Eine sehr bedrückende Spurensuche, die Sylvie Schenk hier autofiktional angeht, um die Herkunft ihrer Mutter zu ergründen - um dabei unter anderem aucEine sehr bedrückende Spurensuche, die Sylvie Schenk hier autofiktional angeht, um die Herkunft ihrer Mutter zu ergründen - um dabei unter anderem auch auf Erklärungen für ihre lieblose Kindheit zu stoßen. Zwei Weltkriege, diverse deutsch-französische Beziehungen und Klassenunterschiede, die lebenslang halten, sind verarbeitete Themen. Autofiktionale Annäherungen an die Familie, v.a. die Mutter, habe ich schon sehr (zu?) oft gelesen, aber dieses hier hat sich dennoch richtig gelohnt und steht völlig zu Recht auf der Shortlist des Buchpreises 2023.
Mehr zum Buch in unseren ausführlichen Besprechungen @ Papierstau Podcast:
Eine sehr bedrückende Spurensuche, die Sylvie Schenk hier autofiktional angeht, um die Herkunft ihrer Mutter zu ergründen - um dabei unter anderem auch auf Erklärungen für ihre lieblose Kindheit zu stoßen. Zwei Weltkriege, diverse deutsch-französische Beziehungen und Klassenunterschiede, die lebenslang halten, sind verarbeitete Themen. Autofiktionale Annäherungen an die Familie, v.a. die Mutter, habe ich schon sehr (zu?) oft gelesen, aber dieses hier hat sich dennoch richtig gelohnt und steht völlig zu Recht auf der Shortlist des Buchpreises 2023.
Mehr zum Buch in unseren ausführlichen Besprechungen @ Papierstau Podcast:
Richtig gute Coming-of-Age-Geschichte mit distinkten Charakteren, klarer Stimme und Anspruch (verschiedene Zeitebenen, Meta mit Musik). Auch der Plot Richtig gute Coming-of-Age-Geschichte mit distinkten Charakteren, klarer Stimme und Anspruch (verschiedene Zeitebenen, Meta mit Musik). Auch der Plot ist toll - Junge aus "gutem Hause" findet neue Freunde, die den Eltern nicht passen. Luca Kieser, für mich eine der literarischen Entdeckungen 2023, hat mich erneut überzeugt, da bleibe ich auf jeden Fall dran.
Mehr zum Buch in unserer ausführlichen Besprechung @ Papierstau Podcast: #308:Vaginaneid...more
Das kommt ganz schön leise daher für ein Buch, das "Punk" heißt - aber hey, in der Realität dieses Romans gibt es keine Musik oder melodische GeräuschDas kommt ganz schön leise daher für ein Buch, das "Punk" heißt - aber hey, in der Realität dieses Romans gibt es keine Musik oder melodische Geräusche. Ist aber trotzdem kein Horror (klingt nur so), sondern ein furioses popkulturelles Verweisfeuerwerk, so richtig zum Abnerden und gleichzeitig eine Geschichte, die sich als clevere und unterhaltsame Parabel auf so viele aktuelle Themen (Klimawandel, Coronaschwurbelei, Cancel Culture, Achtsamkeit...) lesen lässt.
Wunderschön geschrieben und lehrreich zugleich: Hier gibt es US-amerikanische Geschichte erzählt anhand einer indigenen Familie über mehrere GeneratioWunderschön geschrieben und lehrreich zugleich: Hier gibt es US-amerikanische Geschichte erzählt anhand einer indigenen Familie über mehrere Generationen - die Auswirkungen von Unterdrückung, Vertreibung, Gewalt und Sucht vom Massaker am Sand Creek bis zur Gegenwart.
Die Geschichte um Transmann Enzo, der schwanger wird, hat einiges zu bieten. Persönliche, gesellschaftliche, mediale und sonstige Resonanzen auf die uDie Geschichte um Transmann Enzo, der schwanger wird, hat einiges zu bieten. Persönliche, gesellschaftliche, mediale und sonstige Resonanzen auf die ungewöhnliche Schwangerschaft werden umfassend dargestellt, auch die Charaktere, allen voran Enzo und seine Frau Angèle, werden gut porträtiert. Erzählperspektiven und -Zeiten wechseln gekonnt hin und her, und auch sprachlich passiert viel. Einziger Störfaktor ist eine neue Plotline, die spät im Buch startet und die die ohnehin schon recht angespannte Dramaschraube unnötig überstrapaziert.
Das wirkliche Leben hatte mich ja nicht so vom Hocker gehauen, gut, dass ich es nochmal mit der Autorin versucht habe, denn dieses Buch hat mir sehr gDas wirkliche Leben hatte mich ja nicht so vom Hocker gehauen, gut, dass ich es nochmal mit der Autorin versucht habe, denn dieses Buch hat mir sehr gefallen. Ein ziemlich irrer Plot (Road Trip mit Leiche), der intelligent erzählt ist (Briefroman), wobei vor allem die Konversationsrichtung spannend ist: Gestorben ist ein verheirateter Familienvater während eines Kurztrips mit seiner jahrelangen Geliebten - diese schreibt die Erzählung als Briefe an seine Frau/Witwe und verhandelt dabei feministische und gesellschaftliche Themen.
Ein top recherchiertes, sehr gut, verständlich und unterhaltsam geschriebenes Sachbuch, das die Geschehnisse rund um Till Lindmanns "Row Zero" als AusEin top recherchiertes, sehr gut, verständlich und unterhaltsam geschriebenes Sachbuch, das die Geschehnisse rund um Till Lindmanns "Row Zero" als Ausgangspunkt zu nehmen (die Autor*innen gehörten damals zum Erstrechercheteam) und den Blick auf die gesamte Musikindustrie zu richten und die dahinter liegenden Strukturen in Bezug auf Gewalt und Machtmissbrauch hier mal in geballter Form darzulegen. Das ist nicht alles überraschend, aber in der Masse dennoch erschreckend. No spoiler: Frauen werden aus den genannten Gründen genreübergreifend überall schlecht behandelt. Aber nicht nur das, mehr dazu im Buch.
Hach, ich freue mich, dass Hari Kunzru mich nach Red Pill erneut begeistern konnte! Blue Ruin: Roman ist puzzlemäßig nicht ganz so vielschichtig, aberHach, ich freue mich, dass Hari Kunzru mich nach Red Pill erneut begeistern konnte! Blue Ruin: Roman ist puzzlemäßig nicht ganz so vielschichtig, aber dafür auf anderen Ebenen sehr anspruchsvoll. Das pandemisches Künstler*innenkammerspiel ist auch für Lesende zu empfehlen, die nicht viel mit Kunst am Hut haben - die Typen, die Szene, die Bedeutung von Kunst und vieles mehr sind locker auf andere Bereiche übertragbar und einfach zu gut. Ganz großes narratives Kino und auch das Coronasetting passt perfekt.
Die jüngere und gegenwärtige politische und gesellschaftliche Geschichte Venezuelas wird hier anhand des Protagonisten Ulises erzählt. Unser Held ist Die jüngere und gegenwärtige politische und gesellschaftliche Geschichte Venezuelas wird hier anhand des Protagonisten Ulises erzählt. Unser Held ist unglücklich verheiratet und erbt nach der Trennung von seiner Frau ein luxuriöses Apartment von ihrem Vater - wenn er dafür dessen Landsitz innerhalb einer gewissen Frist in ein Heim für Straßenhunde umwandelt. Es beginnt ein Wettlauf gegen Gier, Neid und Korruption. Der wahnwitzige Plot ist ein wahres Verweisfeuerwerk auf Themen aus Hoch- und Popkultur, Mythologie und vielem mehr und vor allem eine ganz große Verbeugung vor Francis Ford Coppolas Der Pate Filmtrilogie.
Hierfür habe ich meine Komfortzone mal ein wenig verlassen und wurde dafür mit einer leicht magischen, aber auch sehr politischen und fein geplottetenHierfür habe ich meine Komfortzone mal ein wenig verlassen und wurde dafür mit einer leicht magischen, aber auch sehr politischen und fein geplotteten Gesichte belohnt.
Was für ein wahnsinniges Beziehungsgeflecht, das Naoise Dolan hier in Sechs Akten auf dem Weg zur Ehe ausbreitet. Das ist sehr gegenwärtig, sehr vielsWas für ein wahnsinniges Beziehungsgeflecht, das Naoise Dolan hier in Sechs Akten auf dem Weg zur Ehe ausbreitet. Das ist sehr gegenwärtig, sehr vielschichtig und sehr queer - und macht obendrein sehr viel Spaß.
Papierstau gefällt das (Druckerhumor, zwinker, zwinker...). Eine Satire auf den Arbeitsmarkt mit Fokus auf den gesichts- (bzw. namenslosen) BürobetriePapierstau gefällt das (Druckerhumor, zwinker, zwinker...). Eine Satire auf den Arbeitsmarkt mit Fokus auf den gesichts- (bzw. namenslosen) Bürobetrieb mit austauschbaren Angestellten. Der Clou sind die weiteren Themen, die die Autorin anbietet: Die Folgen von Klassismus und den Aufwachsen als Mädchen/Frau in einer von Gewalt geprägten Schicht, die trotz Bildungsaufstieg haften bleiben. Grotesk ja, aber mit ordentlich Tiefgang (und Objekte als Erzählstimmen scheinen in den Niederlanden gut zu funktionieren, siehe Wir sind das Licht).
Ein Wort: Herrlich! Hier wird wirklich der komplette Literaturbetrieb durch die Mangel gedreht. Wer darf welche Geschichte erzählen und vor allem wie Ein Wort: Herrlich! Hier wird wirklich der komplette Literaturbetrieb durch die Mangel gedreht. Wer darf welche Geschichte erzählen und vor allem wie - was darf/kann/soll man Lesenden zutrauen und was will die Community? Auch Goodreads hat die Autorin im Blick. Ein sehr amüsanter, schlauer Lesespaß von und Buchliebhaber*innen (das ist hier wirklich mal wörtlich zu verstehen).
Sehr lesenswert: Zum nicht immer angenehmen Reflektieren für Frauen, zum wichtigen Verständnis für Männer und zum Debattenstart und als DiskussionsgruSehr lesenswert: Zum nicht immer angenehmen Reflektieren für Frauen, zum wichtigen Verständnis für Männer und zum Debattenstart und als Diskussionsgrundlage überhaupt. Mehr Nein sagen, weniger entschuldigen, Gefühle in Handlungen übersetzen und vor allem: Solidarität - warum Frauen es sich mit diesen und weiteren Dingen schwer tun, geht Fritz hier mit zahlreichen Beispielen unterhaltsam und anregend auf den Grund.
Ein dunkler Roman über das Trauma und die Auswirkungen von Missbrauch in Form des Münchhausen-Stellvertretersyndroms. Ich fand die strukturelle UmsetzEin dunkler Roman über das Trauma und die Auswirkungen von Missbrauch in Form des Münchhausen-Stellvertretersyndroms. Ich fand die strukturelle Umsetzung sehr ansprechend, ebenso die überzeugende Verhandlung des Themas auf der Plotebene. Der Vorgänger Herzklappen von Johnson & Johnson hat mich nicht so überzeugt, dieses Buch dafür umso mehr!
Eine sehr gelungene Satire über die US-amerikanische Gefängnisindustrie, verpackt in einer erschreckend nahen Dystopie. Hier kämpfen Gefangene um ihr Eine sehr gelungene Satire über die US-amerikanische Gefängnisindustrie, verpackt in einer erschreckend nahen Dystopie. Hier kämpfen Gefangene um ihr Leben, als Preis lockt die Freiheit. Inszeniert wird das Spektakel als "High Action Sport" mit Fandom, und allem was dazugehört: Brot und Spiele in Reinkultur. Wenn ihr könnt, greift zum Original, die deutsche Übersetzung rumpelt ein wenig.
Wow, Treffer, versenkt: Genau mein Humor. Die Geschichte um eine Professorin, die sich einem Rassismusvorwurf ausgesetzt fühlt, glänzt als feine GegenWow, Treffer, versenkt: Genau mein Humor. Die Geschichte um eine Professorin, die sich einem Rassismusvorwurf ausgesetzt fühlt, glänzt als feine Gegenwartssatire. Mit extra Boni für Linguist*innen!
Timon does it again: Auch sein Zweitwerk hat mir richtig gut gefallen. Erzählt wird die Geschichte eines (diesmal nicht ganz so einfachen) Mannes, derTimon does it again: Auch sein Zweitwerk hat mir richtig gut gefallen. Erzählt wird die Geschichte eines (diesmal nicht ganz so einfachen) Mannes, der in einem Sanatorium geheilt werden soll. Nur von was bleibt schwammig, und auch die Methoden in der Klinik erscheinen fragwürdig. Später sucht der Protagonist sein Heil an ganz anderer Stelle. Eine kluge, pointierte und dazu sehr unterhaltsame Meditation über Selbstoptimierung.
Ich hatte die große Freude, auch in 2023 für Papierstau Podcast gemeinsam mit @Robin und @Meike ganz viele tolle Bücher zu lesen und zu besprechen. InIch hatte die große Freude, auch in 2023 für Papierstau Podcast gemeinsam mit @Robin und @Meike ganz viele tolle Bücher zu lesen und zu besprechen. Insgesamt war es mit 102 Büchern (Autorinnen: 57, Autoren: 45) und 29,961 gelesenen Seiten ein sehr ertragreiches Lesejahr. Meine Durchschnittsbewertung war 3,5, ich runde den Gesamteindruck mal großzügig auf, denn neben den gelesenen Büchern gab es noch viele andere spannende Leseereignisse (Reportagereise isländische Literatur, Bachmannwettbewerb 2023). Danke an alle, die dies möglich machen! <3
Meine Top Reads 2023 präsentiere ich hier mal in thematischen Kleingrüppchen:
SCHINKEN
- Bret Easton Ellis: The Shards - passiert hier eigentlich was? Egal, den rich, drugged kids in den 80ern beim dahinvegetieren zuzuschauen macht unfassbar viel Spaß. - Jón Kalman Stefánsson: Dein Fortsein ist Finsternis - multigenerational, reich an Plotlines und Charakteren, und alles fasziniert, allem voran Island. - Die Nummer drei teilt sich ein deutsches Trio, das mogele ich hier jetzt einfach mit rein: Philipp Oehmke: Schönwald: Roman (mit kleinen Plotschwächen, dafür aber so großgeschichtlich und kleinbürgerlich erzählt, dass es eine Freude war, dieser Familie beim Niedergang zuzuschauen); Daniel Kehlmann: Lichtspiel (spannend, innovativ, sehr cineastisch und was für ein DRAMA!); Steffen Kopetzky: Damenopfer (Larissa Reissner zum Comeback verholfen, denn dieses Jahr werden ihre Reportagen neu aufgelegt und gekonnt erzählt, aus einer Vielzahl von Stimmen und Blickwinkeln.)
CLEVER FUN - Heinz Strunk: Der gelbe Elefant - richtig gute Kurzgeschichtensammlung, jede Story sitzt. - Fréderic Schwilden: Toxic Man - amüsant, klug und unfassbar zeitgeistig. Auch gut: Fréderic Schwilden im Interview ;) - Felicitas Berliner: Shmutz - chassidischisch und dabei pornosüchtig. Ja, das geht. Und ist zum Schreiben komisch (dabei aber nie albern).
HERZCHENAUGEN - Virginie Despentes: Liebes Arschloch - Virginie kann sowieso machen was sie will, und das macht sie auch: Überraschend versöhnlich, gewohnt bissig, ich bin dauerverliebt. - Luca Kieser: Weil da war etwas im Wasser - insta!love beim Buchpreis, was für ein Debüt. So toll erzählt, so experimentell, so tief, ganz große Sommerliebe '23. - Victor Jestin: Der Tanzende - ein sehr berührendes Buch, das sich dem Megathema Einsamkeit mal ganz neu und sehr intensiv annimmt und unglaublich gut erzählt ist - was mag da noch alles von diesem talentierten jungen Autor kommen? Es ist was Festes.
THANKS BUT NO THANKS Ich habe die Flops des Jahres vergessen, herrje! Da waren schon einige Bücher dabei, die mir überhaupt nicht gefallen haben, diese drei haben mich zusätzlich aus verschiedenen Gründen auch verärgert: - Kathrin Röggla: Laufendes Verfahren - wie kann man einen Roman zum NSU-Prozess nur so... ja, was genau eigentlich? Verschreiben? Ganz schwacher Beitrag in einem sonst starkem Buchpreisjahr. - Eva Menasse: Alles und nichts sagen: Vom Zustand der Debatte in der Digitalmoderne - Thema leider total verfehlt, einseitige Betrachtung von (zweifelsohne verabscheuungswürdigen) Hasskommentaren auf bekannten Social-Media-Accounts. Sonst? Eigentlich überwiegend Boomercringe. - Michael Houellebecq: Einige Monate in meinem Leben: Oktober 2022 – März 2023 - allerschlimmstes alter-weißer-Mann-Geflenne. Der Alkohol war Schuld, dass sich M.H. nach dem geschenkten Pornodreh wie ein Vergewaltigungsopfer fühlt. P.S.: Sorry, Islam. Das ist zu geschmacklos auf zu vielen Ebenen....more
Loading...
