a b c Stifter: Hallstatt. 2005, 3. Germanisch hall, S. 236 f. (pdf S. 8).
- ↑ Vergl. Lit. Udolph: Die Ortsnamen Hall, Halle, Hallein, Hallstatt und das Salz. 2014.
- ↑ a b Stifter: Hallstatt. 2005, 2.2, S. 233, Sp. 2 (pdf S. 5).
- ↑ Notitia Arnonis 6, 26; zitiert nach I. Reiffenstein: Hallein – salina nostra. Zur Semantik des Diminutivs. In: A. Greule, E. Meineke, Ch. Thim-Mabrey (Hrsg.): Entstehung des Deutschen. Festschrift für Heinrich Tiefenbach. Winter, Heidelberg 2004, S. 368 (Artikel 367–381)
- ↑ Erich Trinks (Bearb.): Urkunden-Buch des Landes ob der Enns. Band 2. Wien 1856, II, S. 2 (archive.org – Saline am Sulzbach in der vorletzten Zeile von Seite 2): „777. Kremsmünster. — Thassilo, Herzog von Baiern, stiftet das Kloster Kremsmünster.“ ; zitiert in I. Hausner (Bearb.): Altdeutsches Namenbuch. Die Überlieferung der Ortsnamen in Österreich und Südtirol von den Anfängen bis 1200. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Kommission für Mundartforschung, Wien, 1989 ff., S. 486.
- ↑ UB Salzbg 1, 80; zitiert nach Hausner, Altdeutsches Namenbuch. S. 487.
- ↑ Wolfgang Pfeiffer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen dtv München 1985, S. 552.
- ↑ Maurits Gysseling: Halle: Br. In: Toponymisch Woordenboek. 1960, S. 439 (niederländisch, Reader, Universiteit Antwerpen, wulfila.be).
- ↑ a b Stifter: Hallstatt. 2005, 1.2., S. 231, Sp. 1 (pdf S. 3).
- ↑ Stifter: Hallstatt. 2005, Fußnote 5, S. 238 (pdf S. 10).
- ↑ Stifter: Hallstatt. 2005, 1.2.4. In den Beneluxstaaten …, S. 232, Sp. 2 (pdf S. 4).
- ↑ Lit. Stifter: Hallstatt. 2005, 1. Problemstellung und Materialsammlung, insb. 1.2.1. ff., S. 231, Sp. 2 ff. (pdf S. 3).
- ↑ Bergwerk Hallwangen
- ↑ a b c d e f g h
J. Udolph: Hallstatt. I. Philologisches. § 2. Hall- in ON. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Dreizehnter Band: Greifvögel – Hardeknut. Berlin / New York 1999, S. 433–442; und Lit. Udolf 2004
vgl. Lit. Stifter: Hallstatt. 2005, Fußnote 6, S. 238 (PDF S. 10).