„Sie haben für einen Revue-Direktor verdammt wenig Humor,“ suchte Bara zu scherzen. „Ich habe doch nur Spass gemacht, Natürlich singe ich die Rolle.“
Bara war unter Alltagsverhältnissen kein rascher Denker. Doch er hatte sofort erkannt, dass hier aussergewöhnliche Dinge geschahen. Kopfüber war er in Buchners List hineingepurzelt. In törichtem Entsetzen hatte er gesehen, wie rasch und gleichmütig der Direktor über seine Absage zur Tagesordnung überging. Er hatte den naturnahen, echten Klang in der Stimme des kleinen Choristen sehr wohl vernommen. Er hatte mit den tausend Ohren des eifersüchtigen Nebenbuhlers gelauscht. Selbstverständlich stand diese Stimme klaftertief unter seinem illustren Organ. Kein Adel. Keine souveräne Tonbildung. Aber diese Direktoren! Er wusste längst, dass sie von Stimme so viel verstehen, wie der Ochs vom Seiltanzen. Wer konnte wissen! Durfte er einen Kontraktbruch, einen Skandal riskieren? Ein sensationeller Krach schadete auch dem berühmtesten Namen. Und morgen war Gagentag! Natürlich würde Buchner für die verflossene Zeit nicht einen roten Heller bluten. Nein, nein, lieber klein beigeben. Den Zorn vertagen. Der Tag der Heimzahlung und Rache würde schon noch kommen, ein ander Mal, wenn er alle Trümpfe in der Hand hatte. Er würde sie ausspielen! Aber heute? Sich von diesem Nichts da ausstechen lassen. Das hiess, seine Karriere einfältig gefährden. Wenn der Kerl Erfolg hatte! Dem Publikum war alles zuzutrauen. Es wiehert oft der notorischen Impotenz zu. Dann war er erledigt[1]. Dann hiess es unausweichlich: den Bara kann jeder Chorist
- ↑ Vorlage: eledigt
Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/13&oldid=- (Version vom 23.8.2020)