Er sah sie sekundenlang ärgerlich verwirrt an. Dann sagte er schroff:
„Du irrst dich offenbar in mir. Du denkst, du hast einen Dichter vor dir. Du vergisst, dass meine Fähigkeiten hier –“ er streichelte seine Kehle, „und nicht hier sitzen.“ Er stiess den Zeigefinger gegen seine Stirn.
Da war sie wieder versöhnt, wieder auf einen Wellenberg ihrer Neigung zu ihm emporgehoben.
„Du hast recht.“ Sie glitt an dem Lager auf die Knie nieder, bog sanft seinen Kopf zurück und küsste seinen Hals. „Ich bin eine verschrobene Trine. Statt mir an dem genügen zu lassen, was ich besitze – was heisst genügen zu lassen? Statt mich an dem zu beglücken, was dich aus allen Männern heraushebt, verlang ich von dir geistreiches Gefasel.“
„Endlich redest du vernünftig,“ lobte er paschahaft und fegte mit einer Bewegung seines starken Armes ihren Oberkörper über sich hin. Das Gewaltsame dieser Geste peitschte sie auf. Aber sie riss sich noch einmal los und bat:
„Sing! Sing für mich.“
„Meinetwegen,“ willigte er trocken ein. Er wusste, dann gehörte sie ihm. Seinem Gesang hatte noch keine Frau widerstanden, wenn er sie in seinen vier Wänden hatte.
Er ging auf den Bechsteinflügel zu, der ihre Wahl gerade für diese Wohnung entschieden hatte.
„Du sollst jetzt etwas aus dem „Columbus“ hören.“
Aus dem „Columbus“!. Sie hob sich vor Enthusiasmus auf
Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/46&oldid=- (Version vom 31.7.2018)