Gestielter Muskellappen Am Unterschenkel

Als pdf oder txt herunterladen
Als pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 12

Unfallchirurg M.

Markmiller
2001 · 104: 536–547 © Springer-Verlag 2001
Abteilung Unfallchirurgie,Chirurgische Universitätsklinik,Freiburg i.Br.

Redaktion
Prof.Dr.A.Rüter, Augsburg
Prof.Dr.H.Reilmann, Braunschweig
Lokal gestielte Muskellappen-
Prof.Dr.D.Nast-Kolb, Essen plastiken in der Traumatologie
Die Beiträge der Rubrik „Weiterbildung“ sol-
len dem Stand der Facharztprüfung für den des Unterschenkels
Chirurgen entsprechen und zugleich dem
niedergelassenen Facharzt als Repetitorium
dienen.Die Rubrik beschränkt sich auf kli-
nisch gesicherte Aussagen zum Thema.

F rakturen des Unterschenkels mit begleitendem schwerem Weichteilschaden stel-


len unverändert eine therapeutische Herausforderung für den Traumatologen dar.
Neben der frakturangepassten Wahl des Osteosyntheseverfahrens ist insbesondere
das Management des Weichteilschadens von herausragender Bedeutung. Ein klares
Konzept über Art, Zeitpunkt und Umfang der plastischen Weichteilrekonstruktion
ist ebenso nötig wie die chirurgische Kompetenz für mikrovaskuläre Verfahren. Letz-
tere Forderung und die für akzeptable Komplikationsraten nötige hohe Eingriffsfre-
䉴 Zentrumschirurgie quenz bedingen zu Recht die Entwicklung einer 䉴Zentrumschirurgie für den frei-
en, mikrovaskulär gestielten Gewebetransfer.
Davon unbenommen stellt die Technik lokal gestielter Lappenplastiken an den
Extremitäten traumatologisches Allgemeingut dar und muss auch in der Akuttrau-
matologie jederzeit verfügbar sein. Im Folgenden werden die wichtigen gestielten
muskulären und fasziokutanen Lappentechniken für den Unterschenkel nach Ein-
satzregion, Technik und operationstechnischen Besonderheiten des einzelnen Trans-
fermuskels besprochen.

Vorbehandlung/Voraussetzungen
Die Erstversorgung der offenen Unterschenkelfraktur umfasst die stabile Osteosyn-
these und das radikale Débridement der geschädigten Weichteile.An Stabilisierungs-
Bei Stabilisierung durch Fixateur verfahren steht zum einen der konventionelle Fixateur externe zur Verfügung. Ist ein
externe, wg.späterem Verfahrenswech- späterer Verfahrenswechsel auf eine intramedulläre Stabilisierung geplant, so sollte
sel Pinless-Technik erwägen der Pinless-Technik ohne Markraumeröffnung der Vorzug gegeben werden, um das
Infektrisiko einer späteren Nagelosteosynthese zu minimieren. Zum anderen ist ab-
Die ungebohrte Marknagelung hängig von der Frakturmorphologie die Nagelosteosynthese in ungebohrter Tech-
kann bis zum Offenheitsgrad IIIB nach nik bei Frakturen mit einen Offenheitsgrad bis zum Typ IIIB nach Gustilo/Anderson
Gustilo/Anderson angewandt werden primär anwendbar. Innere Osteosynthesen am Ort der Fraktur und des Weichteil-
schadens müssen vermieden werden. Dies gilt auch und besonders für isolierte
Schraubenosteosynthesen in Kombination mit einer äußeren Fixateurkonstruktion.
Liegt der Knochen deperiostiert frei und erlaubt die Defektgröße keinen spannungs-
freien primären Wundverschluss, so ist die Indikation für eine plastische Weichteil-
deckung gegeben. Der Forderung nach Vaskularität vor Ort als unabdingbare Vor-
aussetzung der Frakturheilung wird die Muskellappenplastik weitaus besser gerecht
als der lokale Gewebetransfer durch kutane oder fasziokutane Verschiebelappen.

Dr. M. Markmiller
Abteilung Unfallchirurgie, Chirurgische Universitätsklinik, Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg i.Br.,
E-Mail: [email protected]

536 | Der Unfallchirurg 6•2001


Weiterbildung
Muskellappenplastiken
Der Zeitpunkt für die plastische Deckung ist abhängig vom Ausmaß des pri-
mären Weichteilschadens, von der ausreichenden Radikalität des Débridements
und von der richtigen Prognosestellung bezüglich sekundär sich entwickelnder Ne-
䉴 Versorgungszeitpunkt: eher früh krosen. Insbesondere nach 䉴Hochenergietraumen sollte daher eine Muskellap-
sekundär bei Hochenergietrauma penplastik erst im Verlaufe der ersten 2 posttraumatischen Wochen nach oder im
Zuge eines „Second look“ durchgeführt werden. Gute Möglichkeiten der temporä-
ren alloplastischen Defektdeckung (Vakuumversiegelung, Kunsthaut) stehen zur
Verfügung und müssen für das Intervall bis zur definitiven Sanierung genutzt wer-
Defekte im distalen Drittel den.
des Unterschenkels bedürfen meist Größere Weichteildefekte des distalen Unterschenkeldrittels sind mit gestielten
freier Lappen Muskellappen meist nicht komplett zu decken und stellen eine Indikation für den
Transfer freier, mikrovaskulär gestielter Lappen dar.

Anatomische Kriterien der Lappenvaskularität


Die Kenntnis der Gefäßanatomie der einzelnen Unterschenkelmuskeln ist unabding-
bare Voraussetzung für die Präparation und Hebung der einzelnen Lappen. Insbe-
䉴 Hauptgefäßstiel sondere die Topographie des für die Lappentrophik meist entscheidenden 䉴Haupt-
gefäßstiels muss bekannt sein.Als Hauptgefäßstiel wird derjenige Gefäßstiel bezeich-
net, dessen Ligatur zur Nekrose des Muskels führt. Die Blutversorgung der Muskula-
tur ist gut untersucht. Mathes u. Nahai schlugen 1981 eine für die klinische Anwendung
hilfreiche Klassifikation vor:

Typ 1: ein Gefäßstiel (M. gastrocnemius),


Typ 2: ein dominanter Gefäßstiel und mehrere kleine Gefäßstiele (M. soleus),
Typ 3: zwei dominante Gefäßstiele,
Typ 4: segmentale Gefäßstiele (M. flexor digitorum longus, M. flexor hallucis lon-
gus, M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus, M. peronaeus brevis),
Typ 5: ein dominanter Gefäßstiel und sekundäre segmentale Gefäßstiele.

Abb.2 䉳 Für jeden


Gastrocnemiuskopf
besteht ein einziger,
Abb.1 䉳 Deckungs- proximal eintretender
bereich des medialen Gefäßstiel (Typ I der
Kopfes des M. ga- Gefäßversorgung nach
strocnemius Mathes u. Nahai)

Der Unfallchirurg 6•2001 | 537


Abb.3a, b 䉳 Zugangsweg.
a Die Zugangsinzision erfolgt
2 cm dorsal der medialen
Tibiakante, b präoperatives
Anzeichnen des Zugangs
(hier bei Tibiakopfosteitis
und geplanter Einmuldung
des medialen Gastrocnemius-
kopfes)

Musculus gastrocnemius
Der Muskel besitzt ein breites Anwendungsgebiet an distalem Femur, Knieregion und
proximalem Unterschenkel (Abb. 1).
䉴 M.gastrocnemius: Die Gefäßversorgung des 䉴M. gastrocnemius entspricht dem Typ I nach Mathes u.
Gefäßversorgungstyp I Nahai (Abb. 2). Sie erfolgt über die Aa. surales aus der A. poplitea. Jeder Gastrocnemius-
kopf kann für sich an seinem proximalen neurovaskulären Stiel mobilisiert werden.

Medialer Gastrocnemiuskopf

Der mediale Gastrocnemiuskopf ist länger als der laterale Kopf und deckt Defekte über
der proximalen medialen Hälfte des Tibiaschaftes, über der Tuberositas tibiae und
über dem medialen Tibiakondylus. Das Einsatzgebiet kann nach distal erweitert wer-
Längengewinn durch Querinzisionen den durch mehrere Querinzisionen an der Lappenunterseite nach Hebung. Ein weite-
der Lappenunterseite und proximale rer Längengewinn ist durch die Ablösung des proximalen Sehnenursprunges möglich.
Ablösung

Abb.4 䉱 Die Schicht zum M. soleus ist digital leicht lösbar

538 | Der Unfallchirurg 6•2001


Weiterbildung
Muskellappenplastiken
Abb.5a, b 䉳 Hebetechnik.
a Der mediale Gastrocnemius-
kopf wird distal scharf von der
Achillessehne (7) abgesetzt
und nach proximal entwickelt.
Der Aktionsradius wird erwei-
tert durch die proximale
Desinsertion des tendinösen
Ursprungs am medialen Fe-
murkondylus. Der proximale
Gefäßstiel (8) muss unbedingt
geschont werden! (1 Pes-
anserinus-Sehnen, 2, 3 A. und
V. poplitea, 4 N. tibialis,
5 M. soleus, 6 Plantarissehne);
b Hebung ohne proximale
Desinsertion am Muskel-
ursprung

Diese Eingriffserweiterung erfordert die gelenkübergreifende Schnittführung nach


proximal. Die Präparation erfolgt in diesem Fall nach zentral über den neurovaskulä-
ren Stiel hinaus. Bei Defektdeckung im Bereich des ventralen Kniegelenkes kann die
Lappenrotation durch das Unterfahren der Pes-anserinus-Sehnen verbessert werden.
Die Lappenhebung kann in Rückenlage des Patienten erfolgen. Das Bein ist
außenrotiert und im Kniegelenk leicht gebeugt. Die Hautinzision erfolgt 2 cm
dorsal der medialen Tibiakante (Abb. 3). Sie erstreckt sich vom medialen Tibia-
kondylus bis handbreit oberhalb des Innenknöchels. Die V. saphena magna und
der N. saphenus verbleiben ventral der Schnittführung. Die dünne Schicht zwi-
schen M. soleus und dem Gastrocnemiuskopf wird digital erweitert (Abb. 4). Zu
䉴 Schonung des N. suralis achten ist auf den 䉴N. suralis, der zwischen den beiden Muskelköpfen dorsal auf-
liegt und meist von einigen Fasern aus dem medialen Kopf bedeckt wird. Er wird
nach dorsal abgehalten. Der Muskel wird an seinem Übergang zur Achillessehne
scharf abgesetzt und nach proximal entwickelt, wobei er aus allen Verbindungen
bis auf den proximalen neurovaskulären Hilus herausgelöst werden kann (Abb. 5).
Die Trennung der beiden Gastrocnemiusköpfe muss von dorsal her erfolgen, die
dem M. soleus zugewandte Aponeurose bietet keinerlei Trennungslinie.

Der Unfallchirurg 6•2001 | 539


Abb.6 䉳 Haut/Weichteil-
brücken zum Defekt müs-
sen tunneliert oder bei
Gefahr der Einengung des
Lappens gespalten werden

Lateraler Gastrocnemiuskopf

Der laterale Gastrocnemiuskopf ist zum einen kürzer, zum anderen muss er bei
Deckung an der Ventralseite des Unterschenkels den Umweg um die Fibula nehmen.
Sein Einsatzgebiet sind laterale und ventrolaterale Defekte am proximalen Unter-
Die Fibulaosteotomie erweitert schenkel. Dieses Einsatzgebiet wird erweitert durch die Osteotomie der Fibula im
den Deckungsradius des lateralen Durchzugsbereich des Lappens.
Gastrocnemiuskopfes Der Patient befindet sich in Rückenlage mit angehobenem Gesäß, das Bein ist in-
nenrotiert und im Kniegelenk leicht gebeugt. Die Schnittführung erfolgt 2 cm dorsal
der Fibula, vom lateralen Tibiakondylus bis ca. 10 cm proximal des Außenknöchels.
Die Lappenhebung erfolgt analog der Technik für den medialen Kopf (Abb. 6, 7).

Musculus soleus
Der M. soleus eignet sich für Defektdeckungen im mittleren Drittel des Unterschen-
Der M.soleus ist meist vorteilhafter als kels (Abb. 8). Für längerstreckige Defekte entlang der Tibiavorderkante ist der Mus-
medialer Hemisoleuslappen einsetzbar kel vorteilhaft längsgespalten als medialer Hemisoleuslappen einsetzbar. Ein weite-
rer Vorteil ist unter bestimmten Voraussetzungen (s.u.) sein Einsatz als distal gestiel-
䉴 M. soleus: Gefäßversorgungstyp II ter Lappen für Defekte im distalen Drittel des Unterschenkels. Die 䉴Gefäßversor-
gung des Muskels entspricht dem Typ II mit proximaler Dominanz der Versorgung
über die A. fibularis und die A. tibialis posterior (Abb. 9). Diese Arterien entlassen
jeweils proximal einen Hauptast und im weiteren Verlauf nach distal größere Äste in
Muskelmitte und variable Äste ins distale Muskeldrittel.
Der Hautschnitt für die Lappenhebung verläuft 3 cm dorsal der medialen Tibia-
kante handbreit unter dem inneren Kniegelenkspalt beginnend bis zum Mittelpunkt
zwischen Innenknöchel und Achillessehne (Abb. 10). Nach Inzision der Fascia cruris

Abb.7 䉳 Die Spalthautdeckung


kann bei guter Durchblutung
des Lappens primär durchgeführt
werden

540 | Der Unfallchirurg 6•2001


Weiterbildung
Muskellappenplastiken
Abb.9 䉳 Die Blut-
versorgung erfolgt
über einen domi-
nanten Gefäßstiel
und mehrere kleine
Äste (Typ II der Ge-
Abb.8 䉳 Deckungs- fäßversorgung nach
bereich des Soleus- Mathes u. Nahai,
lappens (gestrichelt: hier am Beispiel des
medialer Hemisoleus) M. vastus lateralis)

gelangt man in die Loge der oberflächlichen Flexoren, die V. saphena magna und der
N. saphenus verbleiben ventral der Schnittführung. Die ventral anliegende Loge der
Tiefe Beugerloge schonen! tiefen Beuger sollte nicht eröffnet werden. Nach proximal beginnender digitaler Prä-
paration der avaskulären Schicht zwischen M. soleus und M. gastrocnemius wird der
M. soleus distal beginnend von der intermuskulären Faszie zu den tiefen Flexoren
gelöst. Durch diese Faszie entspringen aus dem Hauptgefäß zahlreiche Versorgungs-
äste, die ligiert werden müssen. Die distale Präparation zum M. gastrocnemius hin er-
folgt scharf, ebenso die Absetzung des M. soleus am Übergang zur Achillessehne.
Die Verwendung des Hemisoleus Die Rotation des Lappens an seinem proximalen Stiel wird durch die Verwen-
erleichtert die Lappenrotation dung von nur einer Längshälfte des M. soleus erheblich erleichtert (Abb. 11). Für den
Einsatz als medialer Hemisoleuslappen beginnt die Präparation peripher, der Mus-
kel wird von medial her vollständig bis zu seinem fibularen Rand mobilisiert. Die
Präparation nach proximal zeigt an der Vorderfläche des M. soleus die Ebene der Ra-
phe mediana. In der dorsalen Ansicht des M. soleus ist diese Mittellinie nicht zu er-
kennen, sie geht in der Achillessehne auf.

Abb.10 䉱 Der Hautschnitt für die Lappenhebung des M. soleus verläuft 3 cm dorsal der
medialen Tibiakante

Der Unfallchirurg 6•2001 | 541


Abb.11 䉳 Hebung des proximal
gestielten medialen Hemisoleuslap-
pens (2). Die Loge der tiefen Beuger (1)
wird nicht eröffnet (3 medialer Kopf
des M. gastrocnemius)

Der Zugang von lateral zum M. soleus ist möglich, aber nicht empfehlens-
wert. Der Zugang zu den medialen Muskelanteilen wird durch den Fibulaschaft
behindert. Die Kontrolle der proximalen Hauptgefäßversorgung ist technisch
schwierig.
Die Verwendung des M. soleus als distal gestielter Muskellappen erfordert nach
dem medialen Zugang die Schonung sämtlicher Muskeläste der distalen Lappen-
hälfte. Es empfiehlt sich, den proximalen M. soleus lediglich als medialen Hemiso-
leuslappen zu verwenden, da der Muskel nach proximal erheblich an Breite gewinnt
und Probleme in der Lappentorsion programmiert sind. In der präoperativen Pla-
䉴 Bei der Planung des distal nung dieses distal gestielten Lappens ist die Länge der soleusfreien 䉴Achillesseh-
gestielten Soleuslappens ist die ne zu berücksichtigen. Bei langer muskelfreier Achillessehne proximalisiert sich die
Achillessehnenlänge zu beachten Rotationsachse erheblich. Die Abklärung der Achillessehnenstrecke kann kernspin-
(Bestimmung durch NMR oder tomographisch oder sonographisch zuverlässig erfolgen. Die muskelfaserfreie
Sonographie) Strecke der Achillessehne sollte für einen distal gestielten Soleuslappen nicht mehr
als 6 cm betragen.

Abb.12 䉱 Zugang zur Hebung des Peronaeus-brevis-Lappens

542 | Der Unfallchirurg 6•2001


Weiterbildung
Muskellappenplastiken
Musculus peronaeus brevis
Dieser Muskellappen ist in seiner proximal gestielten Form nützlich bei Defekt-
deckungen über dem distalen Fibulaschaft bis zum proximalen Anteil des Außen-
knöchels. Der Zugang verläuft fingerbreit hinter der Fibula von Unterschenkelmitte
bis dorsal des Außenknöchels (Abb. 12). Die muskulären Anteile reichen bis unmit-
telbar dorsal des beginnenden Malleolus externus. In den meisten Fällen wird sogar
die Höhe des oberen Sprunggelenkes erreicht. Die Blutversorgung erfolgt aus der
A. peronaea und der A. tibialis anterior. Die kräftiger ausgebildeten Gefäße finden
sich proximal.
Die Funktion des Muskels kann komplett durch die Funktion des M. peronaeus
䉴 N. peronaeus superficialis longus kompensiert werden. Die Mobilisation des Muskels muss den 䉴N. peronaeus
schonen! superficialis respektieren. Die über dem M. peronaeus brevis liegende Sehne des
M. peronaeus longus wird mobilisiert und nach dorsal abgehalten, der Muskelbauch
Die Kontinuität der Sehne des des M. peronaeus brevis wird ohne Kontinuitätsdurchtrennung der Muskelsehne prä-
M.peronaeus brevis bleibt erhalten pariert. Die distalen 2/3 des Muskelbauchs können präpariert werden (Abb. 13).

Abb.13 䉱 Peronaeus-brevis-Lappen: die distale Muskelhälfte (2) wird von der Sehne (3)
ohne Kontinuitätstrennung abgelöst (1 M. peronaeus longus)

Die Hebung der proximalen Muskelanteile im Sinne eines distal gestielten Lap-
pens ist ebenso möglich. Der distale Stiel muss lang belassen werden, um die Lap-
pendurchblutung zu sichern, d. h. dass nur die proximale Hälfte des Muskelbauches
mobilisiert werden darf. In der distal gestielten Form eignet sich der Peronaeus-bre-
vis-Lappen als distale Ergänzung eines zu kurzen proximal gestielten Soleuslappens
für Defekte am Übergang vom mittleren zum peripheren Unterschenkeldrittel, late-
ralseitig.

Musculus tibialis anterior


Dieser Lappen ist geeignet zur Deckung longitudinaler, wenig breiter Defekte über der
䉴 M. tibialis anterior: vorderen Tibiakante im medialen Drittel (Abb. 14). Seine 䉴Gefäßversorgung erfolgt
Gefäßversorgungstyp IV durch segmentale Äste aus der A. tibialis anterior (Typ IV nach Klassifikation Ma-
thes u. Nahai, Abb. 15). Der Zugang von lateral erstreckt sich über die gesamte Mus-
Durch die Lappenpräparation kellänge (Abb. 16). Der M. tibialis anterior muss aus seinen großflächigen Anheftun-
gefährdete Strukturen: N.peronaeus gen an der lateralen Tibiafläche mobilisiert werden. Zu beachten ist der Verlauf des
profundus, A.und V.tibialis N. peronaeus profundus sowie der anterioren Arteria und V. tibialis, die in der Loge
des M. tibialis anterior auf der Membrana interossea ziehen.

Der Unfallchirurg 6•2001 | 543


Abb.15 䉳 Die Gefäßver-
sorgung des M. tibialis
Abb.14 䉳 Deckungs- anterior erfolgt segmen-
bereich des M. tibialis tal (Typ IV nach Mathes
anterior u. Nahai)

Die Kontinuität der Sehne des M.tibialis Eine Verwendung des M. tibialis anterior als gestielter Lappen mit proximaler oder
anterior muss erhalten bleiben auch distaler kompletter Durchtrennung verbietet sich aufgrund des erheblichen Funk-
tionsverlustes im oberen Sprunggelenk mit entscheidender Störung der Dorsalflexion so-
wie Gangstörungen und Dysbalancen des Fußquergewölbes. Statt dessen kann der Mus-
䉴 „Ziehharmonika-Technik“ kelbauch 䉴ziehharmonikaartig über die ventrale Tibiakante gezogen werden und am
medialen Weichteildefektrand fixiert werden (Abb.17).Hierzu wird der mobilisierte Mus-
kelbauch auf Seiten der Membrana interossea längsgespalten bis auf die zentral im Mus-
kel verlaufende Sehne. Die auf diese Weise gewonnene längsverlaufende mediale Mus-
kelmasse kann zur Defektdeckung an der mittleren Tibiavorderkante verwendet werden.
Für die Dauer der Einheilung des Lappens ist das obere Sprunggelenk in Neutralstellung
ruhigzustellen.Vorteilhaft erfolgt diese Ruhigstellung durch einen transartikulären Fixa-
teur externe, um die gute Beurteilbarkeit des Weichteilschadens sicherzustellen.

Abb.16 䉱 Zugang zum M. tibialis anterior lateral der vorderen Tibiakante

544 | Der Unfallchirurg 6•2001


Weiterbildung
Muskellappenplastiken
Distal gestielter Suralislappen
Dieser Lappen eignet sich für Defekt-
deckungen über der Achillessehne bis
zur Fersenrückseite und zur Defekt-
deckung um den Malleolus lateralis. Es
handelt sich um einen fasziokutanen
Lappen. Der Stiel besteht aus der Subku-
tis, der Faszie und dem Bündel des N. su-
ralis. Der Hautschnitt verläuft dorsal
mittig über der distalen Wade, er zieht
über dem Verlauf des N. suralis nach
proximal, die zu hebende Weichteilinsel
Lappenstiel und -insel werden sowie der Stiel werden präoperativ an-
präoperativ angezeichnet gezeichnet (Abb. 18).
Beiderseits des Lappenstiels wird die
Subkutis einschließlich der Fascia cruris
inzidiert bis zur fasziokutanen Insel. Zu-
flüsse aus der A. fibularis, welche die Fas-
zie durchbrechen,müssen ligiert werden.
Abb.17 䉳 Defekt- Der Rotationspunkt des Lappenstiels be-
deckung mit Tibia- findet sich etwa 6–8 cm proximal des
lis-anterior-Lappen: Malleolus lateralis. Der Hebedefekt des
der Muskel kann im Stieles kann durch primäre Naht ver-
medialen Drittel der
Tibia nach Mobilisie-
schlossen werden.Der Wadendefekt wird
rung über die Tibia- mit Spalthaut gedeckt. Im Verlauf des
kante transponiert neuen Lappenstielbettes wird die Haut
werden inzidiert und der Stiel eingelagert.

Abb.18 䉱 Schnittführung für den distal gestielten A.-suralis-Lappen:


der Drehpunkt liegt 3 Querfinger über dem Achillessehnenansatz

Literatur
1. Byrd HS, Cierny G,Tebbetts JB (1981) The management of open tibial fractures with associated soft-tissue
loss: external pin fixation with early flap coverage.Plast Reconstr Surg 68: 73–82
2. Krettek C (1998) Fraktur und Weichteilschaden.Chirurg 69: 684–700
3. Markmiller M,Tjarksen M, Mayr E, Rüter A (2000) The unreamed tibia nail.Multicenter study of the
AO/ASIF.Langenbecks Arch Surg 385: 276–283
4. Masquelet AC, Gilbert A (1995) An atlas of flaps in limb reconstruction.The livery house, London
5. Mathes SJ, Nahai F ( 1982) Clinical applications for muscle and musculocutaneous flaps.
Mosby Comp., St.Louis Toronto, London
6. Muhr G (1991) Therapeutische Strategie bei Frakturen mit Weichteilschaden.Chirurg 62: 361–366
7. Runkel M,Wenda K, Degreif J, Blum J (1996) Ergebnisse nach primärer ungebohrter Tibianagelung von
Unterschenkelfrakturen mit schwerem offenem oder geschlossenem Weichteilschaden Unfallchirurg
99: 771–777

Der Unfallchirurg 6•2001 | 545


Fragen zur Erfolgskontrolle 3.Welche Maßnahmen führen zu einer 5. Die Anwendung des distal gestielten
Zunahme des Deckungsradius beim Soleuslappens
1.Wann sollte die plastische Defekt- Einsatz des medialen bzw. lateralen 1. erfordert die Schonung sämtlicher
deckung nach einem Hochenergie- Gastrocnemiuslappens? Muskeläste der distalen Lappenhälfte.
trauma des Unterschenkels 1. Querinzisionen der Faszie an der Lappen- 2. setzt die Kenntnis der individuellen Länge
vorgenommen werden? unterseite. der soleusfreien Achillessehne voraus
a) Nach Konsolidierung der Weichteile 2. Osteotomie der Fibula im Durchzugbereich (sonographisch oder kernspintomogra-
während der ersten beiden Wochen nach des lateralen Gastrocnemiuslappens. phisch objektiviert).
Trauma. 3. Proximale Desinsertion des Muskelbauches. 3. stellt die Standardversorgung bei
b) Sofort am Unfalltag. 4. Mechanische Dehnung des Lappens. Weichteildefekten des distalen Unter-
c) Immer erst nach erfolgter Frakturkonsoli- 5. Mobilisierung des Hauptgefäßstieles. schenkeldrittels dar.
dierung. a) Richtig sind 1 und 2. 4. ist seitens der Lappenvaskularität
d) Frühestens anlässlich eines Verfahrens- b) Richtig sind 3, 4 und 5. prekärer als der proximal gestielte
wechsels. c) Richtig ist 2. Soleuslappen.
e) Immer vor Stabilisierung der Fraktur. d) Richtig sind 1, 2 und 3. 5. bietet bei langer Achillessehne das
e) Alle Antworten sind richtig. Problem der proximalen Rotationsachse.
2.Wie definiert sich der Hauptgefäßstiel a) Richtig sind 1 und 2.
eines Muskellappens? 4.Warum kann der M. tibialis anterior b) Richtig sind 1, 2 und3.
a) Der Hauptgefäßstiel ist das kaliberstärkste nicht als gestielter Lappen eingesetzt c) Richtig ist 3,
zuführende Gefäß. werden? d) Richtig sind 1, 2, 4 und5.
b) Die Ligatur des Hauptgefäßstieles führt zur a) Der Muskelbauch ist zu kurz. e) Alle Aussagen sind richtig.
Nekrose des versorgten Muskels. b) Die Gefäßanatomie des Muskels ist unge-
c) Den Hauptgefäßstiel begleitet immer das eignet. Einsendeschluss: 23. Juli 2001
komplette motorische Neuron. c) Die Funktionsverluste bezüglich der Dor-
d) Der Hauptgefäßstiel mündet immer salflexion des Fußes mit konsekutiver Die Antworten finden Sie
proximal in seinen Muskel. Gangstörung wären zu erheblich. in Heft 8/2001
e) Der Hauptgefäßstiel entspringt immer d) Der Schwenkradius ist zu gering
aus der Aorta. e) Der M.tibialis anterior ist bei Unterschen- Auflösung aus Heft 4/2001:
kelfrakturen meist zu erheblich geschädigt. 1d, 2c, 3b, 4b, 5e

546 | Der Unfallchirurg 6•2001


Ihre Abonnentennummer
✄ / / / Der Unfallchirurg
Zertifizierungsfragebogen
1
Wenn Ihre Abonnentennummer vor dem Schrägstrich weniger als sieben
Ziffern aufweist, füllen Sie die verbliebenen Felder vorne bitte mit Nullen auf.
Druckschrift erforderlich
te den
Vorname/ d en Sie bit LINK
n
Name: verwe Der hier in die
hten, . r
h men möc Zeitschrift swegen fü ie
un g teilne au s Ihrer d kann de t auch d
izier agebogen ar un s te h .
Straße: r Zertif r nlesb iv be ne.de fi
Sie an de n Originalf t maschine . Alternat edizinonli

Faxanschlag
Wenn sbare t nich e rd e n ww.m
inenle gen is tigt w ttp://w
masch te Fragebo erücksich ng unter h
Plz./Ort: leg b ru
aufge tung nicht e-Zertifizie
er lin
Ausw keit der On
ch
Mögli
Fax: - fi

Dieser Antwortbogen bezieht sich auf die Fragen des vorausgehenden


Weiter- und Fortbildungsbeitrags.
Aus Gründen der korrekten Identifizierung können an dieser Aktion nur
Abonnenten von DER UNFALLCHIRURG teilnehmen; deswegen ist die Angabe
Ihrer Abonnentennummer obligatorisch. Ihre Abonnentennummer finden Abonnentennummer (Beispiel)
Sie auf dem Adressaufkleber Ihrer Zeitschrift zu Beginn der dritten Zeile bzw.
auf Ihrer Rechnung neben dem Wort „Auftragsnummer“. Ihre Abonnen-
tennummer besteht aus bis zu sieben Ziffern, einem Schrägstrich und zwei
darauffolgenden Ziffern (siehe rechts).
(In Ausnahmefällen fragen Sie nach Ihrer Abonnentennummer unter 06221/3450.)

Unleserliche Fragebögen bzw.Fragebögen mit falscher Abonnentennummer


bzw.falscher Faxnummer können nicht berücksichtigt werden.

Die richtigen Antworten erscheinen in der übernächsten Ausgabe von


DER UNFALLCHIRURG am Ende der Rubrik „Weiter- und Fortbildung“.

Im Juni und Dezember 2001 faxen wir Ihnen die Auswertung Ihrer Antwortfeld: (nur eine Antwort
eingesandten Antwortbögen zu. Darum benötigen wir zwingend pro Frage ankreuzen)
Ihre Faxnummer.
a b c d e
Noch einfacher ist die Teilnahme online unter www.medizinonline.de.Wenn
Sie Ihren Fragebogen online ausfüllen, erhalten Sie die Auswertung per 1
E-Mail.Zusätzlich können Online-Nutzer Ihren aktuellen Ergebnisstand jederzeit
abrufen;das aktuelle Ergebnis natürlich erst nach dem Einsendeschluss. 2
Mit dem Absenden des Antwortbogens stimme ich zu,dass meine Daten für 3
die Auswertung der Zertifizierungsbögen gespeichert werden und ich an
die angegebene Faxnummer eine Auswertung geschickt bekomme. Der 4
Verlag versichert, dass die Daten nur zu diesem Zweck verwendet werden.
5 fi
Faxanschlag

6
Einsendeschluss (Eingang im Verlag) ist der 23.07.2001
7 fi
Senden Sie den Fragebogen bitte nicht auf dem Postweg zurück,
sondern an: Fax-Nummer: 06221/616477 8
(nur in Originalgröße faxen)
9

10
Ort, Datum Unterschrift
s001130100241

Der Unfallchirurg 6•2001 | 547

Das könnte Ihnen auch gefallen