Der Tod der Eltern ist etwas womit man sich früher oder später wohl oder übel auseinandersetzen muss. Wenn man großes Glück hat, dann tritt dieses EreDer Tod der Eltern ist etwas womit man sich früher oder später wohl oder übel auseinandersetzen muss. Wenn man großes Glück hat, dann tritt dieses Ereignis erst ein, wenn man selbst erwachsen ist. Das macht es zwar nicht besser oder einfacher, aber sich als erwachsene Menschen zu begegnen, bietet die Möglichkeit, ein tieferes Verständnis füreinander zu schaffen, gerade wenn man eine komplizierte Kindheit schultert. Das wiederum ermöglicht eine wertfreiere Sicht und das empfinde ich als Geschenk, weil es Altlasten abträgt und so möglicherweise Nähe entstehen kann wo vorher Distanz war. Zu erkennen, dass schlussendlich auch die eigenen Eltern nur Menschen sind, die jeden Tag versuchen ihr Bestes zu geben und dabei manchmal eben scheitern, so wie wir alle, kann ungemein heilsam sein. Michelle Zauner hat ihre koreanische Mutter leider genau in dieser wichtigen Übergangsphase an den Krebs verloren und hat sich deshalb mit "Tränen im Asia Markt" ein kreatives Ventil für ihre Trauer gesucht. Anfangs hatte ich etwas Sorge, dass ich mit der Lektüre, aufgrund kultureller Unterschiede, eventuell etwas Schwierigkeiten haben werde, aber Trauer ist universell und braucht keine Übersetzung. Ein sehr persönliches, ehrliches und berührendes Memoire, dass ich sehr empfehlen kann. Michelle Zauner ist eine großartige Erzählerin....more
Ich mag das Wort "Meisterwerk" nicht, weil es mittlerweile zu oft und an falscher Stelle platziert wird, aber was Machado hier ge~ 5*, Jahreshighlight
Ich mag das Wort "Meisterwerk" nicht, weil es mittlerweile zu oft und an falscher Stelle platziert wird, aber was Machado hier geschaffen hat, ist Literatur auf ganz hohem Niveau. Innovativ, kreativ, analytisch, reflektierend und emotionsgeladen. Sehr stark! Triggerwarnung allerdings für toxische Beziehungen und psychische wie physische Gewalt. Kein einfaches Buch, aber sicherlich eines der Besten!...more
Duchess und die Schicksale ihrer Wegbegleiter haben mich tief berührt. Eine ganz besondere, traurige aber auch zärtliche und hoffnungsvolle GeschichteDuchess und die Schicksale ihrer Wegbegleiter haben mich tief berührt. Eine ganz besondere, traurige aber auch zärtliche und hoffnungsvolle Geschichte, voller menschlicher Grauzonen, Abgründe und starken Bildern. Chris Whitaker ist ein großartiger Geschichtenerzähler....more
"Mädchen, Frau etc.", aus dem Tropen Verlag - großartig übersetzt von Tanja Handels - ist ein "Mammutprojekt", dem sich die Autorin Bernadine Evaristo"Mädchen, Frau etc.", aus dem Tropen Verlag - großartig übersetzt von Tanja Handels - ist ein "Mammutprojekt", dem sich die Autorin Bernadine Evaristo über mehrere Jahre gewidmet hat. Zwölf Geschichten über zwölf Frauen, die mal mehr mal weniger miteinander verbunden sind; hauptsächlich "PoC", unterschiedlich in Alter, Klasse, Geschlecht, Ethnizität, Sexualität, Weltanschauung und Charakter. Und genauso bunt wie sich die Figuren hier präsentieren, sind auch die Themen die Evaristo in ihren Erzählungen anspricht. Es geht um Rassismus, Diversität, Gendergerechtigkeit, Ausgrenzung, die weibliche Identität und den Wandel, dem wir stetig ausgesetzt sind. Eingerahmt werden die intersektionalen Erzählungen von der Premiere eines Theaterstücks mit dem Titel "Die letzte Amazone von Dahomy" am National Theatre in London. Das Stück bietet sich als Einstieg in das Buch durchaus an, denn jede der Frauen in diesem Buch trägt auf die ein oder andere Art einen Kampf aus; gegen Andere, gegen sich selbst, gegen das Establishment, für eine bessere Zukunft, gegenseitiges Verständnis und ein besseres Leben. Als Leser:In wird man mit einer Flut von Informationen konfrontiert, die man erstmal verarbeiten muss. Das und der besondere Schreibstil, den Evaristo als "Fusion Fiction" bezeichnet, machen im wesentlichen den Knackpunkt aus, der darüber entscheidet, ob Evaristos Werk gefällt oder eben nicht. Das Buch braucht einen wachen Geist. Es hat mich tief beeindruckt, meinen Kopf und mein Herz auf eine Art und Weise gefüllt, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Es sprüht nur so vor Leben, Leidenschaft, Kreativität und Energie. Jeder Charakter hat eine ganz eigene Stimme und da Evaristo fast gänzlich auf Satzzeichen verzichtet, haben die Erzählungen von Anfang an eine extrem starke Sogwirkung auf mich ausgeübt; auch wenn mich nicht jede Geschichte inhaltlich gleichermaßen stark für sich einnehmen konnte, aber das liegt in der Natur der Sache. Wie anders ein Text plötzlich wirkt und bei einem ankommt, sobald gewisse Regeln außer Acht gelassen werden und er sich abseits ausgetretener Pfade bewegt. Fast wie Poesie, fließend und frei. "Mädchen, Frau etc." zeigt auf, zu was Literatur imstande sein kann. Ein wichtiges Buch, mit einem starken Kern, das Umdenken fördert, zur Selbstüberprüfung aufruft, Horizonte aufreißt und zu Recht mit dem Booker Preis 2019 ausgezeichnet wurde....more
Micaiah Johnson spielt in "Erde 0" die Idee eines Multiversums durch, indem es mehrere Versionen ihrer Charaktere gibt, deren Leben aufgrund unterschiMicaiah Johnson spielt in "Erde 0" die Idee eines Multiversums durch, indem es mehrere Versionen ihrer Charaktere gibt, deren Leben aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen und Taten einen jeweils anderen Verlauf genommen haben. Wir begleiten Cara, eine junge, farbige "Traverserin", die schwer am Leben zu tragen hat und deren Job es ist, zwischen den verschiedenen Parallelwelten zu reisen um dort bestimmte Daten abzufragen. Dabei trifft sie auf ebendiese unterschiedlichen Versionen und muss sich schon bald fragen, wie gut sie die Menschen aus ihrer Welt eigentlich kennt und welche Abgründe sie selbst in sich trägt.
Micaiah Johnson ist eine großartige Autorin. Nicht nur hat sie mit Cara einen für mich vom ersten Moment an nachvollziehbaren Charakter erschaffen, auch der Weltenaufbau ist so gut ausgearbeitet, dass es sich absolut natürlich angefühlt hat, den Weg mit Cara zu gehen. Wie bei jeder fiktionalen Geschichte die in einer zukünftigen Welt verortet ist, haben sich auch hier Menschen in Gesellschaftsstrukturen eingeordnet, die zwar anders aber eben nicht völlig fremd sind und es finden sich auch kritische Gedanken zu realen Ereignissen in dem Buch wieder, sodass es mir sehr leicht fiel, mich hineinzudenken und mitreißen zu lassen. Man merkt, dass hinter dem Buch ein kluger Freigeist steckt, der mit offenen Armen und Augen durch die Welt geht, sich und andere hinterfragt und Verletzungen mit sich herumschleppt. Johnsons Schreibstil lässt sich irgendwo zwischen messerscharf und butterweich einordnen, dringt tief ein und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Das Thema Parallelwelten bietet einige Überraschungen und sorgt dafür, dass das Buch bis zum Ende hin spannend und unvorhersehbar bleibt. Es gab einige Twists mit denen ich so nicht gerechnet habe. Eine beeindruckende Lektüre.
"Erde 0" ist ein Buch was heraussticht und sicherlich nicht jedem gefallen wird, zumal es einen harten Unterton hat und körperliche Gewalt, Bisexualität bzw. Geschlechtsidentität, verschiedene Traumata und Missbrauch thematisiert. Wer sich davon nicht abschrecken lässt und Lust auf ein besonderes, innovatives und intensives Leseerlebnis hat, der sollte sich das Buch unbedingt näher anschauen. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung kann ich allerdings nicht aussprechen....more
Im Bereich "Romance" gibt es kaum ein Buch, was ich so sehr liebe wie dieses hier! Alleine schon die Tatsache, dass ich es NOCHMAL geles~ ReRead 10/23
Im Bereich "Romance" gibt es kaum ein Buch, was ich so sehr liebe wie dieses hier! Alleine schon die Tatsache, dass ich es NOCHMAL gelesen habe, sagt eigentlich schon alles aus, was es dazu zu sagen gibt, denn ich lese Bücher grundsätzlich kein zweites Mal. Ja, die Geschichte baut im Grunde nur darauf auf, dass zwei Menschen NICHT miteinander reden. Ja, Cameron's Familie ist ein chaotischer, toxischer Haufen. Ja, das Buch spiegelt ein Frauenbild wider, was heutzutage in dieser Form wohl kaum noch Akzeptanz findet. Und trotzdem liebe ich das Buch! Das Hin und Her, die Verzweiflung, die Leidenschaft, Cam und Troy mit ihren Altlasten, Narben, Unsicher-/ und Eigenheiten. Auch der "spice" trifft zu hundert Prozent meinen Geschmack und Kelly Moran ist und bleibt einfach eine der Wenigen, die mich emotional so erreichen, wie ich es mir still und heimlich vom gesamten Romance- Bereich wünschen würde. Cam ansich ist so eine Art "Seelentier" für mich, denn auch wenn sie womöglich ein Frauenbild darstellt, was es scheinbar so nicht mehr geben darf, gibt es solche Frauen eben doch und auch diese Frauen haben eine Daseinsberechtigung! Troy hingegen ist der Beste! Wer wünscht sich nicht, dass jmd. so für einen kämpft und nicht auf halber Strecke aufgibt, weil sich die Anstrengung nicht lohnt, wo es doch Menschen auf der Welt gibt, die nett, nicht kompliziert, nicht anstrengend und so viel leichter zu haben sind. Abgesehen davon finde ich es unsinnig, ein Buch aufgrund von Inhalten, Verhaltensweisen der Figuren oder sonst was abzulehnen. Bücher bestimmen nicht meine Weltanschauung! Ich bin selbst klug genug, um für mich zu entscheiden, was richtig bzw. was falsch ist und daher gehe ich an Bücher auch weitestgehend wertfrei heran. Von der gängigen Kritikkultur, die sich mit den Jahren entwickelt hat, halte ich überhaupt nichts! In meinen Augen wird es damit gerade jungen Kunstschaffende unnötig schwer gemacht! Wenn mich ein Buch interessiert, dann lese ich es, anders funktioniert Lesen für mich nicht und das ist auch völlig OK so! Ich liebe dieses Buch heiß und innig und es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich es gelesen habe!...more
"Angst hat allen Menschen, die mir etwas bedeuten, das Leben ruiniert... Ich will nicht werden wie sie. Ich glaube, ich will gar nicht herausfinden, w"Angst hat allen Menschen, die mir etwas bedeuten, das Leben ruiniert... Ich will nicht werden wie sie. Ich glaube, ich will gar nicht herausfinden, worin meine größte Angst besteht." [S. 90]
Esthers Familie ist verrückt, buchstäblich. Ihr Vater wagt sich seit Jahren nicht mehr aus dem Keller, ihre Mutter fürchtet sich vor allem was Unglück bringen könnte, ihr Bruder hat panische Angst vor der Dunkelheit und ihr Großvater glaubt, er wäre dem leibhaftigen Tod begegnet. Was ihre allergrößte Angst ist weiß Esther nicht, schreibt aber vorsichtshalber alles, was ihr Angst machen könnte, auf eine Liste. Blöd nur, dass ebendiese Liste Jonah, ihrem Schwarm aus Kindertagen, in die Hände fällt, denn der hat nicht vor, die Sache so einfach auf sich beruhen zu lassen.
Ich habe mich schon auf den ersten paar Seiten in das Buch, und vor allen Dingen in die Charaktere, verliebt. Da ich mir vorab ein paar Meinungen zu dem Buch durchgelesen habe, wusste ich, dass in dem Buch psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen und anderes angesprochen werden und war entsprechend vorgewarnt. Ich wünschte ich hätte dieses Buch während meiner Schulzeit lesen können, aber auch Jahre später, hat es mir sehr viel gegeben, Esther - die Angstfresserin - auf ihrem Weg durch die Dunkelheit und zurück zu begleiten. Man merkt dem Buch an, dass der Autorin persönlich sehr daran gelegen ist, aufmerksam zu machen, gegenseitiges Verständnis zu fördern und Hoffnung zu geben. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz und die wunderbare Liebesgeschichte, sowie die besondere Erzählkunst der Autorin sorgen für den Rest. Neben "Mädchen in Scherben" für mich eines der bislang besten YA-Bücher zum Thema "Mental Health" und eine unbedingte Leseempfehlung....more
"Ganz ehrlich. Heiraten heißt nicht, dass man glücklich ist. Besonders, wenn man plötzlich einfach denjenigen heiratet, mit dem man mit dreißig ebe
"Ganz ehrlich. Heiraten heißt nicht, dass man glücklich ist. Besonders, wenn man plötzlich einfach denjenigen heiratet, mit dem man mit dreißig eben zusammen ist, nur weil es alle anderen auch tun." [S. 46]
Tori Bailey ist auf dem besten Weg eine mustergültige, von der Gesellschaft anerkannte 30+ Frau zu werden: sie ist erfolgreich in ihrem Job, hat eine langjährige Beziehung mit einem gutaussehenden Mann, einen tollen Freundes- und Familienkreis und ist eine "große Nummer" bei Instagram und Co. Einziges Problem: der Mann will nicht. Weder heiraten, noch Kinder in die Welt setzen. Aber darauf kommt es im Leben letztlich doch an oder etwa nicht?
So "locker-flockig" wie sich das im ersten Moment anhört, ist das Buch bei Weitem nicht. Unsere liebe Tori muss einige tiefe Täler durchschreiten und durch viel Brackwasser waten bevor sich das berühmt berüchtigte Licht am Ende des Tunnels zeigt. Ich persönlich mag solche Bücher, kann aber sehr gut verstehen wenn Leute schreiben, dass ihnen das Buch zu realistisch war oder bestimmte Inhalte sie "runtergezogen" haben. Auch mit Holly Bournes kritischem Blick auf "social media" wird sich der ein oder andere sicherlich schwertun, weil es zwar realitätsnah, stellenweise aber eben auch sehr überberspitzt dargestellt wurde.
„Ich drücke auf Veröffentlichen und lasse mich ins nasse Gras sinken, warte auf die ersten Likes. Darauf, dass mein Handy zum Leben erwacht. Mir gefällt, wie ich auf diesem Foto aussehe. Ich mag, wie diese Tori ist. Diese Tori hat Freundinnen und ein Leben, und sie schert sich um nichts, und sie hat Spaß, und wünschst du dir nicht, du könntest sie sein?“ [S. 61]
Mich hat das Buch auf eine Art und Weise angesprochen und bewegt, wie ich es selten erlebt habe. Holly Bournes Schreibstil hat spitze Ecken und selbst diese Ecken haben noch weitere Ecken. Und auch ihren direkten, trockenen und schonungslosen Humor liebe ich sehr: typisch britisch und schneidend scharf.
"Ich vergesse immer wieder, dass die Leute es nicht mögen, wenn man ihnen die Wahrheit ins Gesicht sagt. Sie mögen die Wahrheit im Fernsehen oder niedergeschrieben, damit sie sie in ihrem eigenen Tempo konsumieren und verdauen können. Aber wenn man im Gespräch aufrichtig ist, verhalten sich alle, als hätte man im überfüllten Bus gefurzt und dabei herzhaft in ein Eiersandwich gebissen." [S.156]
Inhaltlich vereint "War´s das jetzt" in erster Linie alles, was eine Frau in den Dreißigern bewegt, an-, umtreibt und quält. Ich habe mich so oft in Tori wiedererkannt; habe mit ihr gelacht, geweint und mitgelitten. Das Buch ist wie ein Gespräch mit der besten Freundin, die dich an den Schultern packt, anbrüllt und kräftig durchschüttelt, weil du dein Leben einfach nicht auf die Reihe kriegst. Also definitiv kein Wohlfühlbuch in das man, mit einer Tasse heißen Tee auf dem Schoß und Schokolade an den Fingern, gepflegt hineintauchen kann. Ganz im Gegenteil. Holly Bourne orientiert sich am wahren Leben und das schmeckt ab und an nunmal bitter und kann hin und wieder auch kräftig zubeißen. Das Entscheidende ist, dass wir zurückbeißen und nicht unter die Räder kommen, und genau das vermittelt dieses Buch: Dass wir alle Helden anstatt Opfer sein können, vorausgesetzt wir haben den Mut dazu.
"Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht. Am 03. Mai 1977 um halb sieben Uhr morgens weiß niemand etwas außer der harmlosen Tatsache: Lydia k
"Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht. Am 03. Mai 1977 um halb sieben Uhr morgens weiß niemand etwas außer der harmlosen Tatsache: Lydia kommt zu spät zum Frühstück." [S. 7]
Inhalt Lydia Lee - 16-jährige Tochter von James und Marilyn, Schwester von Nath und Hannah - ist verschwunden. Ob sie weggelaufen oder etwas viel Schlimmeres passiert ist, bleibt erstmal ungeklärt. Lydias Muter ist allerdings schnell davon überzeugt, dass ihre Tochter Opfer eines Verbrechens goworden sein muss. Ihre Lydia: mustergültige Tochter, zurückhaltend, brav, Einserschülerin mit einer vielversprechenden Zukunft, wunderschön, beliebt und immer ein Lächeln auf den Lippen; ihre Lydia würde nicht einfach so weggehen. Der Rest der Familie teilt Marilyns Überzeugung nicht, denn in jedem von ihnen gibt es dunkle Ecken, kleine dunkle Nieschen, wo sich das Ungesagte wie ein Berg schmutziger Wäsche auftürmt, lawinenartig auf die Familie zurollt und letztendlich alles ins Chaos stürzt.
"Wie hatte es angefangen? Wie alles: mit Müttern und Vätern. Mit Lydias Mutter und Vater, mit deren Müttern und Vätern. Weil vor langer Zeit ihre Mutter verschwunden war und ihr Vater sie zurückgeholt hatte. Weil ihre Mutter sich sehnlichst gewünscht hatte, aus der Menge herauszuragen, und weil ihr Vater sich sehnlichst gewünscht hatte, ein Teil der Menge zu sein. Beides war nicht möglich gewesen." [S. 31]
Meine Meinung Celeste Ng hat in "Was ich euch nicht erzählte" ein absolut realistisches Szenario erschaffen, von dem ich weiß, dass es innerhalb mancher Familien genauso oder so ähnlich stattfindet. Und dieser Realismus ist es u.a. auch, der dafür gesorgt hat, dass mich beim Lesen von Anfag an ein gewisses Gefühl der Beklemmung begleitet hat; ohne dass ich eigentlich genau sagen konnte wieso. Im ersten Kapitel erfährt man als Leser nämlich nicht viel mehr als das Lydia, Tochter eines chinesischen Einwanderes in zweiter Generation und einer Amerikanerin, verschwunden ist. Aber ähnlich wie Lydias Mutter ahnt man, dass in dieser Familie etwas furchtbar schiefgelaufen sein muss und das nur, weil Marilyn, wie jeden Morgen, einen angespitzten Bleistift und Lydias Physiksachen - sechs Aufgaben markiert mit kleinen Häkchen - neben Lydias Müslischale gelegt hat und James in seinem Büro einen Marienkäfer mit seinem Daumen zerdrückt, weil er sich über einen Kollegen ärgert. Was ich damit sagen will ist, dass Celeste Ng es schafft, ihre Figuren anhand von Nichtigkeiten zu charakterisieren, die oberflächlich betrachtet kaum Bedeutung zu haben scheinen, im Grunde genommen aber genau auf das Wesentliche hinweisen. Celeste Ngs Talent wenig zu sagen und trotzdem den Kern zu treffen hat mich sehr beeindruckt. Ihre eindrückliche Schreibweise lässt es nicht zu, keine Bedeutung hinter dem scheinbar Bedeutungslosen zu vermuten. Als Leser spürt man vom ersten Moment an, dass man einen schwer zu verdauenden Roman in den Händen hält und mir kam es sogar ein bisschen so vor, als würde mir die Autorin auf den ersten paar Seiten zuflüstern: "Liebe Leserin, spürst du das? Spürst du, wie es unterschwellig brodelt; das Ungesagte. Noch weißt du es nicht. Noch kannst du dich dafür entscheiden, das Buch nicht zu lesen Noch ist es nicht zu spät."
"Nur wenige Tage zuvor, Hunderte von Meilen entfernt, hatte ein anderes Paar ebenfalls geheiratet - ein Weißer und eine Schwarze, die einen äußerst passenden Namen teilten: Loving. Vier Monate später wurden sie in Virginia verhaftet. Das Gesetz erinnerte sie daran, dass der Allmächtige Gott die Vermischung von Weiß, Schwarz, Gelb und Rot nie vorgesehen hatte, dass es keine Mischlinge geben sollte, keine Zerstörung von Rassenstolz." [S. 59]
Die Geschichte der Familie Lee behandelt viele Themen und wird über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten erzählt. Daher finden in "Was ich euch nicht erzählte" einige Zeitsprünge statt, die aber passend zur Handlung und nicht willkürlich stattfinden. Da ich ein Kind der 80´er Jahre bin und mich, abgesehen von den Meilensteine der Geschichte, bislang nur oberflächlich mit den Jahren vor meiner Geburt beschäftigt habe, fiel es mir ab und an schwer, das Verhalten von Lydias Eltern nachvollziehen zu können. Es war viel zu leicht, sich in dem Gefühl von Unverständnis und Ärger zu verlieren. Celeste Ng fordert ihre Leser indem sie vieles unkommentiert lässt und so liegt es an einem selbst zu entscheiden, weiter an der Oberfläche zu plantschen oder tiefer einzutauchen; auch auf die Gefahr hin hohe Wellen zu schlagen. Mir persönlich ist es sehr wichtig, die Dinge um mich herum zu verstehen und daher war es ab und an notwendig, beim Lesen immer mal wieder innezuhalten und über das Gelesene nachzudenken, um die Geschichte in ihrer Gesamtheit verstehen zu können. Auch wenn ich sagen muss, dass beim Lesen vieles in mir aufgewirbelt wurde und ich selten so mit jemandem mitgelitten habe wie mit Lydia. Aber letztendlich ist ein Buch ja erst dann wirklich gut, wenn es etwas mit einem macht.
"Noch während er die Worte ausspricht, zuckt er zusammen. Tief in seinem Inneren möchte er nichts lieber, als Nath an diesem schrecklichen Tag zu beruhigen, ihm tröstend die Hand auf die Schulter zu legen und ihn zu umarmen. Aber es kostet ihn schon alle Kraft, sein eigenes Gesicht zu wahren und darauf zu achten, dass seine Beine nicht unter ihm nachgeben und er zusammenbricht. Er wendet sich ab und packt Hannah am Arm. Zumindest Hannah macht immer, was man ihr sagt." [S. 27]
Der Roman thematisiert das Ungesagte und dessen Folgen. Die Autorin lässt dem Leser zwar ausreichend Raum für eigene Mutmaßungen, aber da man sich die meiste Zeit über in den Köpfen der Figuren aufhält, bekommt man nach und nach einen immer besseren Eindruck, mit was für Charakteren man es zu tun hat. Wirklich sympatisch war mir letztendlich niemand, aber wenn ich eines Tages plötzlich in der Lage wäre, die Gedanken meiner Mitmenschen verstehen zu können, würde ich wahrscheinlich auch niemanden mehr mögen; und andersherum ebenso. Die eigenen Gedanken sind ein geschützter Bereich und das ist auch gut so. Trotz allem entwickelt der Roman ab einem bestimmten Zeitpunkt natürlich eine ungemein starke Sogwirkung. Früher oder später will man einfach wissen, was es mit Lydias Tod auf sich hat. Die Auflösung ist ebenso tragisch wie nachvollziehbar und hat mich wiederholt zu Tränen gerührt. Und obwohl ich grundsätzlich kein Freund davon bin, falsches Verhalten mit einer unschönen Vergangenheit zu rechtfertigen, so zeigt diese Geschichte wenigstens doch einmal mehr, wie wichtg es ist, den Kreislauf des vorschnellen Urteilens und gegenseitiger Ignoranz zu durchbrechen und aufeinander Acht zu geben. Denn Nichts ist so wie es scheint. Jeder hat seine eigene Geschichte und wir anderen sind nur die Zuschauer.
"Gefunden und verloren und wiedergefunden, verloren bei voller Sicht, an seinen Rücken gepresst, ihre Füße fest in seiner Hand. Wodurch wurde etwas kostbar? Indem man es verlor und wiederfand. " [S. 269]
"Was ich euch nicht erzählte" ist ein ruhiger, düsterer, facettenreicher, ungemütlicher und tieftrauriger Roman, der im Großen und Ganzen absolut stimmig ist. Man merkt, dass die Autorin viel Zeit und Mühe in die Fertigstellung dieser Geschichte und vor allen Dingen in die Charkterausarbeitung investiert hat. Einzig an der kleinen Hannah hat mich gestört, dass Celeste Ng ihr mehr Tiefgründigkeit zugestanden hat, als Kinder in diesem Alter meiner Meinung nach haben können, aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt über den ich gut und gerne hinwegsehen kann, weil es a) wunderbar mit der allgemeinen Stimmung des Romans harmoniert und b) Ansichtssache ist. Was ich mit absoluter Sicherheit sagen kann, ist das Celeste Ng mit ihrem Debut eine schriftstellerische Meisterleistung vollbracht hat, die einen festen Platz in jedem Bücherregal haben sollte. Ich ziehe meinen imaginären Hut und freue mich auf weiterer Bücher dieser wunderbaren Autorin....more
"Ich bin alt. Das ist das Wichtigste, was es über mich zu sagen gibt. Und das, was am schwersten zu glauben ist. Könntest du mich sehen, würdest du mic"Ich bin alt. Das ist das Wichtigste, was es über mich zu sagen gibt. Und das, was am schwersten zu glauben ist. Könntest du mich sehen, würdest du mich für etwa vierzig halten, aber damit lägst du weit daneben." [S. 11]
Inhalt: Tom Hazard ist kein gewöhnlicher Mann, denn er ist weit über 400 Jahre alt. Er leidet unter "Anagerie"; einer Veranlagung, die in der Pubertät zutage tritt und dafür sorgt, dass er wesentlich langsamer altert als der Großteil der Menschheit. Als er Kontakt zu einem Arzt aufnimmt, in der Hoffnung mehr über sich und seine Veranlagung zu erfahren, tritt eine Geheimgesellschaft an ihn heran, die ihm das Angebot unterbreitet, im Austausch für kleinere Gefälligkeiten, fortan für seinen Schutz zu sorgen. Tom nimmt das Angebot an und lebt ab diesem Zeitpunkt quasi immer auf dem Sprung, denn um sein Geheimnis vor der Öffentlichkeit zu verbergen, ist es nötig alle acht Jahre ein vollkommen neues Leben zu beginnen.
"Mir kam der Gedanke, dass die Menschen deswegen nicht älter als hundert wurden, weil sie es einfach nicht länger aushielten. Seelisch, meine ich. Irgendwann ging einem schlicht die Puste aus. Da war nicht genug Ich, um weiterzumachen. Die eigenen Gedanken liefen sich tot. Das Leben, das sich stets wiederholte, wurde öde. Irgendwann kam kein Lächeln mehr, keine Geste, die man noch nicht gesehen hatte. Keine Veränderung in der Weltordnung, die nicht das Echo einer anderen Veränderung war. Es gab keine Neuigkeiten, die neu waren. Schon das Wort "neu" war blanke Ironie. Alles drehte sich im Kreis. In einer langsamen Abwärtsspirale. Und die Toleranz für die Menschen, die immer und immer und IMMER wieder die gleichen Fehler machten, schwand mit der Zeit. Es war wie ein nervtötender Ohrwurm, ein Lied, dessen Refrain man einst gemocht hatte, doch jetzt würde man sich am liebsten die Ohren abreißen, um es nicht mehr hören zu müssen." [S. 43]
Als die Gesellschaft ihm, auf sein Bitten hin, ermöglicht als Geschichtslehrer zu arbeiten, löst das schon bald eine Flut an schmerzhaften, von Verlust und Einsamkeit geprägten, Erinnerungen in ihm aus: seine tragische Kindheit, die elisabethanische Ära in England, die Expedition von Captain Cook in die Südsee, die Literaten und Jazzmusiker im Paris der zwanziger Jahre und vor allen Dingen Rose; immer wieder Rose, deren Verlust er nie verwunden hat. Doch als eines Tages Camille in sein Leben tritt, wirkt das wie ein Weckruf und plötzlich steht er vor der schwersten Wahl seit Langem, denn zu große Nähe zu anderen Menschen kann lebensgefährlich sein.
Meine Meinung: Vorneweg, ich halte Matt Haig für keinen großen Geschichtenerzähler. Mich hat weder die Handlung von "Ich und die Menschen" noch von "Wie man die Zeit anhält" besonders angesprochen; aber das hat mich glücklicherweise weder bei "Ich und die Menschen" noch bei diesem Buch hier gestört, denn die Handlung spielt meiner Meinung nach bei beiden Büchern eine eher untergeordnete Rolle. Sie dient lediglich als Instrument um Gedanken durchzuspielen, sich selbst Freude zu bereiten, Dinge ins richtige Licht zu rücken, Wahrheiten auszusprechen, auf Wesentliches hinzuweisen und Schmerz zu verarbeiten.
"Sie redet mit mir, als wären wir im gleichen Alter, und dafür liebe ich sie. Wenn ich mit ihr zusammen war, trat der Rest der Welt in den Hintergrund, und ich wurde ruhig. Sie war mein Gegengewicht. Sie schenkte mir Frieden, wenn ich sie nur ansah, und deswegen sah ich sie ständig an, immer zu lange, zu intensiv. Heutzutage kennen die Menschen solche Blicke nicht mehr." [S. 166]
In seiner Danksagung schreibt Matt Haig, dass "Wie man die Zeit anhält" zu schreiben, für ihn wie eine Therapiesitzung und eine Zeitreise in einem gewesen ist und das spürt man auf so gut wie jeder Seite. Für mich ist er einer der wenigen Autoren, bei dem man zwischen den Zeilen eine besondere Triebkraft, oder besser gesagt eine gewisse Dringlichkeit herausliest, etwas Bestimmtes zu Papier zu bringen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er in seinen Geschichten viel Persönliches verarbeitet. Seine Bücher sind sein kreatives Ventil und ich habe beim Lesen oft das Gefühl, Matt Haig selbst, und nicht seinen Figuren näher gekommen zu sein. Auf mich macht er den Eindruck eines scharfsinnigen Beobachters, eines Dichter, eines Denker und ich hoffe, dass er auch in Zukunft gut auf sich achtgibt, denn meistens sind es die Dichter und Denker die von den Tretmühlen des Lebens überrollt werden und was wäre die Welt blos ohne ihre Dichter und Denker.
"Aber Tatsache ist: Wir können die Zukunft nicht kennen. Wir sehen die Nachrichten und denken, alles geht den Bach runter. Aber wir können es nicht wissen. Das ist das Wesen der Zukunft. Wir kennen sie nicht. Irgendwann müssen wir uns damit abfinden. Wir müssen aufhören, nach vorn blättern zu wollen, und uns stattdessen auf die Seite konzentrieren, auf der wir gerade sind." [S. 373]
Sein Schreibstil strotzt vor Kreativität, tiefsinniger Schnörkel und poetischer Schleifen. Sowas mag nicht jeder, aber ich bin jemand, die bei Beschreibungen wie, "er fuhr sich über den Schnurrbart, wie um bei ihm Trost zu suchen", innerlich kleine Raketen abfeuert, weil man so etwas nicht alle Tage zu lesen bekommt. Zugegeben, dass man bei diesem Buch als Leser/in selbst eine kleine Zeitreise unternimmt, ist ein hübsches "Schmankerl", aber das hat mich bei Weitem nicht so glücklich gemacht, wie die vielen kleinen und großen Lebensweisheiten, die überall eingebaut sind. Es geht um das Leben ansich und um die Menschen um einen herum, denn im Grunde genommen ist das, was einem passiert, im Laufe der Zeit mit Sicherheit auch schon anderen passiert. Alles wiederholt sich, alles ist ein ständiger Kreislauf und von diesem Kreislauf handelt auch dieses Buch. Von den großen und kleinen Dingen des Lebens: von Kriegen, Krisen, von Schmerz, von Fehlern, von der Liebe, von Antworten, von Freude, von Verlust, dem Fortschritt, der Einsicht, der Enttäuschung, den Fragen, dem Auf, dem Ab, der Trauer, den Träumen, von dem Sinn hinter allem und dem Weg dorthin.
Fazit: "Wie man die Zeit anhält" ist ein absolutes Wohlfühlbuch, was ich unglaublich gerne gelesen habe. Es ist eins dieser Bücher was angenehm nachklingt, einen bereichert, zu dem man immer wieder greifen und lange lange von zehren kann.
"Doch je länger man lebt, desto deutlicher erkennt man, dass nichts unverrückbar feststeht. Jeder Mensch wäre irgendwann ein Flüchtling, wenn er nur lange genug lebte. Jeder würde sehen, dass Nationalität auf lange Sicht wenig Bedeutung hat. Jeder würde erleben, dass sein Weltbild auf den Kopf gestellt und seine Überzeugungen widerlegt werden. Jeder würde begreifen, dass es nur eine Sache gibt, die den Menschen ausmacht, und das ist echte Menschlichkeit." [S. 60]
Ein ganz großes Dankeschön an https://www.lovelybooks.de die mir im Rahmen eines Leserunde, ein kostenloses Exemplar dieses Buches zur Verfügung gestellt haben....more
Ich glaube, ich habe bei noch keinem Buch so lange über die Bewertung nachdenken müssen, wie bei "1984" von George Orwell. Das Buch ist auf seine Art Ich glaube, ich habe bei noch keinem Buch so lange über die Bewertung nachdenken müssen, wie bei "1984" von George Orwell. Das Buch ist auf seine Art großartig, gleichzeitig aber auch einfach so voller, fast schon unerträglich vieler, Widersprüchlichkeiten. Da ich annehme, dass Orwell das beabsichtigt hat, um ein Instrument zu haben, mit dem er seine Gegenwart und seinen Weltschmerz verabeiten konnte, sind es letztendlich dann doch 4 Sterne geworden. Zumal das Buch das Genre "Dystopie" mit Sicherheit nachhaltig geprägt hat. Abgesehen davon muss man "Kunst" nicht immer verstehen, sondern kann sie auch einfach mal annehmen; so wie sie ist. Mein Wort zum Sonntag. :D...more
Da ich hauptsächlich nur die üblichen Romane lese, habe ich mich anfangs etwas schwer mit dem Buch getan, denn einen richtigen Handlungsbogen sucht maDa ich hauptsächlich nur die üblichen Romane lese, habe ich mich anfangs etwas schwer mit dem Buch getan, denn einen richtigen Handlungsbogen sucht man erstmal vergebens. Wenn man mich fragt, könnte ich wahrscheinlich noch nicht mal sagen, welchem Genre ich das Buch zuordnen würde. Bei Amazon wird es als "Gegenwartsliteratur" kategorisiert, also hatten die wahrscheinlich ein ähnliches Problem. Das Buch unterscheidet sich definitiv von Allem, was ich bisher gelesen habe. Die um die 40-jährige Protagonistin, deren Namen man nicht erfährt, hat über nichts und niemanden etwas Gutes zu sagen. Sie lebt in den Tag hinein, vegetiert so vor sich hin und meckert was das Zeug hält. Letzteres macht sie teilweise aber so extrem und überspitzt, dass ich stellenweise fast in mein Kissen gebissen hätte vor Lachen. Sofern man schwarzhumorig veranlagt ist und kein Problem mit Kraftausdrücken hat, unterhält das Buch ungemein. Jemand der unter depressiven Verstimmungen leidet oder sonstwie zart besaitet ist, sollte aber lieber nicht zu dem Buch greifen, denn sobald die Autorin, ab ungefähr der Mitte des Buches, erstmal den "roten Faden" aufnimmt, wird die Geschichte immer düsterer. Weite Teile Deutschlands werden Opfer von Bomenanschlägen und die Protagonistin findet sich bald darauf in einer postapokalyptischen Welt voller Tod, Krankeiten und Verzweiflung wieder. In dem ganzen Chaos beschließt sie dann allerdings ihr "Dahinvegetieren" aufzugeben und ihr Leben neu auszurichten, was meiner Meinung nach perfekt zu der allgemeinen Absurdität des Buches passt. Sibylle Berg hält sich in ihrem Werk schriftstellerisch an keine Regeln, Formen oder Vorgaben. Sie hat einfach drauflosgeschrieben und in das Buch alles mit einfließen lassen, was ihr zu den einzelnen Themen durch den Kopf gegangen ist. Ohne große Umschweife, auf den Punkt, brutal ehrlich, gesellschaftskritisch und herrlich direkt. Unterhaltungen zwischen Personen passieren kaum, stattdessen gibt es kleine "O-Ton-Abschnitte" in denen sich die Personen, denen die Protagonistin im Laufe der Geschichte über den Weg läuft, zu Wort melden; einer zerstörter als der andere. Es ist mir unbegreiflich, wie Sybille Berg diese ganzen Dinge eingefallen sind und sie es dann auch noch geschafft hat, diese so grandios in Worte zu fassen. Einiges davon fand ich abstoßend, einiges unglaublich lustig, einiges geschmacklos und bei einigen Dingen spricht sie mir direkt aus der Seele. Sie hat Worte für Sachen gefunden die ich gefühlt habe, aber niemals in der Form hätte beschreiben können: Richtig schön "mit Schmackes auf die Fresse". Definitiv kein Buch was ich so schnell vergessen werde!...more