Jetzt hatten alle begriffen. Eine Welle der Teilnahme schlug durch den Saal. Doch der Staatsanwalt warf sich dieser Gemütsaufwallung entgegen. Er stand wieder auf seinem Platz.
„Herr Vorsitzender,“ rief er mit schneidender Stimme, „ich bitte Sie, nun endlich diesem Unfug zu steuern.“
Der Vorsitzende bedurfte dieser Rüge nicht mehr. Auch seine grosszügige Geduld war erschöpft. Er hatte weit über Gebühr die Zügel der Verhandlung schleifen lassen. Was wollte dieser Mensch eigentlich? Er hatte doch, weiss Gott, schon genug Reklame. Er würde wegen Totschlags mit mildernden Umständen einige Monate Gefängnis unter Zubilligung einer Bewährungsfrist erhalten. Basta. Wozu machte dieser Tor solche weiten unsinnigen Umwege? Energischer und schärfer als zuvor warnte er:
„Angeklagter, ich muss Sie zu meinem Bedauern unterbrechen. Sie müssen nun endlich zur Sache sprechen. Sie – –“
„Ich spreche zur Sache.“ Wieder entriss ihm Heise das Wort. „Ich tue nichts, als zu der Sache sprechen, für die ich lebe und gelitten habe. Es ist die einzige Sache, die mir am Herzen liegt, Herr Präsident. Nur ihretwegen stehe ich hier. Sonst hätte ich es nie zu dieser Verhandlung kommen lassen. Hier wollte ich stehen, vor diesem Publikum, vor der grossen Presse von Berlin, vor der Öffentlichkeit meines Vaterlandes. Nicht für mich stehe ich hier. Für uns alle, uns Jungen, die wir verhungern müssen, weil keiner es mit uns wagt. Für uns alle stehe ich hier und spreche ich hier. Ans Herz meines Volkes will ich herankommen und vor ihm als Richter – vor ihm allein – will ich singen.“
Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/165&oldid=- (Version vom 31.7.2018)