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ADB:Montecuccoli, Raimund Fürst von

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Artikel „Montecuccoli, Raimund Reichsfürst“ von Adolf Schinzl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 183–189, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Montecuccoli,_Raimund_F%C3%BCrst_von&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 17:03 Uhr UTC)
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Montecuccoli: Raimund Reichsfürst M., Herzog von Melfi, aus der gräflichen Familie M.-Polignano, kaiserlicher Kämmerer und geheimer Rath, Generallieutenant (Generalissimus), General-Artilleriedirector, Gouverneur von Raab, Hofkriegsrathspräsident, Inhaber eines Kürassierregiments, Präsident der Leopoldinischen Akademie der Naturforscher, Ritter des goldenen Vließes, geb. am 21. Februar 1609 auf dem Schlosse Montecuccolo bei Modena, † am 16. October 1680 zu Linz, hat sich als Feldherr und Begründer der neueren Kriegskunst, sowie als Staatsmann und Verfasser mehrfacher gelehrter Abhandlungen eine hervorragende Stelle in den Blättern der Geschichte errungen. M. genoß eine echt ritterliche Erziehung; seine erste Ausbildung beschränkte sich jedoch vorwiegend nur auf sprachliche und classische Studien. Erst später erweiterte er, selbst inmitten kriegerischer Vorgänge, mit eiserner Willenskraft den Umfang seiner Kenntnisse. Nicht ohne Einfluß auf die Entwickelung seines Wissens und seines Charakters blieb endlich der Umstand, daß M., wenngleich der Sprosse eines hochangesehenen, seit 1369 geadelten, 1450 in den Grafen-, 1530 in den Reichsgrafenstand mit dem großen Palatinate, 1623 in den niederösterreichischen Herrenstand erhobenen Adelsgeschlechts Mittelitaliens, vom einfachen Kriegsmanne an im kaiserlichen Heere diente, und somit im wahren Sinne des Wortes „von der Pike an“ die Eigenthümlichkeiten und Pflichten des Kriegerstandes kennen lernte. So wollte es sein Oheim, der seit der Schlacht bei Prag im J. 1620 bestens genannte, 1633 nach dem Entsatze von Breisach einer siebenfachen Verwundung erlegene Feldzeugmeister und Capitän der Garde Graf Ernst M. Mit dessen Zustimmung trat M. im J. 1625 in den kaiserlichen Kriegsdienst und unter dessen Leitung und Ueberwachung kämpfte er von 1625–1633 in Schlesien, in den Niederlanden, in West- und Norddeutschland. Daß er während dieser Zeit bald bei den Fußtruppen, bald bei der Reiterei eingetheilt gewesen und sich jeder Beförderung durch besondere Tapferkeit und Brauchbarkeit würdig erweisen mußte, geschah mit weisem Vorbedacht; namentlich anerkennenswerth war sein Verhalten 1628 beim Rückzuge über die Velau in Geldern, 1629 bei Amersfoort und bei Magdeburg, 1630 bei Kalbe, Staßfurt und Aschersleben, 1631 bei Neu-Brandenburg, wo er am Unterleibe verwundet worden sein soll, dann bei Breitenfeld, an welchem Tage er eine Verletzung am Kopfe erlitt und in Gefangenschaft gerieth, 1632 bei Lützen, hierbei neuerlich blessirt. Nach seinem eigenen Ausspruche hegte M. schon damals eine lebhafte Vorliebe für den Dienst bei der [184] Reiterwaffe, ohne jedoch deswegen den Werth der Fußtruppen zu unterschätzen, „bei welchen die Disciplin erlernt werden könne, auf deren Grundlage jede Leistung und jeder Ruhm beruht“. Und in diesem Sinne hat M. gewiß auf seine Reiter eingewirkt, denn 1634 folgten sie seinem Beispiele mit Bravour bei Nördlingen, 1635 führte er als Oberstlieutenant den aus 200 abgesessenen Kürassieren bestehenden Vortrab durch den nassen Graben und eine steile Bresche nach Kaiserslautern, nahm den Commandanten gefangen und ließ die Besatzung niederhauen. Für diese That wurde M. vom Kaiser zum Obristen befördert und ihm das Regiment Aldobrandini verliehen, welches er um fünf neue Compagnien verstärkte und an dessen Spitze er noch in demselben Jahre wesentlich zur Einnahme von Elsaß-Zabern beitrug. Hierauf führte M. ehrenvoll und ausdauernd sein Regiment 1636 bei Wolmirstedt und Wittstock, 1637 in Pommern, 1638 bei Chemnitz und 1639 bei Melnik und Brandeis, welch’ letztere Gefechte gegen seine im Kriegsrathe beharrlich vertretene Meinung von General Hofkirchen angenommen wurden und ungünstig endeten. Hierbei fiel M., während des Handgemenges am linken Arme verwundet, neuerlich in feindliche Gefangenschaft, in welcher er theils zu Stettin, theils zu Weimar 2½ Jahre zurückgehalten wurde. Doch selbst diese, sonst meistentheils ungenützt verstreichende Zeit, war für Montecuccoli’s Zukunft von denkwürdiger Bedeutung; sie diente ihm dazu, sich rechtsgelehrte, philosophische und naturwissenschaftliche Kenntnisse anzueignen und an der Hand der Schriften des Tacitus, Vitruvius und Euklides von Alexandrien Geschichte, Baukunst und Geometrie gründlich zu studiren. In Stettin entwarf er auch den Plan zu seinem berühmten Werke über die Kriegskunst, in welchem er mit beispielgebender Klarheit und Bestimmtheit die vorzüglichsten Grundsätze des Kriegswesens zum Ausdrucke brachte und deren Verwerthung entwickelte. Im J. 1642 kehrte M. wieder zum Heere zurück, und da inzwischen Hofkirchen die Schuld am Verluste der Gefechte bei Melnik und Brandeis M. zugeschoben hatte, so forderte er vor allem von demselben Genugthuung mit dem Schwerte in der Faust; der Kampf war kurz, M. entwaffnete seinen Gegner, worauf er sich mit ihm versöhnte. Noch in demselben Jahre rückte M. auch wieder gegen den Feind, wobei er der zum Entsatze von Brieg bestimmten Armee des Erzherzogs Leopold von Olmütz an, mit 2000 Reitern den Weg frei zu machen hatte. Seine zu diesem Behufe getroffenen Maßnahmen waren von dem besten Erfolge begleitet, denn es gelang ihm sogar, nach rasch durchgeführten, geschickt verheimlichten Märschen das Corps des Obristen Slange bei Troppau zu überfallen, entschieden zu schlagen und derart zurückzuweisen, daß sich auch Torstenson, ohne einen neuerlichen Kampf abzuwarten, zur Aufhebung der Belagerung von Brieg veranlaßt sah. Der von dieser Leistung hochbefriedigte Kaiser ernannte nunmehr M. zum Generalfeldwachtmeister und entsendete ihn im Winter 1642 bis 1643 zum Herzoge von Modena, dessen Truppen M. als modenesischer General der Cavallerie während der Kriegshändel bezüglich des Herzogthums Castro klug und wirksam lenkte, wofür er durch die Erhebung zum modenesischen Feldmarschall ausgezeichnet wurde. Somit hätte M. in seinem Vaterlande den höchsten militärischen Rang eingenommen; da aber sein Thatenbedürfniß im kaiserlichen Heere auf eine größere Befriedigung rechnen konnte und der Kaiser seine Rückkehr wünschte, so eilte M. nach Wien, wo er im J. 1644 zum Feldmarschalllieutenant und Hofkriegsrath vorrückte. In diesem Jahre befehligte M. anfänglich statt des erkrankten Grafen Hatzfeld kurze Zeit die Armee in Franken, später führte er im Heere des Grafen Gallas den linken Flügel der Reiterei unter beständigen Kämpfen geschlossen nach Böhmen zurück. Endlich vermittelte M. im December 1644 beim Kurfürsten von Baiern die beschleunigte Absendung der Hilfstruppen nach Böhmen. Bei Beginn des Jahres 1645 befand sich M. [185] neuerlich in Schlesien, wo er mehrere fast gänzlich aufgelöste Regimenter neu organisirte und kampfbereit machte. Mit diesen auf 5000 Mann gebrachten Truppen marschirte M. im Juni an die Donau zur Armee des Erzherzogs Leopold und verstärkte bei dieser Gelegenheit mit sicherem Blicke und kühner That die Besatzung von Brünn, indem er eine Abtheilung Dragoner unter dem Obristen Würben in den Ort eindringen ließ. Hierauf betheiligte er sich im Heere des Erzherzogs Leopold an den Operationen gegen Rákoczy, nach deren Beendigung er dem in Schlesien eingebrochenen schwedischen General Wittenberg entgegengeschickt wurde. Diesem an Zahl doppelt starken Gegner hat M. im Feldzuge des Jahres 1646 zähe Stand gehalten und ihn bei meisterhafter Führung des sogenannten „kleinen Krieges“ in einer Reihe von Ueberfällen, Hinterhalten, Scharmützeln sowie durch die Wegnahme von Frankenstein, Lenhaus etc. empfindlich geschädigt. M. gebührt sohin überdies das Verdienst, wesentlich dazu beigetragen zu haben, daß Wittenberg den beabsichtigten Entsatz von Krems und Korneuburg nicht wagen konnte. Auch 1647 stand M. wieder im Felde. Er zog mit dem Kaiser, nachdem er bei dessen Krönung zum König von Ungarn als Capitän der Garde betheiligt gewesen, zum Entsatze von Eger; dieses Unternehmen mißlang und konnte M. nur mit größter Anstrengung den sehr bedrohten Rückzug sichern. Bald hierauf commandirte M. den rechten Flügel der Truppen Melander’s im siegreichen Kampfe bei Triebel; sein Antheil an dem glänzenden Ausgange des Gefechts war ein hervorragender und der Kaiser ehrte M. hierfür mit einem eigenhändigen Dankschreiben und durch die Ernennung zum General der Cavallerie, welch’ letztere Auszeichnung aber „aus beweglichen Gründen“ erst im J. 1648 veröffentlicht wurde. M. drang nun 1647 noch mit dem Vortrabe bis gegen die Weser, doch wurde er hierbei von Melander fast gar nicht unterstützt; auch nahm letzterer zum fühlbaren Nachtheile der Kriegsverhältnisse und der bereits im Gange befindlichen Friedensverhandlungen überhaupt keine Rücksicht auf Montecuccoli’s wohlbedachte Rathschläge und gewichtige Kriegserfahrung. Dessenungeachtet verblieb M. in dem Feldzuge 1648 pflichtgetreu unter Melander’s Commando und deckte opferwillig dessen Heer 7 Stunden lang bei Zusmarshausen mit einem schwachen Nachtrab. Nach dem Urtheile der Gegner, unter welchen Turenne, hatte die kaiserliche Armee ihre Rettung nur der Besonnenheit, Tapferkeit und tactischen Tüchtigkeit Montecuccoli’s zu danken. Eine gleich ehrende Anerkennung fanden im 30jährigen Kriege endlich Montecuccoli’s kluge Manöver, mittelst welchen er unter Piccolomini zur Befreiung Baierns und der Oberpfalz beitrug. Wie sehr aber auch der Kaiser den Tact, das Verständniß und die Treue des heldenmüthigen Feldherrn würdigte, ergibt sich aus dem Umstande, daß M. als kaiserlicher Bevollmächtigter den Berathungen über die Feststellung der militärischen Demarcationslinie beigegeben wurde und dann, daß er sich in der Zeit bis zum Jahre 1657 wiederholt in kaiserlichen Vertrauensmissionen nach Regensburg, Augsburg, nach Flandern, England, Schweden verfügen mußte. In jene Zeit fallen auch mehrere seiner größeren Privatreisen, worunter jene nach Modena zum Beilager des Herzogs Franz I. [WS 1], wo er im ritterlichen Kampfspiele den ersten Preis errang, aber auch das Unglück hatte, seinen Freund Giovanni Maria Molza mittelst eines Lanzenstiches zu tödten; ferner die Fahrt nach Rom zum Papste, welcher M. auf Fürsprache der diesem wohlgewogenen Königin Christine von Schweden den Cardinalshut antrug, den M. aber ebenso bestimmt ablehnte wie er dies gethan, als ihm von Spanien und Venedig die höchsten Würden angeboten wurden. Bereits im J. 1657, kurz nachdem M. die Gräfin Margarethe Dietrichstein geehelicht, mußte er aber wieder den Kriegsschauplatz betreten und trug noch in diesem Jahre viel zur Unterwerfung Rákoczy’s und zur Einnahme von Krakau und Posen bei. Und [186] als der Oberbefehlshaber Hatzfeld gestorben, da übernahm M. als Feldmarschall das Commando des kaiserlichen Heeres. Unter seiner Leitung vertrieben die kaiserlichen Truppen gemeinsam mit jenen des Kurfürsten von Brandenburg (welchen M. zum Anschlusse an Polen bewogen hatte), in der Zeit von 1658 bis 1660 die Schweden aus Deutschland, Holstein, Jütland, eroberten Alsen, bemächtigten sich ferner nach einer kühnen, von M. wohlberechneten Demonstration gegen Stettin, der Insel Fünen und schließlich auch Pommerns. Bei allen diesen Operationen hat M. eine namhafte Zahl von festen Plätzen und Oertern mit Sturm oder List genommen; er wurde bei dem ersten mißglückten Angriffe auf Fünen an beiden Füßen jedoch anscheinend leicht, von einer Kanonenkugel verwundet. Nun begab sich M. als Gouverneur von Raab und somit Oberbefehlshaber des ganzen ungarischen Grenzgebietes nach Ungarn, wo er, von einer kurzen Unterbrechung abgesehen, von 1661–1664 mit kaum 25 000 Mann die in bedeutender Uebermacht vordringenden Türken aufzuhalten und zurückzuweisen hatte. Dies ist ihm in den ersten drei Jahren nur vorübergehend gelungen, denn seine rastlosen Bemühungen und überlegenen Feldherrngaben sowie seine mächtige Einflußnahme auf die Truppen fanden in der Lauheit und Widerspenstigkeit der ungarischen Stände, dem von Krankheiten heimgesuchten Heere Unterkünfte und Verproviantirung zu bieten, namentlich aber in der Einflußnahme, welche von Wien aus auf die Operationen genommen wurde, und die ihm die Offensive versagte, die unüberwindlichsten Beengungen und Beirrungen. Und so konnte er es denn im Herbste 1663 nicht verhindern, daß die Türken bis nach Steiermark und an die Grenzen Mährens gelangten, um welche Zeit er nun, aller Mittel beraubt, den Krieg mit Ehren fortzusetzen und überzeugt, daß die Türken bereits Winterquartiere bezogen, das Commando niederlegte. An Montecuccoli’s Stelle, welcher in diesem Jahre zum Inhaber eines 1734 aufgelösten Kürassierregiments ernannt worden war, traten drei Befehlshaber, deren Uneinigkeit den Kaiser bewog, M. im Juni 1664 als Generallieutenant (Generalissimus) neuerlich an die Spitze des Heeres zu berufen. Früher schon hatte M. am Reichstage zu Regensburg wärmstens und eindringlichst die Reichshilfe angesprochen und auch zugesagt erhalten. Diese traf endlich Mitte Juli ein, worauf M. mit der gesammten Macht an der Raab Stellung nahm. Dort kam es nach mehreren kleineren Gefechten zur Entscheidungsschlacht bei St. Gotthardt, in welcher nach siebenstündigem erbitterten Streite die Türken derart geschlagen wurden, daß dieselben wenige Tage hierauf einen Waffenstillstand beantragten, der zum Frieden von Vasvár führte. Dieser bildet für M., den Retter Oesterreichs und der Christenheit aus schwerer Türkengefahr, den Anfang eines acht Jahre andauernden Fernbliebens vom Kriegsgetümmel und einer Periode, in welcher er wieder durch mehrere Zuversicht bezeugende diplomatische Missionen des Kaisers geehrt wurde und sich auch in umfangreicherem Maaße den Wissenschaften zuwenden konnte. Damals wurde er vom Könige von Spanien zum Ritter des goldenen Vließes und vom Kaiser im J. 1668 zum obersten Director der Artillerie und Präsidenten des Hofkriegsrathes erhoben. In der Stellung als Hofkriegsrathspräsident, welche zugleich die politischen Agenden eines Ministers des Aeußeren für die türkischen Angelegenheiten umfaßte, war Montecuccoli’s Thätigkeit für die Steigerung der Kampfbereitschaft des Heeres eine sehr besorgte, doch wurde er schon 1672 hierin unterbrochen. Er erhielt das Commando des Heeres gegen Frankreich, nachdem er im Staatsrathe die energische und planvolle Niederwerfung Frankreichs als das einzig richtige Ziel der kaiserlichen Politik mit dem Muthe der Ueberzeugung vertheidigt und in Gegenwart des Kaisers erklärt hatte, daß, wenn nichts geschehe, „ganz Deutschland der Discretion Frankreichs überlassen bleibe“ und daß er demgemäß hierfür sei, daß die Progressen der Franzosen in Holland „so viel als [187] möglich e senza minima dilazione zu hindern“ wären. Hierauf kam es wol zum Abschlusse eines Bündnisses mit Brandenburg, da aber Montecuccoli’s sonstige Vorschläge nicht die genügende Unterstützung fanden, das Heer unvollständig und mangelhaft ausgerüstet zur Aufstellung gelangte und nach der ohnehin verspäteten Verbindung Montecuccoli’s mit dem Kurfürsten von Brandenburg hinhaltende, sich widersprechende, „die ruptur so viel als möglich zu evitiren“ fordernde Anordnungen jedem Unternehmen hinderlich in den Weg traten, so blieb der beschwerliche, durch Turenne’s Rheinübergang in Action gesetzte Feldzug ohne Ruhm, ohne Erfolg, doch auch Dank Montecuccoli’s klugen Maßnahmen ohne große Verluste. Zu Wien erkannte man aber endlich, daß Montecuccoli’s richtiges Erfassen der politischen und militärischen Verhältnisse sowie seiner mannhaften Ratschläge volle Beachtung verdient hätten. Dieserhalben bildete er anfangs 1673 zu Nürnberg, wohin er sich zur Pflege seiner ernstlich angegriffenen Gesundheit zurückgezogen, den geistigen Mittelpunkt für das künftige Verhalten, worauf er, da ihm für die Führung der Operationen eine unbegrenzte Freiheit gelassen wurde, mit Kühnheit, Gewandtheit, Scharfsinn und mustergiltiger Ausnützung aller Umstände den Feldzug dieses Jahres zu dem erwünschten Ziele brachte. Ohne eine Schlacht zu schlagen, drängte er Turenne vom Main und der Tauber nach dem Ober-Elsaß, überschritt den Rhein, zwang hierdurch die in Holland stehende französische Armee gleichfalls zum Rückzuge und vereinigte sich mit dem spanisch-holländischen Heere unter Orléans zwischen Andernach und Bonn. An dem Feldzuge 1674 hat M. nicht theilgenommen, in jenem des Jahres 1675 führte er jedoch wieder das Commando der Alliirten. Es war seine letzte Leistung im Felde und ein würdiger Abschluß seiner Kriegsthaten, welche nach dem Ausspruche Napolens I. von jedem General studirt werden sollten. Auch diesmal zeigte sich M. nämlich unübertrefflich in der Kunstfertigkeit damaliger Kriegführung, die den Gegner nicht direct im offenen Kampfe zu schädigen und zu beugen suchte, sondern dies durch glänzende strategische Maßnahmen, täuschende Märsche, geschickte Umgehungen, ausdauerndes Festhalten unangreifbarer Stellungen etc. zu erreichen bestrebt war und die Entscheidung erst dann den Wechselfällen der Schlacht anheimgab, wenn diese unvermeidlich geworden. In solcher Art bedrängte M. vier Monate lang Turenne am Rheine, worauf er nach dessen bei Saßbach erfolgtem Tode die Franzosen zum Rückzuge über den genannten Fluß zwang, Condé nächst Straßburg in den beabsichtigten Unternehmungen hinderte und endlich bei Altenheim zum letzten Male im Feuer stand und siegte. Denn nun mußte M., körperlich in hohem Grade leidend, den Kriegsschauplatz für immer verlassen; die ihm hiermit gewordene Ruhe widmete er aber mit um so stärkerem Nachdrucke den Hofkriegsrathsgeschäften und dann der Niederschrift seiner im Leben gemachten Erfahrungen und hieraus gezogenen Lehren. Sein Wirken als Hofkriegsrathspräsident betraf vornehmlich die leistungsfähigere Gestaltung der Wehrkraft. Zu diesem Zwecke veranlaßte M. eine Neuformirung der verschiedenen Waffengattungen und die Errichtung der Grenadiere als Elitetruppe, wogegen er die Zahl der Pikeniere verminderte. Ferner wurden unter ihm leichtere Gewehre, Piken, Kürasse und Regimentsgeschütze eingeführt, die Verpflegsordnung und der Train geregelt, sowie fortificatorische Verbesserungen nach seinem Vorschlage vorgenommen. Auch erhielt das Militärgrenzgebiet eine zweckmäßigere Eintheilung und neue Instructionen. Was aber nun Montecuccoli’s litterarische Arbeiten anbelangt, so galten dieselben mehrfachen Wissenszweigen, vorzüglich jenen der Kriegsgeschichte und Kriegsbaukunst und ist alles, was er schrieb, von tiefer Einsicht durchgeistigt, meisterhaft in der Festsetzung von Begriffen und Grundsätzen, klar, bestimmt und überzeugend im Ausdrucke. Andauernde Werthschätzung gebührt unstreitig den strategischen Betrachtungen, die [188] er stets unmittelbar nach einem Feldzuge niederschrieb, dann seinen „Memorie della guerra“, bestehend aus den „Aforismi dell’ arte bellica“ und deren Fortsetzungen „Aforismi riflessi alle pratiche delle ultime guerre d’Ungheria“ und „Aforismi applicati alla guerra possibile col Turco in Ungheria“. Letztere Abhandlungen haben der modernen Kriegswissenschaft die Bahn eröffnet und dienten dem Obersten Quintus Icilius im Auftrage Friedrich des Großen als Muster bei den Vorarbeiten zur „Histoire de mon temps“. Sichergestellt ist es auch bereits, daß eine gründliche Durchforschung und Bearbeitung der Schriften Montecuccoli’s einen festgeschlossenen Ueberblick der Lebens- und Zeitgeschichte desselben ergeben würde; dies dürfte jedoch nur dann gelingen, wenn sich eine tüchtige Kraft dieser Arbeit unterzöge, da der sehr klein geschriebene, stark ausgebleichte Nachlaß überdies aus einer Masse von Abkürzungen besteht, deren Deutung eine tiefgreifende Kenntniß der damaligen Verhältnisse erfordert. Zur Veröffentlichung durch den Druck gelangten seine in italienischer Sprache verfaßten „Memorie“ und zwar unter verschiedenen Titeln, in italienischer, lateinischer, spanischer, französischer und deutscher Sprache und in 16 Auflagen, in letztgenannter Sprache leider sehr mangelhaft (s. Organ etc., 22. Bd., S. 149). Etwas weiter reichende und theilweise kritisirende Publicationen der Schriften Montecuccoli’s bilden ferner die in der Quellenangabe nachgewiesenen Werke von Ugo Foscolo, Turpin de Criffé, Warnery etc. Außerdem erliegt noch eine nicht geringe Menge von Manuscripten im k. k. Kriegsarchive zu Wien (s. Schels 1818, 4. Bd., S. 106–108). Daß diese Hinterlassenschaft späterhin durch seine Correspondenz mit den hervorragendsten Gelehrten seiner Zeit vervollständigt werde, ist leider nicht wahrscheinlich. Betrübend bleibt es auch, daß M. am Schlusse eines solch rühmlichen Lebens zufälligerweise ein hartes Mißgeschick getroffen. Er wurde nämlich im J. 1680, als er im Gefolge des Kaisers in das Schloß zu Linz ritt, durch einen herabfallenden Balken am Kopfe verletzt, wodurch zweifellos sein Ableben beschleunigt wurde. Mehr als 200 Jahre ruhen nun seine irdischen Ueberreste in der Jesuiten-(Universitäts-)Kirche zu Wien; sein Lebenslauf, wenngleich schon öfters geschildert, entbehrt aber noch immer einer allseits eindringenden Beleuchtung. Immerhin ist jedoch das, was bisher ergründet und abgewogen wurde, achtenswerth und denkwürdig. Ihn ehrte vor Allem seine in jeder Lage des Lebens bewiesene selbstlose Treue zu Habsburgs Regentenhause sowie seine dem Wohle der österreichischen und deutschen Lande zugewendete Rastlosigkeit und Opferfähigkeit. Als Krieger und Feldherr glänzte er durch Muth, Wissen und Kraft und lag die ihm mitunter vorgeworfene zeitweilige Langsamkeit in den Operationen theils in den damaligen Ansichten über die Art der Kriegführung, theils in dem Mangel an Truppen, Proviant, Geld etc. sowie in der Beeinflussung von Wien aus, mit welchen Factoren er jederzeit zu rechnen hatte. Dennoch hielt er wiederholt Wrangel, Baner, Torstenson, Achmet Kiuprili, Turenne, Condé etc. mit Erfolg Stand. In seinen verschiedenen Verwendungen als Minister und Diplomat fand M. durch richtige Voraussicht, persönlichen Freimuth und bestimmte Klarlegung seiner Ueberzeugung lange Zeit hindurch fast allgemeine Zustimmung und minderte sich diese erst, nachdem er vom Heerescommando gänzlich zurückgetreten war und in stark verbitterter Weise über die Kriegführung und den faulen Verlauf der politischen Verhandlungen sich äußerte. Seine litterarische Thätigkeit muß unbedingt, so überlebt manches gegenwärtig ist, eine bahnbrechende und nützliche genannt werden, wie dies beispielsweise sein Vorschlag zur Besserung der staatlichen Wirthschaft erweist, wenngleich derselbe erst von Kaiserin Maria Theresia berücksichtigt wurde. Als Charakter kennzeichnen M. Ernst, Stolz ohne Hochmuth, strenge Rechtlichkeit, militärische Gradheit und Offenheit, in den letzten Jahren Schwermuth und Zuneigung zur katholischen [189] Kirche. Und so war denn M. in Oesterreichs Heere nicht nur unter den Offizieren fremdländischer Geburt einer der verdienstvollsten und bedeutendsten, er war überhaupt eines der gediegensten Vorbilder dieses Landes. M. hinterließ drei Töchter und einen Sohn, mit welchem, dem Fürsten Leopold Philipp[WS 2], schon im J. 1698 die Fürstenlinie erlosch.

Gründliche Relation gehabten Vornehmens und darauff erfolgten Verrichtungen des Kriegsheeres etc. im 1673. Jahre unter Graf Montecuccoli. Beschrieben durch einen Officierer etc. Gauhen, Historisches Helden- etc. Lexicon. Leipzig 1716. Besondere und geheime Kriegsnachrichten des Fürsten Raymund Montecuculi. Leipzig 1736. Relation de la campagne de 1664 aus: Mémoires de Montecuculi etc. Amsterdam 1756. Turpin de Criffé, Commentaires sur les mémoires de Montecuculi. Paris 1769. Warnery, Commentaires sur les commentaires du comte Turpin. Breslau 1777. Morgenstern, Oesterreichs Helden etc. St. Pölten 1782. Feldzug d. Marsch. Turenne gegen Montecuculi etc. 1763 aus: Militärische Monatsschrift. 1. Bd. Berlin 1785. Pezzl, Lebensbeschreib. d. Fürsten Raim. Montecuculi. Wien 1792. O’Cahill, Gesch. d. größten Heerführer etc., Leipzig 1784. (Adam.) Erinnerungsblätter f. d. Sammlung v. Bildnissen berühmter österr. Feldherren etc. Als Manuscript von 1805 gedruckt. Ugo Foscolo, Opere di Raimondo Montecuccoli. Milano 1807. (Kepner,) Thaten etc. berühmter österr. Feldherrn. Wien 1808. Hormayr, Oesterreichischer Plutarch. 13. Bd. Wien 1808. Reilly, Biogr. d. berühmtesten Feldherrn Oesterreichs etc. Wien 1813. Raimund Montecuccoli in Schels’ Oest. milit. Ztschft. 4. Bd. Wien 1818. Grassi, Opere di Raimondo Montecuccoli. Torino 1821. Die Feldzüge Montecuculi’s gegen die Türken 1661–1664 in Schels’ Oest. milit. Ztschft. 1. 2. 3. Bd. Wien 1828. Der Herbstfeldzug Montecuculi’s gegen Condé 1675 in Schels’ Oest. milit. Ztschft. 2. Bd. Wien 1842. Schweigerd, Oesterreichs Helden etc. 2. Bd. Wien 1853. Wurzbach, Biogr. Lex. d. Kaiserth. Oesterr. 19. Thl. Wien 1868. Die Hofkriegsrathspräsidenten etc. d. österr. Armee. Wien 1874. Campori, Raimondo Montecuccoli. Firenze 1876. Teuffenbach, Vaterländ. Ehrenbuch. Wien u. Teschen 1877. Angeli, Der Friede von Vasvár in: Mittheilungen des k. k. Kriegsarchivs. 2. Jahrg. Wien 1877. Großmann, Raimund Montecuccoli. Wien 1878. Bancalari, Raimondo Montecuccoli in: Organ d. milit.-wissenschaftl. Vereine. 22. Bd. Wien 1881. Il Montecuccoli capitano e scrittore in: Rivista militare italiana. März- und Aprilheft. Roma 1882. Weingärtner, Heldenbuch. Teschen 1882.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Franz I. (1610–1658)
  2. Leopold Philipp Montecuccoli (1663–1698)