Slawenkongress
Als Slawenkongresse bezeichnet man sogenannte Panslawische, Panslawistische, Allslawische oder Allgemeine Slawische Kongresse die mit dem Aufkommen des Panslawismus, seit dem Vorabend der Revolutionen 1848, in verschiedenen Metropolen Mitteleuropas und Osteuropas abgehalten wurden.
Diese Slawenkongresse sind nicht mit den wissenschaftlichen Slawistenkongressen zu verwechseln.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In verschiedener Ausprägung auf faktisch all diesen Treffen wurde die Einheit der slawischen Völker debattiert, stets ohne echte Ergebnisse, aber beeinflusst von den z. T. rivalisierenden Vorstellungen der Anhänger des Austroslawismus, Trialismus, Panrussismus, Neoslawismus usw. und verdrängt vom Streit um Verfahrens, Tagesordnungs- und Abstimmungsverfahren.
Karl Marx schrieb über den ersten Slawenkongress:
„Die Böhmen und Kroaten beriefen […] einen slawischen Kongress nach Prag ein, der die allgemeine Verbrüderung der Slaven vorbereiten sollte. Der Kongress wäre auch ohne das Eingreifen des österreichischen Militärs völlig misslungen. Die verschiedenen slawischen Sprachen sind eben so verschieden von einander wie das Englische, das Deutsche und das Schwedische, und als man die Verhandlungen eröffnete, fehlte die gemeinsame slawische Sprache, durch welche die Redner sich verständlich machen konnten. Man versuchte es mit dem Französischen, aber die Majorität verstand auch das nicht, und die armen slawischen Enthusiasten, deren einziges gemeinsames Empfinden der gemeinsame Hass gegen die Deutschen war, sahen sich schließlich gezwungen, sich in der verhassten deutschen Sprache auszudrücken, als der einzigen, die sie Alle verstanden. Gerade um dieselbe Zeit versammelte sich noch ein anderer Slawenkongress in Prag, in der Gestalt galizischer Ulanen, kroatischer und slowakischer Grenadiere und böhmischer Kanoniere und Kürassiere; und dieser wirkliche, bewaffnete Slawen-Kongress unter dem Kommando von Windischgrätz jagte in weniger als vierundzwanzig Stunden die Begründer der eingebildeten slawischen Suprematie aus der Stadt und zerstreute sie in alle Winde.“[1]
Liste der Slawenkongresse
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Nummerierung dieser Konferenzen weicht voneinander ab (meistens: 1. in Prag, 2. in Moskau) – jeweils abhängig davon, welche politische Richtung zu ihnen aufgerufen hatte.
- April 1848 in Wien (1.) – offizieller Vorsitz: Ľudovít Štúr (Austroslawisten)
- Mai 1848 in Breslau – vor allem Polen
- Juni 1848 in Prag (1.) – Vorsitz: František Palacký (einziger Russe: Michail Bakunin). Dieser Kongress mündete nach der Ablehnung der Forderung nach der föderativen Umwandlung Österreichs in einen Bund gleichberechtigter Völker in den Prager Pfingstaufstand.
- 1866 in Wien (2.) – Vorsitz: Agenor Gołuchowski (Trialisten)
- 1867 in Moskau (2.) – Fjodor Dostojewski (ohne die Polen)
- 1898 in Prag (3.) – Jungtschechen
- 1908 in Prag – Tomáš Garrigue Masaryk (?)
- 1909 in Sofia
- 1910 in Petersburg
- 1942 in Moskau – Vorsitz: Josip Broz Tito, de facto aber Josef Stalin
- 1946 in Belgrad – Josip Broz Tito
- 1998 in Prag (7.)
- 2001 in Moskau (8.)
- 2005 in Minsk (9.)
- 2017 in Moskau (10.)
Regionalkongresse in den USA
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den USA kamen weitere Kongresse slawischer Einwanderer Nordamerikas zustande: Der Zusammenschluss z. B. der Serben und Kroaten wurde 1915 in Chicago zugesagt, der von Tschechen und Slowaken 1918, dann 1944 der gemeinsame Kampf aller Slawen gegen das nationalsozialistische Deutschland.
Zahlreiche kleinere Slawenkongresse dieser oder späterer Zeiten können aber nicht (mehr) als panslawistisch, allslawisch oder allgemein bezeichnet werden.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Der Slawenkongress von 1848 in Prag. In: János Bak, Karl Kaser, Martin Prochazka (Hrsg.): Selbstbild und Fremdbilder der Völker des östlichen Europa (= Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens. Band 18). Klagenfurt 2006, S. 317–328 (aau.at [PDF]).
- Andreas Moritsch (Hrsg.): Der Prager Slavenkongress 1848 (= Buchreihe des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa. Band 7). Böhlau, Köln, Weimar, Wien 2000, ISBN 3-205-99288-1 (http://www.sehepunkte.de/2002/05/3235.html Rezension auf historicum.net).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Historische Originaltexte zum Slawenkongress in Prag 1848, Universität Klagenfurt (PDF-Datei; 189 kB)
- Wolfgang Eismann, Peter Deutschmann: Nationalbewegungen im 19. Jahrhundert (PDF-Datei; 16 Seiten, 147 kB), Arbeit für die Universität Graz mit Schwerpunkt auf dem Panslawismus und die Nationalbewegungen in Ost- und Ostmitteleuropa.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Karl Marx: Revolution und Kontre-Revolution in Deutschland. Hrsg.: Karl Kautsky. Dietz, Stuttgart 1896, Kap. IX. Der Panslavismus. Der Krieg in Schleswig-Holstein, S. 64 (projekt-gutenberg.org).