Immer mehr Schüler kommen unentschuldigt zu spät oder gar nicht zum Unterricht. Ein Nürnberger Gymnasium hat deshalb nun ein Bußgeld für Zuspätkommer und Schwänzer eingeführt. Die Maßnahme zeigt Wirkung.
Fünf Euro Bußgeld - das müssen Schülerinnen und Schüler am Nürnberger Dürer-Gymnasium zahlen, wenn sie ständig unentschuldigt zu spät zum Unterricht kommen. Die Ankündigung von Schulleiter Reiner Geißdörfer hatte im Frühsommer einige Wellen geschlagen. Nun, einige Monate später, fällt nicht nur sein Fazit positiv aus. Auch von der Schülervertretung hört man, dass die Zahl der Zuspätkommenden deutlich zurückgegangen ist. Kein Bock auf Schule - bekommt man diese Haltung, die Fachleute bei einigen Kindern und Jugendlichen beobachten, nur mit Strafen in den Griff?
„Ärgert die richtig“ - Schule kassiert fünf Euro Bußgeld von Schwänzern
Um Strafe gehe es ihm im Grunde eigentlich nicht, erläutert Geißdörfer gleich zu Anfang des Gesprächs. „Es ist nicht so, dass wir die Peitsche auspacken und draufhauen“, sagt er. „Wir haben zu viele Kinder, die aus welchen Gründen auch immer, es an der Schule nicht packen.“ Verweise seien denen egal, sagt Geißdörfer. „Aber die fünf Euro Bußgeld ärgern die richtig.“ Das Bußgeld sei aber ein letztes Mittel nach einer langen Kette von Gesprächen mit Eltern, Lehrkräften, Schulpsychologen, Sozialpädagogen und anderen Stellen. Bisher sei es erst in Einzelfällen verhängt worden und gelte nur für die 9. bis 11. Klasse, sagt Geißdörfer.
Bewirkt habe die Ankündigung vor allem, dass es eine größere Aufmerksamkeit für das Problem gebe, sagt er. Es werde nun lückenlos digital dokumentiert, welche Schülerinnen und Schüler im Unterricht unentschuldigt fehlten oder zu spät erschienen. Das diene auch zur Früherkennung von Problemen. „Wenn Schüler auffallen, ist es meist schon zu spät.“ Bei etwa fünf bis zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler beobachte er ein Desinteresse an Schule, was dazu führen könne, dass diese trotz Begabung keinen Schulabschluss schafften.
Schülerinnen und Schüler, die mal da sind, mal nicht, die morgens regelmäßig einfach zu spät kommen oder im Laufe des Schultages plötzlich ohne Abmeldung verschwinden - wie viele es davon in Bayern gibt, dazu gibt es keine belastbaren Daten. Zahlen zu notorischen Schulschwänzern werden nach Angaben des Kultusministeriums nicht zentral erfasst. „Die Erfassung unentschuldigter wie entschuldigter Fehlzeiten liegt im Verantwortungsbereich der jeweiligen Schulen“, teilt eine Sprecherin mit. In Ausnahmefällen könnten die Kreisverwaltungsbehörden auf Antrag von Schulen oder Schulaufsichtsbehörden ein Bußgeld verhängen.
Interesse von anderen Schulen - Berlin verschärft Regelungen
Im Fall des Dürer-Gymnasiums ist das die Stadt Nürnberg. Im vergangenen Jahr wurden dem Schulreferat zufolge rund 1500 Unterrichtsversäumnisse - wegen Zuspätkommens oder Fehlen an ganzen Tagen - angezeigt, nach fast 1250 im Jahr zuvor. Im Vergleich: 2019 - also vor Corona - waren es rund 800. Auch von anderen Gymnasien in Mittelfranken habe er gehört, sagt Geißdörfer, dass es Probleme mit einigen Schülerinnen und Schüler gebe, die sich innerlich von Schule verabschiedet hätten und an die man nicht mehr herankomme. Andere Schulen hätten sich deshalb schon bei ihm erkundigt, wie seine Schule das mit dem Bußgeld handhabe.
Wann und in welchen Fällen Bußgelder für Zuspätkommen oder Schulschwänzen verhängt werden, ist nach Angaben des Deutschen Lehrerverbandes von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Aktuell habe Berlin seine Regelungen verschärft, sagt Präsident Stefan Düll. Ab der dritten Verspätung gelten diese ihm zufolge als Fehlstunde, die Fehlstunden könnten sich wiederum zu unentschuldigten Fehltagen summieren. Nach fünf unentschuldigten Fehltagen pro Halbjahr könne die Schule eine Schulversäumnis-Anzeige beim Schulamt stellen, deren Konsequenz Bußgelder sein könnten. „Die Berliner Maßnahme soll ein Zeichen setzen, dass man nicht länger gewillt ist, tatenlos zuzuschauen“, sagt Düll.
Kein Interesse an Schule - aber wieso?
Die Gründe dafür, dass Schülerinnen und Schüler immer wieder zu spät zur Schule kommen oder ganz wegbleiben, sind laut den Fachleuten ganz unterschiedlich - und das kam auch vor der Corona-Pandemie vor. Die Schulschließungen könnten aber dazu geführt haben, dass manche Schülerinnen und Schüler ein größeres Desinteresse an ihrer schulischen Zukunft entwickelt hätten, meint Düll. Seit der Pandemie ist nach Angaben des bayerischen Schulleitungsverbands die Zahl der Jugendlichen mit psychischen Belastungen stark gestiegen, und diese Probleme könnten zu Schulängsten oder Verweigerungshaltungen führen.
Einen Grund sieht Geißdörfer aber auch in der Schule selbst. Diese müsse sich ändern, fordert er: Weg von den vielen Leistungserhebungen wie Klausuren und unangekündigten Tests, dafür mehr projektorientiertes Lernen, bei dem sich die Kinder und Jugendlichen Wissen selbst erarbeiten könnten.
„Viele Schüler waren erst einmal geschockt“
Und wie ist die Stimmung unter den Schülerinnen und Schülern? Hat die Androhung einer Geldstrafe das Verhältnis zur Schulleitung verschlechtert? „Nein“, sagt ein Schülersprecher, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. „Viele Schüler waren erst einmal geschockt.“ Das habe sich aber geändert, als die Schulleitung alles genauer erklärt habe. „Die meisten betrifft das Bußgeld nicht“, sagt er. „Es sind einzelne, die ständig zu spät gekommen sind.“ Darunter gelitten hätten aber auch alle anderen, wenn immer wieder jemand mitten in den Unterricht hereingeplatzt sei.