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ADB:Stephan III.

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Artikel „Stephan III., der Kneißel, Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 68–71, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stephan_III.&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 21:08 Uhr UTC)
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Stephan III., der Kneißel, Herzog von Baiern, geboren (um 1337?) als ältester Sohn Herzog Stephan’s II. von Baiern und der Elisabeth von Sicilien, regierte seit 19. Mai 1375 gemeinsam mit seinen Brüdern Friedrich und Johann über Oberbaiern und Niederbaiern-Landshut bis zur Theilung vom 19. Nov. 1392, dann allein über Baiern-Ingolstadt bis zum 25. Sept. 1395. Wieder einigten sich dann er und Johann zu gemeinschaftlicher Regierung ihrer Landestheile, die St. nach Johann’s Tode (8. August 1397) mit dessen Söhnen Ernst und Wilhelm und seinem eigenen Sohne Ludwig (Vierherzogregierung) bis zum 6. Decbr. 1402 fortsetzte. Von diesem Tage bis zu seinem Tode (angeblich 26. Sept. 1413) regierte St. wieder allein über den Ingolstädter Landestheil. Er ist der Begründer der 1447 ausgestorbenen Linie Baiern-Ingolstadt. 1364 vermählte er sich mit Thaddäa, Tochter des Herzogs Barnabas Visconti von Mailand, die am 28. Septbt. 1381 starb. Ein Eheplan mit Margarethe, Wittwe des Königs Karl von Neapel und Ungarn, zerschlug sich, aber 1401 führte er in zweiter Ehe Elisabeth von Cleve, Wittwe des Herrn Reinold von Valkenburg, zum Altar.

Tapfer, gutmüthig, in seinem Auftreten prunkvoll, erfreute sich dieser Fürst, wenn auch nicht in allen Stadien seiner Regierung, der Zuneigung seines Volkes. Ihm wird gegenüber dem staunenden Mailänder Tyrannen Barnabas Visconti das Wort in den Mund gelegt, das erst später auch von anderen nichtbairischen Fürsten berichtet wird: bei ihm daheim sei niemand, dem er nicht getrost sein Leben anvertrauen, in dessen Schoß er nicht allein und waffenlos sich zur Ruhe legen möchte. Sein Beiname: der Kneißel (nicht Kneiffel), eine Bezeichnung, die noch heute in Altbaiern als Familienname vorkommt, deutet auf die glänzende Pracht der Kleidung, die der kleine zierliche Fürst liebte. Daß König Karl VI. von Frankreich (1385) seine Tochter Elisabeth, die schöne Isabeau von Baiern, heimführte, mußte sein Selbstgefühl und seine Neigung zum Aufwand steigern. Kampf und Abenteuer, Glanz und Festfreude waren dem von Lebenskraft Strotzenden, der kein Turnier unbesucht ließ und noch als Greis die Lanzen brach, Bedürfniß. So beschränkt seine Mittel waren, wo Ruhm und Vortheil lockten, konnte man St. mit seinen Rittern und Reisigen finden. Schon unter der Regierung des Vaters hatte er sich vielfach als Kriegsmann bewährt. Vom Herbst bis Weihnachten 1375 lag er im Elsaß gegen die eingebrochenen englischen Söldner zu Felde. Dann unterstützte er Adolf von Nassau, Erzbischof von Mainz, im Kampfe gegen dessen Gegenbischof Ludwig von Meißen. Wegen des Wittwengutes seiner Muhme Elisabeth mit den Herren von Verona überworfen, half er im Mai 1376 Leopold von Oesterreich im Kriege gegen Venedig, ohne daß es zu der in dem Bündniß von Hall (2. März 1374) vereinbarten Ausdehnung des Kampfes auf Verona gekommen wäre. Im ersten Städtekrieg versuchten St. und sein Bruder Friedrich anfangs Neutralität zu behaupten, wozu ihr Besitz der oberschwäbischen Landvogtei rieth. Auch als sie sich zu Nürnberg am 28. October 1376 mit dem Kaiser verbündet hatten, wurden die Feindseligkeiten, in deren Verlauf die Ulmer bei einem Ueberfall Stephan’s in Alpeck dessen Banner erbeuteten, von bairischer Seite nur kurze Zeit unterhalten. Vorübergehend schlossen sich sogar die Herzoge, nachdem sie König Wenzel um die schwäbischen Landvogteien betrogen hatte, im Bündniß zu Baden (4. Juli 1379) den Städten an, doch kam es bald wieder zu einer Verständigung mit dem Könige. Wenzel betraute sogar St. mit einer Gesandtschaft nach Rom, [69] um mit Papst Urban über seine Kaiserkrönung zu unterhandeln. An diese Romfahrt Stephan’s knüpfte sich (1380) eine ebenso friedliche wie bedeutungslose Gebietserwerbung. Zum Danke für die Schlichtung von Parteistreitigkeiten in ihrer Mitte und in ehrenvoller Erinnerung an seinen Großvater, Kaiser Ludwig, wählte das umbrische Todi gleich einigen benachbarten Städten St. und seine Brüder zu ihren Herren. Daß der Papst, zu dessen Landen Todi gehörte, diesen eigenmächtigen Schritt nicht anerkennen würde, war vorauszusehen. Doch hat noch 1406 Stephan’s Sohn Ludwig Ansprüche auf Todi geltend gemacht.

Versuche der Baiern, ihren Einfluß auf Berchtesgaden und auf die Grafen von Schauenberg auszudehnen, verwickelten sie in schweren Kampf mit Piligrim von Salzburg (1382) sowie in Streitigkeiten mit Oesterreich und endeten ohne Erfolg. 1384 entzweite ein doppelter Zwist die herzoglichen Brüder unter sich und St. und Friedrich mit der Hauptstadt München. Die von den Herzogen dort erbaute „Neue Veste“, der Vorgänger der jetzigen „Residenz“, ist ein Denkmal dieser Streitigkeiten. Dann fand der neue Ausbruch des Städtekrieges St. und die anderen bairischen Herzoge unter den erbittertsten Gegnern der Städte. Schon 1381 hatten St. und Friedrich Regensburg, das sich einer außerordentlichen Besteuerung seiner Juden durch die Herzoge widersetzte, mit einem Angriff bedroht. Die Aufnahme dieser bairischen Reichsstadt in den Städtebund vollendete den Riß zwischen diesem und dem Baiernfürsten. Schon hatten sich die Reibereien zwischen beiden Theilen gehäuft, besonders St. durch Schädigung reichsstädtischer Kaufleute viel Haß auf sich gezogen, als das Bündniß des schwäbischen Städtebundes mit Piligrim von Salzburg die Baiern aufs äußerste reizte. Herzog Friedrich brachte durch schmählichen Friedensbruch den Erzbischof in seine Gewalt, zugleich entbrannte (1388) der Krieg mit den Städten in hellen Flammen. St. wandte sich vor allem gegen einige Herren seiner Ritterschaft, die mit diesen gemeinsame Sache machten: er gewann und zerstörte Peißenberg, eine Burg Wilhelm’s v. Seefeld, und eroberte das den Zengern verpfändete Neuburg a. d. Donau. Im Kampf gegen die Städte erstürmte er den Kirchhof von Schwabmünchen, mußte jedoch im Juli die Belagerung Kaufbeuerns nach zwei vergeblichen Stürmen aufgeben. Dann zwang er den Bischof Friedrich von Eichstädt zum Abfall vom Städtebunde und zum Eintritt in seinen Rath. Seit Anfang September vereinigten sich alle Baiernherzoge zur Belagerung von Regensburg und Donaustauf, die jedoch dem Angriff mit Glück trotzten. Im Frühjahr und Sommer 1389 erfolgten, nachdem St. den Friedensverhandlungen zu Mergentheim und Eger beigewohnt hatte, die Friedensschlüsse der Baiern mit den einzelnen Städten. Da winkten dem kriegslustigen Fürsten neue Lorbeeren in Italien. Im Herbst 1389 empfing er in München den vertriebenen Franz von Carrara, der seine Hülfe gegen Giangaleazzo Visconti erflehte. Durch reichliche Geldversprechungen Carrara’s und der Florentiner gewonnen, führte St. über die Alpen 3–4000 wohlgerüstete Reiter, mit denen er am 1. Juli 1390 in Padua einrückte. Auch die aus Verona und Vicenza verdrängten Scala setzten ihre Hoffnung auf die bairischen Schwerter und ein Vertrag, den St. (15. Juli) mit der Wittwe des vertriebenen Anton de la Scala schloß, verhieß den Baiern im Falle des Gelingens wichtige Gebietserwerbungen im Süden, die Klausen an der Etsch und die Herrschaft Riva. Während aber das Gebiet von Padua mit bairischer Hülfe für seinen früheren Herrn zurückerobert wurde, blieben Verona und Vicenza den Scala verloren und infolge dessen auch St. ohne Landgewinn. Bei einem Besuche in Venedig ward St. von der Signorie hoch geehrt, in Rom, das er zur Feier des Jubeljahres besuchte, erlangte er vom Papst Bonifaz IX. einen Jahreszehnten von allen kirchlichen Einkünften in Baiern. Von diesem Papste hat St. auch die [70] Einführung des täglichen Ave-Maria-Läutens, das ihm in Rom gut gefiel, für Baiern, und für München das sogenannte Gnadenjahr erwirkt, das in Nachahmung der römischen Feier und an die Auffindung der Andechser Reliquien geknüpft, unter großem Fremdenzufluß 1392 begangen ward.

Indessen hatte weder der päpstliche Gunstbeweis noch der Verkauf (1392) der neu erworbenen görzischen Lande an Oesterreich noch die 1397 von König Wenzel auch für Baiern erklärte Ungültigkeit aller Judenschulden das Mißverhältniß auszugleichen vermocht, in dem der Aufwand dreier Hofhaltungen und eine unternehmende äußere Politik zu den herzoglichen Einnahmen standen. Wiederholt mußten außerordentliche Steuern von den Unterthanen erhoben werden. Mit der daraus erwachsenen Unzufriedenheit hing die Landestheilung Baierns von 1392 zusammen, die an Dauer und Schädlichkeit der Folgen alle früheren übertreffen sollte. St. erhielt durch das Loos den nördlichen Theil Oberbaierns mit Ingolstadt, dazu Aemter am Inn, vor und in (Rattenberg, Kufstein, Kitzbühel) den Alpen, und da dieser Landestheil etwas geringer schien als die beiden anderen, wurden ihm bei der Theilung der böhmischen Pfandschaften im Nordgau (Octbr. 1393) zwei Drittel von diesen zugewiesen. Trotz der Theilung entzweiten sich nach Herzog Friedrich’s Tode die überlebenden Brüder St. und Johann, der letztere verband sich mit Oesterreich und Freising, St. scheint vom französischen Hofe Geldmittel erlangt zu haben. Vom Decbr. 1394 bis Frühjahr 1395 hatte Baiern unter diesem Bruderkrieg zu leiden. Eine Treulosigkeit König Wenzel’s entzog diesem dann den Beistand Stephan’s, der sich mit ihm vorher gegen Oesterreich verbündet hatte, in Baiern aber beförderte dieser Bruch die Aussöhnung Stephan’s und Johann’s, die sich nun wieder zu gemeinsamer Regierung entschlossen. Nach Johann’s Tode aber entzündete Stephan’s Ehrgeiz neue Familienzwietracht, da er wider das klare Recht und seine eigene Zusage seinen Neffen Ernst und Wilhelm das Recht der Mitherrschaft bestritt. An den Krieg zwischen beiden Parteien knüpfte sich eine demokratische Umwälzung in München, wo die St. ergebene Volkspartei (April 1398) das Stadtregiment in ihre Hand brachte. Nach lange fruchtlosen Bemühungen wurde am 6. Decbr. 1402 durch 24 Schiedsmänner die Landestheilung von 1392 wieder hergestellt. An den Schritten, die zur Absetzung König Wenzel’s führten, hatte St., von diesem noch zuletzt durch abermalige Entziehung der schwäbischen Landvogteien gereizt, sich eifrig betheiligt.

Als sich dann München gegen seine Herzoge Ernst und Wilhelm empörte, stand St. im Verdacht, die Stadt heimlich in ihrer Opposition zu bestärken. Erst 1410 führte die auswärtige Politik wieder zu einträchtigem Auftreten der beiden oberbairischen Linien. Damals gewann der mächtige Tiroler Landhofmeister Heinrich v. Rottenburg St. und seine Neffen, die sich mit Hoffnungen auf einen Wiedergewinn Tirols oder doch einzelner Tiroler Gebiete geschmeichelt zu haben scheinen, zu einem Angriff auf Friedrich und Ernst von Oesterreich. St. nahm, wahrscheinlich infolge seiner beschränkten Mittel, nur mit geringer Kriegsmacht daran theil; er belagerte die Burg Matzen im Innthal ohne Erfolg, rückte bis Volders vor, mußte sich aber dann vor Herzog Friedrich zurückziehen. Nach dem Scheitern dieses ersten Versuchs schlug er gleich nach Neujahr 1413 eigensinnig noch einmal los, wiewohl nun der Bundesgenosse von Rottenburg gestorben war und Vetter Heinrich von Landshut im Rücken eine drohende Stellung einnahm. Schon am vierten Tage nach dem Ausmarsch mußte er sein kleines Heer, das bis Hall vorgedrungen war, in Rattenberg wieder um sich versammelt sehen. Der Tod des Fürsten erfolgte während des Waffenstillstandes. Seine Leiche, zuerst im Kloster Niederschönenfeld beigesetzt, ward später von seinem Sohne Ludwig in die Ingolstädter Frauenkirche überführt.

[71] Häutle, Genealogie des Hauses Wittelsbach, S. 123. – Riezler, Geschichte Baierns III, bes. S. 107–213 und die dort verzeichneten Quellen.