Zusammenfassung
Der Beitrag gibt einen Überblick über Theorie und Anwendungsmöglichkeiten des Konzepts der Flachheit für nichtlineare zeitdiskrete Systeme. Anstatt von Zeitableitungen der Systemgrößen kann ein flacher Ausgang im zeitdiskreten Fall von deren zukünftigen und vergangenen Werten abhängen. Für den in der Literatur meistens betrachteten – und für zahlreiche praktische Anwendungen relevanten – Fall der Vorwärts-Flachheit, bei dem man sich auf aktuelle und zukünftige Werte einschränkt, geben wir eine vollständige geometrische Charakterisierung an. Damit ist es möglich, die Vorwärts-Flachheit eines Systems rechentechnisch effizient und analog zum bekannten Test für Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit zu beurteilen. Als Anwendungsbeispiel betrachten wir die exakte Diskretisierung eines mobilen Roboters.
Abstract
The contribution provides an overview of the theory and possible applications of the concept of flatness for nonlinear discrete-time systems. In the discrete-time case, instead of time derivatives, a flat output may depend on future and past values of the system variables. For the special – but practically relevant – case of forward-flatness, which is usually considered in the literature and allows only a dependence on current and future values, we provide a complete geometric characterization. This allows to check the forward-flatness of a system analogously to the well-known test for static feedback linearizability in a computationally efficient way. As a practical example, we consider the exact discretization of a mobile robot.
1 Einleitung
Das von Fliess, Lévine, Martin und Rouchon 1992 eingeführte Konzept der Flachheit für nichtlineare zeitkontinuierliche Systeme [6], [7], [8] zählt unumstritten zu den wichtigsten Methoden der nichtlinearen Regelungstechnik. Flache zeitkontinuierliche Systeme besitzen die charakteristische Eigenschaft, dass alle Systemgrößen durch einen flachen Ausgang und dessen Zeitableitungen ausgedrückt werden können, welcher umgekehrt von den Systemgrößen und deren Zeitableitungen abhängt. Damit ergibt sich eine Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen den Trajektorien eines flachen Systems und den Trajektorien eines trivialen Systems. Das erlaubt auch für nichtlineare Systeme eine einfache Trajektorienplanung und einen systematischen Entwurf von Folgeregelungen [3], [22].
Für eine Übertragung auf zeitdiskrete Systeme gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Ein in der Literatur häufig gewählter Zugang besteht darin, die Zeitableitungen der Systemgrößen aus der bekannten zeitkontinuierlichen Definition durch deren Vorwärts-Shifts, d. h. zukünftige Werte, zu ersetzen [11], [13], [27]. Das führt zu einer Übereinstimmung mit der in [1] für zeitdiskrete Systeme definierten Linearisierbarkeit durch eine endogene dynamische Zustandsrückführung, welche für zeitkontinuierliche Systeme äquivalent zur Flachheit ist. Im Rahmen dieses Beitrags betrachten wir als Ausgangspunkt stattdessen die Existenz einer Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen den Lösungstrajektorien des Systems und Lösungstrajektorien eines trivialen Systems [5]. Dieser Zugang ist allgemeiner und erlaubt, dass der flache Ausgang sowohl von zukünftigen als auch vergangenen Werten (Rückwärts-Shifts) der Systemgrößen abhängen darf, siehe auch [10]. Den Fall ohne Rückwärts-Shifts bezeichnen wir als Vorwärts-Flachheit.
Die Motivation für eine Übertragung des Konzepts der Flachheit auf zeitdiskrete Systeme besteht aus regelungstechnischer Sicht vor allem darin, dass die bei einer physikalischen Modellbildung auftretenden Systeme zwar typischerweise zeitkontinuierlich sind, aber die hergeleiteten Regelgesetze schließlich trotzdem zeitdiskret implementiert werden müssen (siehe z. B. [16] oder [25]). Insbesondere für Anwendungsfälle, bei denen die Abtastzeit bezogen auf die Dynamik der Solltrajektorien relativ groß ist – und somit die dem Reglerentwurf zugrundeliegende Annahme, dass das Regelgesetz kontinuierlich ausgewertet wird, an ihre Grenzen stößt – bietet es sich an, den flachheitsbasierten Steuerungs- bzw. Regelungsentwurf anhand des diskretisierten Systems durchzuführen. Ideal wäre dafür natürlich eine exakte Diskretisierung, da diese die stückweise konstanten Stellgrößen eines digitalen Regelkreises perfekt berücksichtigt. Eine exakte Diskretisierung ist aber einerseits meist schwierig zu berechnen und zerstört andererseits oft die Eigenschaft der Flachheit. Dennoch gibt es Ausnahmen wie zum Beispiel die in [1] betrachtete exakte Diskretisierung eines mobilen Roboters. Besonders geeignet ist hingegen die einfache Euler-Diskretisierung, da sie in vielen Fällen die Flachheit eines zeitkontinuierlichen Systems erhält. So sind z. B. die Euler-Diskretisierungen des Laborhelikopters aus [15], des Quadrokopters aus [19], des kinematischen Fahrzeugmodells aus [22] und der Asynchronmaschine aus [2] allesamt vorwärts-flach und auch die bekannten flachen Ausgänge werden erhalten. Ein weiteres Beispiel ist das gyroskopische Pendel in Impuls-Koordinaten, dessen Euler-Diskretisierung sogar eingangs-zustands-linearisierbar ist. Darüber hinaus sind auch die Euler-Diskretisierungen diverser akademischer flacher zeitkontinuierlicher Systeme ebenfalls flach. Dass die Euler-Diskretisierung die Flachheit eines Systems aber nicht generell erhält, kann man schon im Eingrößenfall einfach mit einem Gegenbeispiel zeigen, da in diesem Fall die Eigenschaften Flachheit, Vorwärts-Flachheit und Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit äquivalent sind. Im Hinblick auf die numerische Stabilität kann natürlich auch eine implizite Euler-Diskretisierung sinnvoll sein. Als Beispiele, bei denen diese die Flachheit erhält, seien exemplarisch wiederum die Asynchronmaschine sowie ein hydraulisches System (siehe [17]) genannt. Bei ersterer findet man zusätzlich zum bereits aus dem zeitkontinuierlichen Fall bekannten flachen Ausgang einen weiteren vorwärts-flachen Ausgang, während letzteres System sogar eingangs-zustands-linearisierbar ist.
Auch die optimierungsbasierte Trajektorienplanung gestaltet sich einfacher als im zeitkontinuierlichen Fall. Da die zu planenden Solltrajektorien nun Folgen anstatt Zeitfunktionen sind, ergibt sich von vornherein ein endlichdimensionales Optimierungsproblem und es entfällt die Diskretisierung eines unendlichdimensionalen Funktionenraums. Entsprechend kann die Flachheit eines zeitdiskreten Systems auch im Bereich der modellprädiktiven Regelung ausgenutzt werden, siehe z. B. [18]. Darüber hinaus gibt es aber auch Anwendungen abseits der Regelungstechnik, z. B. im Gebiet der Kryptographie, siehe [10]. Aus diesem Grund betrachten wir zeitdiskrete Systeme ganz allgemein, unabhängig davon, ob sie durch Diskretisierung eines zeitkontinuierlichen Systems entstanden sind.
Der Beitrag gliedert sich wie folgt: In Abschnitt 2 diskutieren wir das Konzept der Flachheit für zeitdiskrete Systeme basierend auf der Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen Systemtrajektorien und Trajektorien eines trivialen Systems. In Abschnitt 3 geben wir für den Spezialfall der Vorwärts-Flachheit einen rechentechnisch effizienten Test an, der eine geradlinige Verallgemeinerung des bekannten Tests für Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit darstellt. In Abschnitt 4 veranschaulichen wir die vorgestellten Konzepte schließlich anhand von Beispielen. Insbesondere zeigen wir anhand der Simulation eines mobilen Roboters mit einer zeitdiskret berechneten Vorsteuerung die möglichen Vorteile des zeitdiskreten Zugangs auf.
2 Äquivalenz von Trajektorien und Flachheit zeitdiskreter Systeme
Wir betrachten in diesem Beitrag zeitdiskrete Systeme
in Zustandsdarstellung mit
erfüllen. Die Bedingung (2) ist notwendig für die Erreichbarkeit eines zeitdiskreten Systems und folglich auch für dessen Flachheit, weshalb sie keine Einschränkung darstellt. Das ist unmittelbar ersichtlich, da im Fall
Wie schon in der Einleitung angemerkt, gibt es verschiedene Ansätze, den Begriff der Flachheit vom zeitkontinuierlichen Fall auf den zeitdiskreten Fall zu übertragen. Eine Möglichkeit besteht darin, Zeitableitungen durch Vorwärts-Shifts zu ersetzen. Im Rahmen dieses Beitrags bezeichnen wir diesen Zugang als Vorwärts-Flachheit und verfolgen stattdessen einen allgemeineren Ansatz. Als Ausgangspunkt betrachten wir die zentrale Eigenschaft eines zeitkontinuierlichen Systems
Die Eins-zu-eins-Korrespondenz der Trajektorien kann prinzipiell durch Abbildungen der Form
und
mit geeigneten
und
Eine weitere Vereinfachung betrifft die Darstellung des flachen Ausgangs (6), da die Trajektorien des Zustands
In Rückwärts-Richtung gelingt das mithilfe von Rückwärts-Shifts der Eingänge nur für Systeme, bei denen die Bedingung
regulär und somit (8) lokal invertierbar ist. Mit den Inversen
sind alle Rückwärts-Shifts
Durch Einsetzen von (7) und (10) ergibt sich für die Abbildung (6), d. h. den flachen Ausgang, eine Darstellung der Form
Die Wahl der Funktionen
Um eine mathematisch präzise Definition der Flachheit zeitdiskreter Systeme formulieren zu können, benutzen wir einen Raum mit Koordinaten
definierte Vorwärts-Shift-Operator δ einführen. Seine Inverse ist gemäß (9) durch
gegeben und wird als Rückwärts-Shift-Operator bezeichnet. Eine β-fache Anwendung von δ oder seiner Inversen wird mit
Definition 1.
Das System (1) ist flach in der Umgebung einer Ruhelage
Es kann gezeigt werden, dass alle Vorwärts- und Rückwärts-Shifts eines flachen Ausgangs (11) funktional unabhängig sind (siehe [5]). Das wiederum garantiert die Eindeutigkeit der Abbildung (5). Diese ist außerdem eine Submersion, d. h. die Zeilen ihrer Jacobimatrix sind linear unabhängig, und hat die spezielle Form
Der Multi-Index
Definition 2.
Das System (1) ist vorwärts-flach, wenn es die Bedingungen von Definition1mit einem flachen Ausgang der Form
Anmerkung 1.
Alternativ ist auch eine Definition von Flachheit bzw. Vorwärts-Flachheit für zeitdiskrete Systeme im Rahmen des in [7] oder [23] benutzten algebraischen Zugangs denkbar. Dabei sind formal auch Analogien zu den in [23] und [24] betrachteten Totzeitsystemen zu erwarten, da bei diesen ebenfalls Zeitverschiebungen eine Rolle spielen. Allerdings muss betont werden, dass die Lösungen von Totzeitsystemen Zeitfunktionen und keine Folgen sind.
Wie bei zeitkontinuierlichen Systemen ist auch im zeitdiskreten Fall die Eigenschaft der Flachheit eng mit dem Problem der exakten Linearisierung mittels dynamischer Zustandsrückführung verknüpft. In [1] wird eine zeitdiskrete dynamische Zustandsrückführung
als endogen bezeichnet, wenn die Größen z und v als Funktionen von x, u und Vorwärts-Shifts von u ausgedrückt werden können. Dazu passend ist ein System (1) genau dann vorwärts-flach, wenn es mittels einer solchen endogenen Zustandsrückführung exakt linearisiert werden kann. In [5] wird aber gezeigt, dass auch für flache Systeme gemäß der allgemeineren Definition 1 immer eine exakt linearisierende dynamische Zustandsrückführung der Form (12) existiert, welche zwar nicht endogen im Sinne von [1] ist, aber immerhin die Eigenschaft besitzt, dass die Trajektorien des geschlossenen Kreises in einer Eins-zu-eins-Korrespondenz zu den Trajektorien des Originalsystems stehen und auch die Submersivität erhalten bleibt. Da das prinzipiell mit der aus dem zeitkontinuierlichen Fall bekannten Definition einer endogenen dynamischen Zustandsrückführung übereinstimmt, stellt sich die Frage, ob die in [1] benutzte Definition einer endogenen dynamischen Zustandsrückführung mit der Einschränkung auf Vorwärts-Shifts nicht zu restriktiv ist. Im Sinne dieses Beitrags würde sich dafür der Begriff vorwärts-endogen anbieten.
Es lässt sich zeigen, dass für lineare Systeme und nichtlineare Eingrößensysteme die Eigenschaften Flachheit, Vorwärts-Flachheit und Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit äquivalent sind und somit immer eine Transformation auf Brunovsky-Normalform möglich ist [5]. Die wesentliche Schwierigkeit besteht also wie bei zeitkontinuierlichen Systemen im Nachweis der Flachheit bzw. der Konstruktion von flachen Ausgängen für nichtlineare Mehrgrößensysteme. Während es für den allgemeinen Fall gemäß Definition 1 noch keine einfach verifizierbaren notwendigen und hinreichenden Bedingungen gibt, wurde dieses Problem für den Spezialfall der Vorwärts-Flachheit in [12] basierend auf Ergebnissen aus [14] vollständig gelöst. Ein alternativer Ansatz findet sich in [26]. Darüber hinaus wurde in [4] gezeigt, dass jedes vorwärts-flache System (1) mit
3 Geometrische Charakterisierung von vorwärts-flachen Systemen
In diesem Abschnitt geben wir eine vollständige differentialgeometrische Charakterisierung für vorwärts-flache Systeme an. Bevor wir in Abschnitt 3.2 eine Verallgemeinerung des bekannten Tests für Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit (siehe [9] oder [20]) auf vorwärts-flache Systeme vorstellen, gehen wir in Abschnitt 3.1 auf die dafür benötigten mathematischen Konzepte ein.
3.1 Projizierbare Vektorfelder und Distributionen
Der differentialgeometrische Test für Vorwärts-Flachheit benutzt eine Interpretation des Systems (1) als Abbildung
von einer Mannigfaltigkeit
auf
auf
und wir bezeichnen die Vektorfelder als f-verwandt bzw. das Vektorfeld (14) als „projizierbar“. Das Vektorfeld (15) bezeichnen wir auch als „Pushforward“ von (14) und schreiben
Ob ein Vektorfeld (14) projizierbar ist oder nicht, lässt sich einfach feststellen, indem man auf
wobei die m Funktionen
regulär ist. Da die Zeilen der Jacobimatrix von f wegen der Submersivitäts-Bedingung (2) linear unabhängig sind, ist eine solche Erweiterung immer möglich und garantiert, dass (16) lokal invertierbar ist. Mit den neuen Koordinaten
an. Das bedeutet, dass alle Punkte mit demselben Wert der Koordinaten θ auf denselben Punkt von
und gemäß (17) führt eine Anwendung der Tangentialabbildung
d. h. der Term
hat. Der Pushforward (15) eines solchen Vektorfeldes ist durch
Analog zu projizierbaren Vektorfeldern bezeichnen wir eine Distribution D auf
Theorem 1.
Die größte projizierbare Subdistribution
Der Beweis kann in adaptierten Koordinaten (16) geführt werden und ist in [12] zu finden.
3.2 Verallgemeinerung des Tests für Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit
Die Erweiterung des Tests für Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit auf vorwärts-flache Systeme basiert auf der folgenden, in [14] hergeleiteten, notwendigen Bedingung.
Theorem 2.
Die auf
Anders formuliert gibt es bei einem vorwärts-flachen System immer eine zumindest eindimensionale, projizierbare Subdistribution
mit
mit
mit
mit den m Eingängen
Der Nachteil dieser Vorgangsweise besteht aus rechentechnischer Sicht jedoch darin, dass zur Konstruktion der Transformationen (20) und (21) jeweils die Distributionen D und Δ mittels des Frobenius-Theorems begradigt werden müssen. Das erfordert wiederum die Lösung von im Allgemeinen nichtlinearen (aber oft einfachen) gewöhnlichen Differentialgleichungen. Die Grundidee besteht nun darin, nur zu prüfen, ob die wiederholten Zerlegungen möglich sind oder nicht, ohne die entsprechenden Transformationen tatsächlich auszuführen. Das führt zu einem Test, basierend auf einer Sequenz von Distributionen, welcher als Spezialfall den bekannten Test für Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit einschließt. Zur Berechnung dieser Sequenz von Distributionen benötigen wir neben der Abbildung (13) auch eine gemäß
definierte Abbildung
Wir setzen voraus, dass die im Folgenden konstruierten Distributionen lokal konstante Dimension haben.
Algorithmus 1.
Schritt 0: Berechnung der größten Subdistribution
Schritt
Wegen (25) und
auf
auf
Theorem 3.
Ein System (1) mit
Für Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit ist also eine Voraussetzung, dass in jedem Schritt die gesamte Distribution
Theorem 4.
Ein System (1) mit
Für einen ausführlichen Beweis siehe [12]. Mit Theorem 4 kann die Vorwärts-Flachheit eines Systems (1) analog zur Eingangs-Zustands-Linearisierbarkeit rechentechnisch effizient überprüft werden, ohne tatsächlich einen vorwärts-flachen Ausgang berechnen zu müssen. Die Konstruktion der Distributionen (26) und (27) erfordert nur die Lösung von algebraischen Gleichungen. Im Falle eines positiven Ergebnisses kann durch Begradigen der Distributionen mit dem Frobenius-Theorem ein vorwärts-flacher Ausgang berechnet werden.
4 Beispiele
In diesem Abschnitt veranschaulichen wir die vorgestellten Konzepte anhand von zwei Beispielen. Zuerst erklären wir die Anwendung des Tests für Vorwärts-Flachheit aus Abschnitt 3.2 nochmals mithilfe eines akademischen Beispiels. Anschließend betrachten wir ein praktisches Beispiel, welches flach aber nicht vorwärts-flach ist, und zeigen Simulationsergebnisse für eine zeitdiskret entworfene Vorsteuerung.
4.1 Akademisches Beispiel
Zur Illustration des Tests für Vorwärts-Flachheit gemäß Algorithmus 1 und Theorem 4 benutzen wir das akademische Beispiel
Zuerst benötigen wir auf
gegeben, wobei hier bereits durch Skalierung bzw. Linearkombination der beiden Vektorfelder eine einfache, normierte Basis gewählt wurde. Man erkennt, dass die Distribution von projizierbaren Vektorfeldern der Form (19) aufgespannt wird und somit vollständig projizierbar ist. Es gilt also
auf
Schritt 1: Die Distribution
gegeben und hat in adaptierten Koordinaten (29) die Form
Durch geeignete Linearkombination der Vektorfelder wurde bereits wieder eine spezielle Basis erzeugt, anhand derer man erkennt, dass es eine dreidimensionale projizierbare Subdistribution
gibt. Für den Pushforward
gegeben und hat in adaptierten Koordinaten (29) die Form
Hier wurde ebenfalls durch Linearkombinationen eine Basis erzeugt, bei der alle Vektorfelder die Form (19) haben und somit projizierbar sind. Dementsprechend gilt
auf
ermittelt werden, siehe dazu [12] oder [4]. Anhand der Systemgleichungen (28) kann man sich einfach davon überzeugen, dass durch diesen flachen Ausgang tatsächlich sämtliche Zustands- und Stellgrößen parametriert werden können. Aus der Differenz der letzten und der ersten Systemgleichung erhält man die Parametrierung von
4.2 Mobiler Roboter
Als praktisches Beispiel betrachten wir die exakte Diskretisierung eines mobilen Roboters, welche in [1] und [21] bereits im Rahmen der Linearisierung mittels dynamischer Zustandsrückführung diskutiert wurde. Die zeitkontinuierlichen Systemgleichungen haben die Form
und sind auch als kinematisches Einachsmodell eines Fahrzeugs bekannt. Die Zustandsgrößen
vgl. [21] oder [28]. Durch eine anschließende Stellgrößentransformation
erhält man das System
Es sei weiters angemerkt, dass für
gilt und somit weder in (31) noch in der Stellgrößentransformation eine Singularität auftritt.
Zuerst wollen wir mit Algorithmus 1 nachweisen, dass das System (32) nicht vorwärts-flach ist. Dazu benötigen wir adaptierte Koordinaten (16) und treffen dafür die Wahl
In diesen Koordinaten haben die Eingangs-Vektorfelder
und
Für die Distribution
wobei bereits eine durch Linearkombinationen normierte Basis gewählt wurde. Man kann erkennen, dass es keine Linearkombination der beiden Vektorfelder gibt, welche die Form (19) hat, d. h. projizierbar ist. Somit gibt es keine nicht-triviale projizierbare Subdistribution. Wir erhalten folglich
Obwohl das System nicht vorwärts-flach ist kann man aber zeigen, dass es flach im Sinne der allgemeineren Definition 1 ist. Mit der Wahl
für die Größen ζ aus (8) existiert ein flacher Ausgang[6]
Die zugehörige Parametrierung der Systemgrößen hat die Form
Durch Einsetzen dieser Parametrierung in die Inverse
der zu Beginn benutzten Stellgrößentransformation ergibt sich die Parametrierung der ursprünglichen Stellgrößen
Für
des zeitkontinuierlichen Systems (30).
Um zu verdeutlichen, dass ein Entwurf basierend auf einem diskretisierten System vorteilhaft sein kann, wurde für das zeitkontinuierliche System (30) und das exakt diskretisierte System (32) mithilfe der flachen Ausgänge (34) und (33) jeweils eine Trajektorienplanung durchgeführt. Die Abtastzeit wurde dabei wie in [21] mit
Funding source: Austrian Science Fund
Award Identifier / Grant number: P 29964
Award Identifier / Grant number: P 32151
Funding statement: Die Arbeit wurde durch den österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) im Rahmen der Projekte P 29964 und P 32151 unterstützt.
Über die Autoren
Bernd Kolar promovierte 2017 am Institut für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung der Johannes Kepler Universität Linz. Anschließend war er dort drei weitere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Hauptarbeitsgebieten nichtlineare Regelungstheorie, geometrische Methoden und infinit-dimensionale Systeme tätig. Seit 2020 arbeitet er bei Magna Powertrain an der Regelung von elektrischen Antrieben für den Automotive-Bereich.
Johannes Diwold studierte bis 2019 Mechatronik an der Johannes Kepler Universität Linz. Seit 2019 arbeitet er am Institut für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung Linz an seiner Dissertation auf dem Gebiet der Flachheit nichtlinearer zeitdiskreter Systeme.
Markus Schöberl ist Assoziierter Professor am Institut für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung der Johannes Kepler Universität Linz. Hauptarbeitsgebiete: Nichtlineare Regelungstheorie, Systemtheoretische Untersuchung der Flachheit, Hamiltonsche Systembeschreibung für gewöhnliche und partielle Differentialgleichungen, kovariante Beschreibung und systemtheoretische Analyse physikalischer Prozesse.
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© 2021 Kolar et al., publiziert von De Gruyter
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