Innovation Und Persuasion in Der Presse Eine Komparative Korpusanalyse Zur Form Und Funktion Von Neologismen 1st Edition Sabine Heyne
Innovation Und Persuasion in Der Presse Eine Komparative Korpusanalyse Zur Form Und Funktion Von Neologismen 1st Edition Sabine Heyne
Innovation Und Persuasion in Der Presse Eine Komparative Korpusanalyse Zur Form Und Funktion Von Neologismen 1st Edition Sabine Heyne
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Das Entgegenkommende Denken Verstehen Zwischen Form Und
Empfingung 1st Edition Franz Engel Sabine Marienberg
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Innovation und Persuasion in der Presse
Sabine Heyne • Bastian A. Vollmer
Innovation und
Persuasion in der Presse
Eine komparative Korpusanalyse zur
Form und Funktion von Neologismen
Sabine Heyne Bastian A. Vollmer
Oxford, Vereinigtes Königreich Centre on Migration, Policy and Society
University of Oxford
Oxford, Vereinigtes Königreich
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Inhalt
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Abkürzungsverzeichnis
Adj. Adjektiv
Adv. Adverb
BILD Bild-Zeitung
EName Eigenname
KW Kurzwort
Präp. Präposition
S Substantiv
SZ Süddeutsche Zeitung
V Verb
WGL Wortgruppenlexem
Einführung und Forschungsfelder
1 Einführung und Forschungsfelder 1
1 Einführung und Forschungsfelder
Die Verwendung von Sprache in den Medien trägt zur Entstehung diskursiver Pro-
zesse im öffentlichen Raum bei und stellt einen Teil des gesellschaftlichen Lebens
dar. Täglich werden in Zeitungen Ereignisse in Politik, Kultur und Gesellschaft
behandelt und diskutiert, sowie mit neuen Wörtern auf diese Entwicklungen
reagiert. Das Benennen neuer Sachverhalte, die textuelle Gestaltung und die sti-
listische Aufbereitung aktueller Themenkomplexe begünstigen den Einsatz von
Neologismen in den Printmedien. Diese neuen, nicht lexikalisierten Wörter, die
Neologismen, sind der Forschungsgegenstand dieser Studie.
Die Neologismenlexikologie untersucht die Struktur, Bedeutung und Funktion
neologischer Wörter. Durch die Einbindung der neuen Lexeme in ihr textuelles
Umfeld lassen sich zudem Zusammenhänge zwischen bevorzugten Wortbildungs-
mustern und den Effekten der Neologismen in ihrem unmittelbaren Textumfeld
analysieren. Insbesondere die Verwendung von neologischer Lexik in Zeitungen
dient der lexikologischen Neologismenforschung als Datengrundlage, um spezi-
fische Erkenntnisse über die Bildung, Verteilung und Funktion neuer Wörter im
Kommunikationsbereich Pressesprache zu gewinnen (vgl. Elsen 22011, Jesensek
1995 a, b, Matussek 1994, Peschel 2002).
Neologismen, die entweder in ihrer Form, in ihrer Bedeutung oder in beidem
Neuheit aufweisen, werden aus unterschiedlichen Desideraten heraus geschaffen
und in diversen Bereichen der Kommunikation eingesetzt. Neologische Lexik findet
ihren Niederschlag aus einer benennenden Notwendigkeit heraus oder dient der
textuellen Verknüpfung. Sie wird aber auch eingesetzt, um stilistisch-unterhaltenden
Effekten bis hin zu einer persuasiv-beeinflussenden Funktion nachzukommen.
Die Überredung und Überzeugung, also die Persuasion, wird in Kommunika-
tionsbereichen wie der Werbesprache als natürlicher Bestandteil der Kommuni-
kationsform angesehen, in Bereichen, wie beispielsweise der Pressesprache, gilt es,
die sprachliche Realisierung hinsichtlich Persuasion kritisch zu hinterfragen und
entsprechend zu analysieren. Vielfältige Forschungsbestrebungen zur Analyse von
Wie Elsen (22011) betont, werden auch in unserer Studie eine objektive Ermittlung
und Gruppierung der Neologismen in der quantitativen Analyse angestrebt, und diese
quantitative Analyse wird durch eine qualitative Tiefenanalyse und Interpretation
vervollständigt. Dies erfolgt im Rahmen der komparativen Struktur dieser Studie.
Die Analyse wird einerseits auf der Vergleichsebene der beiden gegensätzlichen
Zeitungen, andererseits auf der Vergleichsebene der unterschiedlichen Textklassen
(informationsbetonte und meinungsbetonte Texte) durchgeführt. Anhand dieser
Gestaltung der empirischen Analyse werden Forschungsergebnisse (vgl. Elsen 22011,
Jesensek 1995a, b), die darauf hinweisen, dass Neologismen keineswegs beliebig
gebildet und verwendet werden, methodisch aufgegriffen. Neben benennenden und
textuellen Funktionen kommen auch in Texten, die primär sachlich informieren
sollen, also in den informationsbetonten Textklassen, Bewertung, Verschleierung
und stilistische Effekte durch neologische Lexik zum Einsatz. Die zweite Vergleich-
sebene der Analyse überprüft die in der Linguistik hinterfragte Trennung von
Pressetextsorten und -klassen.
Der Aufbau und das Vorgehen des Buches gliedert sich in fünf Kapitel. In der
Einführung wird dem Leser die vorliegende Studie vorgestellt und ein Stand der
Neologismusforschung (siehe 1.1) und Persuasionsforschung (siehe 1.2) geboten. Hier
werden die beiden Forschungsbereiche miteinander verknüpft, Forschungslücken
herausgearbeitet, diese Studie in das Forschungsfeld eingeordnet und ihr Beitrag
zu diesem herausgestellt. Die aus Kapitel 1 resultierenden zentralen Begriffe des
Forschungsgegenstandes dieser Studie werden in Kapitel 2 vertieft. Die theoreti-
schen Grundlagen unserer Studie werden vorgestellt, Begriffe definiert und der
Kommunikationsbereich der Arbeit diskutiert. Dieses Kapitel umfasst neben dem
Neologismus (siehe 2.1), die Persuasion allgemein (siehe 2.2) und insbesondere
durch die Verwendung von Euphemismus und Metapher, die Besonderheiten der
Pressesprache (siehe 2.3) und die theoretische Diskussion zur Klassifikation von
Pressetextsorten. Im darauffolgenden Kapitel 3 stellen wir die Wahl und Umsetzung
der Forschungsmethode vor. Die Forschungsziele sollen hier durch ein systematisches
Vorgehen bearbeitet werden. Die Besonderheiten der zu vergleichenden Printmedien
Bild und Süddeutsche Zeitung (siehe 3.1), die Wahl des Falles (siehe 3.2), die empiri-
sche Analyse und ihre Auswertung und Aufbereitung der Daten (siehe 3.3) werden
dargestellt. Die Durchführung des empirischen Teils der Studie erfolgt in Kapitel
4. Die quantitativ erfassten Neologismen werden zunächst deskriptiv analysiert
(siehe 4.1). Sie werden statistisch beschrieben und anhand von Form und Verteilung
gruppiert. Anschließend wird ihre Funktion im Textumfeld anhand qualitativer
Feinanalysen interpretiert (siehe 4.2). Die persuasive Funktion von Neologismen
ist hier das zentrale analytische Element.
4 1 Einführung und Forschungsfelder
Die persuasive Funktion von Neologismen wird anhand einer Fallstudie ermittelt
und lässt keine themenübergreifenden Aussagen hinsichtlich der Sprachverwendung
in den Zeitungen zu. Die Tragweite der Ergebnisse beschränkt sich auf ein manuell
erhobenes und damit begrenztes Korpus. Digital erhobene Primärdaten und eine
computergestützte Korpusanalyse ließen die Erfassung einer umfangreicheren Da-
tenmenge und die Behandlung eines größeren Zeitraumes zu, die repräsentativere
und weitreichendere Forschungsergebnisse liefern würden. Ein entsprechendes
Forschungsvorhaben würden wir begrüßen.
Unser Buch leistet jedoch einen Beitrag zur lexikologischen Neologismenforschung.
Der komparative Ansatz auf zwei Ebenen, sowohl hinsichtlich zwei gegensätzlicher
Zeitungsvertreter als auch in zwei unterschiedlichen Textklassen ermöglicht es,
durch die Analyse von Form und Verteilung der neuen Lexeme sowie der Funktion
der Neologismen in ihren Texten, Aussagen über die Innovationskraft der beiden
Zeitungen, über die bevorzugten Neologismenmodelle und über die persuasive
Sprachgestaltung durch Neologismen zu treffen. Der Leser wird zum Teil überra-
schende Ergebnisse vorfinden. Zunächst jedoch wollen wir die Forschungsfelder
vorstellen, um den Beitrag unseres Buches genauer verortet zu können.
1.1 Neologismenforschung
1.1 Neologismenforschung
Eine traditionalistische, konservative oder „sprachpuristische[n] Anti-Haltung“
(Kinne 1998: 70) dominierte über viele Jahrhunderte den Umgang mit dem Phänomen
Neologismus. Sprachliche Innovation wurde nicht nur mit drohendem Sprachverfall,
sondern auch mit kulturellem und nationalem Werteverfall in Verbindung gebracht
(vgl. ebd.: 68). Derart sprachkritische Neologismusreflexionen finden sich in der
wissenschaftlichen Beschäftigung mit Neologismen2 nur noch selten.3 Mit neuen,
nicht-inventarisierten Wörtern befassen sich in der jüngeren Linguistik die wissen-
schaftlichen Teildisziplinen der Lexikographie und Lexikologie. Die lexikographische
Arbeit mit Neologismen wird in Abgrenzung zur lexikologischen Ausrichtung,
die dieser Arbeit zugrunde liegt, ausgeführt. Abschließend dient die Diskussion
kontemporärer Forschungsstudien einer Einordnung des vorliegenden Beitrags.
Neologismenlexikographie
Die Neologismenlexikographie, also die systematische Erfassung und Aufnahme
von Neologismen in Wörterbüchern, zeigt bis Ende der 1990er Jahre noch ein de-
fizitäres Bild (vgl. Herberg/Kinne/Steffens 2004: IX).4 Eine umfassende Abbildung
des neuen Wortschatzes in eigenen Lexika gab es bis dahin nicht. Erst in den letzten
Jahren änderte sich die Lage. Es etablierte sich eine Zahl von Projekten, die vor
allem auf das Internet gestützte Neologismenlexikographie betreiben. Durch die
tägliche Durchsicht großer Textkorpora, insbesondere aus dem pressesprachlichen
Bereich, gelingt eine weitreichende lexikographische Darstellung von Neologismen,
die mit diversen Angaben (Grammatik, Bedeutung, Frequenz) versehen und jedem
Interessierten online verfügbar gemacht werden (vgl. Lemnitzer 2010: 70ff.).5 Mit
dieser Form der Neologismendokumentation können nicht nur Aussagen über die
Wortschatzentwicklung getroffen werden, 6 sie liefert zugleich Erkenntnisse über
aktuelle Diskurse und Ereignisse in Gesellschaft, Politik, Technik, Wirtschaft und
Kultur (vgl. Herberg/Kinne/Steffens 2004: X). Die Neologismenlexikographie er-
weitert die Standardwörterbücher um eine „wichtige wortgeschichtliche Quelle im
Rahmen der Sprachgeschichtsschreibung“ (ebd.). Da sich die Forschung zu neuen
Wörtern aus lexikographischer Sicht vorrangig mit der Optimierung konkreter
Probleme, wie den Anforderungen an Selektionskriterien, der Präsentation oder
der Aktualisierung von Daten beschäftigt (vgl. dazu z. B. Lemnitzer 2010, Steffens
2009) und ein Abgleich der empirischen Daten dieser Arbeit mit bestehenden
(Referenz-) Korpora keinen Mehrwert für die Auswertung der manuell erstellten
Korpora erbringt, wird die lexikographische Neologismenforschung nicht weiter
thematisiert.
Neologismenlexikologie
Die lexikologische Neologismenbetrachtung bereichert die lexikographische aus
sprachwissenschaftlicher Perspektive um einen bedeutenden Beitrag. Denn wäh-
rend sich die Lexikographie auf die Beschreibung von der Struktur und Bedeutung
neuer Lexeme beschränkt, vermag die Lexikologie darüber hinaus Aussagen über
die Funktionen von Neologismen zu liefern. Zudem befasst sich die lexikologische
Neologismenforschung nicht nur mit neuen Lexemen, sondern (zumindest ein
Teil des Forschungsfeldes) auch mit neuen Bedeutungen von Wörtern, den Neu-
bedeutungen bzw. Bedeutungsveränderungen. Die lexikologische Forschung unter
funktionalen Gesichtspunkten scheint im Hinblick auf neue Wörter wesentlich
zu sein, beachtet man die Tatsache, dass neue Wörter intentional, aus einem oder
mehreren Desideraten heraus gebildete sprachliche Zeichen sind (siehe 2.1).
Auch innerhalb der sich langsam etablierenden linguistischen Disziplin Lexi-
kologie, der Untersuchung und Beschreibung von Wort und Wortschatz,7 spielen
Neulexeme und Neubedeutungen noch immer eine untergeordnete Rolle gegenüber
der Darstellung und Untersuchung von bereits lexikalisierten, also in Standard-
wörterbüchern aufgenommenen Wörtern (vgl. Peschel 2002: 1f.).
Theoretische Abhandlungen zur Lexikologie konzentrieren sich vorwiegend auf
Wortbildungsprozesse und formale Eigenschaften von Neologismen (vgl. dazu Schip-
pan 22002: 243 ff., Barz 2005), das funktionale Spektrum und die Rolle neologischen
Sprachgebrauchs innerhalb diverser Sprachvarietäten und Kommunikationsberei-
che hingegen werden wenig beachtet. Eine erstaunliche Tatsache, berücksichtigt
man die Reichweite des Phänomens. Neologismen stellen nicht nur „lexikalische
Entsprechungen veränderter außersprachlicher Bedingungen der Kommunikation“
(Jesensek 1995b: 171) dar, also Zeugnisse aktueller Geschehnisse und Entwicklun-
gen, sondern können durch ihren bewussten Einsatz und die Neubildung unter
speziellen funktionalen Gesichtspunkten diese außersprachliche Realität prägen
und beeinflussen.8 Entgegen der Tendenz gibt es jedoch eine Zahl aussagekräftiger
empirischer Arbeiten, die aus lexikologischer Forschungsperspektive Neologismen
auf ihre formalen Eigenschaften, also deren Wortbildungsmodelle, sowie Bedeu-
7 Die eigenständige Disziplin Lexikologie ist noch jung, Teilbereiche der Lexikologie,
die sich früher schlichtweg Wortforschung nannte, weisen allerdings eine Tradition bis
hin zur Antike auf (vgl. Schlaefer 2002: 12).
8 Die funktionale Bandbreite von Neologismen wird in 2.1 erläutert.
1.1 Neologismenforschung 7
tungs- und funktionalen Aspekte mittels Korpora analysieren (vgl. Elsen 22011,
Jesensek 1995 a, b, Matussek 1994, Peschel 2002, Siebold 2000 an späterer Stelle).
Diese Arbeiten folgen den Entwicklungen der pragmatischen Wende, da sie nicht
nur den Zusammenhang von Form und Funktion von Neologismen analysieren,
sondern sie zudem in das Textumfeld einbinden.9 Neue Lexeme werden „nicht
als isolierte sprachliche Einheiten untersucht“, wie es in der Wortbildungslehre
lange der Fall war, „sondern in erster Linie als Resultate von Teilhandlungen der
Textgestaltung bzw. als Auslöser von Teilhandlungen der Textrezeption“ (Siebold
2000: 13f.). Sie werden als textueller Bestandteil und darüber hinaus als Teil der
strategischen Prozesse von Textgestaltung und -rezeption betrachtet (vgl. ebd.:
26), denn Neologismen müssen stets auch in deren Zusammenspiel mit anderen
sprachlichen Mitteln betrachtet werden (vgl. Elsen 22011: 116).
Eine Reihe von Arbeiten innerhalb der Neologismenforschung widmet sich der
Analyse und Beschreibung eines speziellen Neologismustyps.10 Eine weitere Aus-
richtung bilden varietätenspezifische Neologismenanalysen, wie Siebolds (2000)
Analyse neologischen Sprachgebrauchs in Science-Fiction-Texten oder Elsens
(22011) Untersuchungen innerhalb der Varietäten Kindersprache und Fachsprache
(u. a.) oder Krieg-Holz‘ (2005) und Janichs (52010) Arbeiten zu werbesprachlicher
Wort(neu)bildungs-Verwendung.
Im nachfolgenden Teilabschnitt werden Forschungsbeiträge zur Neologismen-
verwendung innerhalb des Kommunikationsbereichs Pressesprache angeführt und
gegenüberstellend diskutiert, sowie an späterer Stelle bei der Korpusauswertung
hinzugezogen. Die Leistung und Gemeinsamkeit der Studien liegt in der Erfassung
der verwendeten neologischen Wortbildungsmodelle (teilweise auch der Neubedeu-
tungen), um quantitative Aussagen über deren Produktivität und Verteilung treffen zu
können und darüber hinaus qualitativ deren (Text-)Funktion bzw. die zugrundelie-
gende Intention der Bildung und Verwendung zu untersuchen. Diese Studien räumen
bereits unter anderem die Möglichkeit eines persuasiven Neologismeneinsatzes ein.
Kontemporäre Neologismusstudien
Die zentralen Aspekte der folgenden Forschungsarbeiten bilden zum einen die
quantitative morphosyntaktische Beschreibung und Gruppierung der aus Zei-
tungskorpora gewonnenen Neubelege. Dies geschieht zumeist unter Einbindung
der Neulexeme in das textuelle bzw. thematische Umfeld, um daraus zum anderen
Zusammenhänge zwischen Form und Funktion des Neubelegs, sowie dessen Kor-
relation zum Textumfeld herzustellen. Es gilt nicht nur, die Bildung und Vertei-
lung, sondern vor allem die Intention des Neologismeneinsatzes in Pressetexten
zu beachten, denn: „Neue Wörter können gebildet werden, um zu manipulieren
(Sprachverschleierung, Euphemismen) oder um den Menschen ihre Wirklichkeit
bewusst werden zu lassen […]“ (Peters 2003: 130).
Matussek (1994) untersucht in ihrer Dissertation Wortneubildung im Text
anhand eines themenzentrierten, pressesprachlichen Korpus Zusammenhänge
von Wortneubildung und ihrem spezifischen Kontext. Das zugrundeliegende
Forschungsziel ist, Aussagen über die Produktivität von Sprache durch Wort(neu)
bildung zu treffen (vgl. Matussek 1994: 10). Der Vorzug ihrer themenzentrierten
Fallstudie (Störfall des Biblis-AKW) liegt in der hohen Erwartbarkeit neuer Wör-
ter bei neuen Ereignissen (vgl. ebd.: 51), so dass dieser methodische Ansatz der
vorliegenden Studie als Vorbild dient (themenzentrierte Fallstudie: Libyenkrieg).
Die Erfassung der Neologismen erfolgt bei der Autorin anhand klarer Kriterien
durch Durchsicht eines breiten Spektrums von Printmedien zu dem Thema (vgl.
ebd.: 52ff.) und einer Überprüfung der Neuheit der Belege mittels Wörterbüchern
und Testpersonen (vgl. ebd.: 60), eine Vorgehensweise, die aufgrund ihrer Objek-
tivität zur Beurteilung von Neulexemen positiv bewertet wird. Keinen Eingang
in die vorliegende Studie findet jedoch ihre nach schwer nachvollziehbaren und
zu subjektiven Kriterien vorgenommene Einteilung (vgl. dazu auch Peschel 2002:
80) und Gruppierung des empirischen Materials in unauffällige, auffällige und
extrem auffällige Wortneubildungen (vgl. ebd.: 65ff.).11 Bei Aussagen über Form
und Funktion von Neubildungen betont Matussek (1994) ihre notwendige Kon-
texteinbettung, denn sie dürfen keinesfalls „nur punktuell, sondern anhand eines
nachvollziehbaren Zusammenhangs beobachtet werden“ (ebd.: 10).12 Sie ordnet die
11 Die Auffälligkeit eines nicht lexikalisierten Lexems entspricht dem Maß, „in dem der
zu erwartenden Bedeutung eines komplexen Lexems vom Kontext entsprochen oder
entgegen gewirkt wird“ (ebd.: 38), andererseits beurteilt die Autorin die neologische
Verbindung von Eigenname und Lexem prinzipiell als unauffällig, eine Aussage, die der
Beleg Gaddafi-Mob (siehe 4.2.1) wohl strittig erscheinen lässt.
12 Peschel (2001: 81) kritisiert die fehlende textuelle Einbettung der Neulexeme, ein
Kritikpunkt, der hier in Frage gestellt wird, da Matussek (1994) sehr wohl qualitative
1.1 Neologismenforschung 9
Feinanalysen vornimmt.
13 Die Absicht des Euphemiseneinsatzes sieht Jesensek (1995b) in dem harmlosen Grund
der „Rücksichtnahme“ (ebd.: 200), ob dies tatsächlich die Intention neologischer Eu-
phemismen ist, muss kritisch geprüft werden.
14 Auch die metaphorischen Neologismen werden nur als unterhaltend, ironisch, auf-
merksamkeitserregend beschrieben (ebd.: 202f.), beeinflussende oder manipulative
Wirkungsweisen werden nicht analysiert.
10 1 Einführung und Forschungsfelder
mit einer persuasiven Textgestaltung (vgl. ebd.: 194).15 Matussek (1994) hingegen
legt ihrer Arbeit ein nur unzureichendes und beschränktes Funktionsspektrum von
Neologismen zugrunde. Sie konstatiert zwar, dass die funktionalen Aspekte von
Neologismen neben der Benennung neuer Sachverhalte auch in deren Sprachöko-
nomie und weiterer textueller Funktionen zu suchen sind, blendet die Möglichkeit
einer persuasiven Neologismenverwendung jedoch aus (vgl. Matussek 1994: 36).
Jesensek (1995a) vertieft die Forschungsannahme des strategischen neologischen
Sprachgebrauchs in ihrem Folgeaufsatz Neologismen in den Pressetextsorten Nach-
richt und Glosse und geht damit dezidiert auf die Korrelation von dominierender
Textfunktion und deren zielgerichtete sprachliche (neologische) Realisierung in
den Textsorten Nachricht und Glosse ein (vgl. Jesensek 1995a: 261). Sie formuliert
einen ihrer zentralen Aspekte folgendermaßen: „Können bestimmte Modelle
und Muster, nach denen die Neologismen entstehen, als typische Merkmale einer
Textsorte angesehen werden?“ (ebd.: 262). Dass diese Arbeit nicht mehr den neusten
Forschungserkenntnissen entspricht, wird deutlich durch die heutige sprachwissen-
schaftliche Sicht, die eine klare Trennung von Textsorten in Frage stellt und eine
zunehmende Vermischung der Textsorten konstatiert (siehe 2.3). Jesensek (1995a)
ermittelt auf der lexikalischen Ebene Ergebnisse, die diese These bereits in den 90er
Jahren stützen, nämlich, dass in Nachrichtentexten die Stilistik keineswegs so neu-
tral, wie anzunehmen, ist. Die Wortneubildungen der Informationstexte enthalten
Einstellungen und Wertungen durch positive oder negative Konnotationen, Ironie
oder euphemistische Wendungen und beinhalten in den Nachrichtentexten zudem
nicht selten eine Verschleierungsfunktion (vgl. ebd.: 266). Dies kann zeigen, wie
aufschlussreich und bedeutsam eine komparative Untersuchung von Neologismen
auf ihre persuasiven Mechanismen gerade in Texten ist, in denen, zumindest vom
Laien, eine neutrale Berichterstattung erwartet wird.
Peschel (2002) erforscht, wie die zuvor aufgeführten Autoren, die Zusammen-
hänge von Wortneubildungen und ihrer jeweiligen Textumgebung. Sie konstatiert,
dass die Textabhängigkeit von Neologismen systematische Züge trägt und die
Neulexeme zudem textkonstituierend wirken (vgl. Peschel 2002: 12). Die Beachtung
des Textumfeldes stellt einen ihrer Hauptakzente dar, ist denn z. B. „die Auffäl-
ligkeit gerade eines Kompositums nur unter Berücksichtigung der kontextuellen
Einbettung anzugeben“ (ebd.: 81). Die in der Forschung vertretene Auffassung
der Multifunktionalität und Dynamik von Textsorten und daraus resultierende
Vermischung dieser (vgl. die hier diskutierten Autoren) teilt Peschel (2002). Sie
15 Die Erkenntnisse der intendierten, sowie der Überzeugung und Überredung dienenden
Bildung und Platzierung von Neologismen werden in dieser Arbeit dezidiert behandelt
und als Persuasion (siehe 2.2) verstanden.
1.1 Neologismenforschung 11
1.2 Persuasionsforschung
1.2 Persuasionsforschung
Die Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit des Sprechens und der Redekunst
hat eine über 2000-jährige Tradition und ist in der aristotelischen Rhetorik der
Antike verankert. Damals wie heute zielt die persuasive Kommunikation darauf
ab, das Gegenüber mit diversen verbalen oder seltener nonverbalen Strategien zu
beeindrucken, überreden, überzeugen oder zu beeinflussen.
Die Erforschung von Intention und Wirkungsweise persuasiver Kommunikati-
on ist ein zunehmend komplexes und auf viele Forschungsdisziplinen erstrecktes
1.2 Persuasionsforschung 13
16 Einen Überblick über die klassische Rhetorikforschung bietet Ortak (2004: 4). Beiträge
zu aktuellen Erkenntnissen hinsichtlich der klassischen Rhetorikforschung bei Kreuz-
bauer/Gratzl/Hiebl (2007).
17 Das wohl bekannteste sozialpsychologische Modell zur Informationsverarbeitung bei
persuasiver Kommunikation ist das Elaboration-Likelihood-Modell nach Petty/Cacioppo
(vgl. Schenk 32007: 259ff.), hier liegt der Fokus jedoch, anders als in der vorliegenden
Arbeit, auf dem Empfänger der Botschaft.
18 In der Vergangenheit leistete beispielsweise Teun van Dijk (1998, 2006) einen wichtigen
Beitrag zu diesem Forschungsfeld. Kürzlich dazu erschienene Studien sind Charteris-
Black (2013) oder Vollmer (2011, 2014).
19 Ein sich derzeit etablierender Forschungszweig, die Bildlinguistik, beschäftigt sich mit
der Verknüpfung und dem Einfluss von Bildern auf die Sprache (vgl. Diekmannshenke/
Klemm/Stöckl 2011).
14 1 Einführung und Forschungsfelder
wer in unserer Gesellschaft nicht so kritisch geschult ist, daß er strategisches, erfolgs-
orientiertes, persuasives Reden von kommunikativem, verständigungsorientiertem,
informativem Reden unterscheiden kann, der fällt zurück in selbstverschuldete Un-
mündigkeit bzw. verharrt in ihr, d. h. der ist der realistischen, nur scheinbar unprob-
lematischen Redensweise der Sprache und ihrer Sprecher ausgeliefert. (Stötzel 1991: 8)
Stilmittel, wie Euphemismus und Metapher,21 welche seit der Antike zu den wich-
tigsten persuasiven Instrumenten der Politikersprache zählen (vgl. Burkhardt 2004:
13). Während Euphemismen nicht gewünschte, negative Aspekte eines Sachverhalts
verhüllen, erwecken Metaphern durch die bildhafte Merkmalsübertragung gezielte
Assoziationen unter Ausblendung anderer (vgl. ebd.) (siehe 2.2).22
nicht ausreichend Überzeugung leisten kann (vgl. Janich 52010: 47). Stöckl (2008:
171ff.) liefert eine Kleine Typologie des Verdeckens in der Werbung und untersucht,
welche Sachverhalte oder Eigenschaften des zu bewerbenden Produkts mittels
welcher Strategien verborgen, welche akzentuiert werden. Auch Stöckl (2008: 172)
bewertet diese Form der Beeinflussung nicht negativ und bildet sie wertungsneutral
ab. Elsen (22011: 90ff.) ermittelt den überwiegend stilistischen, wirkungsvollen und
assoziativen Charakter von Neologismen in der Werbesprache.
Das Wissen über die Intention von Werbung sorgt für eine neutrale Betrachtung
in der Forschung. Wie Persuasion im Kommunikationsbereich Pressesprache auf-
gefasst und analysiert wird, zeigt der letzte Teil des Forschungsüberblicks.
des Autors kennt,25 sich deren sprachlicher Realisierung jedoch keinesfalls bewusst
sein muss (vgl. Lenk 1998: 131, Ramge 1994: 101). Klein (1994) und Lüger (2001)
untersuchen sogenannte akzeptanzfördernde Maßnahmen innerhalb meinungsbe-
tonter Texte, die Meinungsäußerung plausibel erscheinen lassen, wodurch diese
vom Leser übernommen wird. Dabei spielt z. B.die personifizierende Darstellung,
sowie rhetorische Mittel zur Stützung von Einstellung und Bewertung eine Rolle.
Bemerkenswert ist, dass bei der Vielzahl an Arbeiten zu Persuasionsmechanismen
in meinungsbetonten Texten eine vergleichende Analyse oder die Möglichkeit von
Persuasion in informationsbetonten Texten nicht in Betracht gezogen wird, was
sich diese Arbeit jedoch zur Teilaufgabe macht.
Eine Reihe von Forschungsarbeiten konzentriert sich auf persuasive Teilhand-
lungen innerhalb der Pressesprache, wie beispielsweise persuasive Argumentation,
Leserbeeinflussung durch Emotionalisierung, durch implizites Bewerten oder
gezieltes Verbergen.
Systematische Zusammenhänge zwischen Argumentation und Persuasion wurden
seit den 70er Jahren hergestellt (vgl. Herbig/Sandig 1994: 61), liegt es doch in der
Natur der Sache, mit Argumentation überzeugen zu wollen. Diese Annahme unter-
suchen die Autoren qualitativ anhand meinungsbetonter Textsorten und sprechen
innerhalb dieser jeglicher Form von argumentativer Kommunikation „persuasive
Zutaten“ (ebd.: 62) zu, insbesondere zur Adressierung der Emotion des Lesers (vgl.
ebd.: 63). Safars (1998) rein statistisch ausgerichtete Arbeit leistet eine komparative
Analyse von Medien auf ihre persuasiven Argumentationsmechanismen hin, lässt
jedoch die Tatsache, dass quantitativ ermittelte Werte erst durch die Einbettung
in ihren Kontext zuverlässige Aussagen liefern können, außer Acht. Keine der
Arbeiten thematisiert die Möglichkeit einer nicht-rationalen Argumentation in
Informationstexten.
Ein weiterer Forschungszweig widmet sich dezidiert der persuasiven Wirkungs-
weise von Emotionalisierung durch sprachliche Mittel. So wurde die Bild-Zeitung
mehrfach auf ihre Emotionalisierungsverfahren hin untersucht (vgl. dazu Büscher
1996, Mittelberg 1967, Voss 1999). Das strategische Abzielen auf Emotionen des
Lesers gilt als ausreichend erforschte Erfolgsmethode der Bild-Zeitung (vgl. Bü-
scher 1996: 1f.), deswegen setzen die Studien zur Bild-Zeitung eine Erzeugung
der „gefühlsmäßige[n] Teilnahme am präsentierten Geschehen“ (Voss 1999: 20)
voraus und konzentrieren sich auf die sprachliche Umsetzung.26 Voss ermittelt
27 Bednarek (2006) analysiert jedoch eine unterschiedliche Art der Bewertung: „The
broadsheet newspapers adopt a less explicit, subtle, mitigated stylistically varied
20 1 Einführung und Forschungsfelder
evaluative style in order to attract the educated and affluent readers […], whereas the
tabloid newspapers adopt a more explicit, ‚intense‘, emotional and stylistically simpler
evaluative style in order to attract a lager, less educated and less affluent audience.“
(Bednarek 2006: 204).
28 Sprachbezogene Verfahren von Verschlüsseln, Verbergen, Verdecken in öffentlicher und
institutioneller Kommunikation ermittelt umfassend diachronisch und synchronisch
der Band von Pappert/Schröter/Fix (2008).
1.2 Persuasionsforschung 21
Bedürfnis nach Deutung und Sinngebung mit sich bringen“ (ebd.). Die Sprache
im Krieg vermag durch überhöhte Metaphern und euphemistische Neologismen
„das Grauen zu ästhetisieren“ (Heise 2000: 102). Liedtke (1994) arbeitet exempla-
risch heraus, wie Metaphern komplizierte politische Sachverhalte verkürzen und
vereinfacht darstellen, keineswegs aber den Krieg als solchen beschreiben sollen
(vgl. ebd.: 92). Weitere Studien (vgl. dazu u. a. Elsen 2009a, Ohde 1994) bestätigen
diese Ergebnisse und schlussfolgern, dass metaphorischer und euphemistischer
Sprachgebrauch sowohl in der politischen, als auch der Werbe- und Pressesprache
der Überzeugung und Beeinflussung dient.
Die vielfältigen methodischen Herangehensweisen zur Analyse persuasiver
Sprache in den zuvor diskutierten Kommunikationsbereichen zeigen, – was eben-
falls in der vorliegenden Arbeit von hoher Bedeutung ist – wie viele Verfahren und
Formen der Sprachverwendung dem Sprecher bzw. Journalisten zur Persuasion
zur Verfügung stehen.
Innovation, persuasive Sprache und
die Presse
2 Innovation, persuasive Sprache und die Presse
2
2.1 Neologismus
2.1 Neologismus
Die bisher analog verwendeten Begriffe Neologismus, (Wort-)Neubildung, Neulexem
und Neubeleg29 sollen nun näher bestimmt werden. Der Neologismus-Begriff ist
ein vieldiskutierter Gegenstand von Lexikographie, Lexikologie und Morphologie,
dessen Schwierigkeit in seiner dynamischen, schwer eingrenzbaren Erscheinung
liegt. Die Fülle der Definitionsansätze (vgl. Elsen 22011: 19ff.) verleiht dem Phänomen
Neologismus, wie Wiegand formuliert, den Ruf des „notorisch schwer zu definie-
renden Terminus“ (Wiegand 1989: XI, zitiert nach Kinne 1998: 81) und führt in der
Forschung deshalb oftmals zur Verwendung eines „weite[n] Neologismus-Begriff[s]“
(Schippan 22002: 245). Die sprachliche Erscheinung des Neologismus soll in ihren
Grundzügen erläutert werden, bevor die funktionalen Aspekte angeführt werden.
Das Wort Neologismus stellt eine Zusammensetzung der griechischen Kompo-
nenten néos (‚neu‘) und logos (‚Wort‘, ‚Lehre‘) dar und wurde im 18. Jahrhundert aus
dem Französischen (néologisme) entlehnt (vgl. Kinne 1998: 68). Es handelt sich bei
Neologsimen demnach zunächst um neue, also nicht lexikalisierte Wörter. Obwohl
sie innerhalb der Sprachgemeinschaft bereits eine Weile existieren können, besitzen
sie immer noch einen Neuheitswert und gelten so lange als Neologismen, wie sie
in keinem der aktuellen Standardwörterbücher verzeichnet sind (vgl. Elsen 22011:
22). Dass diese Methode der Neologismenerfassung kein sicheres Indiz für Neuheit
abbilden kann, ist in der Forschung ein gängiges Argument (vgl. Übersicht von
Barz 1998: 18). Dennoch ist sie die geeignetste Vorgehensweise, um nicht subjektive
Ergebnisse, wie z. B. bei der Rezipientenbefragung, hinsichtlich Neuheitsempfin-
dens zu erhalten (vgl. Matussek 1994: 34f.). Neben einer bestmöglichen Ermittlung
neuer Wörter drehen sich die definitorischen Überlegungen auch um mögliche
29 Diese Begriffe werden auch im weiteren Verlauf der Arbeit parallel verwendet.
Einflussfaktoren auf den Neuheitseffekt (vgl. Barz 1998) oder Tendenzen der Le-
xikalisierung eines Neologismus.30
Die Entstehung eines Neologismus wird in der Forschung differenziert betrachtet,
Gemeinsamkeiten lassen sich jedoch erkennen. Die Wortschatzerweiterung durch
Neologismen kann, darüber herrscht weitgehend Einigkeit, zum einen anhand von
Neubildungen durch morphologische Prozesse aus bereits bestehenden Morphemen
und Lexemen erfolgen (siehe 4: Rebellenhaufen, SZ/BILD). Daneben umfasst das
Phänomen Wortschöpfungen, welche durch die erstmalige Verbindung lautlichen
Materials zustande kommen (in den vorliegenden Korpora wurden keine Belege
dieser Art ermittelt). Drittens können sie durch die Entlehnung fremdsprachlichen
Materials entstehen (siehe 4: Rafale, SZ/BILD) (vgl. dazu Elsen 22011: 19ff., Schippan
2
2002: 243ff.). Kinne (1998: 83f.) fasst diese Entstehungstypen unter dem Oberbegriff
des Neulexems zusammen und führt als zweiten Typus die Neubedeutung an, die sich
durch die Bedeutungsveränderung eines bestehenden Lexems auf der Inhaltsseite
ergibt. Wortbedeutungen entsprechen offenen semantischen Strukturen und sind
gekennzeichnet durch ihre Dynamik, welche eine Variation auf der semantischen
Ebene eines Wortes mit sich bringen kann (vgl. Schippan 2005: 1374f.). In Anlehnung
an Elsen (22011: 20) werden „neue Lexikoneinheiten“, die keine neuen Lexeme sind,
sondern durch eine Bedeutungsveränderung zustande kamen, in die Auswertung
einbezogen, da diese Form des Neologismus in den Forschungsarbeiten oftmals
ausgeblendet wird und eine Analyse der Neubedeutungen auf mögliche Persuasion
ein Desiderat der vorliegenden Arbeit darstellt. Das Auftreten von Wörtern oder
Wendungen unter einer neuen, auch aktuellen Bedeutung im Text ist ein Ausdruck
semantischer Kreativität und kann unterschiedlich gestaltet werden (vgl. Schwarz/
Chur 52007: 28f.).31 Es kann sich um neue, also in der Form nicht lexikalisierte Me-
taphern handeln (siehe 4: Blair als kläffender Terrier, SZ), die einer Untersuchung
bedürfen, da sie aufgrund ihrer Verweisfunktion Absichten des Autors herausstellen
können. Ferner umfassen die Bedeutungsveränderungen Mehrdeutigkeiten (siehe
4: Streit-Kräfte, SZ), Bedeutungsübertragungen (siehe 4: verbunkern, BILD) und
modifizierte Phraseologismen, die oftmals ironisch eingesetzt werden (vgl. Janich
5
2010: 174ff.).
Für den weiteren Verlauf der Arbeit dient die Neologismus-Definition El-
sens (22011: 22). Der Terminus Neologismus bezieht sich auf „neue Fremdwörter,
Schöpfungen und auf Wortbildungen und Wortgruppenlexeme, die in Form oder
Bedeutung oder beidem neu sind, das heißt, sie sind noch nicht in den aktuellen
Wörterbüchern der Standardsprache verzeichnet“. Variationen in der Orthographie
werden nicht zu den Neologismen gezählt.
Die Definition des Neologismusbegriffs geschieht in der Forschung stets unter
Verweis auf das verwandte Phänomen des Okkasionalismus (‚Gelegenheitsbildung‘,
‚Ad-hoc-Bildung‘). Die Grenzen dieser einmalig im Text gebildeten Wörter zu den
Neologismen sind fließend,32 da zu Beginn ihres Auftretens keine Aussagen über
die Lexikalisierungstendenz und somit zur Weiterentwicklung zum Neologismus
möglich sind (vgl. Lemnitzer 2010: 68f.). Daher werden Neologismen und Okka-
sionalismen im weiteren Verlauf der vorliegenden Studie keiner Unterscheidung
unterzogen.
Neologismus im Text
Die Behandlung des funktionalen Spektrums von Wort(neu)bildungen und Neube-
deutungen im Text erfolgt stets in Anlehnung an textlinguistische Überlegungen,
da die Funktionen von Neologismen nur innerhalb ihres ko(n)textuellen Umfeldes
hinreichend bestimmt werden können. Gilt doch die Grundvoraussetzung, damit ein
sprachliches Erzeugnis als Text verstanden wird, dass ein Zusammenhang zwischen
Sinn und Sprache besteht, also inhaltliche und formale Faktoren zusammenspielen
(vgl. Elsen 22011: 87ff., Peschel 2002: 58ff.). Nachfolgend interessiert lediglich die
Rolle neologischer Lexeme in ihrem Textumfeld, und mit Elsen (22011: 87f.) lassen
sich folgende, sich oftmals überlappende Aufgaben und Funktionen unterscheiden.33
Eine referentielle Funktion erfüllt ein Lexem dann, wenn zum Verständnis des
neuen Wortes keine Textzusammenhänge nötig sind und das Lexem eine benen-
nende Leistung erbringt. Die Motivation der Verwendung neologischer Wörter
zur Benennung neuer Sachverhalte liegt gerade in der Sprache der Presse nahe,
verarbeitet sie doch mittels Sprache täglich Veränderungen in Gesellschaft, Politik,
Wirtschaft und Wissenschaft.34
32 Diese in der Forschung dominierende Ansicht wird von Teubert (1998: 164) nicht geteilt,
er spricht sich für eine klare Unterscheidung der beiden Phänomene aus.
33 Eine detaillierte Herleitung und Diskussion zur Wort(neu)bildung im Text unternimmt
auch Peschel (2002: 58ff.).
34 In der Varietät Jugendsprache dient die Neubenennung von Sachverhalten oder Ge-
genständen insbesondere der Gruppenbildung (vgl. Elsen 22011: 76f.).
26 2 Innovation, persuasive Sprache und die Presse
Daneben können Neulexeme auch eine textuelle Funktion ausüben. Hierbei wird
die Funktion des Wortes durch den Textzusammenhang mitbestimmt. Sie dienen
der gerade in dem Kommunikationsbereich Pressesprache unverzichtbaren, öko-
nomischen und den Lesefluss erleichternden Ausdrucksweise. Gerade neologische
Komposita wirken oftmals textlinguistisch und dienen aufgrund ihrer morpho-
logischen Struktur (und den daraus resultierenden Kombinationsmöglichkeiten)
der Kombination und Verkürzung von Sachverhalten (vgl. Elsen 22011: 106ff.),
sowie der Vermeidung von lästigen Wiederholungen (vgl. Peschel 2002: 106f.).
Thematisch gesehen konstituieren sie ein Thema, behalten es bei und variieren es.
Die kompositionellen Neologismen sind oftmals selbsterklärend und kontextlos
verständlich, andere (z. B. Derivate)35 wiederum erst nach einer Einbettung ins
Textumfeld korrekt interpretierbar (vgl. Ulrich 2009: 273f.). Um das Lexem der
aktuellen Textbedeutung entsprechend interpretieren zu können, bedarf es also
der textuellen Einbindung.
Letztlich erfüllen Neologismen nicht selten eine stilistische Funktion. Sie
werden weniger deswegen eingesetzt, um etwas zu benennen oder textuell zu
verdichten, sondern dienen vielmehr dem Lektüreanreiz und werden in Form von
ironischem, kreativem oder konnotiertem Wortgebrauch realisiert. Eine weitere
Funktion ergibt sich, wenn expressive Neologismen weniger der Unterhaltung als
der Beeinflussung des Lesers dienen oder wenn zunächst nicht weiter auffallende
Neologismen einer persuasiven Textgestaltung dienen und sich somit meinungs-
beeinflussend auswirken.36
Journalisten können durch den gezielten Einsatz neologischer Lexeme zur
Emotionalisierung des Rezipienten (vgl. Voss 1999), zur Akzeptanzförderung (vgl.
Klein 1994, Lüger 2001, 2002) und zur (indirekten) Bewertung des dargestellten
Sachverhalts beitragen (vgl. Bednarek 2006, Elsen/Dzikowicz 2005: 82f.), ohne dass
es dem Leser überhaupt bewusst wird. Auch Tabuthemen (siehe 1.2, 2.2) können
durch Neologismen einer Art leserfreundlichen Aufbereitung unterzogen werden,
insbesondere in Form von neologischen Euphemismen (siehe 2.2), die ungewünschte
Aspekte eines Sachverhaltes verschleiern oder abmildern sollen (vgl. Burkhardt
2004: 14, Elsen 22011: 109, Jesensek 1995b: 200, Rada 2001: 60). Eine ähnliche
Wirkungsweise entwickelt die metaphorische Lexik. Auch sie kann bereits auf der
2.2 Persuasion
2.2 Persuasion
Die Annäherung an den interdisziplinären Forschungsbereich zeigte, dass Persua-
sion einem facettenreichen Phänomen entspricht. Die vorgestellten Studien (siehe
1.2) behandelten persuasive Argumentation, akzeptanzfördernde Maßnahmen,
Emotionalisierung, implizite Wertung, die Verschleierung von ungewünschten
Sachverhalten einerseits (Euphemismus) oder die Verdeutlichung abstrakter oder
gewünschter Aspekte andererseits (Metapher). Mit linguistischen Methoden wird
Persuasion in ihrer strukturalen, pragmatischen, semantischen und funktionalen
Realisierung erfasst. Die Ausrichtung der Forschungsvorhaben reicht von diskursana-
lytischen, pragmatisch-sprechakttheoretischen, textlinguistischen, stilistischen bis
hin zu lexikologischen Herangehensweisen. Es ist also naheliegend, dass in den
Forschungsanliegen auch die Begriffsbestimmungen von Persuasion variieren,
folglich wird in diesem Abschnitt eine Definition vorgenommen.
Der dem Phänomen Persuasion zugrundeliegende lateinische Begriff persuadere
bezeichnet sowohl das Überreden, das in der Forschung der nicht-argumentativen
Form (z. B. durch Konnotation, Emotionalisierung, implizite Wertung, Verschleie-
rung) der sprachlichen Einflussnahme entspricht, bei dem der Empfänger unfreiwillig
zu etwas gebracht werden soll, als auch das Überzeugen, das durch Argumentation
und im Einverständnis mit dem Rezipienten vollzogen wird (vgl. Elsen 2009a:
447f., Herbig/Sandig 1994: 62, vgl. zur Diskussion Ortak 2004: 47ff.). Diese in der
Sprechakttheorie verankerte Unterscheidung von Überredung und Überzeugung
wird jedoch mit Pohl (1998: 256) beiseitegelassen und von einem weiten Persuasions-
begriff abgelöst. Mit Hoffmann (1998: 68) umfasst dieser sämtliche, durch Sprache
erzielte, Formen des Überzeugens, Überredens und Beeinflussens, wie auch die
klassischen rhetorische Strategien des Verbergens und Vortäuschens. Ferner werden
in der vorliegenden Studie, anders, als bei einer Reihe von Definitionen, die im
Spiegel kommunikationstheoretischer und sprechakttheoretischer Gesichtspunkte
das persuasive Sprachhandeln in ihre Überlegungen einbeziehen (vgl. Halmari/
Virtanen 2005a: 5, Lenk 1998, Ortak 2004: 68ff.), der Handlungscharakter und die
Rezipientenperspektive beim persuasiven Prozess ausgeklammert. Thematisiert
werden ausschließlich diesprachliche Realisierung und ihre Funktionen im Text.
Ein Katalog von Wirkungsweisen, dessen sich diese Arbeit bedient, wurde bereits
von Sornig (1986) erstellt. Seine Überlegungen zu persuasiven Strategien rücken die
Wortebene in den Mittelpunkt. Er konstruiert ein „Lexikon der Überredung“ (Sornig
1986: 256ff.), das neben der Neologismenverwendung Fremd- und Schlüsselwör-
tergebrauch, konnotierte Lexeme, sowie den metaphorischen und euphemistischen
Sprachgebrauch als persuasive Sprachstrategien umfasst (vgl. Sornig 1986: 252ff.).
Gleichermaßen wird auf Janichs (52010: 129ff. in Anlehnung an Stöckl (1997))
Zusammenstellung von persuasiven Teilfunktionen, die einen Persuasionsprozess
maßgeblich beeinflussen, zurückgegriffen. Diese Gestaltungselemente umfassen
die aufmerksamkeitsaktivierende Funktion (beispielsweise durch expressiven
Sprachgebrauch und auffällige graphische Gestaltung), die Akzeptanzfunktion
(sie wird u. a. durch das Zitieren von Autoritäten oder fachsprachliches bzw.
pseudofachsprachliches Vokabular erzielt), die vorstellungsaktivierende Funktion
(z. B. durch Metaphernverwendung oder andere Bedeutungsveränderungen), die
Verschleierungsfunktion (insbesondere durch euphemistische Sprachverwendung)
und die Attraktivitätsfunktion (Leseranreiz, z. B. durch Ironie und Witz). Die
Bedeutung der Akzeptanzfunktion38 für die persuasive Sprachgestaltung betont
auch Lüger (2001, 2002). Dabei erweist sich insbesondere im Journalismus die
Strategie der Personalisierung, also das Verknüpfungen von Sachverhalten und
Personen, als geeignet.
Dass bereits auf der lexikalischen Ebene sprachliche Beeinflussung bis hin zur
Manipulation möglich ist, konstatiert Elsen (2009a: 456). Der Grat zwischen den
Phänomenen Persuasion und Manipulation durch Sprache ist schmal, insbesondere
wenn es sich um den Einsatz rhetorischer Mittel (z. B. Euphemismus, Metapher,
Ellipse etc.) handelt. Obwohl verschleiernde Sprachpolitik und manipulative Eu-
phemismen- und Metaphernverwendung in Presse und Politik wissenschaftlich
— Oli yö tai päivä, päätti Kusto. Meidän lapset eivät saa olla
semmoisia.
— Miten opettanut?
— Nytpä tiedät.
— Mitäs minä siitä puolustan, sanoi Mari, johon pojan rikos näytti
koskevan kovemmin, kuin tyttöjen äskeinen jyväjuttu. Vaan on näihin
rikoksiin paljon omaakin syytäsi. Mitäs annatkin tähän keräytyä
kaiken maailman väen joka sunnuntai-illaksi.
Pääskysten elämästä.
Puut heloittivat vasta puhjenneessa lehtiverhossaan, niityille loi
vihanta ruoho kauniin katoksen ja kirjaili sen ensimmäisillä
kukkasilla. Metsä surisi lintujen laulusta ja vapautuneena jääkuoren
alta hyppelivät kalaset rantamilla. Itsevaltias talvi oli laskenut sekä
kasvi- että eläinkunnan jäisen valtikkansa alta kesäistä vapautta
nauttimaan. Kaikki saivat he nyt voimiensa mukaan kasvaa ja
kukoistaa, laulaa ja liikkua.
Syksyllä ja keväällä.
*****
— Nyt sen näitten, että onhan tällä jalan nousua, puhui Lipponen
iloisesti kääntyen taas meihin päin.
*****
— Niinhän niitä syksyllä oli, sanoi vaimo huoaten, mutta nyt ei ole
sen enempi, kuin mitä tässä näkyy.
Ihaili.
Alarapun aviopari.