Karl Schwarzschild

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Karl Schwarzschild
Karl Schwarzschild

Karl Siegmund Schwarzschild (* 9. Oktober 1873 in Frankfurt am Main; † 11. Mai 1916 in Potsdam) war ein deutscher Astronom und Physiker. Er gilt als einer der Wegbereiter der modernen Astrophysik.

Herkunft und Studium

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Foto des vormaligen Geschäftshauses Schwarzschild-Ochs, Frankfurt, Roßmarkt 7

Karl Schwarzschild wurde 1873 in Frankfurt als ältestes von sieben Kindern einer wohlhabenden jüdischen Familie geboren (ließ sich aber später taufen). Die Familie Schwarzschild-Ochs war eine alteingesessene Händlerdynastie der Textilbranche, Zweig einer alten niederrheinischen, 1499 in Frankfurt eingewanderten jüdischen Familie mit einem Geschäft in herausragender Lage am Roßmarkt 13 (vormals Roßmarkt 7) und in der Leipziger Straße.[1] Seine Eltern waren Henrietta Ottilie Sabel (1852–1922) und Moses Martin Schwarzschild (1837–1916). Seine fünf jüngeren Brüder hießen Alfred (1874–1948), Paul Salomon (1876–1885), Otto Peretz (1878–1944), Hermann Eugen (1880–?) und Robert (1882–1940), seine einzige Schwester Clara Auguste (1887–1946).[2] Alfred Schwarzschild wurde Kunstmaler[3]. Karl wuchs in einem kultivierten großbürgerlichen Umfeld auf, in dem vielseitige Interessen (unter anderem Musik und Kunst) gepflegt wurden. In Frankfurt besuchte er die jüdische Elementarschule und danach das Städtische Gymnasium, wo frühzeitig sein Interesse an der Astronomie geweckt wurde. Bereits als 16-jähriger Schüler veröffentlichte er in den Astronomischen Nachrichten zwei Arbeiten zur Bahnbestimmung von Planeten und von Doppelsternen.

Nach dem Abitur, das er als Bester seines Jahrgangs bestand, studierte er ab 1890 an der Universität Straßburg Astronomie bei Ernst Becker. 1892 wechselte er an die Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er 1896 unter Hugo von Seeliger zum Thema Die Entstehung von Gleichgewichtsfiguren in rotierenden Flüssigkeiten promovierte.[4]

Tätigkeit in Wien und München

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Plejaden (extrafokale Aufnahme von Karl Schwarzschild, angefertigt um 1900 an der Kuffner-Sternwarte)

Ab 1896[5] arbeitete er zwei Jahre als Assistent an der Kuffner-Sternwarte in Wien. Dort beschäftigte er sich mit der Photometrie von Sternhaufen und legte die Grundlagen für eine Formel, die die Beziehung zwischen Intensität des Sternenlichts, Belichtungszeit und Schwärzung der Fotoplatte in der Astrofotografie beschreibt. Ein wichtiges Glied dieser Formel ist der Schwarzschild-Exponent. 1899 kehrte er nach München zurück und habilitierte sich dort mit der Habilitationsschrift Beiträge zur Photographischen Photometrie der Gestirne, in der er eine einfache Formel zur Festlegung von Farbindizes von Sternen vorstellte, die in den 1950er Jahren im UBV-System (für ultraviolett, blau, visuell) standardisiert wurde.

Tätigkeit in Göttingen und Potsdam

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1901[5] bis 1909 war Schwarzschild Professor und Direktor der Sternwarte Göttingen. Dort konnte er mit Persönlichkeiten wie David Hilbert und Hermann Minkowski zusammenarbeiten.

1905 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[6] 1909 wurde er als Nachfolger von Hermann Carl Vogel Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam.[5]

Im Februar 1916 wurde er zum ordentlichen Honorarprofessor an der Berliner Universität ernannt.[7]

Kriegsdienst und Tod

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Stadtfriedhof Göttingen: Grab von Karl Schwarzschild und seiner Familie

Schwarzschild meldete sich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 freiwillig zur Armee. Er diente in der Artillerietruppe an der Ost- und Westfront und hatte dort unter anderem ballistische Berechnungen durchzuführen. Schwarzschild wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.[7] Während des Krieges erkrankte er schwer an einer Autoimmunerkrankung der Haut (Pemphigus vulgaris) und kehrte im März 1916 als Invalide von der Front zurück. Er starb zwei Monate später im Alter von nur 42 Jahren.

Sein Grab und das seiner Familie befinden sich auf dem Stadtfriedhof Göttingen (Abteilung 35).

Karl Schwarzschild heiratete 1909 Elisabeth Rosenbach, eine Urenkelin Friedrich Wöhlers. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Agathe Thornton geb. Schwarzschild (1910–2006), die 1933 nach Großbritannien emigrierte und 1948 nach Neuseeland ging, wo sie Professorin für Alte Philologie an der Otago-Universität Dunedin wurde, der Astrophysiker Martin Schwarzschild (1912–1997) und Alfred Schwarzschild (1914–1944), der wegen des Holocausts Suizid beging.

Während des Kriegsdienstes schrieb Schwarzschild 1915 in Russland eine Abhandlung über die Relativitätstheorie und eine über Quantenphysik.

Seine Arbeit zur Relativität erbrachte die ersten genauen Lösungen der Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie – eine für ungeladene, nicht rotierende kugelförmige symmetrische Körper und eine für statische isotrope leere Räume um feste Körper.

Schwarzschild leistete einige grundlegende Arbeiten über klassische Schwarze Löcher. Einige Eigenschaften Schwarzer Löcher erhielten deshalb seinen Namen, nämlich die Schwarzschild-Metrik, die Schwarzschild-Tangherlini-Metrik und der Schwarzschildradius. Das Zentrum eines nicht rotierenden, ungeladenen Schwarzen Loches wird Schwarzschild-Singularität genannt.

In der Astronomie arbeitete er unter anderem über die fotografische Helligkeitsmessung von Sternen. Im Zuge von Studien zum Strahlungstransport in der Sonnenatmosphäre prägte Schwarzschild den Begriff des Strahlungsgleichgewichts. Mit Methoden der Stellarstatistik untersuchte er die Verteilung der Sterne in der Milchstraße.

Karl Schwarzschild entdeckte 1899 den Schwarzschild-Effekt. Er verbesserte des Weiteren die Theorie optischer Systeme.

Während seiner Zeit am astrophysikalischen Observatorium in Potsdam beschäftigte er sich auch mit der Erklärung der Emissionsspektren von Atomen. Dabei führte er Methoden der Himmelsmechanik zur Berechnung von Emissionsspektren in das Bohr-Sommerfeldsche Atommodell ein.[8] So ist seine letzte Publikation ein Beitrag zur frühen Quantenmechanik über den Stark-Effekt.[9]

Der wissenschaftliche Nachlass von Schwarzschild wird in den Spezialsammlungen der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen aufbewahrt.

Göttingen-Weende, Karl-Schwarzschild-Weg

Im Jahr 1910 wurde Schwarzschild zum Mitglied der Leopoldina gewählt,[10] 1912 wurde er Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.[7] Er war Ehrenmitglied des Physikalischen Vereins.

Im Jahre 1913 wurde Karl Schwarzschild zum Geheimen Regierungsrat ernannt.[11]

1916 wurde er von Heinrich Kayser und Carl Runge für den Nobelpreis für Physik vorgeschlagen.[12]

Die Karl-Schwarzschild-Medaille wird von der Astronomischen Gesellschaft jedes Jahr an Astronomen von hohem wissenschaftlichen Rang vergeben.

In Garching bei München liegen an der dortigen Karl-Schwarzschild-Straße sowohl die Europäische Südsternwarte (ESO) als auch das Max-Planck-Institut für Astrophysik. In Göttingen gibt es einen Karl-Schwarzschild-Weg. Eine Schwarzschildstraße gibt es in Potsdam, Oberkochen und Berlin-Adlershof.[13]

Seit der Eröffnung am 19. Oktober 1960 trägt die heutige Thüringer Landessternwarte Tautenburg den Namen Karl-Schwarzschild-Observatorium.

Der Mondkrater Schwarzschild und der Asteroid (837) Schwarzschilda wurden nach Karl Schwarzschild benannt.

In Frankfurt am Main wurde eine Spiel- und Grünfläche als „Karl-Schwarzschild-Platz“ benannt, sie ist zwischen Ohmstraße und Voltastraße gelegen. Es fehlt jedoch ein Schild mit der Benennung des Namens, nur aus Kartenmaterial ist die Benennung erkennbar. Sie ist der Bevölkerung auch unbekannt.

„Es ist immer angenehm, über strenge Lösungen einfacher Form zu verfügen.“

Karl Schwarzschild, 1916
Wikisource: Karl Schwarzschild – Quellen und Volltexte
  • Gesammelte Werke, Hrsg. Hans-Heinrich Voigt, Springer, 3 Bände, 1992 (mit Biographie, Kommentaren und Beitrag unter anderem von S. Chandrasekhar)

zu optischen Systemen:

zur Helligkeitsmessung:

zur Sonnenatmosphäre:

zu den einsteinschen Feldgleichungen

Commons: Karl Schwarzschild – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Siehe zur Familie den umfangreichen Artikel Martin JungSchwarzschild. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 31 (Digitalisat).
  2. FamilySearch.org. Abgerufen am 20. Juli 2024.
  3. Biographie seines Bruders Alfred Schwarzschild (1874–1948)
  4. Karl Schwarzschild im Mathematics Genealogy Project (englisch) Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendet
  5. a b c † Astronom Professor Schwarzschild. In: Neue Freie Presse, 16. Mai 1916, S. 9 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  6. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 221.
  7. a b c Prof. Karl Schwarzschild †. In: Grazer Tagblatt / Grazer Tagblatt. Organ der Deutschen Volkspartei für die Alpenländer / Neues Grazer Tagblatt / Neues Grazer Morgenblatt. Morgenausgabe des Neuen Grazer Tagblattes / Neues Grazer Abendblatt. Abendausgabe des Neuen Grazer Tagblattes / (Süddeutsches) Tagblatt mit der Illustrierten Monatsschrift „Bergland“, 16. Mai 1916, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/gtb
  8. Michael Eckert: Der Quantenhimmel voller Geigen – Quantentheorie in der Sprache der Himmelsmechanik – Karl Schwarzschilds letzte Arbeit In: Physik Journal, Mai 2016, S. 41.
  9. Karl Schwarzschild: Zur Quantenhypothese In: Sitzungsberichte der Kgl. Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Januar – Juni, 1916, S. 548; bei archive.org im Internet.
  10. Mitgliedseintrag von Karl Schwarzschild bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 20. Juni 2016.
  11. Personalien und Auszeichnungen. In: Photographische Correspondenz, Jahrgang 1913, S. 437 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/phc
  12. Hans Mehlin: Nomination Archive. 21. Mai 2024, abgerufen am 28. Juli 2024 (amerikanisches Englisch).
  13. (Trefferliste der Suche nach „Schwarzschildstr“). In: Google Maps. Abgerufen am 10. Oktober 2023.