Bei der Präsidentenwahl am Sonntag gewann der 59 Jahre alte bisherige Regierungschef nach Angaben der Wahlkommission knapp 64 Prozent der Stimmen. Erwartungsgemäß übernimmt er erneut das höchste Staatsamt, das er bereits von 2000 bis 2008 innehatte. Schon als Putin an Silvester 1999 nach dem überraschenden Rücktritt von Präsident Boris Jelzin kommissarisch zum Kremlchef aufstieg, legte er Wert auf beste Beziehungen zur Kirchenspitze. So wünschte er sich die Beteiligung des damaligen Patriarchen Alexij II. an der Übergabe der Amtsgeschäfte.
Doch die Frage, ob er an Gott glaube, ließ Putin offen. Er wolle keine "Eigenwerbung oder politisches Striptease" betreiben, antwortete er 2007 in einem Interview. Nur so viel: In seinem Flugzeug gebe es eine Ikone und eine Bibel. "Wir sind ein riesiges Land. Da habe ich Zeit, die Bibel zu lesen", sagte er.
Im zurückliegenden Wahlkampf erzählte er detailliert von seiner Taufe im Alter von sechs Wochen. Demnach ließ seine Mutter ihn 1952 in der Leningrader Christ-Verklärungs-Kirche, in deren Nähe sie wohnten, heimlich gegen den Willen des Vaters taufen. Der Priester habe vorgeschlagen, ihm den Namen Michail zu geben, denn die Taufe habe am orthodoxen Gedenktag des Erzengels Michael stattgefunden. Aber seine Mutter, so Putin, hatte ihn bereits unter dem Namen seines Vaters Wladimir beim Standesamt gemeldet.
Stets treuer Verbündeter der Kirche
Zu Putins Religiosität soll unter anderem ein Schicksalsschlag aus dem Jahr 1996 beigetragen haben. Sein neues Haus nahe Leningrad verlor er durch einen Brand. Aus den Flammen konnte er im letzten Moment seine Töchter Maria und Jekaterina retten. In den Trümmern fand er später sein Taufkreuz - unversehrt. Anders als Jelzin verwechselte er als Staatschef auch nicht Weihnachten und Ostern. Orthodoxe Priester bescheinigten ihm, er sei "strenggläubig". Als vergangenes Jahr die griechische Reliquie des Gürtels der Jungfrau Maria - eine der meistverehrten Heiligtümer in der orthodoxen Welt - in Russland gezeigt wurde, kam er eigens zum Flughafen.
Wie die große Mehrheit der Russen zählt Putin die Orthodoxie zum Kern der russischen Identität. So war er stets ein treuer Verbündeter der Kirche und brachte etwa die Wiedervereinigung des Moskauer Patriarchats mit der russischen Exilkirche mit auf den Weg. Der inzwischen verstorbene Patriarch Alexij II. schrieb ihm während der ersten zwei Amtszeiten im Kreml rund 200 Briefe. Die Zusammenarbeit mit der Kirche geht inzwischen so weit, dass Putins Partei "Geeintes Russland" Gesetzentwürfe vorab mit dem Patriarchat abstimmt.
Kritiker werfen Putin Kalkül vor
Kritiker werfen Putin vor, er wolle von der moralischen Autorität der Kirche profitieren und schiele nach dem Wählerpotenzial der orthodoxen Christen - rund 70 Prozent der Russen bekennen sich zur Kirche. Putin hingegen versichert, er achte Religionsfreiheit und werde sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Glaubensgemeinschaften einmischen. Er wirbt für eine Partnerschaft zwischen dem Staat und der christlichen Orthodoxie, dem Judentum, dem Islam und dem Buddhismus. Von diesen Religionen erhoffe er sich Engagement im sozialen Bereich, etwa für Kranke, Invalide und Rauschgiftsüchtige.
Sympathien bei Gläubigen aller Bekenntnisse gewann Putin durch die angekündigte landesweite Wiedereinführung des schulischen Religionsunterrichts sowie durch die Rückgabe von im Kommunismus beschlagnahmtem Eigentum. Zudem versprach er über die kommenden drei Jahre 89,4 Millionen Euro Unterstützung für die Restaurierung von Sakralbauten. Putin, der Mustersohn seiner Kirche, genießt deshalb auch Rückhalt bei Spitzenvertretern von Muslimen und Juden.
Russlands künftiger Präsident Putin zeigt sich fromm
Ein treuer Verbündeter der Kirche
Seine Frömmigkeit unterstrich Russlands künftiger Präsident Wladimir Putin noch bei der Stimmabgabe am Sonntag. Wartende Reporter wies er darauf hin, dass die orthodoxe Kirche heute den Feiertag "Triumph der Orthodoxie" begehe. Putin hofiert seit langem die Kirche. Umstritten ist, ob er das aus tiefer Religiosität oder aus politischem Kalkül tut.
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