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DEUTSCHE NORM April 2005

DIN 4178
X
ICS 91.040.10 Ersatz für
DIN 4178:1978-08

Glockentürme
Belltowers

Clochers

Gesamtumfang 32 Seiten

Normenausschuss Bauwesen (NABau) im DIN


DIN 4178:2005-04

Inhalt

Seite

Vorwort.................................................................................................................................................................4
1 Anwendungsbereich..............................................................................................................................4
2 Normative Verweisungen ......................................................................................................................4
3 Begriffe....................................................................................................................................................5
4 Einwirkungen, Lastannahmen ..............................................................................................................7
4.1 Geläutetechnische Daten ......................................................................................................................7
4.2 Eigenlasten, Verkehrslasten, Windlasten............................................................................................8
4.3 Lasten aus Glockenläuten.....................................................................................................................8
4.3.1 Erregerkräfte...........................................................................................................................................8
4.3.2 Lagerkräfte............................................................................................................................................10
4.3.3 Zusammenwirken mehrerer Glocken.................................................................................................11
5 Berechnungen ......................................................................................................................................11
5.1 Baustoffe und Baustoffkennwerte .....................................................................................................11
5.1.1 Baustoffe...............................................................................................................................................11
5.1.2 Elastizitätsmoduln ...............................................................................................................................12
5.1.3 Dämpfungsgrade..................................................................................................................................12
5.2 Gründung ..............................................................................................................................................13
5.2.1 Allgemeines ..........................................................................................................................................13
5.2.2 Gründungsmodell ................................................................................................................................13
5.2.3 Dynamische Bodenparameter ............................................................................................................14
5.3 Berechnungsverfahren........................................................................................................................14
5.3.1 Grundsätzliches ...................................................................................................................................14
5.3.2 Modellbildung .......................................................................................................................................15
5.3.3 Ermittlung der Eigenschwingungen ..................................................................................................15
5.3.4 Beanspruchungen aus Glockenläuten ..............................................................................................15
6 Auslegung von Neubauten..................................................................................................................17
6.1 Allgemeines ..........................................................................................................................................17
6.2 Lastkombination ..................................................................................................................................17
6.3 Bemessung ...........................................................................................................................................17
6.3.1 Lastspielzahl.........................................................................................................................................17
6.3.2 Stahlbeton.............................................................................................................................................17
6.3.3 Mauerwerk.............................................................................................................................................17
6.3.4 Holz........................................................................................................................................................17
6.3.5 Stahl.......................................................................................................................................................18
6.3.6 Gründung ..............................................................................................................................................18
7 Messungen............................................................................................................................................18
7.1 Ziele und Grundanforderungen ..........................................................................................................18
7.1.1 Ziele .......................................................................................................................................................18
7.1.2 Allgemeine Anforderungen .................................................................................................................18
7.1.3 Nachmessungen ..................................................................................................................................18
7.1.4 Eigenschwingungen, Resonanzkurve ...............................................................................................18
7.1.5 Schwingungen beim Glockenläuten ..................................................................................................20
7.1.6 Anregung ..............................................................................................................................................20
7.2 Schwingungsmessung ........................................................................................................................20
7.2.1 Messanordnung ...................................................................................................................................20
7.2.2 Aufstellung der Aufnehmer.................................................................................................................21
7.2.3 Durchführung .......................................................................................................................................21
7.3 Messeinrichtung...................................................................................................................................21

2
DIN 4178:2005-04

Seite

8 Beurteilung und Sanierung von bestehenden Bauten..................................................................... 22


8.1 Allgemeines.......................................................................................................................................... 22
8.2 Bewertung des Bauwerks auf der Grundlage der Messergebnisse ............................................... 22
8.2.1 Bewertung auf Basis der Eigenschwingungen ................................................................................ 22
8.2.2 Bewertung auf Basis der Größtwerte der Schwingungen ............................................................... 23
8.2.3 Bewertung auf Basis einer Nachbemessung.................................................................................... 23
8.3 Beurteilung von historischem Mauerwerk ........................................................................................ 24
8.3.1 Allgemeines.......................................................................................................................................... 24
8.3.2 Ingenieurmäßige Untersuchungen .................................................................................................... 24
8.3.3 Beurteilung der Beanspruchbarkeit von historischem Mauerwerk................................................ 24
8.4 Minderungs- und Verbesserungsmaßnahmen ................................................................................. 25
8.4.1 Grundsätze und Ziele .......................................................................................................................... 25
8.4.2 Maßnahmen am Geläut ....................................................................................................................... 25
8.4.3 Maßnahmen an Bauwerk und Gründung .......................................................................................... 26
9 Glockentragwerk.................................................................................................................................. 26
9.1 Konstruktion......................................................................................................................................... 26
9.2 Läutebetrieb ......................................................................................................................................... 27
Anhang A (informativ) Glockenkennwerte...................................................................................................... 28
Anhang B (informativ) Bautechnik .................................................................................................................. 31
Literaturhinweise .............................................................................................................................................. 33

Bilder
Bild 1 — Benennungen....................................................................................................................................... 7
Bild 2 — Bezogene Amplituden der horizontalen Erregerkräfte.................................................................... 9
Bild 3 — Bezogene Amplituden der vertikalen Erregerkräfte ........................................................................ 9
Bild 4 — Größtwerte der bezogenen horizontalen und vertikalen Glockenlagerkräfte............................. 10
Bild 5 — Resonanzkurve und Ausschwingkurve bei künstlicher Schwingungsanregung
eines Turms....................................................................................................................................... 19
Bild A.1 — Prinzipskizze Jochausführung ..................................................................................................... 28

Tabellen

Tabelle 1 — Dynamische Elastizitätsmoduln von Mauerwerk ..................................................................... 12


Tabelle 2 — Dynamische Bodenkennwerte für Glockentürme .................................................................... 14
Tabelle 3 — Orientierungswerte der Schwinggeschwindigkeit bei Glockentürmen ................................. 23
Tabelle A.1 — Glockenkennwerte ................................................................................................................... 29

3
DIN 4178:2005-04

Vorwort
Diese Norm wurde vom Normenausschuss Bauwesen im DIN e.V. im Ausschuss 11.13.07 „Schwingungs-
fragen im Bauwesen; Glockentürme“ erarbeitet.

Änderungen

Gegenüber DIN 4178:1978-08 wurden folgende Änderungen vorgenommen:

a) In der Norm wurde die Beurteilung von bestehenden Glockentürmen stärker hervorgehoben.

b) In die Norm wurden detaillierte Angaben zu Schwingungsmessungen aufgenommen.

c) Die Norm wurde dem Konzept mit Teilsicherheitsbeiwerten angepasst.

d) Die Norm wurde redaktionell völlig überarbeitet.

Frühere Ausgaben

DIN 4178: 1978-08

1 Anwendungsbereich
Diese Norm gilt für den Neubau von Glockentürmen und für Umbauten sowie Sanierungen von bestehenden,
insbesondere historischen Glockentürmen und für Bauwerke, bei denen das Geläute erneuert, verändert oder
ergänzt werden soll.

Diese Norm enthält Berechnungsgrundlagen für Standsicherheitsnachweise und Gebrauchstauglichkeits-


nachweise, Anforderungen an Glockentragwerke und an die Durchführung von Schwingungsmessungen so-
wie konstruktive Hinweise zur Ausbildung von Glockentürmen.

2 Normative Verweisungen
Die folgenden zitierten Dokumente sind für die Anwendung dieses Dokuments erforderlich. Bei datierten Ver-
weisungen gilt nur die in Bezug genommene Ausgabe. Bei undatierten Verweisungen gilt die letzte Ausgabe
des in Bezug genommenen Dokuments (einschließlich aller Änderungen).

DIN 1045-1, Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton — Teil 1: Bemessung und Konstruktion

DIN 1052, Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holzbauwerken — Allgemeine Bemessungsregeln und
Bemessungsregeln für den Hochbau

DIN 1053-1:1996-11, Mauerwerk — Teil 1: Berechnung und Ausführung

DIN 1054, Baugrund — Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau

DIN 1055-1, Einwirkungen auf Tragwerke — Teil 1: Wichten und Flächenlasten von Baustoffen, Bauteilen und
Lagerstoffen

DIN 1055-3, Einwirkungen auf Tragwerke — Teil 3: Eigen- und Nutzlasten für Hochbauten

DIN 1055-4, Einwirkungen auf Tragwerke — Teil 4: Windlasten

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DIN 4178:2005-04

DIN 1055-5, Einwirkungen auf Tragwerke — Teil 5: Schnee- und Eislasten

DIN 1055-100, Einwirkungen auf Tragwerke — Teil 100: Grundlagen der Tragwerksplanung — Sicherheits-
konzept und Bemessungsregeln

DIN 1074, Holzbrücken

DIN 1311-1, Schwingungen und schwingungsfähige Systeme — Teil 1: Grundbegriffe, Einteilung

DIN 4020, Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke

DIN 4074-1, Sortierung von Holz nach der Tragfähigkeit — Teil 1: Nadelschnittholz

DIN 4074-5, Sortierung von Holz nach der Tragfähigkeit — Teil 5: Laubschnittholz

DIN 18800, Stahlbauten; Bemessung und Konstruktion

DIN 18800-1:1990-11, Stahlbauten; Bemessung und Konstruktion

DIN 18801:1983-09, Stahlhochbau; Bemessung, Konstruktion, Herstellung

DIN 45669-1, Messung von Schwingungsimmissionen — Teil 1: Schwingungsmesser; Anforderungen,


Prüfung

DIN 68800-1, Holzschutz im Hochbau — Allgemeines

DIN EN 10025, Warmgewalzte Erzeugnisse aus unlegierten Baustählen; Technische Lieferbedingungen (ent-
hält Änderung A1:1993); Deutsche Fassung EN 10025:1990

DIN V ENV 1993-1-1, Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten; Teil 1-1: Allgemeine
Bemessungsregeln, Bemessungsregeln für den Hochbau; Deutsche Fassung ENV 1993-1-1:1992

DIN EN ISO 12944-1, Beschichtungsstoffe — Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungs-


systeme — Teil 1: Allgemeine Einleitung (ISO 12944-1:1998); Deutsche Fassung EN ISO 12944-1:1998

DASt 009:1998-09, Empfehlungen zur Wahl der Stahlsorte für geschweißte Stahlbauten

Bauregelliste A und B, Teil 1 und Teil 21)

3 Begriffe
Für die Anwendung dieser Norm gelten die folgenden Begriffe:

3.1
Glockenturm
Bauwerk, das durch schwingende Glocken beansprucht wird

1) zu beziehen bei "Deutsches Informationszentrum für technische Regeln (DITR)"

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DIN 4178:2005-04

3.2
Nominal
der aus dem Gesamtklang heraus hörbare Hauptton der Glocke

3.3
Klöppelanschlagszahl
A
die Anzahl der Klöppelschläge je Minute im eingeschwungenen Zustand der Glocke

3.4
Glockenschwingfrequenz
f
es besteht zwischen Glockenschwingfrequenz f und der Klöppelanschlagszahl A die Beziehung

A
f  [Hz] (1)
120

3.5
Anregungskreisfrequenz

ergibt sich aus

€ A
"  2 ! f  [1 / s] (2)
60

3.6
Frequenz der harmonischen Glockenteilschwingung
fi
die Anzahl der Schwingungen je Sekunde der i-ten Teilschwingung, die sich bei der harmonischen Analyse
der periodischen, nicht harmonischen Glockenschwingung ergibt:

f i € i  f [Hz] (3)

mit den Teilschwingzahlen i = 1, 2, 3 .....; nach DIN 1311-1 heißen die Teilschwingungen auch Harmonische

3.7
Bauwerkseigenfrequenz
fe
die Anzahl der Bauwerkseigenschwingungen je Sekunde; entspricht bei geringer Dämpfung in guter Nähe-
rung der Frequenz f0 der ungedämpften Eigenschwingung

ANMERKUNG Die Bauwerkseigenfrequenz wird in Hz angegeben.

3.8
Läutewinkel
!
der maximale Wert des Ausschlagwinkels (t) der Glocke im eingeschwungenen Zustand (siehe Bild 1)

6
DIN 4178:2005-04

Bild 1 — Benennungen

3.9
Glockendurchmesser
d
maximaler Durchmesser der Glocke an der Schärfe

3.10
Formbeiwert
c
m  s2
c (4)
Js € m  s2

Dabei ist

s der Abstand des Schwerpunktes der Glocke einschließlich Joch von der Drehachse;

m die Masse der Glocke einschließlich Joch;

Js das Massenträgheitsmoment der Glocke einschließlich Joch, bezogen auf die Schwerachse parallel
zur Drehachse (siehe Bild 1).

3.11
Glockenerregerkräfte
die aus harmonischen Anteilen in den Teilschwingfrequenzen zusammengesetzten, zeitlich veränderlichen
Glockenlagerkräfte

4 Einwirkungen, Lastannahmen

4.1 Geläutetechnische Daten


Von der Lieferfirma der Läuteanlage (Glockengießer) sind folgende technische Daten für jede Glocke anzu-
geben:

 Glockendaten: Nominal, Durchmesser, Gewicht und Ausführungsart (siehe Tabelle A.1);

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DIN 4178:2005-04

 vorgesehene Jochausführung;

 Läuteparameter: vorgesehene Klöppelanschlagszahl A und Läutewinkel ;

 Gewicht der Glocken-Ausrüstung (Joche, Klöppel, Motoren, Antriebe).

Bei vorhandenen Läuteanlagen sind die vorgenannten Daten vor Ort zu messen bzw. zu erheben. Für die
Ermittlung der Glockendaten und Läuteparameter darf, wenn keine genaueren Angaben verfügbar sind, nähe-
rungsweise Tabelle A.1 verwendet werden. Bei der Nummerierung der Glocken ist stets mit der Glocke mit
dem tiefsten Nominal zu beginnen (n = 1) und in aufsteigender Nominalfolge zu zählen.

4.2 Eigenlasten, Verkehrslasten, Windlasten

Die spezifischen Berechnungsgewichte zur Ermittlung der Eigenlasten sind DIN 1055-1 zu entnehmen, bei
historischen Bauwerken durch Einzeluntersuchungen zu ermitteln. Die Eigenlasten von Glocken, Glockenaus-
rüstung und Glockentragwerk sind nach Angabe der Lieferfirma (Glockengießerei, siehe 4.1) bzw. des pla-
nenden Ingenieurs anzusetzen.

Verkehrslasten sind nach DIN 1055-3 zu berücksichtigen. Für den Glockenstubenboden und alle Podeste, auf
denen Glocken abgesetzt werden können, ist bei neuen Türmen mindestens mit einer gleichmäßig verteilten
Verkehrslast von p = 5 kN/m2 zu rechnen. Montagelasten aus Glockentransport sind zu berücksichtigen.
Windlasten sind nach DIN 1055-4 anzusetzen, Schneelasten nach DIN 1055-5.

4.3 Lasten aus Glockenläuten

4.3.1 Erregerkräfte

Glocken sind Körperpendel, die zusammen mit Glockenturm und mechanischer sowie elektrischer Ausrüstung
ein gekoppeltes Schwingungssystem darstellen. Für die Belange der Baudynamik dürfen die Glocken nähe-
rungsweise entkoppelt vom Turm betrachtet werden. Die zeitlich veränderlichen Glockenlagerkräfte wirken
dann als Erregerkräfte auf den Glockenturm. Diese sind periodische Funktionen der Zeit, die aufgrund der
großen Läutewinkel neben der Grundschwingung auch Teilschwingungen höherer Ordnung enthalten.

Die aus der Schwingung der n-ten Glocke (n = 1, 2 ... N) auf das Bauwerk einwirkende horizontale Erreger-
kraft Hn(t) und vertikale Erregerkraft Vn(t) lassen sich wie folgt darstellen [1]:

H n (t )  H i
ni (t )  c n € Gn € 
i
h
ni € sin( "ni € t ), i  1, 3, 5... (5)

Vn (t )  V i
ni (t )  c n € Gn € 
i
v
ni € cos( "ni € t ), i  2, 4, 6... (6)

Dabei ist

Gn das Gewicht der n-ten Glocke einschließlich Joch;

cn der Formbeiwert der n-ten Glocke einschließlich Joch nach Gleichung (4), siehe Tabelle A.1;

 nih die vom Läutewinkel abhängige, bezogene Amplitude der horizontalen Erregerkraft (siehe Bild 2)
der n-ten Glocke in der i-ten Teilschwingung;

 niv die vom Läutewinkel abhängige, bezogene Amplitude der vertikalen Erregerkraft (siehe Bild 3) der
n-ten Glocke in der i-ten Teilschwingung;

!ni die Erreger-Kreisfrequenz der n-ten Glocke in der i-ten Teilschwingung ( = i " " An / 60).

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Die Erregerkräfte wirken an den Glockenlagern auf das Glockentragwerk und über dieses auf das Bauwerk.

Bild 2 — Bezogene Amplituden der horizontalen Erregerkräfte

Bild 3 — Bezogene Amplituden der vertikalen Erregerkräfte

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4.3.2 Lagerkräfte

Für Nachweise, bei denen der dynamische Einfluss der Glockenschwingungen vernachlässigbar ist, darf von
den zeitlichen Maximalwerten der einzelnen Glockenlagerkräfte ausgegangen werden:

max Hn = cn ! Gn ! #maxh( n) (7)

max Vn = cn ! Gn ! #maxv( n) + Gn (8)

zug Vn = cn ! Gn !#zugv( n) + Gn (9)

Die vom Läutewinkel abhängigen Größtwerte der bezogenen Lagerkräfte # können Bild 4 entnommen wer-
den. Da die maximalen Lagerkräfte in horizontaler und vertikaler Richtung nicht gleichzeitig auftreten, sind
zwei Fälle zu unterscheiden: max H mit zug V und max V (zug H = 0).

Bild 4 — Größtwerte der bezogenen horizontalen und vertikalen Glockenlagerkräfte

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4.3.3 Zusammenwirken mehrerer Glocken

Besteht das Geläute aus N Glocken, so sind bei den Nachweisen (siehe Abschnitt 6) deren Auswirkungen zu
überlagern. Ist Rn eine beliebige Auswirkung (Schnittkraft, Spannung, Verformung) der n-ten Glocke, so gilt

 für den Standsicherheitsnachweis und den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit:

"R "
N
Rges = n (10)
n 1

 für den Ermüdungsnachweis:

„ N 
1/ 2

 "Rn" + ‚‚  Rn2 
2

‚ n 3 
Rges = (11)
n 1 ƒ €

Rges ist dabei die resultierende Auswirkung des Gesamtgeläutes (Plenum). Gleichung (11) berücksichtigt, dass
bei vielen Glocken die absolute Summe der Auswirkungen nur selten erreicht und damit nicht ermüdungsrele-
vant wird. Der Beitrag der 4. und aller weiteren Glocken wird daher nur als Erwartungswert addiert.

5 Berechnungen

5.1 Baustoffe und Baustoffkennwerte

5.1.1 Baustoffe

5.1.1.1 Allgemeines

Es dürfen nur Baustoffe verwendet werden, die den technischen Baubestimmungen entsprechen und in der
Bauregelliste A, Teil 1 und Teil 2 enthalten sind. Für andere Baustoffe ist nach den bauaufsichtlichen Vor-
schriften die Brauchbarkeit unter Berücksichtigung der Dauerfestigkeit durch eine allgemeine bauaufsichtliche
Zulassung, ein Prüfzeichen oder eine Zustimmung im Einzelfall nachzuweisen. Bei Bauwerken und Bauteilen
aus Stahlbeton, Mauerwerk, Holz und Stahl dürfen folgende Baustoffe mit den angegebenen Mindestgüten
verwendet werden.

5.1.1.2 Stahlbeton

Stahlbeton muss mindestens der Festigkeitsklasse C 25/30 nach DIN 1045-1 entsprechen.

5.1.1.3 Mauerwerk

Künstliche Steine müssen mindestens der Steinfestigkeitsklasse 8 MN/m² und Mörtel mindestens der Mörtel-
gruppe IIa nach DIN 1053-1 entsprechen. Bei Mauerwerk aus natürlichen Steinen sind Mauerwerksart, Mör-
telgruppe und Gesteinsart so zu wählen, dass sich nach DIN 1053-1:1996-11, Tabelle 14, mindestens eine
zulässige Druckspannung von 0,90 MN/m² ergibt.

5.1.1.4 Holz

Nadelholz muss mindestens der Sortierklasse S 10 bzw. bei maschineller Sortierung der Festigkeitsklasse C
24 nach DIN 4074-1 und Laubholz mindestens der Sortierklasse LS 10 bzw. bei maschineller Sortierung der
Festigkeitsklasse D 35 nach DIN 4074-5 entsprechen.

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5.1.1.5 Stahl

Baustähle müssen S 235 oder S 355 nach DIN EN 10025 entsprechen. Die DASt-Richtlinie 009 ist zu beach-
ten.

5.1.2 Elastizitätsmoduln

5.1.2.1 Stahlbeton

Da es sich bei Glockenturmschwingungen um relativ niederfrequente Schwingungen handelt, dürfen, sofern


keine genaueren Untersuchungen vorliegen, zur Ermittlung der Bauwerkseigenfrequenzen und der Schwin-
gungsbiegelinien die statischen E-Moduln nach DIN 1045-1 verwendet werden.

5.1.2.2 Mauerwerk

Da die Elastizitätsmoduln von Mauerwerk stark streuen, ist, falls keine genaueren Untersuchungen vorliegen,
die Ermittlung der Bauwerkseigenfrequenzen und der Schwingungsbiegelinien für die in Tabelle 1 angegebe-
nen Grenzwerte der dynamischen E-Moduln durchzuführen.

Tabelle 1 — Dynamische Elastizitätsmoduln von Mauerwerk

Steinfestigkeits- Mörtelgruppe Edyn


klassen
MN/m²
MN/m²
8 Ila 3 000 bis 7 000
III 4 000 bis 8 000
12 Ila 4 000 bis 8 000
III 5 000 bis 10 000
20 Ila 7 000 bis 11 000
III 8 000 bis 12 000

Für Verformungsberechnungen infolge statischer Belastung sind die Rechenwerte nach DIN 1053-1 zu ver-
wenden. Bei bestehenden Türmen sind die E-Moduln erforderlichenfalls durch Versuche nachzuweisen.

5.1.2.3 Holz

Für Holz dürfen, sofern keine genauen Untersuchungen vorliegen, zur Ermittlung der Bauwerkseigenfrequen-
zen und der Schwingungsbiegelinien die statischen E-Moduln nach DIN 1052 verwendet werden.

5.1.2.4 Stahl

Der dynamische E-Modul von Baustahl entspricht dem statischen E-Modul nach DIN 18800.

5.1.3 Dämpfungsgrade

Sofern keine genaueren Werte bekannt sind, dürfen folgende Mindestwerte für die modalen Dämpfungsgrade
$ des Bauwerks verwendet werden:

Stahlbeton $ = 0,010

Mauerwerk $ = 0,015

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Holz $ = 0,020

Stahl (geschraubt) $ = 0,010

Stahl (geschweißt oder HV-geschraubt) $ = 0,005.

5.2 Gründung

5.2.1 Allgemeines

Die durch das Läuten der Glocken hervorgerufenen Turmschwingungen werden wesentlich durch die Nach-
giebigkeit des Baugrundes unter dem Fundament beeinflusst. Die horizontale Auslenkung der Turmspitze
geht bei frei stehenden Türmen üblicherweise zu 20 % bis 40 % auf die Kippbewegung des Fundamentes zu-
rück. Durch die elastische Einspannung des Turms im Untergrund entsteht eine Kipp-/Biegeschwingung mit
niedrigerer Eigenfrequenz. Die Ausbildung des Fundaments beeinflusst somit nicht nur die Größe der Kipp-
bewegung, sondern auch die Eigenfrequenz (siehe 8.4.3).

5.2.2 Gründungsmodell

Bei flach gegründeten Türmen darf der Gründungskörper als eine in sich starre (monolithische) Platte, die
vollständig kraftschlüssig auf dem Boden aufliegt, betrachtet werden. Die elastische Reaktion des Bodens auf
Bewegungen dieser Platte wird dann durch Einzelfedern in dem jeweiligen Freiheitsgrad dargestellt. Die seitli-
che Einbettung kann dabei in der Regel vernachlässigt werden.

Im Allgemeinen sind nur die Kippschwingungen des Fundamentkörpers um horizontale Achsen in der Grün-
dungsebene, parallel zu den Bauwerksseiten, von Bedeutung. Die frequenzunabhängigen Drehfederkon-
stanten K können nach der Halbraumtheorie wie folgt berechnet werden [2], [3]:

8 G r03
K € (12)
3 (1  # )

4
r0  a 3 b / 3! (13)

Dabei ist

K die Drehfederkonstante (MNm);

a die Seitenlänge des Gründungskörpers rechtwinklig zur Kippachse (m);

b die Seitenlänge des Gründungskörpers parallel zur Kippachse (m);

G der dynamische Schubmodul des Bodens (MN/m²);

v die Querdehnzahl des Bodens.

Die vorstehende Beziehung gilt für einen homogenen Untergrund, kann aber auch für schwach geschichteten
Untergrund verwendet werden. Ein Grundwasserspiegel gilt in diesem Zusammenhang als schwache
Schichtgrenze.

Bei ausgeprägter Schichtung oder aufgelöstem Gründungskörper sind weitergehende Überlegungen erforder-
lich. Federkonstanten für andere Schwingungsformen (Translation, Torsion) finden sich in [2].

Für den Dämpfungsgrad der Kippbewegung $ darf als Mindestwert 0,02 angesetzt werden. Hiermit sind Ab-
strahlungsdämpfung und Materialdämpfung des Bodens erfasst. Der Dämpfungsgrad der Gesamtschwingung
kann aus dem Dämpfungsgrad der Kippbewegung und dem Dämpfungsgrad der Turmverformung (siehe

13
DIN 4178:2005-04

5.1.3) näherungsweise durch Wichtung entsprechend deren Anteilen an der Gesamtverformung ermittelt wer-
den.

5.2.3 Dynamische Bodenparameter

Wird der dynamische Schubmodul nicht durch Feld- oder Laborversuche im Einzelfall bestimmt, so darf ange-
nähert mit den Werten nach Tabelle 2 gerechnet werden. Bei der Ermittlung der Eigenfrequenz und der
Schwingungsbiegelinie ist in diesem Fall eine angemessene Parametervariation innerhalb der in der Tabelle
angegebenen Bandbreite vorzunehmen.

Wird der dynamische Schubmodul experimentell bestimmt, ist bei der Wahl der Versuchsverfahren zu berück-
sichtigen, dass die Beanspruchung sehr tieffrequent, d. h. quasi-statisch ist. Dies gilt besonders für bindigen
Boden.

Tabelle 2 — Dynamische Bodenkennwerte für Glockentürme

Bodenart Schubmodul Querdehnzahl


MN/m²

Sand, mitteldicht 20 bis 60

Sand, dicht 50 bis 110


0,30
Kiessand, ungleichförmig 70 bis 150

Kies, dicht 100 bis 170

Geröll, Steine, Schotter 100 bis 200 0,35

Ton, steif 10 bis 25

Ton, halbfest 20 bis 50 0,45

Ton fest 40 bis 90

Sandiger Ton, steif


10 bis 30
(Geschiebelehm, Lösslehm)
0,40
Sandiger Ton, halbfest
20 bis 50
(Lehm, Geschiebemergel, Löss)
weicher Fels
400 bis 1000 0,3 - 0,4
(Sandstein, Tonstein)

5.3 Berechnungsverfahren

5.3.1 Grundsätzliches

Dynamische Berechnungen sind in der Regel notwendig für den Neubau von Glockentürmen. Bestehende
Bauwerke können durch eine Berechnung allein im Allgemeinen nicht zutreffend beurteilt werden, weil Materi-
alkennwerte und Konstruktionsrandbedingungen stark streuen und nicht ausreichend genau ermittelt werden
können. Hier ist die Schwingungsmessung in der Regel der einzige erfolgversprechende Zugang. Eine dyna-
mische Berechnung — z. B. zur Auslegung von Ertüchtigungsmaßnahmen — erfordert zuvor eine Kalibrie-
rung des Schwingungsmodells mittels geeigneter Messungen.

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DIN 4178:2005-04

5.3.2 Modellbildung

Für die Schwingungsberechnung ist der Glockenturm durch ein mechanisches Modell abzubilden. Die Fein-
heit des Modells hinsichtlich Erfassung der Massen und Steifigkeiten ist dabei so zu wählen, dass alle räumli-
chen Eigenschwingungen des Turms bis zur 5. Teilschwingfrequenz der Glocke mit der höchsten Klöppelan-
schlagszahl dargestellt werden können.

ANMERKUNG In vielen Fällen ist es vorteilhaft, ein konsistentes Modell für die dynamischen Berechnungen und die
Verfolgung der Gebrauchslasten zu entwickeln. Bei aufgelösten Tragwerken kommen in der Regel Stabwerksmodelle in
Frage, bei scheibenartig ausgesteiften Konstruktionen Ersatzbalken oder direkt Schalen-/Faltwerksmodelle mittels des
Verfahrens der finiten Elemente. Schalen-/Faltwerksmodelle oder räumliche Balkensysteme sind vorteilhaft vor allem bei
unregelmäßigen Konstruktionen, bei denen räumlich gekoppelte Schwingungen auftreten.

Die Nachgiebigkeit der Gründungskonstruktion (z. B. Bodenplatte, Pfähle) und des Baugrunds ist stets zu be-
rücksichtigen. Angaben dazu enthält 5.2.

Die dynamischen Kennwerte der Baustoffe sind nach 5.1 anzusetzen.

Soweit Modellparameter nur in Grenzen bekannt sind, ist die Berechnung innerhalb der Bandbreite der Para-
meter so durchzuführen, dass die ungünstigsten Ergebnisse erzielt werden. Dies gilt vor allem für die Steifig-
keiten von Mauerwerk und Baugrund, vergleiche Tabellen 1 und 2.

Die Massenverteilung in Grundriss und Höhe ist wirklichkeitsnah zu erfassen. Verteilte Massen dürfen in an-
gemessener Weise zu Punktmassen zusammengefasst werden. Nichtständige Verkehrslasten und Montage-
lasten sind bei der Massenermittlung für die dynamische Berechnung zu vernachlässigen.

Der Glockenstuhl bzw. das Glockentragwerk (siehe 9.1) braucht für die Untersuchung des Turms in der Regel
nicht mit abgebildet zu werden, es sind jedoch die tatsächlichen Angriffshöhen der Horizontalkräfte aus
Glockenläuten zu modellieren. Das Glockentragwerk selbst kann dann an einem entkoppelten Modell unter-
sucht werden.

5.3.3 Ermittlung der Eigenschwingungen

Anhand des Modells nach 5.3.2 sind alle Eigenschwingungen bis zur 1,2fachen 5. Teilschwingfrequenz der
Glocke mit der höchsten Klöppelanschlagszahl zu ermitteln und graphisch darzustellen. Die Schwingungs-
hauptachsen in Höhe des Glockenpodestes sind anzugeben. Soweit bei einzelnen Parametern in Grenzen zu
rechnen ist, ist zu kennzeichnen, welcher Grenzfall den Ergebnissen zugrunde liegt.

ANMERKUNG Bei gedrungenen Türmen lässt sich häufig bereits mit einfachen Überschlagsformeln der Baudynamik
zeigen, dass die tiefste Eigenfrequenz hoch genug (siehe 6.1) liegt. Genauere dynamische Berechnungen können dann
entfallen, die Beanspruchungen aus Glockenläuten ergeben sich aus dem Ersatzlastverfahren (siehe 5.3.4.3).

5.3.4 Beanspruchungen aus Glockenläuten

5.3.4.1 Berechnungsverfahren

Für die nach 6.3 durchzuführende Bemessung werden die aus Glockenläuten resultierenden dynamischen
Beanspruchungen (Schnittkräfte, Spannungen, Verformungen) benötigt. Sie folgen im allgemeinen Fall aus
einer dynamischen Berechnung (siehe 5.3.4.2). Unter bestimmten Voraussetzungen darf an deren Stelle ein
Ersatzlastverfahren (siehe 5.3.4.3) treten [4].

5.3.4.2 Dynamische Berechnung

Ausgehend von den durch die Gleichungen (5) und (6) definierten dynamischen Belastungen kann für das in
5.3.2 definierte und zur Ermittlung der Eigenschwingungen (5.3.3) bereits verwendete Modell eine dynami-
sche Berechnung durchgeführt werden. Diese kann z. B. mittels der modalen Analyse im Zeitbereich oder —
da periodische Erregung — im Frequenzbereich erfolgen. Dabei genügt es in der Regel, sich erregungsseitig

15
DIN 4178:2005-04

auf die ersten 5 Teilschwingfrequenzen aller Glocken zu beschränken. Die Dämpfung der einzelnen Eigen-
schwingungen darf — sofern keine abweichenden Werte begründet werden — mit den in 5.1.3 und 5.2.2 an-
gegebenen Werten angesetzt werden. Die Zeit- bzw. Frequenzschrittweite ist so zu wählen, dass die Maxima
der Antwortgrößen erfasst werden.

5.3.4.3 Ersatzlastverfahren

An Stelle der dynamischen Berechnung darf zur Ermittlung der Beanspruchungen aus horizontalen Glocken-
erregerkräften das Ersatzlastverfahren treten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Die Glocken sind im oberen Drittel des Turms aufgehängt, weil dann die statische Schnittkraftverteilung
der dynamischen hinreichend ähnlich ist. Maßgebend für diese Bedingung ist hierbei die Höhe der Ein-
leitung der Horizontalkraft in den Turm, nicht die der Drehachse der Glocken. Der (im Allgemeinen leich-
te) Turmhelm zählt hierbei nicht mit.

b) Die Schwingungshauptachsen sind bekannt, so dass die Erregerkräfte in die Hauptachsen-Richtungen


zerlegt werden können.

c) Das Schwingungsverhalten in beiden horizontalen Hauptachsen-Richtungen ist hinreichend durch jeweils


nur eine Eigenschwingung, die Grundschwingung, bestimmt, deren Eigenfrequenz fe1 und Dämpfungs-
grad $1 bekannt sind.

ers
Nach dem Ersatzlastverfahren ist für die n-te Glocke die Ersatzlast H n wie folgt zu ermitteln:

  nih  DLFni  sign (1 € $0ni1 )  sin ("ni  t )


5
"
H ners  1,1  cn  Gn  max (14)
i 1

Darin gelten die Definitionen von 4.3.1 sowie der dynamische Lastfaktor

„Š 2‡ 2
1/ 2
‚ˆ Š "ni ‡ … Š "ni ‡ 
2

ˆ
DLFni = ‚ˆ1  ˆ … ˆ …
… … Œ ˆ 2€1 ‹  … 
‚ˆ‰ ‰  01 † …†
(15)
‰ 01 † 
ƒ €

Dabei ist i = 1, 3, 5 und

 01 € 2!  f 01 (16)

die Kreisfrequenz der für die betrachtete Schwingungsrichtung maßgebenden, ungedämpften Eigenschwin-
gung des Turms. Der Faktor 1,1 dient zur Abdeckung von Unschärfen des Ersatzlastverfahrens gegenüber
der genauen Berechnung. Mit der sign-Funktion wird berücksichtigt, dass die Antwortschwingungen des
Turms gleich- bzw. gegenphasig verlaufen, je nachdem, ob die Anregungsfrequenz unterhalb oder oberhalb
seiner Eigenfrequenz liegt.

Die Ersatzlasten je Glocke nach Gleichung (14) sind in Höhe der Glockendrehachse anzusetzen, die Bean-
spruchungen statisch zu ermitteln. Die Summation über die Beiträge mehrerer Glocken (Plenum) erfolgt nach
4.3.3.

16
DIN 4178:2005-04

6 Auslegung von Neubauten

6.1 Allgemeines

Als Grundlage für die dynamische Abstimmung sind die Turmeigenfrequenzen im Rahmen der bautechni-
schen Nachweise rechnerisch zu ermitteln (siehe 5.3).

Für neue Türme ist Hochabstimmung gegenüber der höchsten 3. Glockenteilschwingfrequenz anzustreben.
Dabei ist zur Berücksichtigung von Unschärfen bei der Modellbildung ein rechnerischer Resonanzabstand
 20 % einzuhalten.

Bei Glockentürmen, die mit angrenzender Bausubstanz kraftschlüssig verbunden sind, ist in der Regel eine
Kontrollmessung wegen der unvermeidlichen Ungenauigkeit bei der Modellbildung erforderlich. Gegenüber
den messtechnisch ermittelten Eigenfrequenzen ist in der Regel ein Resonanzabstand  10 % einzuhalten,
siehe aber 8.2.1.

6.2 Lastkombination

Die dynamischen Kräfte aus Glockenläuten sind als die hauptsächlichen veränderlichen Einwirkungen zu be-
trachten. Dafür ist ein Teilsicherheitsbeiwert Q = 1,5 anzusetzen.

Ständige Einwirkungen und veränderliche Einwirkungen sind in den einzelnen Lastfällen ungünstig zu kombi-
nieren. Im Ermüdungsnachweis müssen Einwirkungen aus Wind und aus Glockenlasten nicht überlagert wer-
den.

6.3 Bemessung

6.3.1 Lastspielzahl

Für den Lastfall Glockenläuten gilt eine Lastspielzahl von N > 5 106.

6.3.2 Stahlbeton

Glockentürme sind nach DIN 1045-1 zu bemessen. Der Ermüdungsnachweis kann nach den dort angegebe-
nen Verfahren geführt werden. Vereinfachend darf die Bemessung für vorwiegend ruhende Belastung durch-
geführt werden, wenn die Schnittgrößen aus dem Lastfall Glockenläuten mit einem Ermüdungsbeiwert µ = 3,0
multipliziert werden.

6.3.3 Mauerwerk

Die Bemessung von Glockentürmen in Mauerwerksbauweise ist nach DIN 1053-1 durchzuführen. Solange
keine ausreichenden Aussagen über die Ermüdungsfestigkeit von Mauerwerk vorliegen, sind die dynami-
schen Anteile der Bauteilspannungen aus den Glockenlasten im Ermüdungsnachweis mit einem Ermüdungs-
beiwert µ = 2,5 zu multiplizieren.

6.3.4 Holz

Die Bemessung von Glockentürmen in Holzbauweise ist nach DIN 1052 durchzuführen. Es dürfen nur
schlupfarme Verbindungsmittel verwendet werden.

Der Ermüdungsnachweis für normalkraftbeanspruchte Bauteile darf nach DIN 1074 geführt werden. Für den
Ermüdungsnachweis biege- und schubbeanspruchter Bauteile sind die dynamischen Anteile der Beanspru-
chungen aus den Glockenlasten mit einem Ermüdungsbeiwert µ = 2,5 zu multiplizieren. Dies gilt auch für alle
mechanischen Verbindungsmittel. Vereinfacht dürfen die dynamischen Anteile aller Beanspruchungen aus den
Glockenlasten für Holz und für Verbindungsmittel mit einem Ermüdungsbeiwert µ = 2,5 multipliziert werden.

17
DIN 4178:2005-04

6.3.5 Stahl

Die Bemessung von Glockentürmen in Stahlbauweise ist nach DIN 18800 durchzuführen. Als Schraubverbin-
dungen sind nur HV-Schrauben oder Passverbindungen zulässig.

Ob ein Betriebsfestigkeitsnachweis geführt werden muss, ist nach DIN 18800-1:1990-11, Element 741, zu
entscheiden. Der Betriebsfestigkeitsnachweis ist nach DIN V ENV 1993 durchzuführen.

6.3.6 Gründung

Falls der Baugrund nicht von anderen Baumaßnahmen her hinreichend bekannt ist, sind Erkundungsmaß-
nahmen nach DIN 1054 und DIN 4020 vorzunehmen. Die Einhaltung der Grenzzustände der Tragfähigkeit
und der Gebrauchstauglichkeit nach DIN 1054 ist nachzuweisen. Glockentürme sind in der Regel in die geo-
technische Kategorie GK 3 nach DIN 4020 einzuordnen. Die Vertikalkräfte aus Glockenläuten können bei der
Dimensionierung der Gründung in der Regel vernachlässigt werden.

7 Messungen

7.1 Ziele und Grundanforderungen

7.1.1 Ziele

Mit der Schwingungsmessung an Glockentürmen werden — mit zunehmenden Ansprüchen — mehrere Ziele
verfolgt:

! Feststellung, ob Maßnahmen zur Schwingungsminderung am Geläute/Turm erforderlich sind;

! Ermittlung der Resonanzabstände; Abschätzung von Art und Umfang der gegebenenfalls erforderlichen
Maßnahmen;

! Bereitstellung aller für die Planung von geläutetechnischen und baulichen Maßnahmen sowie für die Än-
derung und Ergänzung von Geläuten erforderlichen Größen.

7.1.2 Allgemeine Anforderungen

Schwingungsmessungen an bestehenden Glockentürmen sind so durchzuführen, dass alle Größen bestimmt


werden können, die zur Beurteilung des Schädigungs- bzw. Gefährdungspotentials der durch das Glocken-
läuten hervorgerufenen Schwingungen erforderlich sind [4]. Gegebenenfalls ist die Messung zusätzlicher
Größen notwendig, um Maßnahmen an der Läuteanlage zur Verminderung der Schwingungen und/oder ge-
eignete Maßnahmen am Bauwerk zu ermöglichen.
ANMERKUNG Bei bestehenden Bauwerken sind bei ungenügender Kenntnis der Konstruktion, insbesondere der
Gründung und der Baustoffkennwerte, im Allgemeinen Messungen die einzige Möglichkeit, das Schwingungsverhalten
des Turms zutreffend zu ermitteln.

7.1.3 Nachmessungen

Bei neu erstellten Glockentürmen sollte zur Überprüfung der Ergebnisse der Schwingsungsberechnung und
zur endgültigen Abstimmung des Geläutes eine Nachmessung erfolgen. Diese kann sich auf die Ermittlung
einzelner wesentlicher Schwingungsgrößen beschränken. Das Gleiche gilt nach Abschluss größerer Sanie-
rungsmaßnahmen an bestehenden Bauwerken.

7.1.4 Eigenschwingungen, Resonanzkurve

Die Messung aller relevanten Eigenfrequenzen des Turms ist erforderlich zur Berechnung der Resonanzab-
stände der Glockenteilschwingfrequenzen fni. Für die Messung ist der Turm in geeigneter Weise zu Schwin-
gungen anzuregen, siehe 7.1.6.

18
DIN 4178:2005-04

Die Bestimmung der Eigenschwingungen hat in zwei aufeinander rechtwinklig stehenden, horizontalen Rich-
tungen zu erfolgen, wobei eine mit der Schwingrichtung der für die Turmschwingung maßgebenden Glocken
zusammenfällt. Für die Messung ist ein elektronisches Schwingungsmesssystem einzusetzen. Die Resonanz-
kurve liefert die wesentlichen Informationen über das dynamische Verhalten des Turms. Die auf eine kon-
stante Anregungskraft (z. B. 1 kN) normierte Resonanzkurve des Schwingwegs dient zur Ermittlung der dy-
namischen Lasten aus Glockenläuten und lässt die Auswirkung von Veränderungen der Klöppelanschlagszahl
auf die Turmschwingung erkennen (siehe. 5.3.4.3).

Bild 5 zeigt ein Beispiel für eine gemessene Resonanzkurve und eine Ausschwingkurve zur Dämpfungser-
mittlung.

Bild 5 — Resonanzkurve und Ausschwingkurve bei künstlicher Schwingungsanregung


eines Turms

19
DIN 4178:2005-04

7.1.5 Schwingungen beim Glockenläuten

Bei der Schwingungsmessung mit Anregung des Turms durch Glockenläuten sind je nach Fragestellung zu
erfassen:

! Bei vollem Geläut und beim Läuten der Glocken einzeln der maximale horizontale Schwingweg des
Turms und die maximale Schwinggeschwindigkeit in der höchsten Ebene der Turmwand in der Glocken-
schwingrichtung und rechtwinklig dazu sowie die Torsionsschwingung. In Sonderfällen kann es notwen-
dig sein, auch Messungen im Turmaufsatz durchzuführen;

! die Glockenschwingfrequenzen (Klöppelanschlagszahlen);

! die Läutewinkel;

! die Biegeverformung des Turms und die Kippbewegung des Fundaments in der maßgebenden Schwin-
gungsrichtung bei vollem Geläut und beim Läuten der einzelnen Glocken. Hierbei kann es zur Gewinnung
von Eingangsgrößen für eine rechnerische Untersuchung erforderlich sein, durch geeignete Filterung der
Messsignale den Einfluss der Teilschwingungen 1., 3. und 5. Ordnung getrennt zu betrachten;

! bei Doppelturmanlagen die Schwingungen jeweils auch des Turms, in dem sich nicht die läutende Glocke
befindet;

! die dynamische Änderung von Rissbreiten.

7.1.6 Anregung

Bei der Eigenfrequenzmessung können unterschiedlich hohe Anforderungen an die Genauigkeit gestellt wer-
den.

Eine Ermittlung der Eigenschwingungen, welche zur Überprüfung des Resonanzabstandes dient oder mit
welcher Eingangswerte für eine Schwingungsberechnung gewonnen werden sollen, hat zur Aufdeckung von
eventuell vorhandenen Nichtlinearitäten in der Regel mit mindestens zwei unterschiedlichen Niveaus der
künstlich anregenden Kräfte zu erfolgen. Beim höchsten Belastungsniveau sollten die Horizontalantworten in
der obersten Messebene bei Resonanz in derselben Größenordnung liegen wie beim Läuten aller Glocken im
vorhandenen Zustand bzw. im Zustand nach ggf. erforderlichen Maßnahmen am Geläute oder am Turm.
Hierfür eignet sich z. B. ein Unwuchterreger. Ist dieses Anregungsniveau nicht erreichbar, ist die Untersu-
chung so durchzuführen, dass eine Extrapolation möglich ist.

Bei einer einfachen Orientierungsmessung kann die Anregung auch durch Wind, Stoß, Mikroseismik oder
kleine Unwuchterreger erfolgen. Damit wird der obere Grenzwert der Eigenfrequenzen bestimmt. Eine solche
Messung ist zur Beurteilung des Schwingungsverhaltens des Turms nur dann ausreichend, wenn dessen
Eigenfrequenz entweder deutlich unterhalb der tiefsten der 3. Teilschwingfrequenzen der Glocken liegt oder
so weit über der höchsten der 3. Teilschwingfrequenzen, dass eine mögliche Absenkung aufgrund nichtlinea-
rer Effekte bis zu 20 % sich hinsichtlich der Resonanz nicht wesentlich auswirkt.

7.2 Schwingungsmessung

7.2.1 Messanordnung

Die Zahl und Anordnung der Schwingungsaufnehmer richten sich nach der jeweiligen Fragestellung. Um alle
wesentlichen Schwingungsgrößen zu erfassen, sollten Aufnehmer in folgender Weise angeordnet werden:

! In der höchsten zugänglichen Messebene, die repräsentativ für die Schwingungen des Turmbauwerks ist,
je zwei Aufnehmer an den Außenwänden mit der Messrichtung horizontal, in Glockenschwingrichtung
und rechtwinklig dazu (maximale horizontale Auslenkung, Torsion);

20
DIN 4178:2005-04

! in möglichst gleichmäßigen Abständen über die Turmhöhe (oberste Messebene) verteilt zwei zusätzliche
Aufnehmer mit der Messrichtung horizontal in Glockenschwingrichtung, möglichst mittig (Biegung);

! im Bereich des Turmfundaments in der Ebene der Glockenschwingung auf beiden Seiten des Turms in
möglichst großem Abstand voneinander, Messrichtung vertikal (Fundamentkippung).

Werden nicht alle vorgenannten Aufnehmerpositionen gleichzeitig bestückt, so sind die Schwingungskompo-
nenten in mehreren Messanordnungen bei wiederholter Anregung (künstlich, Glockenläuten) abzufragen, wo-
bei mindestens zwei Referenzaufnehmer in der höchsten Messebene während der gesamten Messung un-
verändert bleiben.

Rissbreitenänderungen können aus der Differenz der Schwingwegsignale von zwei Aufnehmern, die auf bei-
den Seiten des Risses befestigt werden, oder durch direkte Wegmessung über den Riss hinweg ermittelt wer-
den.

ANMERKUNG Zweckmäßigerweise werden alle Schwingungsaufnehmer in derselben Messrichtung mit gleicher Orien-
tierung angeordnet, um die Betrachtung der Phasenlage zu erleichtern.

7.2.2 Aufstellung der Aufnehmer

Die Schwingungsaufnehmer sind sorgfältig in der jeweiligen Messrichtung auszurichten. Sie sind an festen
Bestandteilen des Turms anzubringen, lockere Steine, Holzbalken der Dachkonstruktion u. Ä. sind zu meiden.
Eine kraftschlüssige Befestigung der Aufnehmer ist nur erforderlich, wenn diese zu leicht sind oder keine ge-
eignete feste Aufstandsfläche zur Verfügung steht.

7.2.3 Durchführung

Vor jeder Messung ist vor Ort eine Funktionskontrolle der gesamten Messkette vorzunehmen. Nach Ab-
schluss ist ein Messbericht zu erstellen. Darin sind alle relevanten Daten der Messeinrichtung, der Durch-
führung der Messung und die Ergebnisse zu dokumentieren. Hinsichtlich der Messdauer gelten folgende
Anforderungen:

! Bei der Messung der Turmbewegung aufgrund des Glockenläutens ist der eingeschwungene Zustand
abzuwarten;

! die Registrierung und Auswertung jedes hinsichtlich der Frequenz elektronisch auszuwertenden Signals
haben über ein ununterbrochenes Zeitintervall von mindestens 100 s zu erfolgen;

! bei künstlicher Anregung mit einem Gleitsinus ist die Frequenzänderung so langsam vorzunehmen, dass
er bezüglich der Fragestellung einer quasi-stationären Anregung gleichkommt.

Bei Türmen, die gegenüber der 3. Teilschwingfrequenz einer maßgebenden Glocke tief abgestimmt sind, sind
zusätzlich die Ein- und Ausschwingvorgänge zu betrachten.

7.3 Messeinrichtung

Die Messeinrichtung muss in der Lage sein, die Schwingungen ab einer Frequenz von 0,3 Hz mit ausreichen-
der Genauigkeit zu erfassen. Soweit die Phasenlage für ein Ergebnis von Bedeutung ist, müssen bei den
hierfür eingesetzten Messkanälen die Aufnehmer- und Filtereigenschaften (Kennwerte) gleich sein.

Die Schwingungssignale sind so auf Datenträger zu registrieren, dass aus der Aufzeichnung alle erforder-
lichen Größen ermittelt werden können. Zur Erfassung der Signale ist ein mehrkanaliges Registriergerät zu
verwenden. Die Auswertemöglichkeiten müssen mindestens die Ermittlung der Maximalwerte der Schwin-
gungsgrößen und die Frequenzanalyse umfassen. Die Registrierung der Signale muss über ein ununter-
brochenes Zeitintervall von mindestens 100 s möglich sein.

21
DIN 4178:2005-04

ANMERKUNG Für bestimmte Aufgaben ist ein Gerät mit elektronischer Speicherfähigkeit der Originalsignale erforder-
lich.

Für die Ermittlung der Schwingungsgrößen muss die Genauigkeit über die gesamte Messkette besser als
10 % sein. Die Messeinrichtung ist in regelmäßigen Abständen zu kalibrieren.

Die Bestimmung der Frequenz hat mindestens mit einer Auflösung von 0,01 Hz zu erfolgen. Die Horizontal-
schwingungen des Turms müssen mit einer Auflösung von mindestens drei signifikanten Stellen bestimmbar
sein. Die Messkanäle, mit denen die Kippschwingung des Fundaments erfasst werden, müssen eine entspre-
chend größere Auflösung aufweisen.

Bei der Messung der Turmschwingungen unter Verwendung von Schwinggeschwindigkeitsaufnehmern ist zu
beachten, dass der Beitrag der 1. Glockenteilschwingung aufgrund des Amplitudenfrequenzgangs systema-
tisch stark unterbewertet und aufgrund des Phasenfrequenzgangs überbewertet wird. Diese Einflüsse sind im
Einzelfall abzuschätzen und die Ergebnisse erforderlichenfalls zu korrigieren.

ANMERKUNG Die Frequenzen der 1. und der 3. Glockenteilschwingung stehen in einem festen ganzzahligen Verhält-
nis. Schwingungsmesser mit Schwinggeschwindigkeitsaufnehmern zeigen in diesem Frequenzbereich einen frequenzab-
hängigen Phasengang. Daher werden die Schwingungsanteile der 1. und der 3. Teilschwingung phasenverschoben
überlagert. Bei Geräten nach DIN 45669-1 kann dieser Fehler zu einer Überschätzung des Ergebnisses von über 30 %
führen. Ähnliches gilt auch für Beschleunigungsaufnehmer mit nicht ausreichend tiefer Grenzfrequenz.

8 Beurteilung und Sanierung von bestehenden Bauten

8.1 Allgemeines

Auf der Basis der Schwingungsmessungen nach Abschnitt 7 kann eine erste Beurteilung der baudynamischen
Situation erfolgen (siehe 8.2). In vielen Fällen sind ergänzende statisch/konstruktive oder gründungstechni-
sche Untersuchungen erforderlich, um die Beurteilung abzusichern und zusammen mit den Messergebnissen
die Basis für Minderungs- und Verbesserungsmaßnahmen (siehe 8.4) zu legen. Indizien für die Notwendigkeit
ergänzender statisch/konstruktiver Untersuchungen sind:

! Ungewöhnlich starkes nichtlineares Schwingungsverhalten und hohe Dämpfung des Turms;

! Auffälligkeiten in der dynamischen Biegelinie (infolge Unwuchterreger oder Glockenläuten) des Turms
(Kippanteil, Verformung in sich);

! Risseschäden im Turm und/oder am Übergang des Turms zu angrenzender Bausubstanz.

Auf Besonderheiten bei Bauwerken mit historischem Mauerwerk wird in 8.3 eingegangen.

8.2 Bewertung des Bauwerks auf der Grundlage der Messergebnisse

8.2.1 Bewertung auf Basis der Eigenschwingungen

Eine erste Bewertung der Turm-Beanspruchungen ist möglich durch Vergleich der Turm-Eigenfrequenzen mit
den dritten Glockenteilschwingfrequenzen fn3 (n = 1 bis N) der N Glocken. Bei einem mindestens 10 %igen
Resonanzabstand ran, mit

†f ƒ
ran ˆ „ n 3 ‡ 1 € 100; ran  10 % (17)
… fe ‚

bleiben im Allgemeinen die dynamischen Beanspruchungen des Turms unterhalb kritischer Werte. Als Eigen-
frequenz fe sind alle Eigenfrequenzen des Turms bzw. der Türme in Glockenschwingrichtung und rechtwinklig
dazu anzusetzen, die im Anregungsbereich der 3. Teilschwingfrequenz einer Glocke liegen.

22
DIN 4178:2005-04

ANMERKUNG Gleichung (17) stellt kein absolutes Kriterium dar. Abhängig vom Glockengewicht in Relation zur in der
Eigenschwingung wirksamen Turmmasse kann ein größerer Resonanzabstand notwendig oder ein kleinerer möglich sein.
Dies kann z. B. an Hand der Resonanzkurve beurteilt werden. In Sonderfällen sind auch weitere Teilschwingfrequenzen
(z. B. 2., 4. oder 5. Teilschwingfrequenz) zu betrachten. Eine genauere Beurteilung ist nach 8.2.2 und 8.2.3 möglich.

8.2.2 Bewertung auf Basis der Größtwerte der Schwingungen

8.2.2.1 Globale Bewertung

Der Maximalwert der Schwinggeschwindigkeit ist bei resonanznaher Schwingung von balkenartigen Struktu-
ren proportional zu den Beanspruchungen. Tabelle 3 enthält Orientierungswerte der Schwinggeschwindigkeit,
gemessen im obersten Turmgeschoss (Mauerkrone), bei deren Einhaltung nach bisheriger Erfahrung keine
weiteren dynamischen Untersuchungen rechnerischer oder messtechnischer Art erforderlich sind. Werden die
Orientierungswerte nicht eingehalten, so heißt dies nicht, dass Schäden zu erwarten sind. Es ist dann aber
die Unbedenklichkeit der Schwingungen hinsichtlich der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit durch
Plausibilitätsüberlegungen — auch unter Verwendung weiterer Messergebnisse –, Vergleichsbetrachtungen
oder rechnerische Nachweise zu belegen.

Tabelle 3 — Orientierungswerte der Schwinggeschwindigkeit bei Glockentürmen

Zeile Bauart Orientierungswert


v
mm/s
1 Historische Türme, allgemein 3
2 Historische Holztürme 5
3 Türme aus Ingenieurmauerwerk 5
4 Türme aus Ingenieurholzbau 8
5 Türme aus Stahlbeton 8
6 Stahltürme 10

Die Abschätzung nach Tabelle 3 setzt voraus, dass der Turm keine Mängel aufweist, welche die Standsicher-
heit beeinträchtigen.

8.2.2.2 Lokale Beurteilung

Zur Beurteilung von Fugen (z. B. Turm/Schiff) oder Freiraum (z. B. Stuhl/Turm) können Schwingwege, zur
Beurteilung von Rissen Rissweitenänderungen dienen.

8.2.3 Bewertung auf Basis einer Nachbemessung

Wenn über den Turm ausreichende Unterlagen (Statik, Ausführungspläne) mit Angaben zu den Material-
kennwerten vorliegen, oder wenn belastbare Bestandsunterlagen erstellt werden können, ist, ausgehend von
den Messergebnissen, eine Nachbemessung möglich, die eine gegenüber 8.2.2 weitergehende Beurteilung
erlaubt.

Die Nachbemessung ist grundsätzlich wie die Berechnung eines neuen Turms nach Abschnitt 6 und bei histo-
rischen Türmen zusätzlich unter Berücksichtigung von 8.3 durchzuführen. Die für ältere Werkstoffe ange-
setzten Kennwerte sind zu begründen. Die Ergebnisse sind erforderlichenfalls ingenieurmäßig zu bewerten.

23
DIN 4178:2005-04

8.3 Beurteilung von historischem Mauerwerk

8.3.1 Allgemeines

Mauerwerk ist ein Zweistoff-System aus Steinen und Mörtel, bei alten Bauwerken meist weichem Kalkmörtel
und anderem minderwertigem Fugenfüllmaterial. Verarbeitet wurden alle natürlichen Steine, in der Regel sol-
che aus der näheren Umgebung, sowie gebrannte Ziegel.

Die Wände alter Bauwerke können ein- oder mehrschalig aufgebaut sein. Mängel zeigen sich am Zustand der
Steine (z. B. Verwitterung, Ausblühungen, Versalzung) und der Fugen (z. B. Auswaschungen, Entfestigung,
chemische Umwandlung) sowie an Verformungen und Rissen.

Mauerwerk kann vor allem Druckkräfte aufnehmen. Die Fähigkeit, Schub und Biegung zu übertragen, ist be-
schränkt und hängt im Wesentlichen vom Gefüge des Mauerwerks ab.

8.3.2 Ingenieurmäßige Untersuchungen

Grundlage für alle Maßnahmen denkmalgerechter und behutsamer Instandsetzung ist eine Beurteilung der
Beanspruchbarkeit des Mauerwerks und der Ursache von Schäden. Dazu sind eingehende Voruntersuchun-
gen einschließlich einer sorgfältigen Dokumentation erforderlich. Sie umfassen im Allgemeinen folgende
Schritte der Anamnese und der Diagnose:

! Suche nach Dokumenten zur Geschichte des Bauwerks mit allen Veränderungen;

! Feststellung der Gründungsverhältnisse;

! Aufnahme und Dokumentation von Verformungen und Rissen;

! Feststellung eines eventuellen Schadensfortschritts;

! Feststellung des Mauergefüges und des Kraftschlusses von Wandeinbindungen;

! Feststellung des Steinmaterials und der Art des Fugenmörtels (z. B. Gipsgehalt);

! Erkundung des Wandaufbaus z. B. durch Endoskopie;

! Feststellung des Füllmaterials bei Schalenmauerwerk einschließlich Abschätzung des Hohlraumgehaltes;

! Feststellung des Feuchtigkeitszustandes und einer eventuellen Salzbelastung.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen fließen in die weiteren Berechnungen ein:

! Ermittlung der tatsächlichen Einwirkungen infolge Eigen- und Verkehrslasten einschließlich der mit Hilfe
einer baudynamischen Messung bestimmten Glockenkräfte;

! Ermittlung der Schnittkräfte an einem wirklichkeitsnahen Berechnungsmodell unter Berücksichtigung der


Einflüsse aus Deformationen und Schäden;

! Ermittlung der tatsächlichen Standsicherheit des Bauwerks und der Beanspruchung der Bauteile.

8.3.3 Beurteilung der Beanspruchbarkeit von historischem Mauerwerk

8.3.3.1 Einschaliges Mauerwerk

Die Beanspruchbarkeit kann nach DIN 1053-1 nachgewiesen werden. Die Steinfestigkeitsklasse ist dabei an
Vergleichswerten abzuschätzen oder aus Festigkeitsprüfungen abzuleiten. Historischer Mörtel ist im Allge-

24
DIN 4178:2005-04

meinen der Mörtelgruppe I zuzuordnen. Der Grundwert der zulässigen Druckspannung ergibt sich aus
DIN 1053-1:1996-11, Tabelle 13, und ist unter Berücksichtigung der Bauteilschlankheit auf die zulässige
Spannung zul " abzumindern. Die Beanspruchbarkeit kann auch auf der Grundlage der Abschätzung des
unteren Grenzwertes der Druckfestigkeit anhand von Bruchmodellen ermittelt werden #5$.

8.3.3.2 Mehrschaliges Mauerwerk

Bei Schalenmauerwerk fehlen häufig Bindersteine zur Sicherstellung des Verbundes zwischen Außenschalen
und Kernfüllung. Beanspruchbar sind oft nur die äußeren Schalen, die wegen ihrer größeren Steifigkeit im
wesentlichen die Lasten abtragen. Bei minderwertigen Kernfüllungen muss eine siloartige Beanspruchung der
Außenschalen in Betracht gezogen werden. Die Kernfüllung beteiligt sich in solchen Fällen nicht an der Last-
aufnahme, sie belastet vielmehr die als Schalen wirkenden Wände zusätzlich. Die zulässige Beanspruchung
einer mehrschaligen Mauerwerkswand kann nach #5$, #6$ untersucht werden.

8.4 Minderungs- und Verbesserungsmaßnahmen

8.4.1 Grundsätze und Ziele

Vordringliches Ziel aller Maßnahmen ist es, dafür zu sorgen, dass das Bauwerk die Beanspruchungen aus
dem Läuten der Glocken auf Dauer schadlos aufnehmen kann.

Zur Verminderung der Turmschwingungen und deren Auswirkungen stehen unterschiedliche Maßnahmen zur
Verfügung:

! Änderung der Schwingfrequenz einzelner Glocken oder des Gesamtgeläutes zur Vermeidung von Reso-
nanzen mit Turmeigenschwingungen;

! Verminderung der auf den Turm wirkenden Kräfte aus Glockenläuten;

! Ertüchtigung des Turms und seiner Gründung durch bauliche Maßnahmen.

In der Regel haben die verschiedenen Maßnahmen außer den angestrebten auch noch andere Auswirkun-
gen, die bei der Planung zu beachten sind.

Da Eingriffe am Geläute sich immer auch auf den Klang der Glocken auswirken, sind ihnen enge Grenzen
gesetzt. Alle Änderungen am Geläut und am Turm müssen nicht nur den Erhalt oder die Ertüchtigung des
Bauwerks zum Ziel haben, sondern stets auch die Bewahrung und Verbesserung der musikalischen Qualität
des Geläutes. Dazu gehört auch, dass bei den verschiedenen Maßnahmen in der Regel der Klöppel neu be-
rechnet und entsprechend angepasst werden muss [7].

ANMERKUNG Voraussetzung für das Gelingen einer Sanierung ist immer die enge Zusammenarbeit zwischen dem
Glockenhersteller, dem Sachverständigen für das Glockenwesen und den Fachleuten aus dem Bauwesen.

8.4.2 Maßnahmen am Geläut

8.4.2.1 Änderung des Läutewinkels

Durch Veränderung des Läutewinkels wird die Glockenschwingfrequenz beeinflusst. Eine Erhöhung von
bewirkt eine Abminderung der Frequenz. Bei üblichen Läutewinkeln und bei Veränderungen von , die ohne
wesentliche Einbuße an klanglicher Qualität der Glocke möglich sind, ist der Effekt begrenzt [1], [7]. Größere
Auswirkung hat die Veränderung von % auf die Kräfte aus Glockenläuten, siehe Bild 2.

8.4.2.2 Gegengewichte

Durch Anbringen von Gegengewichten auf der Oberseite des Jochs wird die Glockenschwingfrequenz herab-
gesetzt. Gleichzeitig werden damit die Lagerkräfte reduziert. Diese Maßnahme erlaubt die Verminderung der

25
DIN 4178:2005-04

Glockenschwingfrequenz um bis zu 10 % ohne wesentliche musikalische Einbuße. Sie ist daher wirkungsvoll
und auch relativ einfach zu realisieren. Die gleiche Wirkung lässt sich durch schwere, hohe Holzjoche errei-
chen.

8.4.2.3 Kröpfung des Jochs

Mit der positiven Kröpfung des Jochs (Aufständerung) wird der Abstand zwischen der Drehachse und dem
Schwerpunkt der Glocke vermindert. Damit nehmen auch die auf den Turm wirkenden Horizontalkräfte relativ
stark ab, gleichzeitig wird jedoch die Schwingfrequenz geringfügig heraufgesetzt [1], [7]. Starke Kröpfung
(über Kronenhöhe) wirkt sich in der Regel negativ auf die klangliche Qualität der Glocke aus.

8.4.2.4 Gegenpendelanlage

Bei dieser Maßnahme werden zusätzlich Pendel in der Glockenstube angebracht, die in Gegenphase zu einer
Glocke schwingen und die durch diese erzeugten Horizontalkräfte aufheben. Die Vertikalkräfte werden ver-
doppelt. Der Antrieb des Gegenpendels erfolgt mit der Läutemaschine der betreffenden Glocke. Die Maß-
nahme ist aufwändig und erfordert zusätzliche Wartung. Bei einseitiger Anordnung des Gegenpendels wird
ein auf den Turm wirkendes Torsionsmoment erzeugt.

8.4.2.5 Drehung der Läuterichtung

Da in der Mehrzahl der Fälle die Glockentürme in der Glockenschwingrichtung und quer dazu unterschiedli-
che Eigenfrequenzen aufweisen, kann die Drehung der Glockenschwingrichtung um 90° eine wirksame Maß-
nahme zur Vermeidung des Resonanzzustandes sein. Voraussetzung dafür ist eine hinreichende Entkoppe-
lung der Schwingungsrichtungen.

8.4.3 Maßnahmen an Bauwerk und Gründung

Alle baulichen Maßnahmen sind so weit wie möglich unter Verwendung der messtechnisch gewonnenen
Kenntnisse des Bauwerks rechnerisch bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Turmschwingungen zu untersu-
chen und gegebenenfalls mit den Eingriffen am Geläut abzustimmen.

Die Sanierung des Mauerwerks kann auf verschiedene Weise bis hin zum Einziehen von Ankern und Injizie-
ren von Hohl- und Schwachstellen erfolgen. Aussteifungskonstruktionen im Turminneren sowie das Ver-
schließen von großen Wandöffnungen erhöhen die Widerstandsfähigkeit des Bauwerks gegen dynamische
Beanspruchung. Alle diese Maßnahmen haben gleichzeitig eine Erhöhung der Turmeigenfrequenz zur Folge.
Allerdings ist zu beachten, dass die zusätzlichen Massen dem entgegenwirken.

Ein hinsichtlich der Kippsteifigkeit ungenügendes Fundament kann z. B. durch Verbreiterung, Unterfangung,
nachträgliche Herstellung einer Pfahlgründung, Verbesserung der Tragfähigkeit des Bodens durch Nieder-
und Hochdruckinjektionen usw. saniert werden; siehe auch 5.2.1.

9 Glockentragwerk

9.1 Konstruktion

Das Glockentragwerk besteht aus dem Glockenstuhl und dem Glockenjoch, gegebenenfalls auch einer Unter-
konstruktion. Es dient der Aufnahme der statischen und dynamischen Einwirkungen der Glocken und leitet
diese in das Turmtragwerk ein. Der Glockenstuhl muss in seiner Aufstandsebene kraftschlüssig mit der Trag-
konstruktion des Turms verbunden sein. Er sollte mit dieser an keiner anderen Stelle Kontakt haben. Das
Glockenjoch ist ein Träger, an dem die einzelne Glocke direkt befestigt ist und der über Lager die vertikalen
und horizontalen Komponenten der Einwirkungen in die Stuhlwände des Glockenstuhls einträgt. Form und
Massenverteilung der Joche sind für Größe und Frequenzen der einwirkenden Kräfte wesentlich [8].

26
DIN 4178:2005-04

Der Glockenstuhl mit Stuhlwänden, zwischen denen die Glocken frei schwingen, und einem quer aussteifen-
den Verband ist als kastenartiges, bockstrebenförmiges oder räumliches Stabtragwerk zu betrachten. Das
Glockentragwerk ist auf die 1,3fachen Glockenlagerkräfte nach 4.3.2 zu bemessen. Die queraussteifenden
Verbände sind für eine Seitenlast von mindestens einem Zehntel dieser Einwirkungen nachzuweisen. Die
horizontalen und vertikalen Einwirkungen sind über Deckenscheiben oder Trägerrostebenen nur in die zur
Schwingrichtung parallelen Turmwände einzuleiten. Biegebeanspruchungen von Mauerwerkswänden sind
nicht zulässig.

Für Glockentragwerke aus Holz sind ausschließlich resistente Hölzer entsprechend den Gefährdungsklassen
nach DIN 68800 zu verwenden. Metallische Bauteile und Verbindungsmittel müssen den aggressiven Bean-
spruchungen z. B. durch die Gerbsäure der Hölzer widerstehen. Zimmermannsmäßige Verbindungen, wie
z. B. Versätze, Blattungen, Hakenblätter, Kämme, sind wegen der erforderlichen geringen Nachgiebigkeit mit
exakter Passung auszuführen. Die zu erwartenden Schwindmaße sind zu berücksichtigen. Dass Zugkräfte
von den meisten Holzverbindungen nicht dauerhaft bzw. nur begrenzt übertragen werden können, ist in der
Gesamtkonstruktion zu beachten. Bei Neukonstruktionen sind Holznägel sichernde Elemente, eine plan-
mäßige dynamische Kraftübertragung ist nur mit Nachweis zulässig.

Bei teilweise frei bewitterten Glockentragwerken ist auf den Korrosionsschutz des Stahls nach DIN 18800,
DIN 18801 und DIN EN ISO 12944 zu achten.

ANMERKUNG Zwischen Stahlglockenstühlen und den massiven, die Einwirkungen weiterleitenden Bauteilen sind nach
Möglichkeit körperschalldämmende Lager einzubauen. Auch bei Holzglockenstühlen können solche Lagerungen sinnvoll
sein.

Neben glockenmusikalischen, gestalterischen, funktionellen und ökonomischen Gründen und wegen der
wesentlich höheren Körperschalldämmung von Holz gegenüber Stahl sind bevorzugt Holzjoche (Vollholz) zu
verwenden. Dabei sind die Glockenkronen zur Schubsicherung im Holz mit ¼ der Kronenbügelstärke, min-
destens jedoch 10 mm einzulassen.

Die Lagerung der gedrehten Achszapfen der Joche erfolgt vorzugsweise in Pendelwälzlagern mit Spannhül-
sen, eine Seite als Loslager, eine Seite als Festlager ausgebildet. Die Lager sind auf Fußplatten mit Siche-
rung gegen Horizontalschub zu befestigen.

9.2 Läutebetrieb

Die elektrischen Glockenantriebe sind im Glockenstuhl auf Holzbohlen mit entsprechenden Vorkehrungen für
die Reduzierung des Eintrages von Lastspitzen beim Anläuten und von Körperschall zu montieren. Durch
Auswahl geeigneter Motoren und entsprechender Steuertechnik ist auf die Erzielung eines Sanftanlaufes des
Läutevorganges besonders zu achten.

Für dynamisch hoch belastete Glockentürme und für historische Glockentragwerke ist die präzise Einhaltung
vorgegebener Klöppelanschlagszahlen und Läutewinkel von entscheidender Bedeutung. Auch eine harmoni-
sche Klangentfaltung des Geläutes ist von der Einhaltung dieser Parameter abhängig. Deshalb ist für jede
Glockenanlage eine regelmäßige Wartung, in der Regel 1-mal jährlich, durch geeignetes Fachpersonal erfor-
derlich [9]. Bei neuen Glockentragwerken und nach extremen Trockenperioden sind die Beschläge in engeren
Intervallen nachzuspannen, um den Kraftschluss in den Verbindungen sicherzustellen. Beobachtungen zu
Bewegungen des Glockenturms und des Glockentragwerks beim Glockenläuten sind in die Wartungsberichte
aufzunehmen.

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DIN 4178:2005-04

Anhang A
(informativ)

Glockenkennwerte

Die Geschichte der Glockengießkunst hat Glocken und Glockenrippen der unterschiedlichsten Provenienz
und in einer solchen Vielfalt hervorgebracht, dass eine strenge tabellarische Einordnung nicht möglich ist.
Deshalb ist jede Glocke, jedes Geläute als eine Art Unikat zu behandeln. Auch heute hat jede Glockengieße-
rei ihre eigenen Glockenrippen, die sich in ihrer Bezeichnung deutlich voneinander unterscheiden und ab-
grenzen.

Die nachfolgende Tabelle A.1 kann deshalb nur Richtwerte wiedergeben. Diese Tabelle bezieht sich auf
Glocken an üblich dimensionierten, geraden Holzjochen, deren Maßverhältnis Jochbalken / Kopfholz 2:3 be-
trägt, siehe Bild A.1. Für eine Glockenaufhängung an geraden Jochen ohne nennenswerte Obergewichtswir-
kung ist der Formbeiwert c "schlanke Joche" ebenfalls in Tabelle A.1 angegeben. Für Glocken mit solchen
Jochen gelten gegenüber den Tabellenwerten um ca. 5 % höhere Klöppelanschlagszahlen.

Ist keine gesicherte Gewichtsangabe erhältlich, kann das Glockengewicht mit Hilfe des Verhältnisses von
Glockendurchmesser und Schlagringstärke für die Molloktavglocken (Durchmesser = Höhe) näherungsweise
ermittelt werden.

Bild A.1 — Prinzipskizze Jochausführung

28
DIN 4178:2005-04

Tabelle A.1 — Glockenkennwerte

Spalte 1 2 3 4 5

a b c d a b c d a b c d a b c d a b c d

Glocken in sehr leichter Glocken in leichter Glocken in mittelschwerer Glocken in schwerer Glocken in sehr schwerer
Ausführung Ausführung Ausführung Ausführung Ausführung

Nominal

Zeile






kN
kN
kN
kN
kN

d, mm
d, mm
d, mm

d, mm
d, mm

A, 1/min
A, 1/min
A, 1/min
A, 1/min
A, 1/min

Läutewinkel
Läutewinkel
Läutewinkel
Läutewinkel
Läutewinkel

Glockeneigenlast G
Glockeneigenlast G
Glockeneigenlast G
Glockeneigenlast G
Glockeneigenlast G

Glockendurchmesser
Glockendurchmesser
Glockendurchmesser
Glockendurchmesser
Glockendurchmesser

Klöppelanschlagszahl
Klöppelanschlagszahl
Klöppelanschlagszahl
Klöppelanschlagszahl
Klöppelanschlagszahl

1 dis° es° 2450 90 36 49° 2600 110 34 45° 2700 140 33 43° 2900 160 32 43°
2 e° 2350 75 37 50° 2460 85 36 47° 2500 105 34 45° 2650 120 33 45°
3 f° 2290 57 39 51° 2300 70 37 48° 2420 80 35 47° 2580 110 34 46° 2900 200 33 44°
4 fis° ges° 2160 48 40 51° 2200 60 38 49° 2290 68 37 48° 2430 90 36 47° 2700 160 34 45°
5 g° 2030 40 42 52° 2100 50 40 50° 2160 56 38 48° 2300 75 37 48° 2500 130 36 46°
6 gis° as° 1910 33 43 53° 2000 40 41 51° 2030 46 39 49° 2160 64 38 48° 2400 110 37 47°
7 a° 1800 28 45 54° 1880 34 43 52° 1920 40 40 50° 2040 54 40 49° 2260 90 39 48°
8 ais° b° 1700 23 46 55° 1760 28 44 53° 1800 33 42 51° 1920 45 42 50° 2100 75 41 48°
9 h° 1600 20 47 56° 1660 24 45 54° 1700 27 43 52° 1800 38 43 51° 2000 62 42 49°
10 c' 1500 17 49 57° 1560 20 47 55° 1600 23 45 53° 1700 32 45 52° 1870 50 44 50°
11 cis' des' 1400 14 51 58° 1460 16,5 49 56° 1500 19 47 54° 1600 26 46 53° 1750 42 45 51°
12 d' 1340 11,5 52 59° 1390 14 51 57° 1420 16 49 55° 1510 22 48 54° 1650 35 47 52°
13 dis' es' 1260 9,5 53 60° 1310 11,5 52 58° 1340 13,5 50 56° 1420 19 50 55° 1540 29 49 53°
14 e' 1190 8 54 61° 1240 10 53 59° 1270 11,5 51 57° 1340 15 51 56° 1450 24 50 54°
15 f' 1110 6,5 56 62° 1160 8 55 60° 1190 9,5 52 58° 1260 13 52 57° 1360 20 51 55°
16 fis' ges' 1050 5,5 57 63° 1100 7 56 61° 1120 8 54 59° 1200 11 54 58° 1280 17 53 56°
17 g' 990 4,6 58 64° 1030 6 57 62° 1060 6,6 55 60° 1120 9 55 59° 1200 14 54 57°
18 gis' as' 930 3,9 60 65° 970 5 59 63° 1000 5,5 57 61° 1050 7,5 57 60° 1130 11 56 58°
19 a' 870 3,2 61 66° 910 4 60 64° 940 4,5 58 62° 980 6 58 61° 1060 9 57 59°

29
DIN 4178:2005-04

Tabelle A.1 — Glockenkennwerte (fortgesetzt)

Spalte 1 2 3 4 5

a b c d a b c d a b c d a b c d a b c d

Glocken in sehr leichter Glocken in leichter Glocken in mittelschwerer Glocken in schwerer Glocken in sehr schwerer
Ausführung Ausführung Ausführung Ausführung Ausführung

Nominal

Zeile






kN
kN
kN
kN
kN

d, mm

d, mm
d, mm

d, mm
d, mm

A, 1/min
A, 1/min
A, 1/min
A, 1/min
A, 1/min

Läutewinkel
Läutewinkel
Läutewinkel
Läutewinkel
Läutewinkel

Glockeneigenlast G
Glockeneigenlast G
Glockeneigenlast G
Glockeneigenlast G
Glockeneigenlast G

Glockendurchmesser
Glockendurchmesser
Glockendurchmesser
Glockendurchmesser
Glockendurchmesser

Klöppelanschlagszahl
Klöppelanschlagszahl
Klöppelanschlagszahl
Klöppelanschlagszahl
Klöppelanschlagszahl

20 ais' b' 820 2,7 63 67° 850 3,4 61 65° 880 4 60 63° 930 5 59 62° 1000 7,5 58 60°
21 h' 770 2,2 65 68° 810 2,9 63 66° 830 3,2 61 64° 870 4,2 60 63° 940 6,5 59 61°
22 c'' 730 1,9 66 70° 760 2,4 64 67° 780 2,7 62 65° 820 3,5 62 64° 880 5,5 61 62°
23 cis'' des'' 680 1,6 67 71° 720 2 65 67° 740 2,3 64 66° 770 3 63 65° 830 4,5 62 63°
24 d'' 640 1,3 68 72° 680 1,6 66 68° 690 1,8 65 67° 730 2,5 64 66° 780 3,8 63 64°
25 dis'' es'' 600 1,1 69 73° 630 1,4 67 69° 650 1,6 66 67° 680 2 65 67° 730 3,1 64 65°
26 e'' 570 0,9 70 74° 600 1,1 69 70° 610 1,3 67 68° 640 1,7 66 67° 690 2,6 65 66°
27 f'' 530 0,75 72 75° 570 0,9 70 71° 580 1,1 68 69° 600 1,4 67 68° 650 2,2 66 67°
28 fis'' ges'' 500 0,6 74 76° 530 0,75 71 72° 540 0,9 69 70° 560 1,2 68 69° 610 1,8 67 67°
29 g'' 470 0,5 75 77° 490 0,65 73 74° 500 0,75 70 72° 530 1 69 70° 570 1,5 68 68°
30 gis'' as'' 440 0,4 77 78° 460 0,5 74 75° 470 0,6 71 73° 500 0,8 70 71° 540 1,3 69 69°
31 a'' 410 0,35 79 79° 450 0,4 75 76° 460 0,5 73 74° 470 0,7 72 72° 510 1,1 70 70°
32 ais'' b'' 390 0,3 81 80° 420 0,35 78 78° 430 0,4 75 75° 440 0,6 73 73° 480 0,9 72 71°
33 h'' 360 0,25 83 81° 390 0,3 80 79° 400 0,35 77 76° 410 0,5 75 74° 450 0,7 73 72°
34 c''' 340 0,2 83 82° 360 0,25 82 81° 370 0,3 79 78° 390 0,4 77 76° 420 0,6 75 74°
c hohe
35 0,65 0,67 0,68 0,70 0,72
Joche 2/3
c schlan-
36 0,75 0,77 0,78 0,80 0,82
ke Joche
ANMERKUNG Für Glocken mit schlanken Jochen gelten um ca. 5 % höhere Klöppelanschlagszahlen.

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DIN 4178:2005-04

Anhang B
(informativ)

Bautechnik

Nachfolgend sind einige Hinweise gegeben, die auf das Schwingungsverhalten des Turms zielen. Ansonsten
wird auf die einschlägigen bautechnischen Normen und Richtlinien sowie bei Sanierungsaufgaben auf die
entsprechende Fachliteratur (z. B. [5], 6 ) verwiesen.

Zur Erzielung eines günstigen Schwingungsverhaltens von Neubauten mit Hochabstimmung ist eine hohe
Steifigkeit des Turms — besonders im unteren Bereich — und eine geringe Masse — besonders im oberen
Bereich — anzustreben. Nachträgliche Einbauten im oberen Bereich bestehender Türme (z. B. Podeste, Mo-
bilfunkanlagen) sollten möglichst leicht ausgeführt werden. Bei bestehenden Bauwerken können sich Ver-
steifungen aber auch dynamisch ungünstig auswirken.

Um den Einfluss der Baugrundfederung auf die Turmauslenkungen gering zu halten und damit eine möglichst
hohe Turm-Eigenfrequenz sicherzustellen, sollte die Gründung gegenüber den statischen Erfordernissen
überdimensioniert werden. Bevorzugt kommen Flachgründungen mit deutlich auskragender Sohlplatte in Fra-
ge. Dabei ist zur Vermeidung einer Sattellage in Fundamentmitte der direkte Kontakt zwischen Sohlplatten
und Boden zu vermeiden.

Eine symmetrische Anordnung der Aussteifungselemente und Aussparungen im Grundriss führt zu einer Ent-
koppelung der Schwingungsrichtungen (Unterbindung der Queranregung) und vereinfacht die Nachweise. Der
Verzicht auf große Aussparungen vermeidet signifikante Beanspruchungen aus exzentrischen Glockenlasten
(Torsionsschwingungen).

Die Verlegung der Auflagerung des Glockentragwerks in ein tiefer liegendes Turmgeschoss bei entsprechen-
der Erhöhung des Tragwerks ist im Allgemeinen keine geeignete Maßnahme, um das Schwingungsverhalten
des Turms beim Glockenläuten wesentlich zu verbessern. Sie kann nur begründet sein durch lokale Tragfä-
higkeitsprobleme an der bisherigen Auflagerstelle.

Wenn andere Maßnahmen nachweislich nicht zum Ziel führen, kann bei hölzernen Turmtragwerken durch
Einsatz vor- und nachspannbarer Verbindungselemente aus Stahl eine erhebliche Steifigkeitserhöhung (z. B.
Aktivierung von Holz-Diagonalen auf Zug) und damit ein günstigeres Schwingungsverhalten erreicht werden.
Beim nachträglichen Einbau muss sichergestellt sein, dass die zum Vorspannen notwendigen Wege auch
möglich sind und dass die Vorspannkraft nicht in andere Tragwerksteile geleitet wird.

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Literaturhinweise

[1] Müller, F. P.: Berechnung und Konstruktion von Glockentürmen. Verlag von Wilhelm Ernst u. Sohn,
Berlin/München 1968.

[2] Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugrunddynamik“ der DGEG. Sonderdruck der Schriftenreihe
des Grundbauinstituts der Technischen Universität Berlin, Dezember 2002.

[3] Holzlöhner, U.: Schwingungen von Fundamenten. In: Bodendynamik — Grundlagen und
Anwendung, Hrsg. W. Haupt, Vieweg-Verlag, Braunschweig/Wiesbaden 1986.

[4] Wölfel, H. P., M. Schalk: Schwingungen von Glockentürmen, Bautechnik 73, Heft 6, 1996.

[5] SFB 315, Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke. Empfehlungen für die Praxis: Mauerwerk,
Dokumentationsstelle des SFB 315, Universität Karlsruhe, 1997.

[6] Egermann, R.: Untersuchungen zum Tragverhalten mehrschaliger Mauerwerkskonstruktionen.


Jahrbuch 1994 SFB 315, Verlag Ernst & Sohn, Berlin 1996.

[7] Steiner, J.: Das Zusammenspiel von Glocke, Joch und Klöppel. In: Glocken in Geschichte und
Gegenwart, Band 2, Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen (Hrsg.), Badenia Verlag,
Karlsruhe 1997.

[8] Ehrlich, K., K. Kramer, J. Steiner: Holzglockenstühle und Holzjoche. In: Glocken in Gechichte und
Gegenwart, Band 1, Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen (Hrsg.), Badenia Verlag,
Karlsruhe 1986.

[9] Sichere Kirchtürme und Glockenträger. Merkblatt SP 9.6/2, herausgegeben von der Verwaltungs-
Berufsgenossenschaft Hamburg; Ausgabe August 2001 (www.vbg.de).

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