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Die Dämonenfürsten III: Der Palast der Liebe
Die Dämonenfürsten III: Der Palast der Liebe
Die Dämonenfürsten III: Der Palast der Liebe
eBook299 Seiten3 Stunden

Die Dämonenfürsten III: Der Palast der Liebe

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Über dieses E-Book

»Es gibt viele Arten von Liebe«, sagte Viole Falushe. »Die Palette ist groß, und sie alle haben zur Erschaffung des Palastes beigetragen. Nicht alle meiner Gäste werden dies herausfinden und nicht jedem wird jedes Stadium gewährt werden. Für einige wird der Palast nach nicht mehr als einer Ferienzuflucht aussehen. Andere wird verfolgen, was als unnatürliche Schönheit beschrieben worden ist. Sie ist allgegenwärtig: in jedem Detail, jeder Aussicht. Sie werden mich nicht sehen, obwohl ich im Geiste immer in Ihrer Mitte sein werde. Es gibt keine Spionvorrichtungen, keine Geräuschübertragungen, keine Sichtzellen. Rügen Sie mich, wenn Sie es wollen, schmähen Sie mich, loben Sie mich – ich kann es nicht hören. Mein einziges Entgelt ist der Akt der Schöpfung und die Wirkung, welche er auslöst. Möchten Sie einen Blick auf den Palast der Liebe erhaschen? Dann drehen Sie sich auf Ihren Plätzen um!«
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum14. Jan. 2022
ISBN9781619474222
Die Dämonenfürsten III: Der Palast der Liebe
Autor

Jack Vance

"An American writer of mystery, fantasy, and science fiction, he is famous for his Dying Earth series, as well as for award-winning works such as The Dragon Masters and The Last Castle. In 1984, he won the World Fantasy Award for Life Achievement. Before Fame He worked as a rigger at the Kaiser Shipyard in Richmond, California. He published his first science fiction novella, Son of the Tree, in 1951. Born August 28, 1916, Died May 26, 2013 (age 96)"

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    Buchvorschau

    Die Dämonenfürsten III - Jack Vance

    Jack Vance

    Die Dämonenfürsten III:

    Der Palast der Liebe

    Edition

    Andreas Irle

    Hunschlade 27

    51702 Bergneustadt

    2022

    Originaltitel: The Palace of Love

    Copyright © 1967, 2013 by Jack Vance

    Originalausgabe: The Palace of Love – New York: Berkley, 1967

    Deutsche Erstausgabe: Der Dämonenprimz – Heyne: München, 1969

    Copyright © dieser Ausgabe 2022 by Spatterlight Press

    Titelbild: David Russell

    Satz: Andreas Irle

    Übersetzung: Andreas Irle

    Lektorat: Thorsten Grube, Gunther Barnewald

    ISBN 978-1-61947-422-2

    V01 2022-01-14

    spatterlight.de

    Management: John Vance, Koen Vyverman

    Übersetzung der Gedichte

    und Anmerkungen

    im Anhang von

    Gisbert Haefs

    E-Book Distribution: XinXii

     www.xinxii.com

    logo_xinxii

    Das Buch

    »Es gibt viele Arten von Liebe«, sagte Viole Falushe. »Die Palette ist groß, und sie alle haben zur Erschaffung des Palastes beigetragen. Nicht alle meiner Gäste werden dies herausfinden und nicht jedem wird jedes Stadium gewährt werden. Für einige wird der Palast nach nicht mehr als einer Ferienzuflucht aussehen. Andere wird verfolgen, was als unnatürliche Schönheit beschrieben worden ist. Sie ist allgegenwärtig: in jedem Detail, jeder Aussicht. Sie werden mich nicht sehen, obwohl ich im Geiste immer in Ihrer Mitte sein werde. Es gibt keine Spionvorrichtungen, keine Geräuschübertragungen, keine Sichtzellen. Rügen Sie mich, wenn Sie es wollen, schmähen Sie mich, loben Sie mich – ich kann es nicht hören. Mein einziges Entgelt ist der Akt der Schöpfung und die Wirkung, welche er auslöst. Möchten Sie einen Blick auf den Palast der Liebe erhaschen? Dann drehen Sie sich auf Ihren Plätzen um!«

    Der Autor

    Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren.

    Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht.

    Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.

    Informationen über ihn und sein Werk finden Sie hier:

    www.editionandreasirle.de

    Kapitel I

    Aus Populäres Handbuch der Planeten, 348. Auflage, 1525.

    Sarkovy:

    Einziger Planet von Phi Ophiuchi.

    Planetarische Konstanten:

    Durchmesser: 15.360 Kilometer

    Masse: 1,40

    Siderischer Tag: 37,2 Stunden

    G: 0,98

    etc.

    Sarkovy ist feucht und wolkenverhangen. Da die Achse normal zur Umlaufebene steht, kennt die Welt keine Jahreszeiten.

    Der Oberfläche mangelt es an physiografischen Kontrasten. Die charakteristischen Merkmale der Landschaft sind die Steppen: die Hopmansteppe, die Gorobundursteppe, die Große Schwarze Steppe und andere … Aus der reichhaltigen Flora filtern und destillieren die berüchtigten Sarkoy-Venefizen die Gifte, für welche sie berühmt sind.

    Die Bevölkerung ist zum größten Teil nomadisch, obwohl gewisse Stämme, zusammengefasst als Nachthobs bekannt, zwischen den Wäldern leben. (Für detailliertere Informationen in Bezug auf die recht erschreckenden Sitten der Sarkoy konsultieren Sie die Enzyklopädie der Soziologie und Die Sexualgewohnheiten der Sarkoy von B. A. Edgar).

    Der Sarkoy-Pantheon wird beherrscht von Godogma, welcher eine Blume und einen Dreschflegel hält und auf Rädern geht. Überall in den Sarkoy-Steppen stößt man auf hohe Pfähle mit darauf angebrachten Rädern, die Godogma preisen, den schreitenden, rollenden Gott des Schicksals.

    Nachrichtenbericht im Rigellanischer Kurier, Avente, Alphanor:

    Paing, Godoland, Sarkovy; 12. Juli:

    Als müsse Claris Adam getötet werden, weil sie William Wales betrogen hat:

    Als müsse Abbatram von Pamfile verflüssigt werden, weil er zu streng riecht:

    Als müsse Diakon Fitzbah von Shakerstadt wegen eines Übermaßes an Eifer geopfert werden:

    Heute kam von Sarkovy die Nachricht, dass Meister-Venefize Kakarsis Asm mit »der Gilde zusammenarbeiten« muss, weil er Gift verkauft hat.

    Die Umstände sind natürlich nicht derart einfach. Asms Kunde, kein gewöhnlicher Mörder, war Viole Falushe, einer der »Dämonenfürsten«. Die Essenz des Verbrechens war weder »Umgang mit einem berüchtigten Kriminellen« noch »Verrat von Gildegeheimnissen«, sondern eher »Verkauf von Festpreisgiften zum Rabatt«.

    Kakarsis Asm muss sterben.

    Und wie? Wie wohl?

    Je länger Alusz Iphigenia in der Gesellschaft von Kirth Gersen reiste, desto unsicherer war sie sich, dass sie seine Persönlichkeit verstand. Seine Stimmungen verblüfften sie, sein Benehmen war ein Quell der Befürchtungen. Die Bescheidenheit und Zurückhaltung – waren sie Inversion, brütender Zynismus? Die bedachtsame Höflichkeit – konnte sie nicht mehr sein als unheimliche Tarnung? Solche Fragen kamen ihr in ansteigender Häufigkeit in den Sinn, einerlei wie standhaft sie sie zurückwies.

    Bei einer Gelegenheit – es war am 22. Juli 1526; sie saßen auf der Esplanade von Avente vor der Großen Rotunde – versuchte Gersen, die scheinbaren Widersprüche seines Charakters zu erklären. »Da gibt es wirklich kein Geheimnis. Ich bin auf eine bestimmte Funktion hin ausgebildet worden. Das ist alles, was ich kenne. Um meine Ausbildung zu rechtfertigen, mein Leben zu erfüllen, führe ich diese Funktion aus. So einfach ist das.«

    Alusz Iphigenia kannte Gersens Vergangenheit in groben Umrissen. Die fünf »Dämonenfürsten«, welche sich zum historischen Überfall auf Mount Pleasant zusammengeschlossen hatten, hatten fünftausend Männer und Frauen getötet oder versklavt. Unter der Handvoll Überlebender befanden sich Rolf Gersen und sein junger Enkel. Alusz Iphigenia machte sich klar, dass eine solche Erfahrung das Leben eines jeden verändern musste. Dennoch, sie selbst hatte ebenfalls Tragödien und Schrecken erlebt. »Ich habe mich nicht geändert«, sagte sie ernst zu Gersen. »Ich verspüre weder Zorn noch Hass.«

    »Mein Großvater verspürte den Zorn und den Hass«, entgegnete Gersen in einem ziemlich schnippischen Ton. »Soweit es mich betrifft, ist der Hass abstrakt.«

    Alusz Iphigenia wurde noch unruhiger. »Sind Sie denn nur noch ein Mechanismus? Es ist unvernünftig, das Instrument des Hasses für jemand anderen zu sein!«

    Gersen grinste. »Das ist nicht ganz richtig. Mein Großvater hat mich ausgebildet oder vielmehr hat mich trainieren lassen und ich bin ihm dankbar. Ohne das Training wäre ich tot.«

    »Er muss ein schrecklicher Mann gewesen sein, einem Kind so den Verstand zu verdrehen!«

    »Er war ein hingebungsvoller Mann«, erwiderte Gersen. »Er hat mich geliebt und angenommen, dass ich seine Hingabe teile. Das habe ich und ich tue es noch.«

    »Aber was ist mit der Zukunft? Ist Rache alles, was Sie vom Leben erwarten?«

    »›Rache‹? … Ich denke nicht. Ich habe nur ein Leben zu leben und ich weiß, was ich zu erreichen hoffe.«

    »Aber weshalb versuchen Sie nicht, das gleiche Ziel durch eine gesetzliche Einrichtung zu erreichen? Ist das nicht ein besserer Weg?«

    »Es gibt keine gesetzliche Einrichtung. Nur die IPCC*, welche insgesamt nicht sehr effektiv ist.«

    * IPCC: Interwelten Polizei Coordinierungs Compagnie – in der Theorie eine Privatorganisation, die den Polizeisystemen der Ökumene spezielle Beratung, eine zentrale Informationsdatei und kriminologische Laboratorien bereitstellt. In der Praxis eine der Regierung übergeordnete Agentur, die gelegentlich als das Gesetz selbst fungiert. Die Aktien der Gesellschaft sind weit verbreitet und, obgleich sie keinen großen finanziellen Rückfluss abwerfen, sehr gefragt.

    »Weshalb bringen Sie dann nicht die Angelegenheit vor die Menschen des Concourses und die anderen wichtigen Welten? Sie haben die Energie, Sie haben mehr als genug Geld. Ist das nicht besser, als Menschen mit Ihren eigenen Händen zu töten?«

    Gersen hatte keine rationalen Gegenargumente. »Das sind nicht meine Talente«, sagte er zu ihr. »Ich arbeite allein mit dem, was ich am besten kann.«

    »Aber Sie könnten lernen!«

    Gersen schüttelte den Kopf. »Wenn ich mich auf Worte und Reden einlasse, locke ich mich selbst in die Falle – ich würde nutzlos werden.«

    Alusz Iphigenia erhob sich. Sie ging zur Balustrade und blickte über den Thaumaturgischen Ozean. Gersen musterte ihr klares Profil, die stolze Haltung, als hätte er sie vorher noch nie gesehen. Es nahte die Zeit, da er sie verlieren musste und alles, was leicht und frisch und unkompliziert war, würde aus seinem Leben verschwinden. Die Brise spielte mit ihrem hellen Haar. Sie blickte hinunter in das blaue Wasser, beobachtete das spielende Glitzern und Aufblitzen des Rigellichtes. Gersen seufzte, hob eine Zeitung auf und überflog missmutig die erste Seite.

    KOSMOLOGE GETÖTET

    Hyrcan Major greift Campinggesellschaft an

    Gersen ließ seinen Blick über den Text gleiten:

    Trovenei, Phrygien; 21. Juli:

    Johan Strub, Verfechter der Sternen-Einfang-Theorie, welche die ursprüngliche Herkunft der Concourse-Welten dem Blauen Begleiter zuschreibt, wurde gestern von einem ausgewachsenen Hyrcan Major angefallen und nahezu auf der Stelle getötet. Dr. Strub und einige Mitglieder seiner Familie erforschten die Midasberge des oberen Phrygiens und überquerten unwissentlich die Elfingplattform eines Königtiers. Bevor andere seiner Gesellschaft in der Lage waren, den zwei Meter fünfzig großen Menschenfresser zu töten, hatte Dr. Strub bereits einige tödliche Schläge erlitten.

    Dr. Strub ist hauptsächlich bekannt wegen seiner Bemühungen zu beweisen, dass Blauer Begleiter und die sechsundzwanzig Welten des Concourses ursprünglich ein unabhängiges System waren, welches in das Schwerefeld von Rigel hineinwanderte. Ein solcher Umstand würde die Ungleichheit im Alter der Concourse-Welten und Rigel, einem vergleichsweise jungen Stern, erklären …

    Gersen blickte auf. Alusz Iphigenia hatte sich nicht gerührt. Er las weiter:

    DAS MAGAZIN COSMOPOLIS VOR VERKAUF?

    Berühmtes altes Journal kurz vor Einstellung

    Direktoren unternehmen letzte Rettungsversuche

    London, England, Erde; 25. Juni:

    Die uralte Radian Verlagsgesellschaft versuchte heute, ein Notdarlehen aufzunehmen, um die chronischen jährlichen Defizite auszugleichen, welche durch die Veröffentlichung von Cosmopolis, dem 792 Jahre alten Magazin, das dem Leben und den Angelegenheiten des zivilisierten Universums gewidmet ist, aufgelaufen sind. Sherman Zugweil, Vorsitzender des Direktorenkomitees von Radian, räumte ein, dass eine Krise bestehe, erklärte sich jedoch zuversichtlich, damit fertig zu werden und das tapfere alte Journal noch weitere achthundert Jahre in Umlauf zu halten …

    Alusz Iphigenia hatte ihre Position geändert. Mit den Ellbogen auf der Balustrade und in den Händen ruhendem Kinn studierte sie den Horizont. Als Gersen die sanften Konturen betrachtete fühlte er sich milder gestimmt. Er war mittlerweile ein Mann von beinahe unbegrenztem Wohlstand. Sie konnten ein Leben wundervoller Bequemlichkeit und Freude führen … Gersen überlegte eine ausgedehnte Minute, zuckte dann mit den Schultern und blickte zurück auf die Zeitung.

    SARKOVY GIFTMEISTER SOLL STERBEN

    GILDENREGELN VERLETZT

    Paing, Godoland, Sarkovy; 12. Juli:

    Als müsse Claris Adam getötet werden …

    Alusz Iphigenia blickte über die Schulter. Gersen las völlig vertieft die Zeitung. Sie schwang beleidigt herum. Das war eine Gelassenheit, wirklich! Während sie sich in ihren Zweifeln und Konflikten wand, las Gersen eine Zeitung: ein Akt demonstrativer Gefühllosigkeit!

    Gersen blickte auf, lächelte. Seine Stimmung hatte sich geändert. Er war lebendig geworden. Alusz Iphigenias Wut verebbte. Gersen war ein Mann jenseits ihres Verständnisses; ob er bei Weitem subtiler war als sie oder bei Weitem elementarer, würde sie niemals wissen.

    Gersen war aufgestanden. »Wir gehen auf eine Reise. Durch den Raum, in Richtung Ophiuchus. Sind Sie bereit?«

    »Bereit? Sie meinen jetzt sofort?«

    »Ja. Jetzt. Weshalb nicht?«

    »Aus keinem besonderen Grund … Ja, ich bin bereit. In zwei Stunden.«

    »Ich rufe den Raumhafen an.«

    Kapitel II

    Die Distis Raumschiffgesellschaft stellte neunzehn Modelle her, von der Version 9B bis zur prächtigen Distis Imperatrix, mit einem schwarz-goldenen Rumpf. Mit finanziellen Mitteln, die aus der epischen Beute von der Intertausch* stammten, hatte Gersen eine Pharao gekauft, ein geräumiges Schiff, ausgerüstet mit solchen Feinheiten wie einer automatischen Atmosphärenkontrolle, die während des Verlaufes der Reise den Luftdruck und die Luftzusammensetzung jener des Ziels anpasste.

    * Intertausch: eine Einrichtung auf dem Planeten Sasani im nahen Jenseits, die als Aufenthaltsort und Makler zwischen Entführern und jenen funktioniert, die Lösegeld zahlen wollen. Gersen hat die Intertausch um zehn Milliarden SVE (Standard Valuta Einheiten) betrogen.

    Rigel und der Concourse blieben hinter ihnen zurück. Voraus lag die sternenbesprenkelte Dunkelheit. Alusz Iphigenia studierte mit verwirrtem Stirnrunzeln das Sternenverzeichnis. »Ophiuchus ist kein Stern. Es ist ein Sektor. Wohin genau fliegen wir?«

    »Die Sonne ist Phi Ophiuchi«, sagte Gersen und nach einer kaum wahrnehmbaren Pause, »der Planet heißt Sarkovy.«

    »Sarkovy?« sie blickte rasch auf. »Ist das nicht, woher die Gifte kommen?«

    Gersen nickte knapp. »Die Sarkoy sind Giftmischer, daran besteht kein Zweifel.«

    Alusz Iphigenia blickte zweifelnd aus dem Vorderluk. Gersens Eile, Alphanor zu verlassen, hatte sie verwirrt. Sie hatte es einem unvermittelten Beschluss zugeschrieben, seinen Lebensweg zu ändern; nun war sie sich nicht mehr so sicher. Sie schlug das Handbuch der Planeten auf und las den Artikel über Sarkovy. Gersen stand am Arzneischrank und mischte ein konditionierendes Mittel zusammen, das gegen mögliche gefährliche Seren, Proteine, Viren und Bazillen von Sarkovy wirken sollte.

    Alusz Iphigenia fragte: »Weshalb wollen Sie zu diesem Planeten? Es scheint ein übler Ort zu sein.«

    »Ich möchte mit jemandem reden«, entgegnete Gersen gemessenen Tons. Er händigte ihr eine Tasse aus. »Trinken Sie das und Sie werden dem Jucken und der Räude entgehen.«

    Wortlos trank Alusz Iphigenia die Mixtur.

    ***

    Es gab keine Formalitäten auf Sarkovy. Gersen landete auf dem Raumhafen Paing, so nahe an der Station wie möglich, einem mit gefirnisstem Ried bedeckten Holzgebäude. Ein Angestellter trug sie als Besucher ein, und unverzüglich fielen einen Dutzend Männer über sie her, die dunkelbraune Gewänder mit gesträubten Fellkragen und Manschetten trugen. Jeder reklamierte für sich der beste Führer und Pate der Region zu sein. »Was wünschen Sie, mein Herr, meine Dame? Einen Besuch im Dorf? Ich bin ein Hetman …«

    »Wenn es der Sport der Harköde ist, den Sie suchen, ich kenne drei vorzügliche Tiere in wütendem Zustand.«

    »Gifte in Drachme oder Pfund. Ich garantiere Frische und Präzision. Vertrauen Sie mir, wenn es um Ihre Gifte geht!«

    Gersen blickte von Gesicht zu Gesicht. Einige der Männer waren auf der Wange mit einem dunkelblauen Malteserkreuz tätowiert; einer trug zwei solcher Tätowierungen. »Ihr Name?«

    »Ich bin Edelrod. Ich kenne die Überlieferungen von Sarkovy, wunderbare Geschichten. Ich kann Ihren Besuch zu einer einzigen Freude machen, zu einem Zeitraum der Erbauung …«

    Gersen stellte fest: »Wie ich sehe, sind Sie ein Venefize der Untermeister-Kategorie.«

    »Ganz recht.« Edelrod wirkte ein wenig niedergeschlagen. »Sie haben unsere Welt zuvor schon besucht?«

    »Für einen kurzen Zeitraum.«

    »Sie kommen, um Ihren Kasten wiederaufzufüllen? Seien Sie versichert, mein Herr, ich kann Sie zu faszinierenden Geschäften führen, zu absoluten Neuheiten.«

    Gersen nahm Edelrod beiseite. »Sind Sie bekannt mit Meister Kakarsis Asm?«

    »Ich kenne ihn. Er ist zur Zusammenarbeit verurteilt.«

    »Dann ist er noch nicht tot?«

    »Er stirbt morgen Abend.«

    »Gut«, meinte Gersen. »Dann werde ich Sie mieten, vorausgesetzt, Ihre Sätze sind nicht exorbitant.«

    »Ich gewähre mein Wissen, meine Freundschaft, meinen Schutz: alles für fünfzig SVE pro Tag.«

    »Einverstanden. Nun denn, unser erstes Bedürfnis ist eine Beförderung zu einem Gasthaus.«

    »Sofort.« Edelrod rief eine baufällige Karrete herbei. Sie rumpelten und holperten durch Paing zur Gift-Herberge, einem dreigeschossigen Gebäude mit Pfahlwänden, das mit grünen Glasfliesen verkleidet war, und ein Zwölfkegeldach besaß. Der großen Eingangshalle haftete eine barbarische Grandeur an. Läufer, gewoben in kühnen Mustern aus Schwarz, Weiß und Scharlachrot bedeckten den Boden; entlang der Wände befanden sich Pilaster, so geschnitzt, dass sie verhärmte Harikaps mit finsteren, hängenden Gesichtern darstellten; Ranken mit grünen Blättern und purpurnen Blüten hingen von den Dachbalken herunter. Dreißig Meter hohe Fenster überblickten die Gorobundursteppe mit einem schwarzgrünen Sumpf im Westen und einem dunklen Wald im Osten. Die Mahlzeiten wurden in einem gewaltigen Speisesaal eingenommen, der mit Tischen, Stühlen und Schanktischen aus hartem schwarzem Holz eingerichtet war. Zu Alusz Iphigenias Erleichterung schien die Küche von Außenweltlern geführt zu werden und ihnen wurde die Wahl zwischen sechs verschiedenen Küchen geboten. Sie misstraute dem Essen nichtsdestotrotz. »Nach allem, was wir wissen, ist es mit irgendeiner schrecklichen Droge gewürzt.«

    Gersen spielte ihre Bedenken herunter. »Sie würden kein gutes Gift an uns verschwenden. Ich kann nicht viel anderes garantieren. Dies ist Brot im Nomadenstil, die kleinen schwarzen Dinger sind Riedbeeren und dies ist eine Art Eintopf oder Gulasch.« Er kostete davon. »Ich habe schon schlechter gegessen.«

    Verdrießlich aß Alusz Iphigenia die Riedbeeren, welche einen dunstigen, rauchigen Geschmack besaßen. »Wie lange haben Sie vor zu bleiben?« fragte sie freundlich.

    »Etwa zwei Tage, vorausgesetzt alles geht gut.«

    »Ihre Geschäfte sind natürlich Ihre Angelegenheit, aber ich verspüre eine gewisse Neugierde …«

    »Da gibt es kein Geheimnis. Ich möchte Informationen von einem Mann beschaffen, der nicht mehr lange leben dürfte.«

    »Ich verstehe.« Doch es war klar, dass Alusz Iphigenia kein großes Interesse an Gersens Plänen hatte, und sie blieb in der Eingangshalle, während Gersen Edelrod aufsuchte.

    »Ich würde gern mit Kakarsis Asm sprechen. Kann das arrangiert werden?«

    Edelrod zog gedankenvoll an seiner langen Nase. »Eine heikle Angelegenheit. Er muss ›mit der Gilde zusammenarbeiten‹. Solche Menschen werden sorgfältig bewacht, aus offensichtlichen Gründen. Selbstverständlich kann ich versuchen, Vereinbarungen zu treffen. Sind Ausgaben ein kritischer Faktor?«

    »Natürlich. Ich erwarte, nicht mehr als fünfzig SVE in die Schatzkammer der Gilde zu zahlen, noch einmal fünfzig an den Gildemeister und möglicherweise zwanzig oder dreißig an Sie.«

    Edelrod schürzte die Lippen. Er war ein draller Mann ungewissen Alters, mit einem Pelz von weichem, dickem schwarzem Haar. »Ihre Freigebigkeit ist nicht von der ›königlichen‹ Art. Die Leute von Sarkovy respektieren unbekümmerte Freigebigkeit vor allen anderen Tugenden.«

    »Sofern ich die Zeichen richtig deute«, erwiderte Gersen, »habe ich Sie durch das Geld, welches ich augenscheinlich bereit bin auszugeben überrascht. Die Beträge, die ich erwähnt habe, sind die oberste Grenze. Wenn Sie die Angelegenheiten nicht zu diesen Sätzen arrangieren können, werde ich mich bei jemand anderem erkundigen.«

    »Ich kann nur mein Bestes geben«, versetzte Edelrod niedergeschlagen. »Bitte warten Sie in der Eingangshalle. Ich werde Erkundigungen einziehen.«

    Gersen ging davon und setzte sich neben Alusz Iphigenia, die ostentativ keine Fragen stellte … Edelrod kehrte nicht lange danach mit einem frohlockenden Ausdruck zurück. »Ich habe die Dinge in Bewegung gesetzt. Die Kosten werden nur geringfügig höher sein, als die Summen, welche Sie genannt haben.« Er schnippte triumphierend mit den Fingern.

    »Ich habe es mir anders überlegt«, meinte Gersen. »Ich möchte nicht mit Meister Asm sprechen.«

    Edelrod begann, die Fassung zu verlieren. »Aber es ist machbar. Ich bin an den Gildemeister herangetreten!«

    »Vielleicht bei einer anderen Gelegenheit.«

    Edelrod schnitt eine mürrische Grimasse. »Wenn ich sämtlichen persönlichen Gewinn außer Acht lasse, könnte ich die Angelegenheiten für eine geringfügige Summe arrangieren – für zweihundert SVE etwa.«

    »Die Information ist von keinem großen Wert. Ich reise morgen nach Kadaing ab, wo mein alter Freund Meister-Venefize Coudirou alles für mich regeln kann.«

    Edelrod hob die Augenbrauen und erlaubte seinen Augen hervorzuquellen. »Nun denn! Das ändert alles! Sie hätten Ihre Verbindung mit Coudirou erwähnen sollen. Ich glaube, der Gildemeister wird wesentlich weniger nehmen, als er zuvor verlangt hat.«

    »Sie kennen meine Höchstsumme«, erwiderte Gersen.

    »Nun gut«, seufzte Edelrod. »Das Gespräch kann später an diesem Nachmittag geführt werden … Was wünschen Sie in der Zwischenzeit zu tun? Möchten Sie die Landschaft erkunden? Das Wetter ist gut. Die Wälder erstrahlen vor Blumen, Heißbluten, Knallborken. Es gibt einen gut entwässerten Pfad.«

    Alusz Iphigenia, die unruhig gewesen war, erhob sich. Edelrod führte sie entlang eines Pfades, der einen brackigen Fluss überquerte und in den Wald tauchte.

    Die Vegetation war eine typische Sarkovy-Melange: Bäume, Sträucher, Palmfarne, Blasenschalen, Gräser Hunderter verschiedener Spielarten. Das hohe Laubwerk war zum größten Teil Schwarz und Braun mit gelegentlichen Klecksen von Rot. Weiter unten befanden sich die purpurnen, grünen und hellblauen Schattierungen. Edelrod belebte den Spaziergang, indem er über verschiedene Pflanzen am Wegesrand sprach. Er deutete auf einen kleinen grauen Pilz. »Hier haben wir die Quelle des Twitus, eines exzellenten anspruchsvollen Giftes, nur tödlich, wenn es zwei Mal innerhalb einer Woche eingenommen wird. In dieser Hinsicht kommt es Mervan gleich, was schadlos in die Haut einzieht und erst tödlich wirkt, wenn es dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt wird. Ich habe Personen gekannt, die aus Furcht vor Mervan tagelang in ihren Zelten geblieben sind.«

    Sie kamen auf eine kleine Lichtung. Edelrod blickte scharf in alle Richtungen. »Ich habe keine offenkundigen Feinde, aber verschiedene Leute sind vor Kurzem hier gestorben … Heute scheint alles gut zu sein. Sehen Sie diesen Baum, der dort an der Seite wächst.« Er deutete auf einen schlanken, weißborkigen jungen Baum mit runden gelben Blättern. »Einige nennen ihn Münzbaum, andere Taugenichts. Er ist vollkommen harmlos, sowohl als Grund- wie auch als Wirkstoff. Sie könnten ihn als Ganzes zu sich nehmen – Blätter, Borke, Mark, Wurzeln – und würden nichts anderes bemerken als eine Trägheit der Verdauung. Unlängst ärgerte

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