Zwölf erst im Theater eintraf, – die ganze Angelegenheit ist so unerheblich, wie nur irgend möglich, – frage ich den Zeugen Professor Windal nochmals unter seinem Eide – Sie sind ja als Zeuge und Sachverständiger vereidigt worden – dann bitte ich aber wirklich, diesen Zwischenfall als erledigt zu betrachten:
„Waren Sie am Mordtage schon einmal im Theater, ehe Sie von dem Portier angerufen wurden?“
„Nein,“ sagte Professor Windal.
Doch mit diesem kleinen Worte war der Zwischenfall nicht erledigt. Mit diesem kleinen, kurzen Wort begann er erst. Denn der Arzt presst dieses Wort so beklommen, so verstört, so mühsam hervor, machte einen so verlorenen, versagenden, schuldbewussten Eindruck, dass jeder im Saal stutzig wurde. Der Mann verfiel in Sekunden, sackte innerlich und äusserlich zusammen, stand da, Leben gewordenes böses Gewissen, ein Meineidiger.
Eine neue Erregung strömte auf die Massen über, lud ihre erschlafften Nerven mit frischen, hochgespannten Elektrizitäten.
Die Berichtspersonen erbleichten vor Überraschung. Viola fühlte eine Leere im Kopf wie vor einer Ohnmacht.
Doch rascher, als alle, handelte der Verteidiger. Er hatte den vagen Sprung ins Dunkle gewagt und dort zu seiner eigenen grössten Verblüffung eine neue Spur, vielleicht gar – den Mörder gefunden. Er begriff seinen Dusel im Augenblick. Er erkannte auch, an Sekunden hing sein Ruhm, seine glorreiche Laufbahn, die Sage von seinem
Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/212&oldid=- (Version vom 31.7.2018)