Stadthaus (Mannheim)
Das Stadthaus ist ein denkmalgeschütztes Mehrzweckgebäude in Mannheim. Es befindet sich im Quadrat N 1 am zentralen Paradeplatz in der Mannheimer Innenstadt. Der moderne Bau im Stil des Brutalismus, mit der für diese Stadt typischen Mannheimer Symmetrie (Gebäude mit sogenannter Mittelturmfassade) entstand 1991 anstelle des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Alten Kaufhauses.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das heutige Stadthaus steht an dem Standort des ehemaligen, 1745 fertiggestellten Alten Kaufhauses am Paradeplatz. Das „Alte Kaufhaus“ war ein barocker Prachtbau, der ebenfalls eine Mittelturmfassade aufwies und im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört wurde.
Entgegen dem Namen wurde das Gebäude nur kurz als Kaufhaus genutzt. Schon seit dem 18. Jahrhundert waren staatliche Behörden hier angesiedelt. Ab 1903 war es im Besitz der Stadt Mannheim, die es nach einem Umbau durch Richard Perrey als Rathaus nutzte.[1]
Drei Architektenwettbewerbe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vor dem Bau des Stadthauses wurden drei Wettbewerbe durchgeführt:
- Den ersten Wettbewerb im Jahr 1960 gewann Roland Ostertag aus Leonberg. Ostertag schlug ein 14-stöckiges Hochhaus von 60 Metern Höhe mit vorgelagerten flachen Kuben vor. Als Ergebnis des Wettbewerbs wurden Turm und Reste der barocken Substanz abgebrochen. Doch 1967 führten Finanzierungsschwierigkeiten zur Einstellung der Bauarbeiten. Der Entwurf von Ostertag wurde später in Kaiserslautern als Rathaus realisiert.
- Den zweiten Wettbewerb im Jahr 1978 gewann das Kölner Architektenehepaar Jan und Maria Matyas. Geplant war eine Blockbebauung mit einem trichterförmigen Einschnitt in der Längsachse an der Stelle, an der früher der Turm stand. Doch auch dieser Entwurf wurde nicht realisiert.
- Den dritten Wettbewerb im Jahr 1986 gewannen die Mannheimer Architekten Carlfried Mutschler, Joachim Langner, Christine Mäurer und Ludwig Schwöbel. Sie entwarfen einen postmodernen Bau, der Bezug auf den barocken Vorgängerbau nimmt.
Bürgerentscheid
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Unüberhörbarer Protest seitens der Mannheimer Bürger führte im November 1986 zu einem Bürgerentscheid, der mit 83 Prozent eindeutig zugunsten eines Wiederaufbaus nach historischen Plänen und damit gegen Mutschlers Entwurf ausging. Da das erforderliche 30-Prozent-Quorum jedoch um 3,8 Prozentpunkte verpasst wurde, setzte sich Oberbürgermeister Widder über das Meinungsbild hinweg und gab der Realisierung des postmodernen Mutschlerbaus die Freigabe.
Errichtung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 13. April 1991 wurde das Stadthaus eingeweiht.
Umbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis Mai 2008 wurde das Erdgeschoss mit einer Nutzfläche von 4.000 m² umgebaut und renoviert. Dabei wurde die Treppe im Zentrum entfernt und der Haupteingang erhielt ein großes Glasprisma, das für mehr Tageslicht im Innern sorgt. Die verwendeten Materialien sind ebenso wie die Energieversorgung ökologisch ausgerichtet. Weitere Umbauten folgten, unter anderem 2014 der Bürgersaal.
Eigentümerwechsel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis 2016 befand sich eine Hälfte des Stadthauses im Eigentum der Stadt Mannheim, die andere Hälfte gehörte der LBBW Immobilien und der SV Versicherung. Die privaten Anteile wurden 2016 von der Mannheimer Unternehmensgruppe Diringer & Scheidel übernommen.[2] Die Stadt Mannheim behielt ihre Hälfte.
Denkmalschutz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachdem Diringer & Scheidel die Hälfte der Eigentumsanteile des Stadthauses übernommen hatte, wurde nach einem neuen Konzept gesucht, der auch den Abriss des Gebäudes nicht ausschloss. Eine Untersuchung ergab im Jahr 2021, dass eine Sanierung nicht wirtschaftlich und zweckmäßig sei, auch hätten sich Nutzungsmix und bauliche Anordnung als nicht erfolgreich erwiesen. Der hohe Anteil an Verkehrsflächen mache den Betrieb unwirtschaftlich und es gebe Wasserschäden und Probleme mit der Haustechnik, so richtete zuletzt ein Wasserschaden in der Zentralbibliothek im November 2022 große Schäden an.[3] Kurz danach wurde bekannt, dass das Landesdenkmalamt das Stadthaus als exemplarisches Bauwerk der Postmoderne als denkmalgeschützt einstufte.[4]
Architektur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beherrschendes Motiv des Stadthauses ist der Mittelturm mit offener Stahlkonstruktion und gläsernem Fahrstuhlschacht, der zu einem Café im obersten Geschoss des Turmes führte. Der Turm ist aus Brandschutzgründen gesperrt.[5]
Nutzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Stadthaus ist die Stadtbibliothek Mannheim untergebracht. Daneben befindet sich dort der Ratssaal des Mannheimer Gemeinderats sowie ein Bürgersaal, der für Veranstaltungen zur Verfügung steht.
Im gläsernen Turm des Stadthauses befand sich seit 1994 das Turmcafé Cocktailbar Stars, das mit einem gläsernen Fahrstuhl über die Podiumsetage des Stadthauses zu erreichen war. Das Turmcafé wurde Ende August 2016 wegen Brandgefahr geschlossen.[6]
Von 2008 bis 2010 befand sich im Erdgeschoss ein Bio-Center mit einem Bio-Supermarkt und den Bereichen Beauty & Health und Bio-Restaurant. Anstelle des Bio-Supermarkts eröffnete eine REWE-City-Filiale.
Vom 11. Mai 2013 bis 31. Mai 2014 hatte das Panoptikum Mannheim im 3. Obergeschoss seine Türen geöffnet. Auf über 1200 m² entstand Deutschlands größtes Wachsfigurenkabinett mit über 350 teils historischen Exponaten.
Seit dem 16. Mai 2014 befindet sich die Spielstätte des Oststadt Theaters im umgebauten Bürgersaal im 1. OG.
Im Oktober oder November dienen zwei Säle des Stadthauses dem jährlich stattfindenden Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg als Spielort für die ausländischen Newcomerfilme.[7]
Insgesamt wurde für das Stadthaus bislang kein Nutzungskonzept gefunden, das vor allem im gewerblich genutzten Bereich dauerhaft erfolgreich ist. Nachdem der Abriss durch den Denkmalschutz vereitelt wurde[8], ist ein attraktiver Neubau unmöglich und lässt das marode Gebäude vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Monika Ryll: Kaufhaus, Rathaus, Stadthaus in Mannheim. Bauten im Widerspruch zwischen Obrigkeit und Bürgerschaft. Verlagsbüro v. Brandt, Mannheim 1991, ISBN 3-926260-13-0.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Kaufhaus – Rathaus – Stadthaus. In: mannheim.de. Abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ DIRINGER & SCHEIDEL kauft Stadthaus-N1-Antei. (PDF; 200 kB) In: dus-bau.de. 26. April 2016, archiviert vom am 28. Juli 2021; abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Zentralbibliothek in Mannheim bleibt nach Wasserschaden noch zu. In: mannheimer-morgen.de. 24. November 2022, abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Peter W. Ragge: Mannheimer Stadthaus N 1: Verwaltung überrascht über Denkmalschutz - Neubau war schon geplant. In: mannheimer-morgen.de. 27. Juli 2021, abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Peter Kiefer: „Akute Gefahr für Leib und Leben“! Stadt schließt Turmcafé. In: mannheim24.de. 30. August 2016, abgerufen am 2. April 2018.
- ↑ Rhein-Neckar-Zeitung vom 31. August 2016, Seite 8 (Mannheim).
- ↑ Festivalarchiv. In: iffmh.de. Abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Denkmalschutz ist in Mannheim gefürchtet und herbeigesehnt. 9. September 2022, abgerufen am 1. September 2024.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Koordinaten: 49° 29′ 10,7″ N, 8° 27′ 56,1″ O