Kunsthalle Recklinghausen
Die Kunsthalle Recklinghausen ist ein 1950 in einem ehemaligen Hochbunker schräg gegenüber dem Hauptbahnhof eingerichtetes Kunstmuseum in Recklinghausen, das über eine eigene städtische Sammlung verfügt. Diese umfasst Werke bedeutender deutscher und internationaler Nachkriegskünstler wie Emil Schumacher, Karl Otto Götz, Ayşe Erkmen, Marina Apollonio, Gerhard Richter oder Timm Ulrichs. In den letzten Jahren konnten Arbeiten von Künstlerinnen wie Barbara Kasten, Alicja Kwade oder Ângela Ferreira erworben werden, die das Profil auf Basis der historischen Grundlagen der Sammlung erweitern und internationalisieren.[1] Gründungsmotiv der Kunsthalle war eine Ergänzung der Ruhrfestspiele durch Ausstellungen der bildenden Kunst.[2]
Die Sammlung war in der Kunsthalle bislang nur unregelmäßig in Schwerpunktausstellungen zu sehen.[3] Sie erfährt in jüngster Zeit jedoch wieder vermehrte Aufmerksamkeit, da bislang selten oder nie gezeigte Konvolute unter der Leitung des Kunsthistorikers Nico Anklam in den Fokus rücken.[4] Darunter auch bedeutende frühe Werke der Gruppe ZERO.[5] Im Depot lagern rund 5000 Kunstwerke.[3] Seit dem 1. Januar 2023 ist die Kunsthalle Recklinghausen durch das Programm „Forschungsvolontariate Kunstmuseen NRW“[6] Teil einer vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft finanzierten Forschungsförderung.[7] So kann bis zum 75-jährigen Bestehen der Kunsthalle im Jahr 2025 systematisch die Sammlungs- und Ausstellungsaktivität der 1950er Jahre aufgearbeitet werden in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Moderne und Gegenwart der Kunstgeschichte an der Universität zu Köln (Christian Spies).[8]
Ruhrfestspielausstellung und Wechselausstellungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis heute zeigt die Kunsthalle Recklinghausen während der jährlichen Ruhrfestspiele diese begleitende Kunstausstellungen. Insbesondere seit den 1990er Jahren waren darunter zahlreiche wegweisende Einzelausstellungen, wie Jannis Kounellis (1993) „Lineare Notturno“, Per Kirkeby (1993), Tadeshi Kawamata (1995), Ayşe Erkmen (1997) „I-MA-GES“ oder Daniel Buren (2015) „Zwei Werke für Recklinghausen“.[9][10][11][12][13] Während des restlichen Jahres finden meist thematische Wechselausstellungen mit Kunst seit 1945 statt, wie beispielsweise „Different than it seems. Anders als es scheint“ mit Werken von Katja Aufleger, Béatrice Balcou, Alicja Kwade und Paul Spengemann (2022/2023), „SAGA. Island: Wenn Bilder erzählen“ (2014) oder „Kunst & Kohle“, die die Kunsthalle im Verbund mit den RuhrKunstMuseen als Ausstellungsprojekt zum Ende der Steinkohleförderung in Deutschland 2018 zeigte.[14][15][16] Besondere Beachtung fand in jüngster Zeit die Ruhrfestspielausstellung „Flo's Retrospective“ der estnischen Künstlerin Flo Kasearu im Sommer 2022 mit der der neue Museumsdirektor Nico Anklam sein Programm startete.[17][18]
Kunstpreis „junger westen“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch die Gewinner des von der Stadt Recklinghausen zweijährlich vergebenen Kunstpreises „junger westen“ werden im Rahmen einer Ausstellung in der Kunsthalle gezeigt.[2] Schon 1947 lud der spätere Kunsthallendirektor Franz Große-Perdekamp Künstler zu einer Ausstellung ein und ermutigte sie, sich als Gruppe zu konstituieren. So entstand um die Maler Gustav Deppe, Thomas Grochowiak, Emil Schumacher, Heinrich Siepmann, Hans Werdehausen und den Bildhauer Ernst Hermanns die Gruppe „junger westen“, deren zunehmend abstrakte Bildsprache der Industrieregion an Rhein und Ruhr einen zeitgemäßen ästhetischen Ausdruck gab.[19] 1948 stiftete die Stadt Recklinghausen den Kunstpreis „junger westen“, der zunächst für die besten Leistungen in den Jahresausstellungen der Gruppe und ihrer Gäste vergeben wurde. Seit 1956 ist er öffentlich alle zwei Jahre ausgeschrieben. Zu den ehemaligen Gewinnern gehören bekannte Namen wie Gerhard Richter, Peter Piller oder Gereon Krebber. Die rezentesten Gewinnerinnen sind Jeewi Lee (2021) und Mona Schulzek (2023), denen jeweils eine Einzelausstellung in der obersten Etage der Kunsthalle gewidmet wurde, nebst der Gruppenausstellung der besten Einreichungen in den unteren beiden Etagen der Kunsthalle.[20]
Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kunsthalle befindet sich in einem ehemaligen Hochbunker an der Große-Perdekamp-Straße nördlich des Hauptbahnhofs und gegenüber den Bahnanlagen. Sie liegt damit in unmittelbarer Innenstadtlage.
Direktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Franz Große Perdekamp, Museumsdirektor (1950–1952)
- Thomas Grochowiak, Museumsdirektor (1954–1980)
- Anneliese Schröder, Museumsdirektorin (1980–1985)
- Ferdinand Ullrich, Museumsdirektor (1988–2017)
- Hans-Jürgen Schwalm, Museumsdirektor (2017–2021)
- Nico Anklam, Museumsdirektor seit 1. Juni 2021[21]
Die Leitung der Kunsthalle wird in Personalunion von der Direktion der städtischen Museen Recklinghausen ausgeübt, zu denen auch das Ikonenmuseum Recklinghausen gehört.[22] Die Leitung der Kunsthalle betreut auch Projekte von Kunst im öffentlichen Raum, die an verschiedenen Orten in Recklinghausen zu sehen sind, wie beispielsweise Michael Sailstorfers „Mückenhäuser“ entlang der Recklinghäuser Kunstmeile.[23]
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Ferdinand Ullrich (2018)
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Hans-Jürgen Schwalm (2018)
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Nico Anklam vor der Kunsthalle Recklinghausen. Foto: Volker Beushausen, 2023.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Anneliese Schröder (Hrsg.): Drei Museen in Recklinghausen. Bongers, Recklinghausen 1986, 325 S.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Koordinaten: 51° 37′ 1,4″ N, 7° 12′ 9,9″ O
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Laura Kunkel: 11 Fragen an Nico Anklam | WELTKUNST. In: WELTKUNST, das Kunstmagazin der ZEIT. 3. Juli 2024, abgerufen am 19. August 2024.
- ↑ a b Kunsthalle Recklinghausen: Geschichte. In: kunsthalle-recklinghausen.de. Abgerufen am 14. Juli 2021.
- ↑ a b Bernd Aulich: Kunsthalle. Auf den ersten Blick lauter Überraschungen. In: Stimberg Zeitung, 30. August 2022, S. 11.
- ↑ At First Sight - Announcements - e-flux. Abgerufen am 14. Februar 2023 (englisch).
- ↑ Restaurierung von Günther Ueckers "Homage à Broadway" - Ernst von Siemens Kunststiftung. Abgerufen am 14. Februar 2023.
- ↑ Universität Düsseldorf: Forschungsvolontariat Kunstmuseen NRW. Abgerufen am 14. Februar 2023.
- ↑ Universität Düsseldorf: Forschungsvolontariat Kunstmuseen NRW. Abgerufen am 14. Februar 2023.
- ↑ Wiss. Volontariat (w/m/d), Kunsthalle Recklinghausen. Abgerufen am 14. Februar 2023.
- ↑ Jannis Kounellis: Jannis Kounellis : lineare notturno : Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 1993: Kunsthalle Recklinghausen, 2. Mai bis 11. Juli 1993. Die Ruhrfestspiele, Recklinghausen 1993, ISBN 3-929040-10-7.
- ↑ Per Kirkeby: Per Kirkeby : Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 1994: Kunsthalle Recklinghausen, 7. Mai bis 17. Juli 1994. Ruhrfestspiele Recklinghausen, Recklinghausen 1994, ISBN 3-929040-13-1.
- ↑ Tadashi Kawamata: Kawamata : Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 1995, Kunsthalle Recklinghausen, 7. Mai bis 2. Juli 1995. Ruhrfestspiele Recklinghausen, Recklinghausen 1995, ISBN 3-87909-439-X.
- ↑ Ayşe Erkmen, Ferdinand Ullrich, Ausstellung Ayşe Erkmen I-ma-ges, Städtische Kunsthalle, Ruhrfestspiele Recklinghausen: Ayşe Erkmen, I-ma-ges : Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 1997 ; Kunsthalle Recklinghausen, 4. Mai bis 6. Juli 1997. Wienand, Köln 1997, ISBN 3-929040-33-6.
- ↑ Daniel Buren: Daniel Buren: zwei Werke für Recklinghausen = Two works for Recklinghausen. Kunsthalle Recklinghausen, Recklinghausen 2015, ISBN 978-3-939753-56-8.
- ↑ resch media: Kunsthalle Recklinghausen: Different than it seems / Anders als es scheint. Abgerufen am 14. Juli 2023 (deutsch).
- ↑ Städtische Kunsthalle Recklinghausen, Ruhrfestspiele: SAGA : Island: Wenn Bilder erzählen ; [Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 2014 ; Kunsthalle Recklinghausen, 4. Mai bi Juli 2014]. Kettler, Bönen 2014, ISBN 978-3-86206-368-0.
- ↑ Kunst & Kohle ein Ausstellungsprojekt der Ruhr Kunst Museen zum Ende der Steinkohlenförderung in Deutschland. Köln 2018, ISBN 978-3-86832-437-2.
- ↑ Ulrike Knöfel: (S+) Flo Kasearu: Die Queen von Estland (S+). In: Der Spiegel. 24. Mai 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 14. Februar 2023]).
- ↑ Jens Dirksen: Flo Kasearus Unordnungs-Patrouille für Recklinghausen. 19. Mai 2022, abgerufen am 14. Februar 2023 (deutsch).
- ↑ Ferdinand Ullrich: Junger Westen – auf dem Weg zur Avantgarde. Dortmund 2017, ISBN 978-3-939753-67-4, S. 8–15.
- ↑ Kunstpreis »junger westen«. Abgerufen am 19. August 2024.
- ↑ Nico Anklam wird Direktor der städtischen Museen der Stadt Recklinghausen. In: www.museumsreport.de. Abgerufen am 9. Juni 2021.
- ↑ Pressemitteilungen | Stadt Recklinghausen. Abgerufen am 26. September 2021.
- ↑ Kunsthalle Recklinghausen: Kunst im Öffentlichen Raum. Abgerufen am 29. Juli 2021.